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Last Viking - Die Rache der Wikinger
Last Viking - Die Rache der Wikinger
Last Viking - Die Rache der Wikinger
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Last Viking - Die Rache der Wikinger

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About this ebook

Der Kampf um den Norden hat begonnen …
Nach Jahren im Exil ist der Wikinger Harald zu einem mächtigen Krieger herangereift. Auf dem Schlachtfeld gilt er als unbesiegbar. Doch nie verlor er sein Ziel aus den Augen: den Thron seiner Ahnen zurückzuerobern. Harald reist in die alte Heimat zurück. Angetrieben von dem Willen, die Völker des Nordens unter seiner Herrschaft zu vereinen, scheint ihm jedes Mittel recht, denn die alten Könige des Nordens sind nicht bereit, sich Harald kampflos zu ergeben …

Der zweite Teil der wahren Geschichte um den Wikingerfürsten Harald Sigurdharson
LanguageDeutsch
Release dateJul 15, 2019
ISBN9783961880607
Last Viking - Die Rache der Wikinger

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    Last Viking - Die Rache der Wikinger - Poul Anderson

    Sighvat

    I

    VON KÖNIGEN IN NORWEGEN

    1

    Mit vielen Schiffen und Männern unter ihrem Kommando segelten König Magnus und König Harald nach Jütland.

    Dort gingen sie an Land und plünderten wild. Ihr Feind Svein stellte sich ihnen nicht entgegen, sondern führte seine eigene Flotte ostwärts nach Schonen, um abzuwarten, bis er hörte, dass die Norweger nach Hause gefahren waren. Die Jüten selbst hoben unter einem mächtigen Freibauern, Thorkell Geysa, der auf dem Thing von Viborg Svein zum König von Dänemark ausgerufen hatte, eine Streitmacht aus, doch in einer harten Schlacht wurden sie besiegt und Thorkell selbst als Gefangener mit zurück nach Norwegen gebracht.

    Dorthin steuerten Magnus und Harald im Herbst und waren sich einig, dass sie im nächsten Jahr mit einer richtigen Armee zurückkehren und die Dänen für immer niederschlagen würden. Magnus zog direkt nach Nidaros, aber Harald, der mehr von diesem Land, das er erobert hatte, sehen wollte, fuhr in den Sognefjord.

    Immer weiter hinein fuhren seine Schiffe, unter hohen Klippen, die von Wäldern gekrönt waren und gelegentlich das schlanke Glitzern eines Wasserfalls zeigten, einen knorrigen Baum, der sich in eine Spalte klammerte, einen Bauernhof, der sich winzig auf den Höhen duckte. Das Wasser war kalt, dunkel und klar. Wolken, die über die Steilhänge geweht wurden, erweckten den Eindruck, als würden diese ständig herabstürzen. Ein Adler kreiste weit über ihnen auf sonnengoldenen Schwingen.

    »Dies also ist dein Land«, sagte Elisabeth. Ihre Stimme war sehr leise, als würde sie von der Gewaltigkeit um sie herum zerquetscht. »Jetzt verstehe ich, was dich geformt hat.«

    »Meine Provinz ist weniger grandios«, antwortete Harald. »Aber mein Blut stammt aus solchen Quellen, wie du sie hier siehst. Sogar das Wort ›Wikinger‹ bedeutet, ein Mann aus dem vik, der Bucht.«

    Sie erschauderte ein wenig.

    Harald verließ seine Schiffe unter Bewachung am Strand und ritt an der Spitze so vieler Krieger, wie sie Pferde hatten, in die Berge fort. Durch eine dichte Wildnis kamen sie, wo Flüsse in die tiefen Wälder der Täler rauschten, aufgeschreckte Vögel zu Tausenden donnernd in den Himmel stiegen, Wölfe heulten und oft die mächtigen Gestalten von Elch oder Auerochse die Hörner zum Himmel reckten. Der Wohnhäuser waren nur wenige, weit auseinander, meistens klein und armselig, inmitten von Feldern, die man dem Wald abgerungen hatte. Ein Haus konnte dem König, der Königin und vielleicht zwei oder drei weiteren Schutz bieten, doch der Rest der Truppe musste draußen die Schlafsäcke ausrollen. Am Abend dann hörten die Gäste oft furchterregende Geschichten darüber, was auf dem Land spukte: Elfen und Draugr, Werbären und Trolle. Keine Hausfrau vergaß, eine Schüssel Milch für den Herdgoblin aufzustellen, und an Festtagen wurden an den Grabhügeln lange verstorbener Anführer Opfer dargebracht. Ach, war das ein Rauschen von Regen und Wind in der Nacht, oder war es ein Geist, der mit den Fersen auf dem Dach stampfte? Einige Männer schworen, sie hätten die Wilde Jagd gesehen, den einäugigen Odin, der die unheiligen Toten auf ihrer ewigen Jagd durch die Luft anführte, mit dröhnenden Hörnern und jaulenden Hunden, aus deren Mäulern Flammen stoben.

    Jenseits dieser Gegend führten die Hänge bergab in das große Tal namens Gudbrandsdal. Dort war die Bevölkerung wohlhabend. Thori von Steig hieß Harald willkommen, und der König blieb einige Zeit bei ihm, während seine Macht wuchs. Neben seinen ausgewählten Gefolgsleuten zog er viele junge Männer an, die von ihm gehört hatten und dachten, dass sie in seinen Diensten aufsteigen konnten. Binnen kurzer Zeit hatte er einen eigenen Hofstaat von einer guten Größe.

    Weil er noch kein eigenes Heim besaß, ließ Harald Elisabeth und Maria bei Thori und erneuerte die alte Praxis: dass ein König einen Anführer nach dem anderen besuchen sollte und die Kosten seines Aufenthalts bei ihnen als Teil ihrer Steuern angerechnet wurden. Er hörte, dass Magnus es in diesem Winter ähnlich hielt.

    Als er durchs Hochland ritt, befragte er ständig das Volk, um zu erfahren, wie die Dinge im Reich standen. Seine Sorge galt dem Geld. So viel er auch bereits hatte, es würde nicht reichen, wenn er nicht anfangen konnte, die Steuern einzutreiben, die ihm zustanden. Bei einer herrschaftlichen Halle wurde ihm erzählt, dass die Ernte schlecht gewesen sei und es nicht genug verfügbares Geld gebe, um zu bezahlen.

    »Nun«, sagte Harald, »du hast große Ländereien. Du kannst etwas davon verkaufen.«

    »Mein Herr, das ist Odal-Land«, protestierte der Anführer. »Nach dem Gesetz darf es nicht außerhalb der Familie verkauft werden, und keiner meiner Verwandten würde es mir abkaufen wollen.«

    »Ich kenne das Gesetz«, sagte Harald ungeduldig. »Aber ich weiß auch, dass du mit deinen Rindern oder der nächsten Ernte als Sicherheit etwas leihen kannst.«

    Der Anführer schluckte seinen Zorn hinunter, als er die bewaffnete Leibwache sah. »Wenn du nur ein Jahr warten könntest, mein Herr … Die Zinsen sind so hoch.«

    Harald runzelte die Stirn. »Nein«, sagte er. »Ich kenne eure Sorte. Der König gibt euch den kleinen Finger, und ihr fresst seinen ganzen Arm. Wenn die Steuern bis Frühling nicht bezahlt sind, beschlagnahme ich das Land.«

    Als er davonritt, sagte einer von denen, sie sich ihm kürzlich angeschlossen hatten: »Mein Herr, dies ist nicht der richtige Weg, um ihre Freundschaft zu gewinnen. Ich habe sie reden hören, als du außer Hörweite warst, dass der gute König Magnus nicht so gegen sie handeln würde.«

    »Magnus ist ein Narr«, sagte Harald bitter. »Er glaubt, es ist noch wie vor hundert Jahren. Ich sage, dass es das nicht ist. Wenn der König nicht stark ist, ist das Königreich schwach – leichte Beute für das erste wilde Tier, das daherkommt.«

    »Wie viel von deiner Sorge gilt dem Reich«, fragte Halldor, »und wie viel dir selbst? Sei nicht zu gierig, Harald. Derjenige, der nach zu viel greift, wird fallen.«

    »Du hast die Seele eines Freibauern«, sagte Ulf.

    »Ich folge dem Rest von euch«, sagte Halldor. »Wann habe ich mich vor Ärger gedrückt? Aber ich werde mich nicht viel länger an derartigen Dingen beteiligen.«

    Harald blieb schweigsam. Er war an Halldors Scharfzüngigkeit gewöhnt, doch er grübelte über Magnus. Diese geteilte Herrschaft konnte nichts Gutes bringen, und ihm schien es, dass sich der jüngere Mann die Liebe des Volkes mit der Stärke des Volkes erkaufte.

    Auf einem großen Hof im Hochland stellte er fest, dass sein Neffe ebenfalls zu Gast war. Magnus grüßte ihn ohne Wärme, und als sie sich allein wiederfanden, platzte er heraus: »Harald, ich habe Gerede über dein Handeln gehört. Ich hatte nicht vor, so zu regieren.«

    »Du hast mir meinen Anteil an der königlichen Macht und am Einkommen versprochen«, antwortete Harald. »Ich habe es mir nur genommen.«

    Magnus blickte zu seinem Onkel hoch, der ohne Lächeln auf dem Gesicht über ihm aufragte. »Du handelst zu hart«, sagte er. »Dafür haben Könige schon ihren Thron und manchmal ihr Leben verloren.«

    »Weil die Anführer und das gemeine Volk keine Veränderung haben wollten, selbst wenn Veränderung nötig war«, fauchte Harald. »Als ich im Süden war, habe ich gesehen, wie ein Reich nach dem anderen unterging, weil es schwach regiert wurde. Das Kaiserreich war stark, weil alle Macht an einer Stelle lag. Dennoch hätte es stärker sein können, hätten die Kaiser selbst die Zügel übernommen, statt ihre Geschäfte von Eunuchen regeln zu lassen.«

    »Ich zweifle sogar an der Weisheit unseres Streits mit Svein«, sagte Magnus unglücklich. »Gott hat uns Norwegen geschenkt, und wir könnten es friedlich halten. Der Versuch, mehr zu erobern, könnte uns vielleicht nur zu unserem Untergang führen.«

    »Ist das Olafs Sohn?«, spottete Harald.

    Magnus errötete. »Meine Freunde und ich haben Knuts Kreatur vertrieben und die Wenden zerschmettert, während du dich in der Welt herumgetrieben und nicht mehr Gutes getan hast, als dich selbst zu bereichern. Nenn mich nicht Feigling, außer du bist bereit zu kämpfen.«

    Harald drehte sich um und ging von ihm weg, weil er sich selbst nicht genug vertraute, um weiterzusprechen.

    Danach gab es, wenn er zufällig Magnus wieder auf seinen Reisen traf, oft hitzige Worte zwischen ihnen. Ein Verwandter der Haarekssöhne in Haalogaland, der Magnus nie verziehen hatte, erzählte Harald, dass sein Neffe ein Komplott gegen ihn schmiedete. Harald bezweifelte das – für so stur und fehlgeleitet er den jungen Mann auch hielt, er glaubte, dass er aufrichtig war –, aber vielleicht würde es eines Tages wahr werden. Umso wahrscheinlicher, weil Einar Thambaskelfirs Freunde Harald ständig bei Magnus schlechtmachten.

    Sie waren allerdings nach außen hin immer noch befreundet, als sie sich in Nidaros trafen.

    2

    Trotz seiner Größe hatte der Trondheimfjord nicht die Pracht anderer Fjorde, denn hier bildete ein großer Einschnitt im Gebirge das weite, wohlhabende Tröndelag. Wo der Fluss Nidh in die Bucht floss, war eine Stadt gewachsen und der Sitz des Königs geworden. Harald fand, dass sie zu weit vom Rest der Welt entfernt lag. Im Norden verlor sich das Land in den Weiten der Finnmark und den kalten Fischgründen der Lofoten, Eis und Wald, Sumpf und düstere Hügel. Besser, weiter südlich eine Hauptstadt zu haben, zum Beispiel am Oslofjord, wo Dänemark nahe und das Volk weniger rebellisch war. Aber er sah sich interessiert um, als er nach Nidaros hineinritt.

    Holzhäuser umgaben ihn, Galerien an den oberen Stockwerken, bunt bemalte Firste, Schnee schwer auf hoch aufragenden Dächern. Er sah Läden, Ställe, Schmieden, Werften, Lagerhäuser. Einige Tausend Menschen lebten hier. Von einem freien Platz konnte er sehen, wie das Land steil über die Stadt anstieg, am Hang die halbfertige Olafskirche und eine steinerne Halle, die Magnus bauen ließ. Die Bewohner, struppige Männer und große, kräftige Frauen, waren gegen den kühlen, feuchten Wind in viele Schichten Kleidung gewickelt, doch sie wirkten alle gut genährt. Harald bemerkte, dass die meisten Männer auf einem Speer oder einer Axt lehnten und mit stillem Misstrauen beobachteten, wie er vorbeiritt. Die Thronden hatten mehr als einen König gebrochen, der ihnen nicht gefallen hatte.

    Harald stieg vor der königlichen Halle ab und trat mit seinen engsten Gefolgsleuten ein. Wie es selbst in der Stadt üblich war, bildeten deren Nebengebäude ein Quadrat um einen gepflasterten Hof. Die Halle selbst, die zum Essen und Trinken genutzt wurde, war geräumig: an einem Ende lagen Eingang und Vorraum, der Rest wurde von einer einzigen großen Kammer eingenommen. Die Fensterläden an den kleinen, hohen Fenstern waren geöffnet. Schwaches Licht schien durch die dünn abgekratzten Därme, die sie bedeckten, und durch das Rauchloch im Dach, doch ein Großteil des Lichtes kam von den flackernden Feuern in drei langen Gruben. Die Säulen und Paneele waren üppig mit geschnitzten Ranken, Schlangen und Figuren verziert. An den Wänden hingen Felle, Geweihe, Waffen und Wandteppiche. Der Boden war dick mit Läufern belegt. Männer saßen auf Bänken herum, die an den Wänden aufgestellt waren, und Hunde schlummerten zu ihren Füßen. Dies waren die sturen, dickköpfigen, norwegischen Anführer und Krieger, die Magnus‘ Hof bildeten. Sie standen auf, als Harald hereinkam, aber keine große Freundlichkeit stand in ihren verschlossenen Mienen geschrieben.

    Er blieb stehen. Ärger lag in dieser rauchigen Luft. Er konnte ihn beinahe riechen. Der andere König war nicht in Sicht, also ging er weiter, setzte sich auf den Hochsitz und winkte einer Frau nach Met.

    »Wo ist Magnus?«, fragte er einen der Männer in seiner Nähe. »Spricht allein mit seiner Mutter.« Sein Tonfall war unverschämt, doch Harald beschloss, nicht mit ihm zu streiten. Als Versuch, die Anspannung zu lockern, fragte er laut: »Gibt es hier keinen Skalden, der uns einen Vers vortragen kann?«

    Ein junger Mann mit dickem Leib, groben, sommersprossigen Gesichtszügen, struppigem Haar und Bart stand auf. »Ich bin einer der Skalden des Königs«, sagte er. »Ich werde einen Reim für dich machen.« Er hielt einen Moment inne, dann sprach er:

    Wohlbekannter König, zerteilt hast du

    mit Kielen die Straße des Seepferds,

    als damals im Westen nach Dänemark

    Drachen die Wasser durchpflügten.

    Seither hat Olafs Sohn bald

    mit dir die Herrschaft geteilt.

    Verwandte teilten ihre Freundschaft,

    das Königtum wurde geteilt.

    »Du bist Isländer, wie ich hören kann«, sagte Harald. Er mochte die Art dieses Kerls. Nicht jeder hätte es gewagt, ihn so an seinen Handel zu erinnern oder wäre dabei so höflich geblieben. »Wie heißt du?«

    »Thjodholf Arnason, mein Herr.«

    Harald nahm einen Goldreif von seinem Arm, brach ihn auseinander und gab eine Hälfte dem Skalden, eine gute Bezahlung. »Nimm das«, sagte er, »und bleib bei mir.«

    »Ich folge dem König von Norwegen, mein Herr«, antwortete Thjodholf und fasste nach der Belohnung. Das konnte doppeldeutig sein, aber zumindest schmiedete er nicht hinter dem Rücken eines Mannes ein Komplott.

    »Warum so viele lange Gesichter?«, fragte Harald. »Du kannst es mir ebenso gut erzählen, ich erfahre es bald genug.«

    Thjodholf verlagerte unglücklich sein Gewicht. »Es geht um den jütischen Anführer, Thorkell Geysa«, sagte er. »Wie du dich erinnerst, wurde er letzten Sommer gefangen und hierhergebracht. König Magnus befahl, dass er ehrenhaft behandelt werden sollte, aber jetzt scheint es, dass die Mutter des Königs, Alfhild, ihm ein Schiff und eine Mannschaft gegeben und ihn freigelassen hat.«

    »Ach!« Harald sprang wütend auf die Füße. »Es reicht nicht, eine Geisel ohne Lösegeld gehen zu lassen, sondern ich, der ihn gefangen hat, werde nicht einmal benachrichtigt! Wo ist sie?«

    »Sie ist bei dem König, ihrem Sohn, und …« Thjodholf verstummte erleichtert. »Nein, hier kommt mein Herr gerade.« Magnus trat stirnrunzelnd in den Raum. Er ging zum Hochsitz, und Harald ragte über ihm auf und brüllte: »Was höre ich da über Thorkell den Jüten?«

    »Er ist freigelassen worden«, sagte Magnus. »Besorgt dich das?« »Ja, tut es. Ich bin ein halber König, ich trage das halbe Risiko. Das war einer von Sveins mächtigsten Anführern.«

    »Die Angelegenheit wurde geregelt.«

    »Wie? Was führt deine Mutter im Schilde?«

    »Meine Mutter muss hier nicht hineingezogen werden«, sagte Magnus verunsichert. »Und jetzt, Harald, wenn du dich an die Eide erinnerst, die wir letzten Frühling schworen, gehört dieser Sitz mir.«

    Er war breit genug für zwei. Harald biss die Zähne zusammen, bis seine Kiefer schmerzten, stand jedoch auf und überließ den Sitz ihm.

    »Dies ist ein kaltes Willkommen, das du mir schenkst«, sagte er, »also werde ich dich nicht weiter behelligen. Auf Wiedersehen.« Er ging aus der Halle zu dem Gebäude, das für seine Nutzung bestimmt war.

    Sobald er dort war, zügelte er seinen Zorn und befahl dem Laufjungen, Ulf zu holen. Der Isländer kam etwas taumelnd herein. »Uff! Dieser throndische Met ist ein herzhaftes Gebräu. Was für einen Kopf ich morgen haben werde!«

    »Wenn du nicht zu betrunken und zu sehr damit beschäftigt bist, Frauen hinterherzujagen«, sagte Harald, »finde für mich heraus, warum Königin Alfhild Thorkell Geysa gehen ließ. Falls es irgendwelche Verschwörungen gegen mich gibt, will ich davon wissen.«

    »Ach, das«, sagte Ulf. Er rülpste und lehnte sich an einen Türstock. »Das weiß ich schon. Ich hatte mich gerade an einem von Magnus‘ Leibwächtern bereichert, er hat kein Glück mit den Würfeln, als dein Junge kam, und wir waren am Tratschen. Es gibt nichts Pikantes zu erzählen. Alfhild hat nur vorausschauend gehandelt.«

    »In Gottes Namen, hinter was war sie her?«

    »Oh … einem Zufluchtsort, für den Fall, dass Magnus, ihrem Sohn, irgendetwas zustoßen sollte. Nichts sonst. War das alles, was du wolltest? Dann bin ich wieder dahin.«

    Harald blieb eine Weile allein im Raum stehen. Also vertrauten sie ihm nicht mehr als so weit?

    Dieses Wissen war bitter. Vielleicht, sagte er sich selbst, hatte er ihnen einigen Grund gegeben, ihn nicht zu mögen, aber sicher nicht so viel. Er hatte vor, seinen Handel einzuhalten, wenn nicht aus Liebe zu Magnus, dann, weil ein Bürgerkrieg eine Gelegenheit für die Anführer wäre, ihre alte Macht wiederzuerlangen und Harald Schönhaars Werk bis auf den Namen zunichte zu machen. Wenn er hin und wieder aufbrauste, weil er den zweiten Platz einnehmen musste, brauchte Magnus sich deshalb keine solchen Sorgen zu machen. Aber zu viele Männer arbeiteten an Unfug. Magnus kannten sie. Harald war der Unbekannte, das furchterregende Morgen, und sie würden alles tun, was sie konnten, um ihm Ärger zu bereiten.

    Nun … Wenn es Hass war, den sie wollten, dann sollten sie ihn haben, bis sie daran erstickten. Aber er fühlte sich sehr allein. Er wünschte, Ellisif wäre hier, doch viele winterliche Meilen lagen zwischen ihnen, und selbst, wenn sie zusammen waren, verstanden sie einander nicht.

    Er beschloss, Olafs Schrein in der Kirche St. Clemens zu besuchen. Dann hatte er wenigstens etwas zu tun, und vielleicht würde ihm der alte König ein Zeichen geben. Er legte seine Überkleidung an, nahm eine Axt und ging allein die dämmrige Straße entlang. Männer starrten seiner großen, einsamen Gestalt hinterher, bis sie im Zwielicht verschwunden war.

    An der Kirche, einem Steingebäude, das neben denen, die er im Ausland gesehen hatte, klein wirkte, ließ er Waffe und Mütze am Eingang. Drinnen war das Gebäude dunkel und kalt, weil nur wenige Kerzen vor dem Altar ein düsteres Licht warfen. Dort lag der Sarg, in teure Pelze eingewickelt, ein goldenes Stoffbaldachin darüber. Die Fäden schimmerten in der Düsternis.

    Harald kniete sich davor. Dies war ein Wunder, sagte man. Die Leiche des Märtyrers war unverwest, wirkte, als würde er schlafen. Magnus, sein Sohn, hatte den einzigen Schlüssel zum Schrein und schnitt angeblich alle zwölf Monate allein das Haar und die Nägel, die immer noch wuchsen. Harald fragte sich, ob er die Leiche wohl sehen dürfte, bezweifelte jedoch, dass Magnus zustimmen würde. Unheilige Gedanken schossen ihm wie Teufel durch den Kopf. Es gab Möglichkeiten, um eine Leiche einzubalsamieren, sodass sie für eine Weile erhalten blieb, aber hier im Norden war die Kunst plump und die Verwesung musste irgendwann einsetzen.

    Er murmelte als Buße ein Ave. Das lenkte seine Gedanken auf Maria, die irdische Maria, die er in Miklagard zurückgelassen hatte. In der Düsternis fühlte er beinahe, wie ihre Lippen seine wieder berührten … Nein, sie lag hinter ihm, er würde sie in diesem Leben nie mehr sehen, und der Himmel war höchstens ein blutleerer Ort. Das Höllenfeuer wäre wenigstens warm. Er schauderte und stand auf. Da war kein Zeichen gewesen.

    3

    Im Eingangsraum seiner Halle zog Einar Thambaskelfir seine matschigen Stiefel aus und schlüpfte in Schuhe. Draußen prasselte Frühlingsregen auf die Erde, Schnee schmolz und Gräben flossen über. Er spürte, wie seine Knochen in der Feuchte ächzten. Ja, er wurde alt.

    Bergljot, seine Frau, reichte ihm einen Kelch mit warmem Bier, als er in den Hauptraum schlurfte. Er leerte diesen, und seine alte Beherztheit wurde ein wenig wiedergeboren. Er war immer noch Einar Thambaskelfir, Einar der Bogenschütze. Sie füllte den Kelch wieder. Gerade jetzt war sie die einzige hier. Eindridhi, ihr Sohn, lebte mit seiner Familie in der Nähe, und natürlich hatten sie reichlich Bedienstete, aber irgendwie schienen diese sich anderswo zu verkriechen. Ein heftiges Dröhnen rüttelte an der Tür. »Schon der erste Donner«, sagte Einar. »Das wird ein stürmisches Jahr.«

    Bergljot nickte. Sie war eine groß gewachsene Frau, eher ansehnlich als hübsch, ihr Gesicht unter dem dichten grauen Haar so ernst wie seines. »Auf mehr als eine Weise«, antwortete sie. »Was sagen sie in Nidaros über den Krieg?« Einar war gerade von einem Treffen der Anführer zurückgekehrt.

    »Die Könige haben vor, ein riesiges Heer auszuheben – die Hälfte aller kampfbereiten Männer in Norwegen. Das bedeutet so gut wie jedes Schiff, weißt du. Das wird hart für die Fischer.« Einar stellte den Kelch ab, ein massives Ding aus punziertem Silber, in das Rubine eingesetzt waren. »Ich will das hier loswerden.«

    »Warum? Ich dachte, du hättest es von Magnus.«

    »Aber er hatte es von Harald.« Einar spuckte aus. »Ich würde nichts sagen, wenn wir für Magnus nach Dänemark ziehen würden, aber es ärgert mich, für diesen Emporkömmling zu kämpfen. Diese Könige sind eine Seuche über dem Land, und kaum bekommen wir einen guten, schon erhebt sich erneut die alte Art.«

    Bergljot konnte etwas Spott nicht widerstehen: »Olaf Tryggvason war ein harter König, aber du hast zu ihm gestanden, als die Lange Schlange geentert wurde.«

    »Ja … ja …« Einar

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