Sprachen Lernen Kreativ
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About this ebook
Dieser Ratgeber hat keinen akademischen Anspruch. Hier findet man vor allem ein praxisorientiertes System zum Fremdsprachenlernen, das auf jahrelangen Erfahrungen der Autorin beruht. Die mehrsprachige Autorin gibt Tipps und Tricks zur schnellen Sprachenbeherrschung neben einem Studium oder Job. Darüber hinaus gibt sie Ratschläge zur Vorbereitung auf einen Sprachtest, ein Auslandssemester oder –studium.
Persönliche Geschichten aus dem Leben einer Polyglottin machen das Buch zugänglich, leicht zu verstehen und umzusetzen.
Dieser Ratgeber ist sowohl für ausländische als auch deutschsprachige Schüler, Studenten und für alle, die sich weiterentwickeln wollen: im Ausland studieren oder arbeiten, reisen und neue Kontakte weltweit knüpfen.
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Sprachen Lernen Kreativ - Mariya Heinbockel
Teil I
Fallen
1
Was Du nicht brauchst
Bevor wir darüber sprechen, was Du wirklich fürs Fremdsprachenlernen brauchst, lass uns zuerst klären, was Du nicht brauchst.
Du musst kein Sprachgymnasium besuchen, in dem man sich mehrere Stunden am Tag mit Fremdsprachen beschäftigt. Ich höre sehr oft: „Selbstverständlich gewinnen alle renommierten Wettbewerbe nur Schüler eines Sprachgymnasiums oder Studenten der Fakultät für Fremdsprachen. So wird's gemacht. Nichts dergleichen! Von meinen Mitstipendiaten in den USA studierten tatsächlich die meisten Englisch, aber ein Drittel von ihnen studierte Kybernetik, Wirtschafts- oder Rechtswissenschaften. Ich studierte damals im Fach „Management
an der Technischen Universität in Kriwoj Rog. Davor absolvierte ich eine öffentliche allgemeinbildende Schule. Auf einer Olympiade für Englisch habe ich einmal gemeinsam mit einem Kommilitonen, der bereits ein Jahr an einer High School in Amerika mitmachte, den dritten Preis gewonnen. Solltest Du noch Zweifel an deiner Sprachbegabung haben, so befreie Dich sofort davon. Du brauchst kein Sprachgymnasium und kein Hochschulstudium in Fremdsprachen, um eine neue Sprache zu lernen und einen angesehenen Wettbewerb zu gewinnen.
Außerdem brauchst Du keine regelmäßigen teueren Ausflüge ins Ausland, um eine Sprache zu beherrschen. In den ersten drei Monaten des Lernprogramms musst Du nicht einmal Dein Zimmer verlassen.
Später kannst Du mithilfe von Stipendien reisen. Als ich Englisch lernte, ging ich in die USA im Rahmen von UGRAD, einem Programm des Amerikanischen Auswärtigen Amtes. Das war meine erste selbstständige Reise, die ich mit 19 Jahren machte. Während ich mich mit der deutschen Sprache beschäftigte, ging ich in die Sommerhochschule der Universität Wien – auch mit einem Stipendium. Als ich Tschechisch lernte, plante ich einen Aufenthalt in der Tschechischen Republik ein — im Rahmen eines Stipendiums. Du siehst: Eigener Kopf schlägt Kapital.
Natürlich musst Du früher oder später für Lehr- und Wörterbücher tief ins Portemonnaie greifen. Aber in den ersten Monaten könntest Du Online-Wörterbücher und gebrauchte Lehrbücher nutzen.
Außerdem benötigst Du keinen teueren PC. Irgendein PC mit einem Text-Editor und einem Internetanschluss genügt. Wenn Du Papier-Wörterbücher beim Lernen bevorzugst, würde ein PC sogar eine nebensächliche Rolle im Lernprozess spielen.
Alles, was Du fürs Lernen brauchst, ist irgendein PC mit einem Internetanschluss, Hefte und Stifte, eine Stunde Zeit täglich und das Verlangen danach, eine Fremdsprache zu beherrschen.
2
Lerntypen
Während meiner Recherchen habe ich in vielen verschiedenen Ratgebern darüber gelesen, wie man eine Fremdsprache schnell lernen kann. Fast alle beginnen mit einem Test zur Bestimmung des eigenen Lerntyps. Dutzende Seiten beinhalten Fragen, die helfen sollen, den „eigenen Lerntyp — auditiv, visuell oder kommunikativ und motorisch — zu bestimmen. Stundenlang beschäftigte ich mich mit diesen Fragen. Könnte ich für mich vielleicht etwas Neues entdecken? Ich will es kurz machen: Ich war von den Ergebnissen jedes Mal verwirrt und enttäuscht. Denn die „reinen
Lerntypen kommen in der Natur nur selten vor. Menschen „passen sich der Lernsituation an". Tja …
Ich glaube, dass jeder in gleichem Maße ein auditiver, visueller, kommunikativer und motorischer Lerntyp sein kann (und wie viele Lerntypen gibt es noch zu entdecken?). Es ist so: Keiner weiß Bescheid, wie jeder in Wirklichkeit lernt und wie eine „korrekte Aufnahme des Lernstoffs funktioniert. In verschiedenen Studienphasen nutzt man unterschiedliche Lerntechniken. Vielleicht findet man eine, die man die „eigene
nennen mag. Oder man wird sich weiterhin an stets wechselnde Lernumgebungen anpassen, was auch völlig in Ordnung ist.
Die Lerntechniken, die sich für andere bewährt haben, könnten für Dich genauso nützlich sein. Einige Studierende lernen am besten in Vorlesungen und Seminaren. Sie müssen den Stoff von ihrem Lehrer hören und den gleichen Stoff jemandem wiedererzählen (ein auditiver und kommunikativer Lerntyp). Andere nehmen am besten den Lernstoff aus Lehrbüchern auf und machen sich dabei zahlreiche Notizen. Sie bemalen diese Notizen bunt, wiederholen sie und können bereits das ganze Blatt im Kopf „sehen" (ein visueller Lerntyp). Außerdem gibt es Menschen, die beim Lernen hin und her laufen oder mit ihren Händen kleine Kärtchen mischen. Einmal gemischt, einmal gedreht, einmal nachgedacht — et voilà! — zwanzig Wörter gelernt (ein motorischer Lerntyp).
Bist Du so wie andere, dann stehen Dir zwei Augen, zwei Ohren und zwei Hände zur Verfügung. Du musst das Beste daraus machen. Anders gesagt: Alle Lerntypen sind wichtig, wenn Du schnell eine Fremdsprache lernen willst. Ideal wäre es, alle Lernkanäle während einer Übungsstunde zu aktivieren.
3
Die ge-rechte Gehirnhälfte
Ich will es Dir klar machen: Du wirst keine Fremdsprache „schnell, einfach und mühelos beherrschen können, indem Du mit der „richtigen
rechten Gehirnhälfte lernst. Schnell, einfach und mühelos kann man nur bergab runterkugeln. Und in diesem Fall ist es nebensächlich, welche Gehirnhälfte die Arbeit dabei leistet.
Beantworte bitte die Frage: Kannst Du diese Zeilen lesen? Ja? Glückwunsch! Du kannst schon beide Gehirnhälften aktivieren. Kurz und gut: Anstatt der ge-rechten Gehirnhälfte, schalte beim Fremdsprachenlernen mehr Gehirnmasse an.
4
Passives Lernen
Wäre es nicht schön, sich auf dem Sofa zu entspannen und „nebenbei" eine Fremdsprache zu beherrschen? Ja, es wäre ein Traumschiff ins Land des Lernens. Anhänger der passiven Lernmethode versprechen Dir blitzschnelle Ergebnisse. Alles, was Du dabei leisten musst, ist Dich zu entspannen und Däumchen zu drehen.
Doch gibt es einen Haken an der Sache: Keiner weiß Bescheid, was „passives Lernen" bedeutet. Einige sagen, es sei Hören. Andere meinen, es sei Lesen. In einem Ratgeber habe ich folgenden Begriff gefunden: Lesen und Vorlesen beschreibt passives Lernen, während Wortschatz- und Grammatikübungen aktives Lernen bezeichnen. Ich persönlich sehe keinen Unterschied zwischen aktivem und passivem Lernen. Man muss sich sowohl beim passiven, als auch beim aktiven Lernen anstrengen.
Ich würde passives Lernen so definieren: Beim Lernstoffkonsum braucht man seine Aufmerksamkeit nicht zu halten. Man kann zum Beispiel Staub wischen und sich gleichzeitig einen Dialog oder einen Film in Originalsprache anhören. Man muss nicht darüber nachdenken, ob man alles versteht.
Leider kommst Du ausschließlich mit passivem Lernen nicht weiter. Nach einiger Zeit wäre es vielleicht möglich, Dein Ohr dem Sprachrhythmus anzupassen und einige Wörter aus dem Kontext zu verstehen. Mehr nicht. Ich rate Dir, diese Methode für einen Ausnahmefall zu bewahren, zum Beispiel bei großer Müdigkeit. Besser: Fünf Minuten ins passive Lernen investieren als tagelang prokrastinieren.
Teil II
Sprachcoach
1
Brauchst Du wirklich einen Sprachcoach?
Beantworte bitte folgende Fragen:
Bist Du ein Polyglott? Kannst Du zwei, drei oder sogar vier Fremdsprachen?
Lernst Du eine Fremdsprache, weil Du im Moment nichts Besseres zu tun hast?
Würde es keinen Unterschied machen, ob Du eine Fremdsprache beherrschst, und zwar schnell?
Wenn Du die Fragen verneinst und eine Fremdsprache schnell sprechen musst, dann rate ich Dir, Dich nach einem Sprachcoach umzusehen. Es könnte teuer werden, aber es ist am zielführendsten, wenn es darum geht, in einer Fremdsprache zu sprechen oder sich effektiv auf einen Sprachtest vorzubereiten. Eine wöchentliche 45-60-minütige Lernsitzung mit einem Sprachcoach reicht vollkommen aus, um messbare Ergebnisse in kürzester Zeit zu erzielen.
2
Meine Erfahrung
In der neunten Klasse beschloss ich, täglich eine Stunde lang Englisch zu lernen. Ich glaubte fest daran, dass ich bald fließend Englisch sprechen würde. Am gleichen Tag fand ich zuhause ein Englischlehrbuch aus Zeiten der Sowjetunion. Ich schlug das Buch bei der ersten Lektion auf und machte alle Übungen daraus in einem Rutsch. Nach zwei Stunden wiederholte ich den Lernstoff der ersten Lektion. Am nächsten Tag habe ich noch eine Lektion gelernt und die vorherige Lektion wiederholt. In diesem Rhythmus lernte ich mehrere Monate lang.
Meine Mutter beobachtete, wie fleißig ich lernte. Sie finanzierte mir moderne Englischlehrbücher und schrieb mich für ein Fernstudium an einer Sprachschule ein. Einmal pro Monat kam mein Lernstoff per Post. Nun hatte ich zwei Lernquellen – Bücher aus den siebziger Jahren und moderne Zeitschriften zum Englischlernen. Jeden Tag lernte ich neue Wörter und schickte meine Hausaufgaben meinem „persönlichen" Lehrer. Diese kamen zurück, jedes Wort in Rot korrigiert. Es dauerte bereits Monate, und ich machte kaum Fortschritte. Plötzlich wurde mir klar: Meiner Lernstrategie fehlte ein Teil. Ich musste weiter machen, aber nicht so wie bisher.
Ich habe jeden Tag Englisch gelernt. Doch selbst einfache Sätze waren für mich schwer. Ich brauchte dringend Hilfe. Und diese sollte nun nicht per Post kommen. Sie musste real sein. Mir konnte nur ein erfahrener Sprachmentor helfen.
In der zehnten Klasse entschied ich mich für einen Sprachcoach für Englisch. Zwei Monate danach bestand ich einen Englischtest im Schülerwettbewerb des Amerikanischen Auswärtigen Amtes, konnte mit einem Amerikaner fließend auf Englisch plaudern und übersetzte englischsprachige Korrespondenz in einem Reisebüro.
Heute würde ich meinem 14-jährigen „Ich" folgenden Ratschlag geben: Du kannst nicht alles alleine in den Griff bekommen. Musst Du auch nicht. Die Zeit vergeht, und Du bist so klug als wie zuvor. Du solltest aktiv Hilfe suchen.
3
Anforderungen an den Sprachcoach
Ich habe einen 45-minütigen Privatunterricht einmal pro Woche besucht. Mein Sprachcoach war damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Seine Schüler studierten in Amerika oder England. Er verfügte über die neuesten Ausgaben von Englischlehrbüchern und kannte alle Amerikaner, die in vielen verschiedenen Projekten in meiner Heimatstadt arbeiteten.
In den kurzen Unterrichtseinheiten musste ich richtig Gas geben. Mein Sprachcoach brachte mich stets an meine Lerngrenzen – und ein Stück darüber hinaus. Für die zweite Unterrichtsstunde musste ich mir ein Englischlehrbuch В2 besorgen, obwohl mein damaliges Sprachniveau B1 war. Andererseits hat man es zu leicht, wird einem schnell langweilig. Doch sieht man, dass ein großes Verbesserungspotenzial entsteht, will man allen beweisen: Das ist nur vorübergehend so. Aus Ehrgeiz verdoppelte ich stets die Intensität meiner Vorbereitung für die folgende Stunde.
Dieses Lernvorgehen hat Früchte getragen. In der Bezirksolympiade für Englisch habe ich den dritten und in der regionalen Olympiade den fünften Platz gewonnen. Das war eine großartige Leistung für eine Schülerin aus der öffentlichen Schule. Auf Anraten meines Sprachcoaches nahm ich an einem Schulwettbewerb des Amerikanischen Auswärtigen Amtes teil. Damals habe ich den Wettbewerb nicht gewonnen, aber ich habe den Sprachtest bestanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Privatunterricht für weniger als sechs Monate genommen.
Für meine zweite Fremdsprache – Deutsch – folgte ich einer ähnlichen Strategie. Als Erstes suchte ich einen Dozenten für Deutsch, der Zeit für einen wöchentlichen Privatunterricht hatte. Ich habe ihn an einer kleinen technischen Hochschule gefunden. Er reiste mehrmals nach Deutschland und kannte sich mit der deutschsprachigen Kultur und Traditionen sehr gut aus. Seine Stunde war anders strukturiert als mein Englischprivatunterricht. Schwerpunkte setzte er auf Grammatik und deutschsprachige Kultur. Ich musste Gedichte von Schiller und Prosa von Heine auswendig lernen, und es kamen stets bis zu drei Seiten pro Woche zusammen! Ständig prüfte und korrigierte er meine Aussprache sowie den Stapel von Grammatikaufgaben im Umfang von dreißig DIN A4-Seiten. Wöchentlich. Kein Wunder, dass ich Deutsch nach einem Jahr beherrschte. Im DAAD-Sprachtest habe ich 110 Punkte