Kopf zerbrechen oder dem Herzen folgen?: Wie Sie gute Entscheidungen treffen – am Beispiel von 10 wichtigen Lebenssituationen
By Patricia Küll and Jörg B. Kühnapfel
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Wäre es nicht toll, wenn es so etwas wie ein Rezeptbuch für Entscheidungen gäbe? In dem zwar nicht die eine richtige Lösung für jedes Problem steht, aber viele einfach nachvollziehbare Wege beschrieben sind, wie man zu Lösungen kommt? Die gute Nachricht lautet: Das gibt es!
Patricia Küll und Jörg Kühnapfel stellen am Beispiel der zehn wichtigsten Entscheidungen des Lebens praxiserprobte Tools vor, wie Kopf- und Bauchmenschen und diejenigen, die flexibel mal so und mal so entscheiden, zu ihren individuell richtigen Lösungen finden. Ob Kosten-Nutzen-Rechnung oder IKIGAI, ob Zeitreise oder Nutzwertanalyse – die Autoren präsentieren in ihrem Buch am Beispiel der zehn wichtigsten Lebensfragen jeweils aus der Kopf- und Herzperspektive ein Potpourri an konkreten Methoden, die Sie auf alle wichtigen Entscheidungssituationen anwenden können. So treffen Sie selbstbestimmt gute Entscheidungen, mit denen Sie langfristig glücklich und zufrieden leben werden.
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Book preview
Kopf zerbrechen oder dem Herzen folgen? - Patricia Küll
1. Entscheidung
Die Berufswahl
Finn (18) hat gerade ein sehr gutes Abitur gemacht. Sein Vater ist Notar mit eigener, gut gehender Kanzlei. Er wünscht sich, dass Finn diese eines Tages übernimmt. Doch Finn ist unsicher. Auf der einen Seite hat er sich an den gewissen Wohlstand, mit dem er groß geworden ist, gewöhnt. Auf der anderen Seite schlägt sein Herz für soziale Projekte. So engagiert sich der 18-Jährige in der Flüchtlingshilfe. Soll Finn Jura studieren, um seinen Vater nicht zu enttäuschen und um sich seinen gehobenen Lebensstil auch zukünftig finanzieren zu können, oder soll Finn seine sozialen Interessen zum Beruf machen und Sozialwissenschaften studieren?
Wie kommt Finn zu einer Entscheidung? Welchen Weg soll er einschlagen?
Was rät der Kopf?
Frau_bit.tifDie Wahl des Berufs ist vielleicht die erste große Lebensentscheidung junger Menschen. Sie steht am Anfang des 40, 50 Jahre dauernden Erwerbslebens. Sie ist elementar wichtig, denn sie ist mitentscheidend für das Lebensglück, die persönliche und soziale Entwicklung und nicht zuletzt für das Einkommen. Es ist eine Entscheidung, die auf den Träumen der Jugend fußt, ohne nennenswerte Lebenserfahrung, aber mit dem Blick auf ein Leben, das sich noch hinter einem Spiegel verbirgt. So nimmt es nicht wunder, dass sich Berufswünsche mit dem Erwachsenwerden ändern: von »Prinzessin« über »Tierärztin« zu »irgendetwas mit Menschen« – und der Prozess endet dann häufig bei »Verwaltungsfachangestellte im mittleren Dienst«. Wo gehen sie hin, unsere Träume?
Erfreulich ist, dass der alleinige Zweck eines Berufs schon lange nicht mehr ist, Geld für die Familie anzuschaffen. Er darf nun auch Spaß machen und darf dem Leben einen Sinn geben. Damit haben alte Modelle an Bedeutung verloren, die ohne Rücksicht auf Talente und Interessen den zuverlässigen Broterwerb in den Mittelpunkt rückten. Ich spiele natürlich mit Blick auf Finns Situation auf den traditionellen Mechanismus der Berufsnachfolge an: Dem Vater folgt der Sohn. Dem Steiger folgt der Sohn in den Stollen und dem Herrn Notar folgt der Sohn in die Kanzlei.
Gänzlich ausgedient hat dieses Muster aber nicht. Zuweilen ist eine Weitergabe des Berufs an die Kinder sinnvoll. Insbesondere bei kapitalintensiver Geschäftsausstattung eines Familienbetriebs oder bei langfristigem Aufbau eines Kundenstamms kann es ökonomisch nützlich sein, den Eltern beruflich zu folgen. Manchmal reden wir dann despektierlich davon, dass sich der Nachfolger »ins gemachte Nest setzt«, aber er folgt einem vernünftigen Kalkül. Wäre Finns Entscheidung also ausschließlich von dem Ziel bestimmt, gut und sicher Geld zu verdienen, wäre klar, dass er Jura studieren und den Klientenstamm seines Vaters übernehmen sollte.
Aber so einfach ist es hier nicht. Finn ist »zerrissen« von seinem Herzenswunsch einerseits und der empfundenen Verpflichtung seiner Familie, speziell seinem Vater gegenüber, andererseits.
Raus auf die grüne Wiese gehen
Aus dieser von Emotionen dominierten Lage muss Finn erst einmal raus. Er muss auf die »grüne Wiese«. So nennen wir Ökonomen einen virtuellen leeren Entscheidungsraum, aus dem Vorbelastungen, Erwartungen und Ängste ausgekehrt sind. Dann kann Finn eine unbelastete Berufswahl treffen, dann wird sein Blick frei sein für die »üblichen« Aspekte. Ich habe mich einmal an einer – zugegeben noch unvollständigen – Sammlung dieser Aspekte versucht:
Verdienstmöglichkeiten, vor allem nach einigen wenigen Berufsjahren, wenn die Phase des Familienaufbaus beginnt
persönliches Talent und intellektuelles Potenzial
vermuteter »Spaß« an der Arbeit, was immer das auch sei
regionale Flexibilität, sodass der Beruf auch an anderen Orten ausgeübt werden kann
Unabhängigkeit von einem Arbeitgeber vor Ort (Minenbetrieb, ortsansässiger Großarbeitgeber)
Flexibilität hinsichtlich der Spezialisierung während und nach der Ausbildung
vermuteter zukünftiger Bedarf an Personen der betreffenden Berufsgruppe und damit Schutz vor Arbeitslosigkeit
Weiterbildungsmöglichkeiten
körperliche Beanspruchung
Arbeitszeiten
Diese Aspekte im Blick, wird jeder – nicht nur Finn – schnell zu einer »Shortlist« infrage kommender Berufe gelangen; ein Berufsberater hilft.
Den Zielkonflikt lösen: Geld oder Spaß?
Doch irgendwann tauchen Zielkonflikte auf. Der wichtigste:
Darf man einen Beruf wählen, der zwar Spaß macht, aber wenig einbringt?
Davon gibt es sehr viele: Mediendesigner, Erzieher, Altenpfleger, Zahnarzthelfer, alles ehrenwerte und wichtige Berufe, deren Gehalt aber kaum ausreicht, um eine Familie zu ernähren. Doch das ist nicht Finns Problem. Für ihn stellt sich möglicherweise die umgekehrte Frage:
Darf man einen Beruf wählen, der viel einbringt, aber wenig Spaß verspricht?
Möglicherweise! Tatsächlich wissen wir nicht, ob Finn den Beruf des Juristen unterhaltsam findet oder nicht, und sollten auch nicht mit Unterstellungen arbeiten. Was wissen wir überhaupt über Finn?
Über seinen Intellekt wissen wir nichts. Unterstellen wir, dass er ein schlaues Kerlchen ist und das Zeug hätte, sowohl ein guter Jurist als auch ein guter Sozialarbeiter zu werden.
Finanziell ist die Familie gut aufgestellt. Ein Studium zu finanzieren wäre wohl kein Problem. Allerdings kennt Finn nicht die Ausgabebereitschaft seines Vaters, wenn er nicht Jura, sondern Sozialwissenschaft studierte.
Finn mag einen Weltverbesserungsantrieb haben, aber ein Träumer wird er nicht sein. Ihm ist wohl klar, dass er als Jurist später mehr Geld verdienen könnte. Und er hat sich an den Wohlstand gewöhnt. Inwiefern er ihn für eine Selbstverständlichkeit hält und darum die Mühen, ihn zu erhalten, unterschätzt, wissen wir nicht. Aber mit Flüchtlingen umzugehen, dürfte ihn erden. Trauen wir ihm zu, dass er den Nutzen von Geld kennt und dass ihm bewusst ist, später als Sozialarbeiter auf Dinge verzichten zu müssen, die heute in seiner Familie selbstverständlich sind.
Nun wäre es leicht, Finn zuzuraten, seinen Interessen nachzugehen und das zu tun, wovon er glaubt, dass es sein Leben erfüllt. Denn ist das nicht der Punkt, auf den es ankommt? Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens mit Erwerbsarbeit und gesegnet ist derjenige, dem seine Arbeit Freude macht. Was gibt es hier zu überlegen? Ist die Entscheidung, Sozialwissenschaft zu studieren, keine Selbstverständlichkeit? Nein, denn die Krux ist: Keine Arbeit der Welt macht immer Freude! Zwei Dynamiken wirken, die der Arbeit und die unserer Einstellung zu dieser.
Einen Blick in die Zukunft werfen
Fangen wir bei der ersten an: Arbeit verändert sich. Die Umfeldbedingungen, die Gestaltungsmöglichkeiten, das Kollegenumfeld, die Maschinerie oder die Bedingungen, alles ist im Fluss. Das gilt auch für Sozialarbeiter: Sie sind abhängig von Ressourcen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. Menschen zu helfen wird dann zu einer Budgetfrage. Ihre Arbeitgeber legen die Schwerpunkte und Ziele fest, und das oft nach unklaren, für die Sozialarbeiter »an der Front« nicht nachvollziehbaren Kriterien. Desillusionierung und Enttäuschung ob der Ausstattung des Arbeitsumfelds werden zum Alltag, der Mangel nagt an der Motivation.
Hier kommen wir zur zweiten Dynamik: Sozialarbeit ist ein gnadenloser Job. Erfolgserlebnisse sind selten, Fortschritte spärlich. Die Gefahr ist, vor den wie Termiten im Gebälk ständig nagenden Frustrationen des Arbeitsalltags zu kapitulieren, den Enthusiasmus und den Glauben daran, etwas verändern zu können, zu verlieren – nicht plötzlich, sondern jeden Tag ein klein wenig mehr. Zunächst fühlt sich das nach zunehmender Professionalität an: Wachsende Distanz und Abgeklärtheit ist zu entschuldigen, ja, wird sogar als Notwendigkeit gesehen (»Man darf nicht alles an sich ranlassen.«). Aber irgendwann wird die Entemotionalisierung zur Normalität. Kapitulation auf Raten. Die 60-jährige Lehrerin leidet dann an Burn-out, der Streetworker geht in den Innendienst und der Pfarrer lädt sich seine Predigten aus dem Web herunter. Wie ändert sich unsere Einstellung zu unserem Beruf? Wird das, was uns heute erstrebenswert erscheint, auch morgen noch unser Antrieb