Einmal so umsorgt zu werden: Der Arzt vom Tegernsee 39 – Arztroman
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Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
Dr. Eric Baumann tastete vorsichtig den Bauch seines kleinen Patienten ab. Jonas Bleyle litt an Zöliakie. Er konnte keine Nahrungsmittel vertragen, die Gluten enthielten, weil dadurch die Schleimhaut seines Dünndarms geschädigt wurde. In den letzten sechs Monaten hatte sich allerdings herausgestellt, daß er auch sehr empfindlich auf viele andere Lebensmittel reagierte. Tanja Bleyle beobachtete jede Bewegung des Arztes. In den vergangenen drei Jahren war sie mit ihrem vierjährigen Sohn schon bei verschiedenen Kinderärzten gewesen, aber keiner hatte ihm helfen können. Jeder von ihnen war der Meinung gewesen, daß sich Jonas' Zustand bessern würde, wenn sie die vorgeschriebene glutenfreie Diät rigoros anwenden würde. Die Ärzte hatten ihr nicht glauben wollen, daß sie mit Argusaugen darüber wachte, daß ihr Sohn nichts aß, was er nicht durfte. Jonas ging es wochenlang gut, dann kamen wieder Monate, in denen sie fast verzweifelte, weil er an Gewicht verlor und unter Erbrechen und ständigen Durchfällen litt. »So, Jonas, wir sind fertig.« Dr. Baumann richtete sich auf. »Meinst du, daß du dir einen Keks verdient hast?« Der Kleine nickte. »Ich bin wirklich brav gewesen«, erklärte er und sah beifallheischend seine Mutter an. »Ja, das bist du«, sagte Tanja. »Kann ich Jonas anziehen, Dr.
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Einmal so umsorgt zu werden - Laura Martens
Leseprobe:
Chefarzt Dr. Norden 1149
Leseprobe»Was soll das heißen? Sie haben es nicht geschafft?« Die Verwaltungsdirektorin saß am Schreibtisch. Ihre eng zusammenstehenden Augen blitzten gefährlich unter dem ultrakurzen Pony hervor. »Es tut mir wirklich leid.« Der Pfleger Sascha stand vor dem Schreibtisch und rang die Hände. »Ich bereite mich schon seit Tagen auf mein Referat zum Thema ›Therapeutische Nutzung von Antikörpern unter biochemischen Gesichtspunkten‹ vor, das ich heute Nachmittag halten muss. Wenn ich schlecht abschneide, vergeige ich mir die Chancen, bei dem besten Professor Praktikum machen zu dürfen. Deshalb wollte ich …« Elsa Blume hob die Hände. »Ihr Engagement für Ihr Studium in allen Ehren, Herr Kronseder. Aber wenn Ihre Arbeit so sehr darunter leidet, sollten Sie darüber nachdenken, das Studium …« »Frau Blume, eine Frau mit einem so schönen Namen kann doch nicht so hart sein.« Sascha klimperte mit den Wimpern. »Sobald ich mein Referat gehalten habe, kümmere ich mich selbstverständlich sofort um die Auflistung der aussortierten medizinischen Geräte.« Er zauberte sein schönstes Lächeln hervor, das normalerweise seiner Freundin Anneka Norden vorbehalten war. In sein Versprechen hinein klopfte es. Elsa atmete auf. Höchste Zeit, diesen Schwätzer loszuwerden. »Ja, bitte?«
Der Arzt vom Tegernsee
– 39 –
Einmal so umsorgt zu werden
Laura Martens
Dr. Eric Baumann tastete vorsichtig den Bauch seines kleinen Patienten ab. Jonas Bleyle litt an Zöliakie. Er konnte keine Nahrungsmittel vertragen, die Gluten enthielten, weil dadurch die Schleimhaut seines Dünndarms geschädigt wurde. In den letzten sechs Monaten hatte sich allerdings herausgestellt, daß er auch sehr empfindlich auf viele andere Lebensmittel reagierte.
Tanja Bleyle beobachtete jede Bewegung des Arztes. In den vergangenen drei Jahren war sie mit ihrem vierjährigen Sohn schon bei verschiedenen Kinderärzten gewesen, aber keiner hatte ihm helfen können. Jeder von ihnen war der Meinung gewesen, daß sich Jonas’ Zustand bessern würde, wenn sie die vorgeschriebene glutenfreie Diät rigoros anwenden würde. Die Ärzte hatten ihr nicht glauben wollen, daß sie mit Argusaugen darüber wachte, daß ihr Sohn nichts aß, was er nicht durfte. Jonas ging es wochenlang gut, dann kamen wieder Monate, in denen sie fast verzweifelte, weil er an Gewicht verlor und unter Erbrechen und ständigen Durchfällen litt.
»So, Jonas, wir sind fertig.« Dr. Baumann richtete sich auf. »Meinst du, daß du dir einen Keks verdient hast?«
Der Kleine nickte. »Ich bin wirklich brav gewesen«, erklärte er und sah beifallheischend seine Mutter an.
»Ja, das bist du«, sagte Tanja. »Kann ich Jonas anziehen, Dr. Baumann?« Sie griff nach dem Baumwollunterhemd ihres Sohnes. Da Jonas außer an Zöliakie noch an verschiedenen anderen Allergien litt, vertrug er auch keine Synthetikkleidung, was von vornherein ausschloß, daß sie für ihn unbedacht Sachen kaufen konnte, nur weil sie preiswert und hübsch waren.
»Ich kann mich selbst anziehen«, erklärte Jonas. »Ich bin schon groß.« Er rutschte von der Liege und griff nach dem Hemd.
»Wie du willst.« Die junge Frau griff zärtlich in die wirren braunen Haare ihres Söhnchens. Wieder einmal wurde ihr schmerzlich bewußt, wie sehr Jonas ihrem verstorbenen Mann ähnelte.
Dr. Baumann wies auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Er wartete, bis sich Tanja Bleyle gesetzt hatte, dann nahm er ihre Hände und betrachtete sie. Tanja litt seit ihrer Kindheit an Gelenkrheumatismus. Die Krankheit kam in Schüben. Manchmal hatte sie monatelang Ruhe, bevor sie von einem Tag zum anderen erneut ausbrach. An diesem Morgen war die junge Frau mit geschwollenen roten Händen aufgewacht. Es war ihr nur mit Mühe gelungen, ihren Ehering abzuziehen, aber sie hatte es tun müssen, weil er ihr sonst ins Fleisch geschnitten hätte. Aus Erfahrung wußte sie, daß ihre Hände noch weiter anschwellen würden. Jede Handbewegung tat ihr weh.
»Erinnern Sie sich, als ich letzte Woche mit Jonas bei Ihnen gewesen bin, war ich noch froh darüber, daß ich in diesem Jahr nicht einen einzigen Rheumaschub hatte«, sagte Tanja. »Und jetzt das!« Sie stieß heftig den Atem aus. »So etwas kommt immer, wenn man es am wenigsten brauchen kann. Sie wissen ja, daß ich mir durch Nähen ein paar Mark zu meiner Witwenrente dazu verdiene. Im Moment hätte ich endlich einmal genügend Aufträge.«
»Dann sollten wir alles versuchen, damit Sie so schnell wie möglich Ihre Hände wieder richtig bewegen können«, meinte Eric. Tanja Bleyle hatte von ihrem Mann, der wenige Monate nach der Hochzeit in den Bergen tödlich verunglückt war, ein altes, ziemlich baufälliges Haus am Hang des Leebergs geerbt. Jeden Pfennig, den sie erübrigen konnte, mußte sie in dieses Haus stecken, damit es nicht unbewohnbar wurde.
»Am besten, ich verschreibe Ihnen einige Schwefelbäder im Kurzentrum von Bad Wiessee«, fuhr er fort. »Letztes Jahr ist es Ihnen danach erheblich besser gegangen.« Er griff nach seinem Rezeptblock. »Außerdem brauchen Sie vermutlich neue Tabletten und eine schmerzlindernde Salbe.«
»Ja, die Tabletten vom letzten Jahr habe ich aufgebraucht«, erwiderte Tanja. Sie knöpfte umständlich mit ihren schmerzenden Fingern das Hemd ihres Söhnchens zu.
Jonas nahm den Keks, den ihm der Arzt gab. Unbekümmert biß der Kleine davon ab. Er wußte, daß er alles essen durfte, was er von Dr. Baumann bekam. »Danke«, sagte er und fügte hinzu: »Heute mußt du mich nicht pieksen, Onkel Eric. Mir geht es gut.«
»Worüber wir uns auch alle freuen, Jonas«, antwortete der Arzt. »Leider muß ich dich dennoch pieksen. Wir dürfen die Behandlung nicht abbrechen, sonst geht es dir bald wieder so schlecht, daß du nicht mehr spielen magst und auch am Tag im Bett liegen mußt.« Seit er dazu übergegangen war, Jonas mit Eigenblut zu behandeln, wurde der Kleine mit seinen Allergien besser fertig.
»Bekomme ich danach noch einen Keks?«
»Darüber läßt sich reden.« Dr. Baumann bat Tanja, mit ihrem Sohn in den kleinen Behandlungsraum hinüberzugehen, in dem er die Eigenblutbehandlungen vornahm.
Franziska Löbl saß gerade an ihrem Schreibtisch und arbeitete einen Behandlungsplan für einen ihrer Patienten aus, als Dr. Baumann in ihr Zimmer trat. Lächelnd blickte sie auf.
»Ich habe vor fünf Minuten Frau Bleyle und Jonas nach draußen gebracht«, sagte er zu der jungen Krankengymnastin und erzählte ihr, daß Tanja einen erneuten Rheumaschub hatte. »Sowie die Schmerzen in ihren Händen und Gelenken nachgelassen haben, braucht sie Krankengymnastik.«
»Dann wird sie momentan nicht nähen können«, meinte Franziska schriftlich. Seit einem Unfall in ihrer Kindheit konnte sie nicht mehr sprechen, doch damit hatte sie sich inzwischen abgefunden. »Das wird ein großes Loch in ihre Haushaltskasse reißen. Tanja kommt ohnehin kaum über die Runden.«
Eric wußte, daß Tanja Bleyle ab und zu auf dem Löblhof arbeitete. »Du kennst Frau Bleyle besser als ich, Franziska«, meinte er. »Weshalb bekommt sie keine Sozialhilfe?«
»Wegen ihres Hauses«, schrieb Franziska. »Es ist zwar alt und baufällig, doch der Grund und Boden, auf dem es steht, ist äußerst wertvoll. Ich weiß, daß man ihr den Besitz schon oft abkaufen wollte. Von ihrem Grundstück aus hat man einen wundervollen Blick über den Tegernsee. Ein Hotel an dieser Stelle würde für eine Übernachtung Höchstpreise verlangen können.« Sie schnitt eine Grimasse. »Um ehrlich zu sein, wir sind natürlich froh, daß Tanja nicht verkauft. Bis zu unserem Hof sind es von ihrem Haus aus keine achthundert Meter. Wenn dort ein Hotel gebaut werden würde, wäre es mit unserer Ruhe vorbei.«
»Was ich durchaus verstehen kann, Franziska«, erwiderte Eric schmunzelnd. »Nun, ich muß mich um meinen nächsten Patienten