Ihre Papiere bitte!: Gedichte zur Zeit
By Hirnkost
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Wir zeigen unsere Papiere. Mögen sie uns die Landeerlaubnis erteilen in diese hektische Welt.
Mit Gedichten von Günther Bach, Ute Eckenfelder, Wolfgang Endler, Wolfgang Fehse, Frederike Frei, Gabriele Fritsch-Vivié, Dorle Gelbhaar, Renate Gutzmer, Joachim von Hildebrandt, Christine Kahlau, Henning Kreitel, Salean A. Maiwald, Steffen Marciniak und Reinhild Paarmann.
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Book preview
Ihre Papiere bitte! - Hirnkost
Paarmann
Günther Bach
Günther Bach, 1935 in Stendal geboren, Beruf Architekt und Designer, schreibt Prosa und Lyrik. Vier Romane beim Verlag Angelika Hörnig seit 2000, eine Sammlung früher Gedichte Toter Briefkasten 2007, danach 2010 der Gedichtband Wirrwahr, 2014, Artbook Lesezeichen beim Tobusch Verlag für Kunst und Medien.
Art. 1 Abs. 1
Die Würde des Menschen
ist unantastbar. Na gut –
mehr oder weniger,
solange sie denn bezahlbar bleibt.
Falls nicht – für ein Leben in Würde,
besonders wenn es zu lange dauert,
will manche Rente nicht reichen –
wird würdiges Sterben empfohlen.
Ballade von den Elementen
ERDE
Am Anfang gehörte die ERDE niemand.
Als der Erste damit begann,
einen Zaun zu errichten
um Haus und Hof,
gab es noch Bären und Wölfe
in den Wäldern, die es umgaben,
und das Beil, mit dem er die Bäume fällte,
es war aus Stein.
Das war der Beginn jener Zeit,
in der nicht mehr alles allen gehörte.
Und die Zahl der Zäune nahm zu,
die die Erde teilten,
und sie wurden höher und fester
und irgendwann
wurden aus ihnen Mauern aus Stein.
WASSER
Zu Beginn jener Zeit,
war das WASSER noch rein
in den Flüssen und Bächen.
Wer Durst hatte, kniete am Ufer
und trank aus der hohlen Hand.
Jahrhundertelang
strömte in Dörfern und Städten
das Wasser frei zum Gebrauch
für jedermann.
Doch auch das Wasser
gehörte schon bald nicht mehr allen,
denn in den großen Städten
starben die Flüsse und Bäche.
Aus tiefen Brunnen
floss nun das Wasser in endlosen Röhren.
Wer davon trinken will,
zahlt nun dafür an den,
der den Brunnen besitzt.
Und bald hatten alle vergessen,
dass es einst eine Zeit gab,
in der das Wasser allen gehörte,
denn Erde und Wasser
ließen sich messen und teilen.
LUFT
Es heißt, ohne zu essen
könne ein Mensch überleben
eine Zeit von drei Wochen.
Ohne zu trinken, so sagt man,
sind es vielleicht nur drei Tage.
Doch ohne zu atmen
bemisst sich die Frist nach Minuten.
So ist zu bedenken,
dass die am Hunger verdienen,
die Teile der ERDE besitzen,
so wie die am Durst sich bereichern,
die das WASSER verteilen.
Wie lange wird es noch dauern,
bis uns die LUFT verkauft wird,
die wir atmen müssen?
Dementi
Nein,
ich habe sie nicht gepachtet,
die Wahrheit. Vielmehr
bin ich gelegentlich auf ihrer Spur,
um ihr die Ehre zu geben.
Doch liegt ihr wohl nichts daran:
sie hält sich gerne bedeckt.
Manchmal erinnert ein fernes Leuchten
an ihre Nähe. Doch selten nur
kommt sie wirklich ans Licht.
Bei genauer Betrachtung
scheint sie oft seltsam verbogen
und auch ihr Gewand
wirkt manchmal ein wenig fremd.
Es mag daran liegen, dass ihre nackte Form
nicht immer gefällt. In aller Eile
wirft man ihr dann etwas über,
was ihr leidlich zu passen scheint.
Der Aufwand jedoch, sie zu verbergen,
ist minimal zu halten, denn meist
ist sie zuvor auf der Strecke geblieben.
Dies ist die Zeit
Dies ist die Zeit
der prophylaktischen Revolutionen,
des Aufstands der Reichen gegen die Armen;
dies ist die Zeit,
in der das Unrecht Gesetz wird
und das Recht zur Straftat;
dies ist die Zeit,
in der die Betrüger bewundert werden,
die Betrogenen aber belächelt;
dies ist die Zeit,
in der Vertrauen verachtet wird,
weil es als Dummheit gilt.
Dies ist eine Zeit,
die schon viel zu lang dauert.
Machen wir ihr ein Ende.
G20-Gipfel
All dieser Zorn,
der sich gegen die Falschheit richtet,
dieser ehrliche Zorn,
der das Übel erkennt
und es doch nicht vermag,
sich dagegen zu einen –
all dieser Zorn,
der sich verbrennt in sinnlosem Streit
zwischen links und rechts
um das gleiche Ziel:
das Falsche zu stürzen,
sorgsam bewacht von 15.000 Behelmten,