Was Gott zusammenfügt
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Ein Zufall führt den jungen Georg von Rodenfels mit der bezaubernden Renate zusammen, Fritz Coulmanns Tochter. Zwischen den beiden erblüht eine tiefe Liebe. Doch als Georg um Renates Hand anhält, macht das unerbittliche „Nein“ Fritz Coulmanns alle Hoffnungen zunichte. Unüberwindlich stehen Schuld und Hass der Väter zwischen den Liebenden…
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Book preview
Was Gott zusammenfügt - Hedwig Courths-Mahler
ZUSAMMENFÜGT
Copyright
First published in 1914
Copyright © 2020 Classica Libris
Was Gott zusammenfügt
„Und darum, meine verehrten Herrschaften, toujours l’amour! Erheben Sie bitte mit mir Ihre Gläser, und lassen Sie uns anstoßen auf das Wohl unseres glücklichen Paares, das die Liebe zusammengeführt hat."
Michael von Rodenfels hatte sein Glas mit eleganter Verbeugung gegen die Tafelrunde erhoben. Mit blitzenden Augen wandte er sich an seine schöne Nachbarin. Allgemeines Stuhlrücken, Gläserklingen, Schwatzen und Lachen – der fröhliche Tumult einer festlich gestimmten Gesellschaft – folgte seiner Rede.
„Ein toller Kerl, der Rodenfels, sagte nach aufgehobener Tafel Baron Hadersleben zu dem Brautvater, Oberstleutnant von Massenbach. „Seine Rede war famos, witzig und geistvoll. Der Mensch sprüht vor Feuer und Lebenslust.
Massenbach nickte zustimmend.
„Ja, ja – ein glänzender Gesellschafter ist er immer gewesen. Ich kenne ihn nicht anders als gut gelaunt." Er sah zu Frau von Rodenfels hinüber, die mit einigen älteren Damen plauderte. Sie tat es in einer müden, lässigen Art. Ihre große, hagere Gestalt hatte eine schlechte, vorgebeugte Haltung.
Bedächtig nahm Massenbach einen Schluck aus seinem Glas.
„Ein ungleiches Paar, ohne Zweifel. Die arme Frau tut mir Leid, sie ist nicht auf Rosen gebettet gewesen an seiner Seite."
Hadersleben sah ihn fragend an.
„Man hat mir gesagt, Rodenfels’ Glück bei den Frauen sei sprichwörtlich. Jedenfalls weiß auch seine Frau darum. In der Regel ist so etwas für den Mann vergnüglicher als für die Frau."
Massenbach sah tiefsinnig in sein Glas.
„Hm – ja – wenn es nur das wäre! Ich glaube, damit hat sich Ulrike Rodenfels längst abgefunden. Aber dass ihm Spiel und Frauen das Geld wie Sand durch die Finger laufen lassen, das wird ihr mehr Unruhe machen. Ich weiß aus guter Quelle, dass Rodenfels bedenklich auf der Kippe steht. Seine Frau hat sich anfangs mit wilder Energie gegen den Untergang gestemmt, der beiden Kinder wegen. Sie wollte ihrem Sohn Rodenfels erhalten um jeden Preis. Aber jetzt ist sie müde geworden – gleichgültig. Ich fürchte, Rodenfels kommt demnächst unter den Hammer."
„Nicht möglich! Der Mann sieht nicht aus, als ob er Sorgen hätte. So voll übermütiger Fröhlichkeit könnte er dann nicht sein."
Massenbach nickte vor sich hin.
„Sie kennen ihn nicht wie ich. Der lacht noch, wenn der Sargdeckel über ihm zugeklappt wird."
Eine Weile saßen die beiden Herren schweigend und sahen zu Michael von Rodenfels hinüber. Einige Herren und Damen hatten in einer Ecke des Festsaals Platz genommen und schienen sich köstlich zu amüsieren. Rodenfels stand mitten unter ihnen in übermütiger Stimmung und ließ seine Augen nicht von der schönen Frau, die bei Tisch seine Nachbarin gewesen war. Es war die Gattin des bekannten Architekten Professor Hardenberg. Dieser stand neben dem Sessel seiner Frau und unterhielt sich mit einem alten, weißköpfigen Herrn. Er war eine imposante, vornehme Persönlichkeit. Auf den breiten Schultern saß ein rassiger Künstlerkopf mit markanten Zügen.
Er wechselte zuweilen einen Blick mit seiner Gattin. In diesem Blick hätte ein aufmerksamer Beobachter allerlei lesen können. Vor allem, dass diese beiden Menschen sich in innigster Liebe zugetan waren. Hardenbergs waren in ihren Gesellschaftskreisen dafür bekannt, dass sie eine Idealehe führten, die nur von einem Schatten getrübt war – sie blieb kinderlos.
Rodenfels und seine Gattin waren mit anderen Hochzeitsgästen in demselben Hotel abgestiegen, in dem auch Hardenbergs seit mehreren Tagen schon Wohnung genommen hatten. Kaum hatte Michael von Rodenfels die schöne Frau Professor kennen gelernt, als auch schon Eroberungsgelüste bei ihm erwachten. Dass sie seine Artigkeiten mit kühler Liebenswürdigkeit aufnahm, reizte ihn noch mehr. Auch heute hatte er sich ihr fast ausschließlich gewidmet; seine eigene Frau schien er ganz vergessen zu haben.
Die beiden Herren in ihrer Trinkecke beobachteten ihn eine ganze Weile. Endlich sagte Hadersleben: „Mir scheint, der Schwerenöter will einen Flirt mit Frau Professor Hardenberg inszenieren."
„Da dürfte er sich einmal umsonst bemühen. Die Frau ist gefeit!"
„Glückliche Ehe – was?"
„Sehr glücklich."
Andächtig leerten sie ihre Gläser, dann fragte Hadersleben: „Ist sein Sohn nach ihm geraten?"
„Sie meinen Rodenfels’ Sohn? Nein, nicht im Mindesten, weder äußerlich noch im Wesen. Er besitzt allerdings die große schlanke Gestalt seines Vaters, aber sonst hat er kaum einen Zug mit ihm gemeinsam. Die Schönheit des Vaters hat sich mehr auf das Töchterchen vererbt, so weit man das bei einem achtjährigen Mädchen beurteilen kann."
„So jung ist sie noch?"
„Ja, ein Nachzügler. Ihr Bruder ist bereits achtundzwanzig Jahre alt, der ging gerade zur Marine, als die kleine Eva – ich glaube, von den Eltern nicht gerade freudig begrüßt – geboren wurde."
„Das ist allerdings ein großer Altersunterschied zwischen Geschwistern. Weshalb ist der junge Rodenfels zur Marine gegangen? Hätte er sich auf dem väterlichen Besitz nicht nützlicher machen können?"
„Ich glaube, er war froh, von zu Hause fortzukommen. Und dann hat ihn wohl auch die Mutter beeinflusst, als sie einsah, dass Rodenfels nicht zu halten war. Die familiären Verhältnisse sind natürlich keine angenehmen. Und Georg Rodenfels hat wohl zu viel vom Treiben seines Vaters gesehen, um davon sehr erbaut zu sein. Er ist, so weit ich ihn kenne, ein solider und ehrenhafter Charakter, der wenig Verständnis haben dürfte für die oberflächliche Schmetterlingsnatur seines Vaters. Die beiden sollen keinen guten Faden spinnen und sich am liebsten aus dem Wege gehen."
„Das sind sehr unerquickliche Verhältnisse. Wahrscheinlich für den Sohn drückender als für den Vater."
„Entschieden. Georg Rodenfels tut mir Leid. Ich wäre stolz auf einen solchen Sohn. Aber… ich muss jetzt ein wenig aus diesem behaglichen Eckchen herauskriechen, mein lieber Baron. Ich muss mich nach meiner Frau umsehen. Meine Tochter ist anscheinend mit ihrem jungen Gatten verschwunden. Entschuldigen Sie mich kurze Zeit – wir plaudern nachher noch weiter."
Hadersleben nickte ihm lächelnd zu.
„Gehen Sie nur, lieber Massenbach! Ich sitze hier in guter Gesellschaft eines famosen Tropfens – da halte ich’s eine Weile aus."
Es war Michael von Rodenfels nicht gelungen, die „süße kleine Professorin" aufzutauen. Sie blieb freundlich reserviert. Und da ihr Gatte über Unwohlsein klagte, verabschiedete sie sich bald.
Michael von Rodenfels war etwas verstimmt durch seinen Misserfolg. Er zog sich hinter einer Flasche Wein zurück und trank hastig einige Gläser leer. Ziemlich zeitig entschloss auch er sich zum Aufbruch. Er suchte seine Gattin und fand sie in Gesellschaft einer schwerhörigen Stiftsdame.
„Wir wollen aufbrechen, Ulrike, ich bin müde", sagte er lässig.
Die hagere Frau mit dem bleichen, vergrämten Gesicht erhob sich sofort und legte ihre Fingerspitzen auf seinen Arm. So durchschritten sie den Saal, um sich von den Gastgebern zu verabschieden.
Draußen gähnte Rodenfels hinter der vorgehaltenen Hand.
„Ein langweiliges Fest", sagte er halblaut.
Ein verächtliches Lächeln umspielte den Mund seiner Frau.
„Bei Tisch schienst du dich sehr gut zu amüsieren", erwiderte sie herb.
„Ja, solange Professor Hardenberg noch zugegen war, war es ganz amüsant. Das einzige interessante Paar unter sämtlichen Gästen."
„Für dich kommt doch nur die Frau in Betracht."
Michael warf einen spöttischen Seitenblick über die reizlose Gestalt seiner Frau.
„Sie ist allerdings eine sehr schöne und interessante Frau. Und voll Geist und Liebreiz."
Ulrike antwortete nicht. Die Linien um den Mund gruben sich noch tiefer, als sie sich in die Wagenecke zurücklehnte und die Augen schloss.
Im Hotel angekommen, suchte sie sofort ihr Zimmer auf, während sich Michael erst noch beim Zimmerkellner erkundigte, ob Hardenbergs zur Ruhe gegangen seien. Der Kellner meldete, dass der Herr Professor sehr unwohl nach Hause gekommen sei und dass die Frau Professor durchaus habe zum Arzt schicken wollen. Der Professor habe dies indessen energisch abgelehnt.
Missmutig stieg Michael die Treppe zu seinem Zimmer empor. Dort angelangt, stürzte er hastig ein Glas Wasser hinunter und lehnte sich zum Fenster hinaus.
„Reisen wir morgen Früh ab?", fragte seine Gattin, auf die Schwelle des Nebenzimmers tretend, in kühlem Ton.
Er richtete sich auf und sah eine Weile wie geistesabwesend in ihr Gesicht.
„Nein – das heißt, ich weiß es noch nicht bestimmt. Warum fragst du?"
„Weil ich jetzt nicht eine Stunde länger als nötig von Rodenfels fortbleiben möchte. Du weißt, wie ungern ich dich zu diesem Hochzeitsfest begleitet habe."
„Ja, ja, du tust ja mit Vorliebe alles ‚ungern‘. Ich glaube, du bist schon ungern auf die Welt gekommen."
Ein Seufzer entfuhr ihren Lippen, und in ihren Augen lag ein so brennender Vorwurf, dass er sich abwandte.
„Also tue mir den Gefallen und fang hier nicht die alte Geschichte wieder an, ich weiß schon alles auswendig. Und ob wir heute, morgen oder später reisen – Rodenfels ist doch nicht mehr zu halten. Es ist alles eins."
Wieder entfloh Ulrikes Lippen ein Seufzer. Sie stand da, wie zu Stein erstarrt.
„Herrgott, nun geh zu Bett und seufze mir nicht die Ohren voll! Mir ist, weiß Gott, auch nicht behaglich zumute gewesen all die Zeit. Aber die paar vergnügten Stunden musst du mir mit deinem Gezeter nicht auch noch verbittern."
„Ich denke, es war so langweilig", sagte sie ironisch.
Er sah sie ärgerlich an.
„Lass mich zufrieden! Ich gehe zu Bett – gute Nacht!"
Am nächsten Morgen verbreitete sich eine Schreckenskunde im Hotel. Professor Hardenberg war an Typhus erkrankt. Der Hotelbrunnen erwies sich nach polizeilicher Feststellung als vergiftet. Auch einige Bedienstete des Hotels waren erkrankt.
Michael von Rodenfels war unter den Ersten, die zur Abreise fertig waren. Die Furcht vor der Krankheit ließ ihn die schöne Frau mit all ihren Reizen vergessen.
Ulrike von Rodenfels blieb ruhiger. Sie nahm sich auch die Zeit, trotz des Drängens ihres Gatten, Frau Professor Hardenberg auf einer Karte ihr tiefstes Bedauern über die Erkrankung ihres Gatten auszudrücken.
Zwei Tage später saß Rodenfels auf der Veranda des Schlosses Rodenfels. Auf dem großen Rastplatz vor der Freitreppe tummelte sich sein Töchterchen Eva, ein bildschönes, goldblondes Kind.
Michael nahm nichts von diesem friedlichen Bild in sich auf. Er sah bei weitem nicht so frisch und jugendlich aus wie auf der Hochzeitsfeier. Er hatte die letzten beiden Nächte sehr schlecht geschlafen, da sich seine Gedanken unablässig mit seinen zerrütteten Vermögensverhältnissen befasst hatten.
Dazu kam noch, dass er sich über das steinerne, unbewegte Gesicht seiner Gattin ärgerte, die lautlos und ohne Freudigkeit im Schloss herumschlich. Ob denn Rodenfels wirklich nicht mehr zu halten war? Er