Gebet des Körpers: Yoga mit Pater Markus
By Markus Thomm
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Gebet des Körpers - Markus Thomm
Thomm
Teil I
Grundlagen
Ursprung und Quellen des Yoga
Das Wort Yoga hat seinen Ursprung im Sanskrit, aus dem die heutigen indischen Sprachen hervorgegangen sind. Seine ursprüngliche Wurzel »Yu« bedeutet u.a. »verbinden, anschirren, anspannen«. In diesem Sinn wird Yoga definiert als das Wiederherstellen der Verbindung zwischen dem individuellen Selbst und dem höchsten, dem göttlichen Selbst.
Auch in den modernen Sprachen finden sich Begriffe, die in der Sanskritwurzel ihren Ursprung haben so z.B. das englische Wort yoke und seine deutsche Entsprechung »Joch«, das zum Anschirren, zum Jochen dient. Das lateinische Wort iungere (verbinden, anjochen), iugum (Joch) zeigt ebenfalls Spuren der Sanskritwurzel.
Yoga gehört zu den ältesten religiösen Praktiken überhaupt. Als erste Quellen dieser Tradition werden Höhlenmalereien im nordindischen Industal gewertet. Sie sind um 2000 vor Christus entstanden. Die ersten schriftlichen Zeugnisse, wie z.B. die »Rig Veda«, sind zwischen 1500 und 800 vor Christus entstanden.
Trotz dieser frühen Dokumente ist es jedoch kaum möglich, den Ursprung des Yoga genau zu datieren, weil über lange Zeit die Weitergabe mündlich vom Lehrer zum Schüler bzw. Schülerkreis geschah.
Von Patanjali (2. bis 3. Jh. v.Chr.) stammen die bis heute als grundlegende Quellentexte des Yoga meistzitierten »Yoga-Sutren«. In acht Stufen liefert er eine konkrete Beschreibung von Methoden zur Erlangung von Konzentration, Meditation und Ekstase. Besonders bemerkenswert sind die detaillierten Beschreibungen von einzelnen Techniken bis in den okkulten Bereich von magischen Kräften, Elevation usw. hinein. Eine weitere herausragende Quelle, deren Akzente im dritten Teil eigens behandelt werden, stellt die Bhagavad Gita dar. Sie besteht aus 700 Doppelversen und bildet den Höhepunkt der Mahabharata, welche mit der Ramayana die beiden großen epischen Gedichtszyklen des antiken Indiens bildet.
Vermutlich aus dem 15. Jahrhundert stammt schließlich die Hathayogapradipika, die, wie der Name schon andeutet, besonders dem Hathayoga gewidmet ist, der vor allem den körperlichen Aspekt der Yogastellungen betont.
Kultureller Kontext
Der kulturgeschichtliche Hintergrund der Anfänge des Yoga steht im Rahmen eines Strebens nach kultureller Einheit. Denn Indien repräsentiert schon von frühester Zeit an einen großen Pluralismus an Volksgruppen, Rassen und Kulturen. Dabei bedeutet die Einwanderung arischer Volksstämme in Nordindien im zweiten vorchristlichen Jahrtausend wohl die massivste Konfrontation zweier Kulturen. Die kulturelle Begegnung fand natürlich nicht während der militärischen Auseinandersetzungen statt, sondern setzte erst wesentlich später ein. Dies geschah durch zwei Randgruppen der arischen Gesellschaft, die wesentlich offener für Begegnung und Inkulturation waren als die einheimische Bevölkerung. Es waren die Vaisnava-Gemeinschaft und die Vratya-Bruderschaft. Hier nahm die kulturelle Begegnung von vedischer und vorvedischer Gedankenwelt ihren Ursprung. Der entstehende Yoga war der Beginn dieser ungeheuren Verschmelzung urindischer Kultur mit dem arischen Weltbild, ein Prozess, der sich über Jahrhunderte hinzog und die Grundlage einer indischen Ethik und Lebensphilosophie bildete.
Jahrtausendealte Poesie
Keshin-Hymne
Ein Auszug der Keshin-Hymne (1500–800 v.Chr.) soll einen Geschmack davon geben, in welchem Stil diese uralten Texte von Wesen und Ziel des Yoga sprechen, wie das religiöse Leben und Empfinden der Menschen damals geprägt war. In poetischer, bildhaft beschreibender Sprache wird das Ideal des Asketen beschrieben:
Der im langen Haar überdauert das Feuer.
Der im langen Haar überdauert das Gift.
Er überdauert beide Welten.
Der im langen Haar wird das Licht genannt.
Die vom Wind umgürteten Weisen,
haben die sandfarbene Robe des Staubs angezogen:
Sie gleiten mit dem Wind,
wenn das Göttliche sie erfasst hat.
Jubelnd als Seher,
sind wir über die Winde aufgestiegen.
Von uns, oh ihr Sterblichen,
nur unseren Körper ihr seht.
Im Zwischenbereich schwebt der Weise,
herabstrahlend auf alles, was Form ist;
wegen seiner Frömmigkeit
nennt man ihn Freund eines jeden Gottes.
Das Ross des Windes,
der Herr der Freunde des Lebens
ist der vom Göttlichen trunkene Weise.
In beiden Ozeanen wohnt er, im oberen und im unteren.
Auf dem Pfad der Nymphen, der Engel und der wilden Tiere
schreitet der mit dem langen Haar einher,
ein Kenner der Sehnsüchte der Herzen,
ein sanfter Freund mit durch und durch heiterem Wesen.
Für ihn hat der Herr über das Leben
aufgewühlt und zerstoßen das Unmögliche,
wenn der mit dem langen Haar, in Gott Rudras Gesellschaft,
aus dem Giftbecher trank.
Bhagavadgita
Wesentlich jünger ist das zweite Textzeugnis aus der Bhagavadgita (ca. 300 v.Chr.).
Auch hier wird das durch Yoga erlangte Ziel beschrieben:
Wenn alle Bewegungen des Verstandes unter Kontrolle sind, befreit von ruhelosem Verlangen, sodass sie ruhen in der eigenen Mitte, dann wird der Mensch ein Erleuchteter – einer, der in Gemeinschaft mit Gott lebt.
Eine Lampe flackert nicht mehr, wo es keinen Wind mehr gibt. So ist das mit einem Yogi, der sein Gedächtnis, sein Denken und sein Selbst unter Kontrolle hat und ganz aufgeht in dem Geist, der in seiner eigenen Mitte wohnt.
Sobald durch die Übung des Yoga die Ruhelosigkeit gestillt ist, findet der Yogi, durch die Gnade des Geistes, der in ihm wohnt, tiefe Erfüllung.
So erfüllt ihn eine ewige Freude, die jenseits der Sinne liegt, deren Sinn er nicht mehr begreift.
Er verharrt in dieser Realität und verlässt sie nicht.
Er hat den kostbarsten aller Schätze gefunden.
Es gibt nichts Größeres als dies.
Wer dies einmal erlangt hat, wird selbst durch den größten Schmerz nicht mehr im Innern berührt.
Das ist die wahre Bedeutung des Yoga – die Befreiung von Trauer und Schmerz.
Teil II
Hinduistische Erfahrung und christliche Theologie
Faszinierende Begegnung zweier Religionen
Echte Begegnung bedeutet nicht Nivellierung, sondern Bereicherung aus dem Wissen um die eigene Identität und den eigenen Ort, an dem ich stehe. Dazu gehört auch die im Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte Überzeugung, dass Gott sich auch in anderen Weltreligionen, wenn auch in abgestufter Weise, offenbart und zu erkennen gegeben hat. Das heißt, auch Hindus gehören zur Gemeinschaft der Gott suchenden Menschheit, von der sich Gott in je eigener Weise in gewissem Maß finden lässt. Im Folgenden wird es aber nicht um einen Dialog