Kriegsende in Weilheim: Eine Darstellung der militärischen Ereignisse in Weilheim/Oberbayern im April 1945
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In dieser Darstellung wird auf bisher nicht veröffentlichte Dokumente aus dem Stadtarchiv zurückgegriffen. Ergänzt um die Kriegstagebuchaufzeichnungen der damals eingesetzten US-amerikanischen Truppenteile ergibt sich ein interessantes neues Lagebild.
Robert J. Huber
Robert J. Huber, 1959 in München geboren, Betriebs- und Volkswirt, war lange Zeit aktiver Offizier der Bundeswehr in verschiedenen Funktionen. Seit über zwanzig Jahren arbeitet er als Lehrer für wirtschaftswissenschaftliche und technische Fächer an bayerischen Gymnasien und Realschulen. Privat erforscht er militärgeschichtliche Zusammenhänge.
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Kriegsende in Weilheim - Robert J. Huber
sind.
1. Nationalsozialistische Strukturen in Weilheim
Oberbayern war immer ein schwieriges Pflaster für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Zwar gab es nach der Gründung am 20.02.1920 in München¹ rasch erste Erfolge, z. B. konnte der neugewählte Parteiführer Adolf Hitler schon ein Jahr später im Zirkus-Krone-Bau vor rund 5.600 Zuhörern bezeichnenderweise zum Thema „Zukunft oder Untergang sprechen², trotzdem führte 1933 der neu gegründete „Gau
München-Oberbayern nur gut 3 % der Bevölkerung als Parteimitglieder.³ Sehr zum Ärger des Gauleiters Adolf Wagner (*01.10.1890, † 12.04.1944) gab es fast überall im Reichsgebiet höhere Werte. Vielleicht auch zum Ausgleich für die schlechte Mitgliederquote trat er als besonders fanatischer Nazi auf. Zusammen mit dem Münchner Polizeipräsidenten Heinrich Himmler gründete er schon im März 1933 das Konzentrationslager Dachau. Wagner war zugleich stellvertretender Ministerpräsident sowie bayerischer Innen- und Kultusminister. Am meisten Macht verlieh ihm allerdings die Gauleiter-Funktion. Gauleiter waren direkt dem Führer unterstellt und Wagner hatte ein besonders gutes Verhältnis zu Hitler. Seine „fähigsten Mitarbeiter setzte Wagner in wichtige Parteiämter ein, z. B. als einen der 26 „Kreisleiter
im Gau. Dabei kamen so gut wie immer Alt-Nationalsozialisten der ersten Stunde zum Zuge. Der Kreis Weilheim-Murnau ging an den Volksschullehrer Ludwig Siegerstetter (1890 - 1950)⁴; in seiner Geschäftsstelle, Am Mittleren Graben 10 in Weilheim, hatte er lediglich sieben Mitarbeiter. Es fehlten einfach Parteimitglieder. Vor allem mangelte es in ganz Oberbayern an fähigen, vom Nationalsozialismus tief überzeugten Führungskräften.⁵
Das führte in Weilheim im Jahr 1934 zur kuriosen Situation, dass für den erkrankten Bürgermeister ein gerade mal fünfundzwanzig Jahre alter Verwaltungsbeamter des mittleren Dienstes⁶ aus München zum Nachfolger erkoren wurde: Der hochgewachsene Hans Wiedenmann (*09.05.1909 †08.02.1999) hatte sich als SS-Mitglied bei zahlreichen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern, z. B. am 01.02.1931 bei einer „Saalschlacht in Murnau, als „schlagkräftig
erwiesen und trug das goldene Parteiabzeichen: Wiedenmann bezog eine geräumige Dienstwohnung (mietfrei, was zunächst geheim gehalten wurde) und erhielt dazu eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 300 Reichsmark (RM) netto. Das war damals viel Geld; ein Facharbeiter hatte einen Stundenlohn von etwa 1 RM, bei einer üblichen 48-Stunden-Woche also etwa 200 RM brutto im Monat.
Abb. 1: Hans Wiedenmann
im Jahr 1934. Foto in der
Münchner Zeitung vom
05.11.1934, S. 8
Abb. 2: Münchner Zeitung vom 05.11.1934, S. 8. Die Abkürzung Pg.
steht für
Parteigenosse
.
Die Parteileitung unternahm einiges, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. So sollte die 7.000-Einwohner-Stadt 1935 ein neues Rathaus erhalten. Auch um die Finanzierung sicher zu stellen, holte man die Stadtsparkasse „ins Boot". Geplant war ein repräsentativer Bau mit einer Schalterhalle im Erdgeschoss und Verwaltungsräumen in den oberen Stockwerken. Bei einem Architektenwettbewerb gab es mehr als 50 Entwürfe, gewonnen hat Johann August Simbeck aus München. Es ist anzunehmen, dass die NSDAP alle Wettbewerbsteilnehmer überprüfte. Ursprünglich sollte das Gebäude der Stadt gehören und die Stadtsparkasse durch eine Mietvorauszahlung für sechzig Jahre in Höhe von 120.000 RM den Bau finanzieren.
Die Fachaufsicht der Regierung von Oberbayern lehnte diesen abenteuerlichen Vorschlag ab. Die Baukosten wurden mit 196.000 RM veranschlagt, 2/3 davon konnte die Stadtsparkasse aus Eigenmitteln aufbringen, 1/3 die Stadt aus ihrem Vermögen. An der feierlichen Grundsteinlegung 1935 nahmen natürlich die örtlichen Partei- und Verwaltungsgrößen teil:
Abb. 3: Grundsteinlegung zum Weilheimer Rathausbau. Links, mit Vollbart, im
Profil, Kreisleiter Ludwig Siegerstetter. Rechts daneben, Ortsgruppenleiter Alois
Urlberger. Rechts daneben, mit Amtskette in schwarzer SS-Uniform, Bürgermeister
Hans Wiedenmann. Vorne rechts, mit weißem Arbeitskittel und Hut,
Maurermeister Konrad Oswald. Foto: Stadtarchiv Weilheim.
Für die ortsansässigen Handwerksfirmen war das ein willkommener Großauftrag und für die Parteiführung ein Propagandaerfolg. Damals waren Bauvorhaben vor allem Handarbeit. Viele bislang Arbeitslose hatten wieder Lohn und Brot.
Abb. 4: Rathausbaustelle in Weilheim, Herbst 1935. Foto: Stadtarchiv Weilheim.
Der tatsächliche Baukostenaufwand belief sich dann auf 321.749 RM. Die Mehraufwendungen musste die Stadtsparkasse tragen, dafür erhielt sie einen größeren rechnerischen Anteil am Grundstück.
Auch damals gab es schon zu niedrige Baukostenschätzungen.
Natürlich hat die Parteiführung das Bauvorhaben und das Richtfest groß inszeniert. Allerdings mit mäßigem Erfolg, was die Zahl der Parteimitglieder anging. Das Staatsarchiv in München verzeichnet für Weilheim im Jahr 1936 lediglich 326 NSDAP-Mitglieder – etwa 4,5 % der Einwohner, weit unter dem Landesdurchschnitt.
Abb. 5: Richtfest des Rathausneubaus in Weilheim 1935 Foto: Stadtarchiv Weilheim.
Abb. 6: Fertigstellung des Rathauses 1936. Das Kruzifix im Vordergrund ließ die
Parteiführung stehen; es wurde erst im Zuge einer Straßenverbreiterung nach dem
Krieg versetzt. Foto: Stadtarchiv Weilheim.
1936 bereitete sich das Deutsche Reich auf einen neuen Krieg vor. Adolf Hitler befahl die „Wehrhaftmachung; in vier Jahren sollte die deutsche Wirtschaft „kriegsfähig
und die Armee einsatzfähig sein.⁷ So entstand ein Vier-Jahres-Plan zur Aufrüstung mit zahlreichen Kasernenneubauten und Investitionen in die Infrastruktur. Auch in Weilheim ging deshalb die Arbeitslosigkeit zurück. In diesem Zusammenhang ist der Bau der „Olympiastraße" von München über Weilheim nach Garmisch zu den Olympischen Spielen zu erwähnen.
Allerdings fehlte es an Geld und viele Vorhaben waren unwirtschaftlich. Hermann Göring, Bevollmächtigter des Vier-Jahres-Plans machte bei einer Rede die Vorgabe: „Egal, was es kostet!"⁸ Die Reichsführung behalf sich deshalb mit einer Tarnorganisation um die enormen Ausgaben zu verschleiern (schon nach wenigen Jahren waren das über 10 Milliarden Reichsmark): Die auf Anweisung der NS-Regierung im Mai 1933 von Krupp, Siemens, Gutehoffnungshütte und Rheinmetall gegründete „Metallurgische Forschungsanstalt (mefo) verfügte angeblich über erhebliche Finanzmittel (in Wirklichkeit war es nur eine Million Reichsmark) und „garantierte
die Rückzahlung der Wechselkredite bis 1938 „oder später" – eine gigantische Staatsverschuldung und eine versteckte Inflation.
Zeitgleich stellte man wirtschaftlich erfolgreiche und zugleich ressourcensparende Unternehmen besonders heraus, es entstand im ganzen Reich ein „Leistungskampf der Betriebe. Die „Deutsche Arbeitsfront
entwickelte das Modell eines „nationalsozialistischen Musterbetriebs", welcher dann jeweils am 1. Mai von Adolf Hitler persönlich ausgezeichnet wurde und am Betriebsgebäude eine goldene nationalsozialistische Fahne hissen konnte/musste. In Weilheim war das 1938 beim Sägewerks- und Holzverarbeitungsbetrieb Fritz Neidhart der Fall.
Abb. 7: Hauptgebäude des nationalsozialistischen Musterbetriebes
Fritz
Neidhart 1938 mit goldener Fahne der Deutschen Arbeitsfront. Foto: Stadtarchiv
Weilheim.
In der Presse wurde groß berichtet. Allerdings lässt sich feststellen, dass dieser Betrieb damit nicht – wie andere das taten – groß Werbung machte. Das Wohl der Arbeiter bei zugleich modernen, Rohstoff sparenden Produktionsverfahren war hier wohl wichtiger als die nationalsozialistische Gesinnung.
Abb.