Vergewaltigung: Psychotraumatologisches Grundlagenwissen und existenzphilosophische Überlegungen für Notfallseelsorge und seelsorgerliche Begleitung
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Christine Freitag
Christine Freitag ist Philosophin und Religionswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre in der Krisenintervention gearbeitet und lebt mit ihrer Familie in Graz.
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Book preview
Vergewaltigung - Christine Freitag
Copyright © Claudius Verlag, München 2020
www.claudius.de
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt, München
Layout: Mario Moths, Marl
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020
ISBN 978-3-532-60064-1
Vorwort
Die Annäherung an eine Hilfestellung zur Bewältigung einer Vergewaltigung wirft zunächst die Problematik auf, dass Frauen ein solches Schreckenserlebnis sehr individuell wahrnehmen und verarbeiten. Während einige Frauen relativ schnell in den Alltag zurückfinden, weil die Vergewaltigung ein einmaliges Geschehen war, sie über gute Resilienzen verfügen und sie zudem innerhalb ihres sozialen Bezugsgeflechts auf viel Verständnis stoßen, leiden andere Frauen massiv unter den Folge- und Langzeitbeeinträchtigungen einer Vergewaltigung.
Psychotherapeutische Hilfsangebote zur Verarbeitung einer Vergewaltigung lassen jedoch häufig die Wahrnehmungssensibilität für die betroffene Frau als selbstkompetente Gestalterin des Heilprozesses und/oder die Würdigung ihrer inneren Weisheit, als Ausgangspunkt des Heilgeschehens, vermissen. Betrachtet man jedoch diese beiden Aspekte als grundlegend für Heilung und nutzt diese Hintergrundbedingungen, um sie in Zielformulierungen für ein seelsorgerliches Hilfeverfahren umzuwandeln, wird deutlich, warum es bei der Begleitung von Frauen nach Vergewaltigung aus seelsorgerlicher Perspektive niemals ein Manual im klassischen Sinn geben kann, das auf konkreten Handlungsanleitungen fußt: Heilung, die nicht nur auf Symptomreduktion abzielt, sondern den fühlenden Menschen in den Mittelpunkt rückt, kann nur über einen existenzgeleiteten Prozess des Heil-Werdens befördert werden, der die Entfaltung des Selbst der Frau in den Mittelpunkt stellt. Das bedeutet, die Frau wird in der bewussten Gestaltung ihres Sein-Könnens, Wert-Seins, So-Sein-Wollens und im sinngesetzten-Sein begleitet.
Trotz der Notwendigkeit einer individuellen Gestaltung seelsorgerlicher Begleitung scheinen mir aber dennoch Konturen für die Hilfestellung zur Bewältigung einer Vergewaltigung notwendig zu sein, wenn auf die konkreten Gefühlslagen der Frauen passgenau eingegangen werden soll. Dass sich eine solche Hilfeplanung jedoch nicht einfach aus einer Kombination klassischer Modelle der traumaorientierten Psychotherapie mit der Notfallseelsorgepraxis ableiten lässt, wird offenbar, wenn die Notwendigkeit einer Betrachtung, die die Frau als verletzte Einzelne wahrnimmt, für den Heilungsprozess verstanden wird: Um in das Heilungsgeschehen positiv einwirken zu können, bedarf es einer Hinwendung zu einer Frau, die alleine und höchst individuell in eine Extremsituation geraten ist und um zu überleben einen Bruch mit sich selbst und der Welt vollziehen musste. Mehr noch, diese einzelne Frau lebt seit diesem Schreckensereignis nicht nur in einer traumabedingten Selbst- und Weltentfremdung, sondern auch in einer ihr eigentümlichen destruktiven Beziehung zu ihren inneren Ressourcen, die gerade jetzt nicht als Kraftquelle für die Aktivierung der Selbstheilung genutzt werden können.
Professionelle Begleitung von Frauen nach Vergewaltigung steht daher in einem Spannungsfeld aus Praxiskönnen und Fachwissen: Nicht ein umfassender Rückgriff auf wissenschaftlich belegte theoretische Kenntnisse der Psychotraumatologie ist notwendig, um der Frau professionell zu helfen, vielmehr gilt es zu klären, welches Fachwissen bedeutsam ist, um eine geeignete Handlungs- und Reflexionsgrundlage im seelsorgerischen Kontext sicherstellen zu können. Gefordert sind also stets individuell-verschränkte Zugänge, die ausgewählte therapeutische Interventionen mit seelsorgerlichem Handeln, das sich durch eine spezifische Haltung gepaart mit wissensgeleitetem Können auszeichnet, in Einklang bringen lässt, um so die Themenkomplexe, die eine Frau nach Vergewaltigung beschäftigen, durcharbeiten zu können. Grob umrissen erfordert eine solche auf die persönliche Welt der Frau abgestimmte Verknüpfung von Psychotraumatologie und Seelsorge, dass in der dialogischen Auseinandersetzung die Selbst- und Weltdeutung gewichtet und in den Mittelpunkt einer existenzorientierten Heilungsarbeit gerückt wird.
Dieses Buch versucht einen Beitrag zu dieser Problematik zu leisten, indem zunächst psychotraumatologisches Grundlagenwissen vermittelt wird, um es anschließend in existenzphilosophische Überlegungen für die seelsorgerliche Begleitung zu überführen, ohne dabei die Seelsorgepraxis, die sehr viel methodische Beweglichkeit und ein empfindsames Gespür für individuelle Entwicklungs- und Heilungsprozesse erfordert, zu beschweren. Das Ziel ist, Notfallseelsorger_innen und Berater_innen aus seelsorgerlicher Begleitung zu ermutigen, sich mit der Beschaffenheit der Bedingungen auseinanderzusetzen, vor welchen das Erlebte durch korrigierende Seins-Erfahrungen verarbeitet werden kann. Denn erst durch tiefe Auseinandersetzung mit den Hintergründen des Selbst- und Welterlebens der Frau und durch Beleuchtung der Quelle ihrer inneren Kraft und Weisheit kann ein Beziehungsraum geschaffen werden, in dem heilsame Begegnungen erfahrbar werden und folglich Heil-Werdung stattfinden kann.
Graz, im November 2019
Amo: volo ut sis.
(Augustinus)
Für die Abfassung vorliegender Arbeit unternahm ich den Versuch, durch Betrachtung des augustinischen¹ Amo: volo ut sis einer neuen Spur, durch die zu den Bedingungen der Möglichkeit von Seelenheilung nach einem Vergewaltigungstrauma gefunden werden kann, nachzugehen.
Als Augustinus durch diese Worte die Bedeutung der Liebe für den Menschen erläuterte, fasste er mit der Spannweite der Interpretationsmöglichkeiten nachfolgender Existenzphilosoph_innen bereits den Kern vorliegender Arbeit zusammen: Während Martin Heidegger mit „Ich will, dass Du seiest, was Du bist die Möglichkeiten des Selbst in den Kanon der Selbstdeutung fächert, verknüpft Hannah Arendts „Ich will, dass du bist
den Einzelnen mit dieser Welt.
Ich bin überzeugt davon, dass beide Deutungen in die Grundhaltung der Notfallseelsorger_innen und seelsorgerlichen Begleiter_innen übergehen müssen, damit Heilung für Frauen nach sexualisierten Gewaltereignissen möglich wird.
INHALT
I. Belastende und traumatische Lebensereignisse – Symptome und Behandlung
1. Hinführung zum Thema
²
Die European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) publizierte im Jahr 2014 erstmals Ergebnisse der Umfrage Violence against Women; An EU-wide Survey: Main Results, die Frauen aus achtundzwanzig EU-Mitgliedsstaaten zu ihren Erfahrungen mit psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt befragte. Deutlich wurde, dass etwa 11 Prozent der befragten Frauen vor ihrem fünfzehnten Geburtstag wenigstens ein Mal sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. Fast jede zwanzigste Frau, das entspricht bei achtundzwanzig Millionen Frauen aus dem Raum der Europäischen Union einer Anzahl von fast 1,5 Millionen Frauen, wurde Opfer einer Vergewaltigung. Zudem gaben weitere sechs Prozent der Befragten an, dass sie nach dem fünfzehnten Lebensjahr mindestens einer versuchten Vergewaltigung entkamen oder sexuellen Handlungen nur aus Angst zugestimmt hatten. Diesen erschreckenden Ergebnisse steht die Zahl jener Frauen gegenüber, die nach Vergewaltigung tatsächlich Hilfe suchen: Nur etwa 30 Prozent der Frauen, die Vergewaltigung und andere Formen von sexualisierter Gewalt in ihren Lebensgeschichten haben, suchen professionelle Hilfe. Als häufigsten Grund für ihr passives Verhalten und Schweigen nannten sie Scham.³
Derartige Reaktionen auf vollzogene oder versuchte Vergewaltigungen sind nicht ungewöhnlich, denn die Bewertung sexueller Übergriffe hängt stark mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Opfer zusammen. Wie Grubb & Harrower (2009) in ihrem Artikel Understanding attribution of blame in cases of rape: An analysis of participant gender, type of rape and perceived similarity to the victim im Journal of Sexual Aggression postulieren, kursieren immer noch hartnäckig Vergewaltigungsmythen, die Frauen wenigstens unterschwellig die Mitschuld am Geschehen geben und bestimmte Charakterfehler der Frauen als Ursache für sexualisierte Gewaltverbrechen benennen.⁴ Die häufigsten Vorstellungen über Vergewaltigung beziehen sich dabei auf typische Geschlechterstereotypen, nach welchen Männer durch aufreizende, attraktive Frauen so weit in Erregung gebracht werden, dass sie sich nicht mehr zurückhalten können. In diesem Zusammenhang ist der Mythos, dass Frauen eigentlich ja meinen, wenn sie nein sagen, bis heute ungebrochen.⁵
Zudem schwingt im Vergewaltigungsdiskurs, und speziell in religiösen Sozialisationsumgebungen, immer noch die Vorstellung von der verletzten Ehre der Frauen mit. Auch das daraus resultierende Konzept der Schande findet immer noch Resonanzen in der Bevölkerung, denn ursprünglich war klar, dass verletzte Ehre Schande bedeutet, der Einzelne daher mit Scham zu reagieren hat.⁶
Vor diesem Hintergrund entzündet sich die Geschichte der Vergewaltigung immer wieder neu: Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren, beurteilen sich anhand eingeschriebener gesellschaftlicher Normen, die ihnen eine Mitschuld für dieses Verbrechen anlasten, negativ. Folglich nehmen sie kaum Hilfe in Anspruch, was mit einer drastischen Verschlechterung ihrer psychischen und seelischen Gesundheit einhergeht. Zudem scheuen sich Frauen davor, in der Seelsorge – die im kirchlichen Kontext zumeist von männlichen Kirchenvertretern angeboten wird – Trost zu suchen, daher liegen kaum Erfahrungswerte vor, wie Frauen nach Vergewaltigung durch seelsorgerliche Begleitung unterstützt werden können. Außerdem fehlt es in der Seelsorgearbeit an konkreten Ansätzen, die Heilungsprozesse nach Vergewaltigungstraumata befördern. Folglich müssen die wenigen Frauen, die tatsächlich Hilfe suchen, auf nüchterne Interventionsprogramme zurückgreifen, die ihre spirituelle Ausrichtung unberücksichtigt lassen.
Vorliegende Arbeit verfolgt daher das Ziel, das Erleben und die Auswirkungen von Vergewaltigung sichtbar zu machen, um Angehörigen der Seelsorgearbeit die Möglichkeit zu eröffnen, konkrete und passgenaue Hilfsangebote auszusenden.
Dieses Buch ist aber kein Manual im klassischen Sinne, sondern stellt im ersten Teil Grundlagenwissen und Ergebnisse aus Forschungsliteratur der Psychotraumatologie vor, die im zweiten Teil in Konturen, als strukturgebende Praxisorientierungen, überführt werden. Dabei soll nicht die Anwendung bloßer Arbeitstechniken der Psychotraumatologie den Umgang mit hilfesuchenden Frauen nach Vergewaltigung in der Seelsorge bestimmen, vielmehr zeigt vorliegende Auseinandersetzung, welche Verletzungen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen und sensibilisiert so für die Themenbereiche, die es zu bearbeiten gilt: Beleuchtet wird einerseits die Bedeutung von Vergewaltigung für das Selbstbild der Frauen, andererseits findet darauf aufbauend auch die damit verbundene Frau-Welt-Beziehung Beachtung. Herausgearbeitet wird, weshalb Vergewaltigung nicht nur ein demütigendes Schreckenserlebnis ist, sondern vor allem die existenziellen Wurzeln einer Frau in dieser Welt beschädigt. Dieser Bruch mit der Welt ist einerseits ein Konflikt mit dem Selbst, weil es verlassen werden muss, um zu überleben, und andererseits mit den Menschen, die dieses Leid entfacht und/oder zugelassen haben. Die Hoffnung, dass die Welt Gutes für den Menschen bereithält, scheint für die betroffene Frau im Rekurs auf das Erlebte abwegig zu sein. Daher müssen Seelsorger_innen mit viel Feingefühl zunächst die Reflexion der Selbst- und Weltdeutung ihrer Klient_innen anregen, um anschließend eine Hinwendung zu ihrer inneren Heilkraft wieder möglich zu machen. Konkret soll anhand der Konturierungen im zweiten Teil dieser Arbeit deutlich werden, dass Heil-Werdung durch eine Verschränkung einer Hinführung zu eigenen inneren Ressourcen mit seelsorgerlichem Fachwissen und Praxiskönnen gelingen kann – insbesondere indem eine dialogische Grundhaltung mit ressourcen- und symbolorientierten Arbeitsmethoden forciert wird.
2.Vergewaltigung
Im Handwörterbuch Sexueller Missbrauch wird Vergewaltigung als „traumatisches, existenziell bedrohliches Ereignis, von denen Mädchen und Frauen objektiv am stärksten bedroht sind"⁷ beschrieben. Unter Vergewaltigung wird dabei jedes gewalttätige, sexuelle Eindringen in den Körper eines anderen ohne dessen Einwilligung verstanden, wobei in Deutschland vaginale, anale und orale Vergewaltigungen sowie Vergewaltigung mit Gegenständen auch durch Ehepartner strafbar sind, und folglich auch strafrechtlich verfolgt werden können.⁸
Typischerweise wird also im Deutschen Strafgesetzbuch das Erzwingung eines Beischlafs durch Eindringen in den Körper als Vergewaltigung bezeichnet, alle anderen Handlungen sind, im juristischen Sinne, Formen sexueller Nötigung⁹. Aus Perspektive einer Frau kann Vergewaltigung folgendermaßen zusammengefasst werden:
„[Vergewaltigung ist] ein sexuelles, gewaltsames Eindringen in den Körper, ein Einbruch in den privaten, persönlichen Innenraum, ohne dass die Frau ihr Einverständnis dazu gegeben hätte – kurz, ein gegen das Innere gerichteter schwerer körperlicher Angriff auf einem von mehreren Zugangswegen und mittels einer von mehreren Methoden. Dieser Gewaltakt stellt eine bewusste Verletzung der emotionalen, körperlichen und geistigen Integrität dar und ist eine feindselige, entwürdigende, brutale Handlung."¹⁰
Der zentrale Aspekt für die Nutzung des Begriffs Vergewaltigung bezieht sich hier nach Teubner (1989) in ihrem Artikel Über die langen Folgen der Vergewaltigung und die systematische Verkennung von Gewalt gegen Frauen, ähnlich wie in den deutschen Rechtstexten, auf die missachtete sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Vergewaltigung ist also eine Grenzüberschreitung „bei der der Mann sich über den Willen der Frau hinwegsetzt und die Frau seiner Macht und Willkür ausliefert, indem er sie zu bestimmten Handlungen benutzt"¹¹. Wichtig ist daher die Betonung, dass Vergewaltigung, wie alle Formen der sexualisierten Gewalt, ein Gewaltakt ist, der „den Intimbereich mit einbezieht, zumeist weniger, um eine sexuelle Befriedigung des Täters zu erzielen, sondern um eine Demütigung der (verletzten) Person zu bewirken.¹² Daraus ergeben sich zwei konkrete Schlussfolgerungen: Erstens liegt Vergewaltigung nicht „in den Genen
, denn Gewaltverbrechen und aggressive Akte, die darauf abzielen, die Würde der Mitmenschen zu verletzen, können nicht (mehr) durch einen evolutionsbasierten Biologismus gerechtfertigt werden. Diese Theorie wäre auch aus sozialpsychologischer Sicht nicht haltbar, denn es handelt sich bei einem Vergewaltigungsakt nicht um feindselige Aggression, die typischerweise aus einem Empfinden negativer Gefühle oder einem Unterdrücken von Trieben herrührt, sondern um instrumentelle Aggression, die zwar dem Gegenüber ebenso Schaden zufügt, jedoch als Mittel zum Zweck eingesetzt wird, beispielsweise um Macht über eine Gesellschaftsgruppe zu erlangen. Außerdem ist die Triebtheorie, die die Vergewaltigungstat des Täters abzuschwächen versucht, indem sie durch Etikettierung als „Überlaufen und Erhitzen der naturgegebenen Triebe bagatellisiert wird, stets damit verknüpft, dass Sexualität – wenn sie nicht penibel genau kontrolliert wird – zu einem menschenverachtenden Geschehen wird. Eine solche Kennzeichnung der Sexualität hat fatale Auswirkungen für junge Männer, denn um nicht auf diese „destruktive
Seite der Sexualität zu rutschen, kann sie nur abgespalten werden. Somit bleibt ein gesunder Zugang zu Sexualität, vor allem aber zu den aggressiven – im Sinne von bewegenden, ungeordneten, lebendigkeitsbefördernden – Anteilen, verwehrt. Solange solche Facetten der Sexualität ausgeblendet und mit sexualisierter Gewalt in eine negative Verbindung gebracht werden, wird die Sexualität zu einem unheimlichen Ort, an dem ungleiche Geschlechterverhältnisse zementiert werden, weil sie zu Diffamierungszwecken und einseitigen Moralisierungen missbraucht wird.
Aufgrund der neueren Definition der Vergewaltigung als Gewaltakt anstatt als triebgesteuertes Verhalten, wurde zugleich mit der Neufassung des dreizehnten Abschnitts des deutschen Strafgesetzbuches, das Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174–184j) behandelt und am 10.11.2016 in Kraft getreten ist, der Schutz eines Menschen auf sexuelle Selbstbestimmung verbessert. Zwar konnte in der zuvor gültigen Fassung aus dem Jahre 1861 die sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung ebenfalls mit Freiheitsstrafe bestraft werden, jedoch fehlten konkrete Erläuterungen, was unter sexueller Selbstbestimmung zu verstehen ist. Im gegenwärtigen Gesetzestext findet sich unter dem §177 folgende Definition von sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung und Vergewaltigung:
„Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (1) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt […] (2)"¹³
Deutlich wird bei Vergleich der beiden Gesetzesfassungen, dass in der neueren Bestimmung der Wille der Person in den Mittelpunkt gerückt wird, so heißt es, dass der Täter nicht ausnutzen darf, dass „die Person nicht in der Lage ist,