Die Demokratisierung der Schweizer Stromproduktion: Die Sihlseeregion als Beispielgeber
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About this ebook
Woher kommt der Strom, wenn in Europa zusehends alle Kernkraft- und Kohlekraftwerke abgeschaltet und Energiewenden übers Knie gebrochen werden? Das vorliegende, spannend und leicht zu lesende Buch beschreibt anhand der Sihlseeregion: Schon seit jeher nahmen die Bewohner dieses Hochtals die Energieversorgung selbst in die Hand. Diese urdemokratische Tradition und neueste technologische Entwicklungen erweisen sich auch heute als hochinnovativer Königsweg. Einmal mehr zeigt sich: Die Unabhängigkeit der Schweizer Stromversorgung und die eigene Versorgungssicherheit sollte jedem Bürger am Herzen liegen.
Torsten Haeffner
Der Autor: Torsten Haeffner ist Autor zahlreicher Publikationen, u.a. der Romane und Erzählungen: «Stilton - Aus dem Leben von Sir Desmond Adlington, wahrlich einem Mann von Welt» (Stämpfli Verlag, 2011); «Die Wellenflüsterer» (Stämpfli Verlag, 2011); «In schweren Nöten - Neue Abenteuer von Sir Desmond Adlington» (Stämpfli Verlag, 2012); «Hidschra» (Münsterverlag, 2019); «Das Einsiedler Zittern» (Münsterverlag, 2019); «Das Hexer-Syndikat - Marco Turinis schwierigster Fall» (Münsterverlag, 2019); «Das Testament der Barfussläuferin» (Münsterverlag, 2019). Darüber hinaus ist Torsten Haeffner als Lektor zahlreicher Sachbücher tätig.
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Book preview
Die Demokratisierung der Schweizer Stromproduktion - Torsten Haeffner
Die Demokratisierung der Schweizer Stromproduktion
Dank
Alpen-Traum
Grossrisiko – und eine kurze Reise in den Senegal
Vorteil Senegal
Risikofaktor Energiewende
Blackout – Was ist zu tun?
Bürgerkraftwerke
Braunes Gold
Blaues Glück
Ein neuer Streit
Dezentralisierung
«Wer hat, der gibt. Wer braucht, der bezieht.»
Impressum
Dank
Das vorliegende Buch ist Resultat des Forschungsprojektes «Our Energy Challenge» des Lehrstuhls für Informationsarchitektur an der ETH Zürich. Das von Prof. Dr. Gerhard Schmitt geleitete Projekt wurde u.a. von der Irène und Max Gsell Stiftung, Bern, gefördert. Allen an diesem Projekt Beteiligten, Prof. Dr. Gerhard Schmitt und den Stiftern sei auf diesem Wege ganz herzlich gedankt.
Torsten Haeffner, im März 2020
Alpen-Traum
Der Stillstand der Welt kommt aus heiterem Himmel und zu unpassendster Zeit. Es ist Samstag. Im Hochwinter. Mitten im Februar. Ferienzeit. Strahlendes Wetter und Eiseskälte herrschen auf dem Kitzsteinhorn-Gletscher. Der «Bettenwechsel» steht in der nahe Salzburg gelegenen Tourismusregion Pinzgau an. Will heissen: Tausende Touristen reisen an diesem Tag ab, und wiederum Tausende Erholungshungrige treffen ein. Das führt oft zu kilometerlangen Staus, die hart an den Nerven der ab- wie anreisenden Gäste zehren. Auf den weitläufigen und malerisch gelegenen Pisten der Region vergnügen sich derweil wiederum etliche Skifahrer, vor allem auf dem Kitzsteinhorn-Gletscher, einem der schönsten Skigebiete Österreichs. Es sind Tagestouristen, Einheimische zumeist. Auch Angestellte der umliegenden Hotels und Gaststättenbetriebe sind darunter. Sie geniessen es, an diesem etwas ruhigeren Wintertag auf den weitläufigen Pisten ihrem Lieblingssport zu frönen, ohne lange Wartezeiten an den Liften und Seilbahnen in Kauf nehmen zu müssen. Auch in den an anderen Tagen oft überbelegten Bergrestaurants ist die Lage entspannt. Das Bedienpersonal zeigt sich noch freundlicher als sonst und meist ist schnell ein freier Tisch zu finden.
Wer von der Gipfelstation des Kapruner Kitzsteinhorns auf 3029 Metern Höhe startet und bis zum Langwiedboden (1976 Meter) mit den Skiern hinabfährt, erlebt auf dieser 5,6 Kilometer langen Abfahrt einen unglaublichen Freiheitsrausch! Siebeneinhalb Minuten braucht für diese Strecke, wer es eilig oder gerne schnell hat. Aber vielleicht nimmt man es auch etwas gemütlicher, hält mal hier, mal dort am Pistenrand, um sich am Schönen zu erfreuen, an diesem unglaublichen Ausblick auf ein Bergparadies, das seinesgleichen sucht. Bei «Kaiserwetter» kann man schliesslich bis zu zweihundert Kilometer weit sehen. Und weit, weit weg vom Alltag ist man auch hier oben. Der Blick auf die umliegenden Beinahe-Viertausender, diese sagenhafte Bergwelt in staubfreier Höhe, lassen einen alles vergessen: die daheim gelassenen Sorgen ebenso wie den demnächst wieder zu erwartenden Ärger am Arbeitsplatz. Täuscht der Eindruck, oder stimmt es wirklich, dass der Mensch in diesen Höhen, in diesem scheinbar grenzenlosen Schneeparadies ein anderer wird?
Natürlich, es gibt die Pistenrowdys, die es – rücksichtslos – allen zeigen müssen, und es gibt die Gedankenlosen, die ohne umzuschauen mitten auf der Piste abrupte Richtungswechsel vornehmen. Aber die Mehrheit der Skifahrer ist entspannt, fröhlich, unbesorgt und nimmt Rücksicht auch auf die vielleicht unerfahrenen oder unsicheren Wintersportler. An einem Tag wie diesem kann man es auf dieser Traumpiste jedoch auch einmal so richtig laufen lassen, in weiten Bögen den Hang hinabgleiten. Herrlich. Oder gar Schuss fahren! Die Masse verteilt sich, und die Piste ist streckenweise breiter als eine vierspurige Autobahn. Steht doch einmal eine kleine Gruppe mitten auf der Piste, kann man sie weiträumig umfahren, ohne das Tempo drosseln zu müssen. Unvorsichtig oder gar leichtsinnig sollte man aber auch nicht werden. Es gibt auf dieser als mittelschwer gekennzeichneten Abfahrt auch heikle Stellen, die Konzentration, Umsicht und Kondition erfordern.
Wem diese Traumstrecke nicht anspruchsvoll genug ist, der wechselt auf die «Black Mamba». Auf der gerade mal eintausend Meter langen Abfahrt «vernichtet» man 290 Höhenmeter in sagenhaften zweieinhalb Minuten. Ein Adrenalin-Zauber pur. Bis zu 63 Prozent beträgt die Steigung. Ja, die schwarze Piste 14 ist ein richtig giftiger Hang, nur eben ein leider etwas kurzes Vergnügen. Aber der Tag ist ja lang, und niemand hindert einen daran, der «Black Mamba» in mehreren Abfahrten den Schrecken zu nehmen. Zwischendrin eine meditative Erholungspause: Bei einer Inversionswetterlage ist die Freiheit hier oben tatsächlich grenzenlos. Man ist über den Wolken, wähnt sich vom Glück getragen. Dieses Weisse und Weite, dieses Reine und Makellose: So muss das Paradies sein!
Panorama der Kitzsteinhorn-Region: betörend schöne Weitsicht (Foto: Marco Barnebeck/Pixelio)
Freilich, kalt ist es schon hier oben. Passiert man im Schatten liegende Stellen, die von der Vormittagssonne noch nicht erreicht werden, herrscht augenblicklich klirrende Kälte. Minus 11 Grad; und das am späten Vormittag. Man mag sich nicht ausdenken, welche Temperaturen hier in der Nacht herrschen, und in manch ängstlicher Natur mögen Geschichten und Bilder aufsteigen, von gehörten Ereignissen: Ein schon betagter Skisportler, so war vor etlichen Jahren zu lesen, soll abseits der Piste wegen einer plötzlichen Herzschwäche unglücklich gestürzt sein. Er blieb den Tag über unbemerkt, aber am Leben dank der wärmenden Sonne; nachts dann erfror er bei minus 32 Grad. Gut, das ist Jahre her und zu der Zeit gab’s noch keine Mobiltelefone. Heute schon. Ausserdem kann hier oben nichts passieren; es sind genügend andere Skifahrer unterwegs, zudem werden die Pisten permanent überwacht.
Noch eine Abfahrt, dann geht’s zum Mittagessen auf die Häuslalm. Pinzgauer Spezialitäten gibt es dort und angeblich den besten Kaiserschmarrn Österreichs. Den könnte man auch draussen auf der sonnenbeschienenen Terrasse zu sich nehmen, dazu einen Kaffee, anschliessend eine viertel Stunde Sonnenbad und dann noch ein, zwei Abfahrten, um schliesslich gegen halb vier ins Tal aufzubrechen. Dann hat’s in der Kabinenbahn nicht so viele Leute. Die Sonne ist schon recht kräftig im Februar. Zumindest hier oben. Und dieser Himmel! So ein Blau hat’s im Tal nie und in der Stadt schon gar nicht. So etwas sollte man sich öfters gönnen.
Wäre diese Schilderung für ein Drehbuch gedacht, für einen vielleicht etwas kitschigen, in jedem Fall aber bezaubernden Film über diese wunderbare Welt der Berge, dann würde der Autor jetzt eine kurze Regieanweisung schreiben: «Musikalische Untermalung – ‹Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung› von James Last», würde da stehen. Diese Musik passt, weil sie – wie diese zauberhafte Hochgebirgslandschaft – etwas Versöhnliches hat, etwas absolut Friedfertiges, ein längst verloren gegangenes Urvertrauen wieder wachwerden und ein Gefühl der Geborgenheit aufkommen lässt, wie man es im Alltag nur selten verspürt. Doch dies ist kein Drehbuch für einen bezaubernden Film, weswegen zu den bald eintretenden Ereignissen auch eher die Themenmelodie von «Der weisse Hai» passt. Der kurz gestrichenen Kontrabässe wegen, die in mehreren Sequenzen immer nur zwei Töne spielen, scharf getaktet, mit harten Akzenten, das bevorstehende Unheil gnadenlos ankündigen. Ganz ohne jedes Legato. Denn unser sonnengeflutetes Bergidyll wird gleich jäh gestört.
Wie gesagt: Wegen des Bettenwechsels sind an diesem Tag weniger Skifahrer als sonst auf dem Kitzsteinhorn-Gletscher unterwegs. Aber bis elf Uhr vormittags wurden immerhin 10200 Liftkarten verkauft, weitere 500 bis 800 Skifahrer, so die Schätzung der erfahrenen Lift- und Bahnbetreiber, dürften am frühen Nachmittag noch hinzukommen. Das heisst: Hier ist eine Kleinstadt unterwegs. Und die Bürger dieser imaginären Kleinstadt werden nun etwas erleben, was sie sich in ihren schlimmsten Vorstellungen nie auszumalen wagten.
Punkt drei Uhr nachmittags bricht das Stromnetz im Pinzgau zusammen. Ein Blackout. Niemand ahnt: Die Tage werden schrecklich sein, bis die Stromversorgung wieder halbwegs hergestellt werden kann. Vom Ausfall betroffen sind zunächst nur jene Skitouristen, die in Seilbahnen und auf Skiliften unterwegs sind. Doch die reagieren gelassen. Dass Bahnen oder Skilifte stehenbleiben, kommt jeden Tag vor. Kurze Pannen sind alltäglich. Manchmal dauern die Stopps nur einige Sekunden oder Minuten, selten länger. Dann fährt die jeweilige Bahn wieder an, ohne dass jemand ein Wort darüber verliert. Und so denkt in diesen ersten Minuten des Blackouts zunächst auch keiner der Skifahrer und Liftbetreiber an ein grösseres Ereignis. Die Angestellten der Bahnen suchen routiniert nach den Ursachen des Stillstandes, während mancher Sesselbahnfahrer in luftiger Höhe die Aussicht auf das überwältigende Bergpanorama geniesst. Nach gut zehn Minuten aber wird es den ersten Festsitzenden ein wenig mulmig, und auch die Techniker der Bahnen werden langsam nervös. Unweigerlich kommen Erinnerungen auf: Am 11. November 2000 – ebenfalls an einem Samstag – war es in der Gletscherbahn Kaprun 2 gegen neun Uhr morgens zu einem verheerenden Brand gekommen, in dessen Folge 155 Menschen starben. Jeder der festsitzenden Touristen kann sich an dieses schreckliche Ereignis erinnern, an die Bilder aus den Fernsehnachrichten, und aus der bis soeben herrschenden Unbekümmertheit wird nun langsam Beklemmung. Keiner sagt mehr: «Na, wird schon nichts Ernstes sein.» Die zuvor lustig und laut miteinander plaudernden Touristen sprechen zusehends leiser, werden wortkarger oder schweigen.
Andernorts – genauer: im Tal – gibt es bereits konkrete Schäden zu beklagen. Sämtliche Ampeln sind ausgefallen. In der Folge kommt es zu Verkehrsunfällen mit Sach- und Personenschäden. Auf den Hauptrouten des ohnehin überlasteten Strassennetzes, aber auch in der Bezirkshauptstadt Zell am See bricht bald einmal der Verkehr zusammen. Polizei, Feuerwehr und Sanität sind nun pausenlos im Einsatz. Einzig diese Rettungskräfte sind jetzt noch in der Lage, miteinander zu kommunizieren, da sie über ein separates Funknetz verfügen, das sich in