Wie aus dem Ei gepellt: Erzählungen, Märchen und Gedichte zur Osterzeit Band 6
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Wie aus dem Ei gepellt - Martina Meier
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Impressum:
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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info@papierfresserchen.de
© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstraße 10, 88085 Langenargen
Telefon: 08382/9090344
Alle Rechte vorbehalten.
Erstauflage 2020
Coverillustration mit einem Bild von © sidliks - Adobe Stock lizenziert
ISBN: 978-3-86196-924-2 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-86196-951-8 - E-Book
Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM
www.literaturredaktion.de
literaturredaktion@papierfresserchen.de
*
Inhalt
Vom fleißigen Osterhasen
Ostereier für die Waldfee
Aufregung im Osterwald
Der Osterhase Benny und wir
Hilfe aus der Oster-Galaxie
Rosarot
Das Märchen vom Kelterjockel
Das Dankeschön-Geschenk
Häsische Eiersuche
Wo sind die Geschenke?
Grüße vom Hasi
Silberpapier
Osterzauber
Osterfreude
Einzigartig erfreuliche Eier
Anthony Brush vulgo Anton Pinsel
Vom gelangweilten Osterhasen
Den Osterhasen gibt’s doch gar nicht
Ostern ist nicht Weihnachten
Frostige Ostern
Das Osterproblem
Rot, blau, grün zu Ostern
Dreierlei Osterei
Ostertrubel
Osterhasenprüfung
Marie
Osterüberraschung
Lilly
Wo der Hase grüßt
Das hässliche Küken
Toni entdeckt ein Geheimnis
Der Osterhase
Palmsonntag im Leben eines Kletterers
Amando
Der Feuerfalter
Die Freude in uns
Aus meinem Tagebuch
Das Osterland der Hasen
Die Eierkrise
Osterhase abzugeben
Lieber Osterhase
Karins neue Freundin
Der Hase faul im Grase lag
Künstlerküken
Betzi, der Hase mit den überlangen Ohren
Meister Lampe
Osterflohmarkt
Wer kennt ihn?
Der Osterlaus
Die Schönheit des Frühlings
Kirschblütensia und Kirschblütinchen
Grün
Beiträge aus dem Schreibwettbewerb für Kinder und Jugendliche
Wie aus dem Ei gepellt
Die Rettung von Ostern
Was bin ich?
Eine Osterhasengeschichte
Der Tag, an dem ich Lemony traf
Zwei Hennen auf Weltreise
Mission Osterhase
Hase Hängeohr
Osterhase Hoogma
Eine flauschige Kugel
Der Osterhase
Auch kleine Hasen können Großes bewirken
Das neugierige Schneeglöckchen
Das gerettete Osterfest
Osterhasen gibt es nicht
Meine Insel ist meine Familie
Der kleine Fritz wollte Osterhase werden
Die Fee und die freche Chejnar
Endlich Freunde
Der Osterdieb
Freunde helfen immer
Aufregung in der Osterwerkstatt
Nur ein Traum?
Wie aus dem Ei gepellt
Die Osterzwerge
Gump sucht die Ostereier
Kleine Hasen ganz groß
Luca, der Osterhase, und die verlorenen Ostereier
Osterhase, Mümmelnase
Ostern mal anders
Ameise, Maus und Ostern
Es gibt keinen Osterhasen
Der Osterdieb
Wo sind denn die Eier hin?
Die gestohlenen Ostereier
Es gibt ihn doch, den Osterhasen!
Das schönste Osterfest
Osterhasen Incorporated
Ostereidüpfen
Die Rettung des Osterhasen
Der geplatzte Traum
Der Osterhase und das Küken
Abenteuer in vier Dimensionen
Verrückte Ostern
Das verlorene goldene Ei
Eine besondere Überraschung
Ein fauler Streich
Der Osterhasentausch
Ostern mal anders
Mission: Ostern retten
Das Küken im Ei
Das große Osterabenteuer
Wie der Osterhase zu uns kam
Fällt Ostern etwa aus?
Der Frühling
Das Ostervideospiel
Futterneid geht selten gut
Der geklaute Osterhase
*
Vom fleißigen Osterhasen
„Kommt der Osterhase auch ganz bestimmt nach Portugal?"
„Wie oft hast du uns diese Frage schon gestellt?"
Max legte die Stirn in Falten. Er überlegte lange und ernsthaft, zählte an seinen kurzen Fingern der einen Hand, nahm die zweite hinzu, zählte weiter, gebrauchte wieder die erste Hand und wieder die zweite. Ein mühseliges Unterfangen, bei dessen Betrachtung seine Mutter unwillkürlich lächeln musste. Nach einer kleinen Ewigkeit murmelte er: „Ungefähr dreiundzwanzig Mal?" Erwartungsvoll schaute er seinen Vater an.
Dieser zuckte mit den Achseln. „Mindestens! Mindestens dreiundzwanzig Mal hast du uns diese Frage gestellt!" Damit wandte er sich wieder seinem Omelette mit Schinken und Pilzen zu.
Max betrachtete seinen Vater, der jeden Bissen verschlang, als hätte er seit Tagen gehungert, das Omelette, das beständig die Form veränderte, während sein Vater aß. Max verzog den Mund, weil er keine Champignons mochte, und sah seine Mutter an.
„Meinst du, dass der Osterhase auch ganz bestimmt heute nach Portugal kommt?"
„Nicht schon wieder!", brummte sein Vater zwischen zwei Bissen.
„Es ist eine andere Frage, antwortete Max mit einem triumphierenden Blick, „dieses Mal habe ich die Fragestellung variiert!
Sein Vater griff nach der Tasse mit Kaffee und trank einen großen langen Schluck, als wäre er plötzlich nicht nur sehr hungrig, sondern auch sehr durstig.
„Also, Mama!"
„Aber natürlich!"
„Das sagst du immer!"
„Ich sage es immer, weil es stimmt und er natürlich auch heute nach Portugal kommt."
„Aber wann?"
„Im Laufe des Vormittages!"
„Ich kann es kaum erwarten!"
Die Mutter lehnte sich zurück, betrachtete ihren sechsjährigen Sohn. Auf der einen Seite wirkte er schon unglaublich groß, stellte erwachsene Fragen, die einer gewissen Logik nicht entbehrten. Auf der anderen Seite glaubte er noch an den Osterhasen. Zuletzt hatte sie es gehört, als er seinem Spielkameraden Leon davon erzählt und Stein und Bein geschworen hatte, es gäbe den Hasen, der Eier, Süßigkeiten und mit etwas Glück sogar kleine Geschenke brachte.
„Du musst nur fest daran glauben!, hatte Max gesagt. „Dann kommt er auch und bringt dir etwas. Vielleicht sogar ziemlich viel!
Max hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt, um Leon mit den Armen einen Berg anzudeuten, den er kaum umfassen konnte. Danach war eine Lobeshymne auf das Tier mit den langen Ohren gefolgt – Vorzüge, Gewohnheiten, als wäre Max Experte auf dem Gebiet. Nach wenigen Minuten hatte Leon Max einen Vogel gezeigt und war nach Hause gegangen.
Wenn es ihrem Sohn so ernst war, hatte sie danach beschlossen, ihn in dem Glauben zu lassen. Sollte er sich doch weiterhin ein bisschen seine Osterhasen-Romantik bewahren. Kinder wurden schließlich schnell genug groß.
Ihr Mann sah es nicht anders, auch wenn er in den letzten Tagen auf der Reise angesichts der ununterbrochenen Fragerei seines Sohnes – Ostern in Portugal war etwas Neues und anderes – geneigt war, den Zauber zu brechen und ihm zu erläutern, was es mit dem Osterhasen auf sich hatte und man folglich warten müsse, bis die Eltern die Süßigkeiten im Hotelzimmer versteckt hatten. Wenigstens sein Frühstück wollte er in Ruhe genießen können, nachdem Max sie in aller Herrgottsfrühe geweckt und die Frage der Fragen gestellt hatte. Trotzdem waren sie später als sonst mit dem Frühstück dran, da sie Max unter einem fadenscheinigen Vorwand aus dem Hotelzimmer hatten locken müssen – der Vater wollte ihm einen Esel auf der Weide zeigen. In den Minuten, in denen ihre beiden Männer unterwegs gewesen waren, hatte die Mutter einen Osterstrauß mit ein paar Mitbringseln dekoriert und die Ostereier für Max im Hotelzimmer versteckt.
Während sie Max ermunterte, sich einen weiteren Pfannkuchen, ja, auch mit der sonst unerwünschten Nusscreme, an der Theke zu holen, damit sie einen Moment Ruhe hatten, nahm sie zu ihrem Entsetzen die Vorbereitungen des Hotels für die Ostereiersuche der Kinder wahr. Es war in einem Faltblatt angekündigt worden. Glücklicherweise konnte Max noch nicht lesen …
Sie sah mehrere Angestellte mit Wäschekörben, in denen straußeneigroße, in glitzernde, grellbunte Zellophanfolie gehüllte Schoko-Eier lagen, die nun im Hotelgarten versteckt wurden. Zum Glück bemerkte Max es nicht. Ihr Sohn wartete geduldig in der Mitte der Schlange vor der Theke, den Blick fest nach vorn auf die entstehenden Pfannkuchen gerichtet.
Unterdessen huschten Menschen wie fleißige Wichtel draußen durch den Garten, verbargen die Eier zwischen den Geranien, die hier schon blühten, oder sogar in der bizarren Blüte einer Strelitzie, hinter Büschen, inmitten von Palmwedeln oder — der beste Platz zum Verstecken aus ihrer Sicht — die Gräser, die sich wie dicke Kissen inmitten der Beete ausbreiteten. Auch heute schien die Sonne und ließ den Garten vor den bodentiefen Fensterscheiben in vielen Farben leuchten, sodass die bunten Eier nicht auf den allerersten Blick auffielen. In Deutschland wären sie bei dem grauen Einerlei, was dort momentan herrschte, dem Suchenden sofort ins Auge gesprungen. Hoffentlich bekam Max nicht mit, wie die Angestellten im Freien den Osterhasen spielten. Es hätte seiner Weltanschauung einen gewaltigen Riss versetzt. Aber nein, er stand in der Schlange, wartete, bis er an der Reihe war, sprach mit dem Mann vor ihm und war sichtlich in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Vielleicht erklärte er dem Mann gerade seine Theorie vom Osterhasen.
Punkt elf Uhr war Start. Max war aufgeregt, als er hörte, es gäbe zuerst eine gemeinsame Eiersuche draußen und dann eine weitere Suche im Hotelzimmer. Zweimal! Seine Augen blitzten wie das Meer in der Sonne. Zweimal durfte er suchen. Das war viel besser als zu Hause. Zumal er die Verstecke im heimatlichen Garten oder Wohnzimmer bestens kannte. Besonders kreativ war der Osterhase zu Hause nicht.
Jetzt lief Max zusammen mit den anderen Kindern flink wie ein Wiesel über den Rasen, der hier zu einer dichten grünen Matte wuchs, schaute unter Bänken, hinter Büschen. Schnell hatte er das erste Ei gefunden. Weiter ging es. Es wurde schwieriger, da viele Kinder mittlerweile ein buntes Osterei in den Händen hielten. Trotzdem — Max’ Jagdeifer war ungebrochen. Er zog sich die Jacke aus, denn in der Sonne war es warm. Fieberhaft grasten seine Augen die Umgebung ab. Bestimmt versteckte sich noch irgendwo eine Überraschung.
Max fand es, das letzte Ei, das abseits der Wege, nahe dem Swimmingpool lag. Das hatten die anderen Kinder übersehen. So hatte er das große Glück, sogar zwei Eier ergattert zu haben.
„Bist du müde?", fragte seine Mutter, als er zu ihr geschlendert kam.
„Natürlich nicht, gleich geht es weiter! Voller Unternehmungslust blickte er sich um. „Kann ich jetzt auf dem Zimmer suchen?
Die Mutter lächelte, der Vater seufzte, als er sich aus dem bequemen Sonnensessel im Garten erhob.
Munter sprang Max voraus. Er drehte sich zu seinen Eltern um. „Danke!", rief er freudig.
„Wofür?"
„Dafür, dass ihr dem Osterhasen gesagt habt, wo ich in den Ferien bin. Ich habe das sichere Gefühl, dass er in diesem Jahr besonders fleißig ist. Liegt bestimmt daran, dass ich so fest an ihn glaube", setzte er wenig später hinzu.
Bettina Schneider: 1968 in Berlin geboren, verheiratet, zwei Kinder und ein Hund, Studium der Betriebswirtschaftslehre, im Anschluss zehn abwechslungsreiche Jahre im Rechnungswesen in der Privatwirtschaft, heute Freiraum für kreative Tätigkeit. Sie schreibt mit Begeisterung Kurzgeschichten und Erzählungen, einige davon sind veröffentlicht. Hobbys: Lesen, Schreiben, Tagebuch schreiben, Spaziergänge mit dem Hund und Joggen.
*
Ostereier für die Waldfee
Merle hebt die unteren Zweige des Busches an. Wieder nichts. Das kann doch nicht sein! Sie richtet sich auf und wischt sich die Hände an der Hose ab. Ihr Blick fällt auf das kleine Körbchen, das neben ihr im Gras liegt. Ein einziges buntes Ei liegt einsam darin.
„Mama?", ruft Merle. Ihre Mutter sucht gemeinsam mit Merles kleinem Bruder Jonas ein paar Meter weiter nach Ostereiern.
„Was ist denn, Schatz?"
„Ich finde keine Ostereier. Die muss schon jemand anders genommen haben." Empört verschränkt Merle die Arme.
Das Lachen von Merles Mama schallt durch den Garten. „Wer soll sie denn genommen haben? Du musst einfach genauer hinsehen. Jonas hat schon vier Stück gefunden."
„Der muss auch nicht alleine suchen!" Mit diesen Worten dreht Merle sich um, hebt ihr Körbchen auf und entfernt sich von ihrer Familie.
Sie ist empört, dass ihre Mutter ihr nicht glaubt. Keiner ist so gut bei der Ostereiersuche wie Merle! Es muss also vor ihr jemand die Eier gefunden haben. Aber wer? Ob ihr Vater vor der Arbeit schon draußen war? Nein, ihr Papa hat noch nie Ostereier gesucht. Die Nachbarskinder vielleicht? Merle stellt sich auf Zehenspitzen, um über den Holzzaun zu gucken. Nein, Mia und Lotta suchen in ihrem eigenen Garten.
Plötzlich hört Merle ein Knacken und ein lautes Fluchen. Vorsichtig nähert sie sich den großen Bäumen, die weiter hinten im Garten stehen. Dort auf dem Boden, zwischen Tannenzapfen und Schneeglöckchen, rollt ein Osterei! Doch es ist nicht allein. Ein kleiner Zwerg, der kaum größer als das Ei ist, schiebt das Ei an und ist am Lachen. Ein zweiter Zwerg liegt auf dem Boden und ist offenbar über einen Tannenzapfen gestolpert. Sein Sturz hat die Geräusche verursacht.
Schnell versteckt Merle sich hinter einem Baumstamm, damit die kleinen Gestalten sie nicht sehen. Sie glaubt nicht, dass sie gefährlich sind, aber sie klauen ihre Ostereier! Merle beobachtet, wie der zweite Zwerg aufsteht und sich seine rote Zipfelmütze aufsetzt. Dann folgt er dem anderen Zwerg und dem Ei. Gemeinsam gehen sie durch ein großes Loch im Zaun.
Ob Merle ihrer Mutter Bescheid sagen soll? Nein, sie glaubt ihr sowieso nicht. Merle atmet tief ein und nimmt all ihren Mut zusammen. Dann geht sie zum Zaun und krabbelt auf den Knien durch das Loch hindurch, was mit dem Korb in der Hand gar nicht so einfach ist. Ihre Hose wird ganz dreckig, aber irgendwer muss die Eierdiebe schließlich verfolgen. Gerade noch sieht Merle, wie sich die zwei Zipfelmützen und das Ei in den angrenzenden Wald begeben. Mit schnellen Schritten folgt sie ihnen.
Nach einem kurzen Fußmarsch steuern die Zwerge samt Ei auf einen moosbewachsenen Hügel zu und verschwinden in ihm. Unschlüssig bleibt Merle vor dem Hügel stehen. So weit von zu Hause war sie noch nie weg. Doch jetzt möchte Merle nicht aufgeben und sobald sie ihre Ostereier hat, geht sie sofort wieder heim.
Sie kniet sich hin und kriecht durch den dunklen Tunnel, der unendlich scheint. Endlich wird es heller und Merle erreicht das Ende. Sie richtet sich auf und kann nicht glauben, was sie sieht. Sie kneift die Augen zusammen und zählt bis fünf, ehe sie ihre Augen wieder aufmacht. Aber vor ihr erstreckt sich immer noch das kleine Tal, in dem das Gras grüner und der Himmel blauer ist. Überall wuseln Zwerge herum und rollen bunte Eier umher. Es sind so viele Eier, dass bestimmt noch andere Kinder keine Ostereier gefunden haben. Inmitten der Zwerge steht ein Geschöpf, das etwas größer ist als die anderen. Es jauchzt verzückt auf und dreht sich im Kreis. Es hat lange, goldene Haare und goldene Flügel.
„Eine Waldfee!", sagt Merle und geht langsam auf die Fee zu. Sie achtet darauf, dass sie keine Eier zertritt. Einige Zwerge entdecken Merle und weichen erschrocken vor ihr zurück.
Die Waldfee hingegen fliegt mutig auf Merle zu und schwebt vor ihrem Gesicht. „Wie bist du hierhergekommen?", fragt die Fee und zeigt entrüstet auf Merle.
„Ich bin den Zwergen gefolgt, die meine Ostereier geklaut haben. Wieso macht ihr so etwas? Die gehören uns Kindern", antwortet Merle und beobachtet das Geschöpf vor sich.
Die Waldfee guckt traurig auf den Boden, wo die ganzen bunten Eier im saftigen Gras liegen. „Ich finde die Ostereier so schön! Ihr bekommt immer so viele. Dieses Jahr wollte ich auch mal welche haben und habe die Zwerge losgeschickt, um welche zu holen."
Merle ist nicht mehr sauer auf die Waldfee. Sie kann sich Ostern ohne schöne Ostereier auch nicht vorstellen. Aber Klauen ist trotzdem nicht richtig. „Du kannst sie aber nicht wegnehmen. Das ist gemein", sagt Merle und versucht, nicht zu böse zu klingen.
Die Waldfee lässt den Kopf hängen und schnieft laut. Eine dicke Träne rollt ihr über die Wange und sie sagt: „Es tut mir leid! Aber was hätte ich denn machen sollen?"
Merle legt einen Finger ans Kinn und überlegt einen Moment. „Ich habe es!, ruft Merle begeistert. „Du kannst die Kinder doch fragen, ob sie dir Eier schenken.
Unsicher wischt sich die Waldfee über ihre nassen Wangen. „Und du meinst, dass sie mir welche geben würden?"
„Bestimmt. Also ich würde dir welche abgeben, sagt Merle und greift nach ihrem Osterei, das noch immer in ihrem Körbchen liegt. „Hier. Das ist für dich.
Die Waldfee nimmt das Ei und fliegt glücklich auf und ab. „Vielen Dank! Das ist so lieb von dir. Das Osterei bekommt einen Ehrenplatz. Schnell fliegt sie zu einem Nest aus Moos und legt das Ei dort vorsichtig ab. Dann steckt die Waldfee zwei Finger in den Mund und pfeift laut. „Los, Zwerge. Lasst uns den Kindern die Ostereier zurückbringen. Und dann fragt ihr lieb, ob sie euch eins schenken.
Die Zwerge klatschen begeistert und laufen emsig zu den Ostereiern. Die Waldfee fliegt vorne weg und die Zwerge rollen in zwei langen Schlangen die Eier Richtung Tunnel. Merle folgt ihnen und diesmal ist der Tunnel gar nicht mehr so unheimlich. Die Waldfee leuchtet im Dunkeln und die Zwerge singen lustige Lieder.
Gemeinsam gehen sie bis zum Waldrand, wo sich die Zwerge aufteilen und die Ostereier in die vielen Gärten zurückbringen. Merle steht unschlüssig vor dem Loch im Zaun. „Kommst du noch mit?", fragt Merle die Waldfee, die neben ihr in der Luft schwebt.
„Nein, antwortet die Waldfee und schüttelt den Kopf. „Du hast uns doch schon ein Osterei geschenkt. Aber komm uns gerne mal besuchen. Nun geh, sonst macht sich deine Mama noch Sorgen.
Die Waldfee winkt Merle zum Abschied, ehe sie zwischen den Bäumen davonfliegt. Merle schaut ihr noch einen Moment hinterher. Dann krabbelt sie wieder durch das Loch und hört schon, wie ihre Mutter ihren Namen ruft.
„Merle! Wo warst du? Und warum ist deine Hose so schmutzig?", fragt Merles Mutter aufgebracht.
„Ach, Mama, ich habe nur genauer nach den Ostereiern gesucht. So wie du es gesagt hast", antwortet Merle grinsend. Merle dreht sich zum Zaun um und sieht gerade noch, wie eine rote Zipfelmütze durch das Loch verschwindet.
Lillemor Full, Jahrgang 1989, verdankt den außergewöhnlichen Vornamen ihrer norwegischen Großmutter. Sie lebt und arbeitet in der schönen Rattenfängerstadt Hameln. Sobald sie wusste, wie sie die Buchstaben anordnen muss, fing sie mit dem Schreiben an und hörte nie wieder damit auf. Wenn sie gerade mal nicht schreibt oder liest, ist sie bei allerlei sportlichen Aktivitäten anzutreffen.
*
Aufregung im Osterwald
Hase Hannes freut sich sehr
dauert’s doch nun lang nicht mehr,
bis zur schönen Osterzeit
ist’s jetzt gar nicht mehr so weit.
Alle sind schon aufgeregt
und die Henne Herta legt
viele Eier in das Stroh,
werden bunt darauf im Nu.
Denn des Hannes’ Helferlein
verzieren sie sogleich ganz fein,
Streifen, Punkte, tausend Farben
lassen sie darauf erstrahlen.
Malen alle Eier an,
dass darauf sodann
jedes Kind im Osternest
eines hat zum schönen Fest.
Doch was hat sich da versteckt
ziemlich klein und ganz gescheckt?
Merkwürdig ist’s anzuseh’n.
Muss da jemand was gesteh’n?
S’ scheint, ein fremdes Ei liegt dort
nicht an seinem richt’gen Ort.
Ist es frech hereingemogelt?
Etwa von ’nem andren Vogel?
Wer macht denn nur so etwas?
Ah, ich ahne da etwas ...
Vielleicht hat heimlich ja ruckzuck
es herbeigeschmuggelt Frau Kuckuck.
Denn eine ihrer ganz besonderen Vorlieben
ist das Eier-Unterschieben
anderen Vögeln zum Ausbrüten
und danach die Brut behüten
Doch den Hannes das nicht stört,
dass es hier nicht hingehört.
Dieses kleine Kuckucksei
ist zu Ostern mit dabei!
Er packt’s in seinen Korb hinein
zu den andern Eierlein
und bringt sie zu euch lieben Kindern.
Also sucht eifrig und findet!
Und wundert euch dann nicht,
wenn eins nicht dem entspricht,
wie ihr es habt bisher gekannt
und sich’s sonst im Körbchen fand
Klein, gefleckt und sonderbar
ist solch Ei in diesem Jahr
auch trotz aller Mogelei
ein feines kleines Osterei!
Dörte Schmidt ist Kulturwissenschaftlerin. Derzeit lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Winterthur (Schweiz). Sie hat bereits mehrere Kurzgeschichten und Märchen in Anthologien veröffentlicht.
*
Der Osterhase Benny und wir
Der Osterhase bereitete mir selten Sorgen. Er saß oft neben mir, wenn er gut gestimmt war. Er hatte eine offene, angenehme Art. Ich fand ihn einfach nur nett.
„Das brauche ich öfter, … nicht nur einmal im Jahr!", sagte ich zu meiner Freundin Vanessa, die gluckste. Sie hielt auch viel von dem Osterhasen.
„Ich kann ihn sehr gut leiden, Tom!", teilte sie mir an diesem Kaffeetrink-Sonntag mit. Wir verbrachten ein paar Stunden miteinander. Die Osterfeiertage waren leider vorüber.
Auch sie hätte ihn, wie sie mir mitteilte, am liebsten täglich um sich. Natürlich war das ganz unrealistisch, um nicht zu sagen weltfremd. Denn die Osterhasen gab es nur zu Ostern.
Die Osterfeiertage waren eine kurze Phase des Jahres, in der man ihr Auftreten erwarten durfte. Unser Osterhase Benny – er hatte schon einige Male durch die Beherrschung der deutschen Sprache geglänzt – schien wirklich sehr kommunikativ zu sein, kam stets am Ostersonntag, der von allen schon sehnsüchtig erwartet wurde, pünktlich gegen 11 Uhr morgens in den heimischen Garten, zeigte sich in seiner menschlich-tierischen Pracht, die mir immer sehr originell vorkam. Ich bewunderte ihn in dieser Situation, war er doch die Figur des Unerklärlichen. Interessanter als er hätte niemand sein können.
Wir verbrachten den Sonntag und Montag gemeinsam. Auch Vanessa war dann meistens dabei. Die Osterspiele, wie wir unsere Unternehmungen nannten, gefielen uns ausnehmend. Es war eine Mischung aus sportlichen Aktivitäten und Gesellschaftsspielen. Leider konnten wir nicht noch Verwandte, Freunde und Bekannte zu ihnen einladen. Sie wären vermutlich vor Benny geflüchtet, obzwar er ja ein schönes, menschenähnliches Äußeres aufwies. Aber das hätte ihnen Angst bereitet, keine Frage!
An jedem Ostermontag, abends gegen 20 Uhr, verschwand Benny regelmäßig wieder. Und das war, obwohl wir ihn sehr mochten, im Grunde richtig. Er hatte seinen Auftritt gehabt.
Der Kaffeetisch war an diesem Sonntag reich gedeckt. Wir saßen zusammen, plauderten angeregt. Die Sonne blinzelte uns durch das große Wohnzimmerfenster zu. Draußen spielten Kinder – es war ein seltenes Schauspiel in diesen Jahren.
Nach unserem Gespräch über Benny, unseren Osterhasen, fanden wir schnell zu anderen amüsanten Themen. Vanessa wusste wieder viel von ihrer Arbeit zu berichten, die sie toll fand. Ich hingegen stresste schon wieder mit Themen wie zum Beispiel: Wie schnell ich von A nach B komme, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Mir ging meine eigene Fixierung auf die Zeit, die einzusparen ist, auf die Nerven.
Vanessa brachte dann wieder Benny ins Spiel. „Benny ist ein Gesellschafter, es