Leadership und Guiding: Adventuremanagement in Theorie und Praxis
By UVK Verlag
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Auf diese und viele weitere Fragen gibt der Band zum "7. Kongress für Outdoor und Adventure" spannende Antworten. 13 Expertinnen und Experten stellen ihre interdisziplinäre Expertise zu Leadership und Guiding unter Beweis. Dabei gehen sie auf die Themen nachhaltige Führung und emotionale Intelligenz als Erfolgsfaktoren ein und erläutern, wie Führung und Beratung in einer zunehmend unsicheren und unberechenbaren Welt funktioniert. Dass Führung in der Natur nur im Hier und Jetzt gelingt und folglich nur analog funktionieren kann, stellen die Expertinnen und Experten ebenso heraus wie geeignete Cheftypen und Führungsaufgaben, die Teams zum Erfolg verhelfen. Die Parallelen zwischen dem Führen outdoor und in der Wirtschaft verlieren sie dabei nicht aus den Augen und illustrieren eindrucksvoll die Komplexität des Führungsthemas. Sie zeigen darüber hinaus die vielen Gemeinsamkeiten auf, die zwischen dem Führen von Gruppen in der Natur und im Büro bestehen. Die Notwendigkeit, Erlerntes in die Praxis zu transferieren, wird abschließend thematisiert, ebenso wie richtiges Führen in Krisenzeiten. Denn von Expeditionsleitern vergangener Tage können Führungskräfte auch heute immer noch viel über einen nachweislich funktionierenden Führungsstil auf Augenhöhe lernen.
Band zum 7. Kongress für Outdoor und Adventure: Leadership und Guiding.
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Leadership und Guiding - UVK Verlag
1Nachhaltige Führung und Emotionale
Intelligenz als Erfolgsfaktoren
Christoph Tiebel
1.1Vorbemerkung
Das in der Forstwirtschaft seit langem angewandte Prinzip der Nachhaltigkeit ist unter dem Blickwinkel der Ökonomie als Art des Wirtschaftens zu verstehen, bei welcher derzeitige Bedürfnisse befriedigt werden, ohne zukünftigen Generationen die Lebensgrundlagen zu entziehen (Sustainable Development). Nachhaltige Unternehmensführung ist also durch langfristig orientiertes Denken und Handeln geprägt. So wird ein Gleichgewicht der natürlichen Ressourcen erreicht.
Unternehmen verfolgen also nicht nur ökonomische Ziele, sondern auch ökologische (z.B. Reduktion des Verbrauchs von Rohstoffen) und soziale (z.B. Unterstützung von Sozialprojekten oder Sport). Meist streben Unternehmer, die Nachhaltigkeit fördern, auch ein gutes Management an. Sie wollen ethisch und moralisch handeln. Sowohl aus eigener Überzeugung als auch als Reaktion auf gesellschaftliche Erwartungen. Gutes Management wird mehr und mehr mit Zielen jenseits finanzieller Ziele oder reiner Gewinnmaximierung in Verbindung gebracht. In Diskussionen um nachhaltige Unternehmensführung wird betont, dass unternehmerische Ziele so formuliert und umgesetzt werden müssen, dass dies nicht zu Lasten der Zukunft geht.
Auch Mitarbeitende können relativ lange mit erhöhtem Produktivitätsdruck arbeiten. Wenn aber die Phasen zur Rekreation und Kompetenzentwicklung zu lange unbeachtet bleiben, macht sich dies irgendwann in zunehmenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Mangel an aktuellen Kompetenzen bemerkbar.
Die Belastungen der Mitarbeitenden nehmen aber eher zu. Angesichts des demografischen Wandels gilt es künftig, die Herausforderungen mit einer sinkenden Zahl von vorhandenen Fachkräften zu bewältigen. Weitsichtige Unternehmen werden sich daher um die vorhandenen Ressourcen kümmern und Investitionen in ihre funktionalen und extrafunktionalen Kompetenzen vornehmen, da sie mit den vorhandenen Belegschaften lange auskommen (vgl. Elser 2015) müssen und eine Substitution schwieriger wird. Andere Unternehmen nutzen proaktiv diesen Sachverhalt, indem sie die Strategie des Unternehmens auf die Kompetenzen der Mitarbeitenden ausrichten.
Vor dem Hintergrund der zukünftigen Anforderungen der Märkte besteht bei fehlender Reflexion der Kompetenzen die Gefahr, mit den alten Vorstellungen und Rezepten in eine Einbahnstraße zu geraten.
1.2Neurobetriebswirtschaftslehre: Reflexion der Kompetenzen der Mitarbeitenden
Die Kompetenzen der Mitarbeitenden zu reflektieren ist eine der Aufgaben einer relativ neuen interdisziplinären Herangehensweise des Human Ressource Managements: Die Neuroökonomie. Sie wird in einer umfassenden Definition als die Wissenschaft beschrieben, die das menschliche Verhalten in ökonomischen Entscheidungssituationen mit methodischer Unterstützung der Neurowissenschaften behandelt (vgl. Peters & Ghadiri, 2013 und vgl. Camerer et al. 2005, S. 9 f.). Diese Wissenschaftsrichtung erfährt gerade eine sehr hohe Aufmerksamkeit, da seit den 1990iger-Jahren die Hirnforschung eine rasante technische Weiterentwicklung erfahren hat (vgl. Elser 2015).
Worum geht es? Die Neuroökonomie will die kognitiven und affektiven Prozesse erfassen und so an die Wurzeln der Spitzenleistungen von Mitarbeitenden gelangen. Sie will versuchen zu erklären, was einen erfolgreichen Mitarbeiter ausmacht? Was sind die Schlüsselfaktoren, die es zu fördern gilt? Letztendlich geht es um die Frage der nachhaltigen Führung.
Folgt man dem bisherigen Verständnis der Neuroökonomie, so zeigen sich zwei Richtungen: Die Neuroökonomie im engeren Sinne beantwortet die klassischen mikroökonomischen Fragestellungen. Die Neuroökonomie im weiteren Sinne untersucht umfassendere Forschungskomplexe, die sich mit den neuronalen Basics betriebswirtschaftlich relevanten Verhaltens auseinandersetzen. Mit der Definition der Neurobetriebswirtschaftslehre (vgl. die ausführliche Diskussion bei Peters, 2013) soll ein neuer Begriff etabliert werden, der die betriebswirtschaftlichen Funktionen von den (mikro)ökonomischen Themenstellungen abgrenzt. Zielsetzung der Neurobetriebswirtschaftslehre ist es, den Nutzen neurowissenschaftlicher Studien auf das klassische Management zu ermöglichen. Die einzelnen Disziplinen der Neurobetriebswirtschaftslehre lauten Neuromarketing, Neurofinance, Neuromanagement und Neuroleadership (Peters & Ghadiri, 2013).
Das Neuromanagement untersucht, ähnlich wie Neuroleadership, die neuronalen Prozesse auf Personenebene. Es wird der Zusammenhang mit dem gesamten Managementprozess in einem Unternehmen dargestellt (Branche, 2008).
Im Folgenden soll das Neuromanagement weiter vertieft werden und an Hand von Forschungsergebnissen der Reinhold-Würth-Hochschule gezeigt werden, wie nachhaltige Führung konkret mit Neuromanagement umgesetzt und trainiert werden kann.
1.3Neuromanagement: Emotionsforschung steht am Anfang
Die Überwindung des Gefühls wurde häufig als Triumph der Kultur über die Biologie betrachtet. Aber Gefühl und Verstand sind doch viel enger miteinander verbunden, als man bislang vermutete. Bisher existieren viele Theorien, aber noch kein allgemeingültiges Erklärungsmodell darüber, was Gefühle eigentlich sind.
Sicher scheint, dass Gefühle Erregungszustände sind, an denen der ganze Körper beteiligt ist. Was wir darüber hinaus allerdings unter subjektivem Gefühl verstehen, entzieht sich häufig noch der wissenschaftlichen Messbarkeit. Es ist schwierig, im Laborkontext echte Emotionen systematisch zu erzeugen und zu manipulieren (vgl. Ekman, 2003).
Während in der Psychologie die verschiedensten Gefühlstheorien konkurrieren, sucht die Neurowissenschaft nach dem Gefühl im Gehirn (Eimer, 2010). Gesichert ist, dass das limbische System mit dem Mandelkern für die Emotionsverarbeitung zuständig ist (Kobi 2016). Dass eine definitive Aktivierung eines Hirnareals immer eine eindeutige Emotion belegt, wird häufig in Zweifel gezogen. Grundsätzlich steckt die Emotionsforschung noch in den Kinderschuhen (vgl. Freudenthaler, 2001). Das rührt auch daher, dass Gefühle lange Zeit von der Kognitionsforschung wenig beachtet wurden und häufig sogar als unseriös galten (vgl. Funke, 1998).
1.3.1Grundlagen des Emotionsmanagements
Jedes psychische Problem ist im Grunde ein emotionales Problem. Emotionsmanagement beschäftigt sich mit der Entstehung, der Verarbeitung und den Auswirkungen von Emotionen. Am Arbeitsplatz treten Emotionen signifikant häufiger auf als in der Freizeit. Dies macht Emotionsmanagement für die nachhaltige Unternehmensführung so wichtig. Emotionsmanagement umfasst (vgl. Goleman 2000):
Wahrnehmung und Ausdruck von Emotionen
Zusammenspiel von Logik und Emotion
Verstehen und Anwendung emotionalen Wissens
Reflexion und Umgang mit eigenen und fremden Emotionen
Im Folgenden werden Emotionen näher definiert und von Stimmungen und Affekten abgegrenzt. Emotionsmanagement wird dann mit dem Begriff der emotionalen Intelligenz näher definiert.
1.3.1.1Emotion
Emotionen sind eine Reaktion des Menschen auf äußere sowie innere Reize und sind teilweise körperlich wahrnehmbar. Sie führen zu Erhöhung bzw. Verlangsamung des Pulses oder Änderungen in der Körpersprache und des Gesichtsausdruckes.
Als Basisemotionen werden solche Emotionen bezeichnet, die unabhängig von kulturellen Faktoren überall auf der Welt vorhanden sind. Es gibt unterschiedliche Modelle hierzu, die sich auch in der Art und Anzahl unterscheiden (vgl. Elsasser 2015).
Einige Erklärungsmodelle gehen davon aus, dass sich mittels der Basisemotionen auch sog. Sekundäremotionen erklären lassen, die im Wesentlichen eine Verschmelzung von zwei oder mehreren Basisemotionen sind (vgl. Goleman, 2005). Beispielsweise kann Scham dann dadurch beschrieben werden, dass sie aus einer Vermischung von Angst und Abscheu besteht.
Die interessante Frage aber lautet, wie Emotionen entstehen und wie sie sich erklären lassen. Es gibt verschiedene Ansätze (vgl. Jäger 2012), die eine Erklärung hierzu bieten. Der physiologische Ansatz untersucht die körperlichen Reaktionen aufgrund von emotionalen Reizen. Beim kognitiven evaluierenden Ansatz stehen Denkprozesse, insbesondere die Interaktion zwischen dem Denken und Fühlen, im Vordergrund. Der dritte Ansatz – der behavioristische Ansatz – beleuchtet die Verhaltensaspekte eines Menschen, während dieser auf einen äußeren Reiz reagiert.
Einen Ansatz zur Erklärung des Phänomens von Emotionen bietet auch die Evolutionstheorie (vgl. Slyter, 2016 und Mayer 2004). Hier dienen Emotionen maßgeblich als Indikator für das biologische Fortbestehen und sind Teil eines natürlichen Ausleseprozesses. Positive Emotionen weisen auf biologische Vorteile hin, negative Emotionen dagegen auf eine Gefährdung des Überlebens.
1.3.1.2Gefühl
Es scheint eine Schwierigkeit darin zu bestehen, eine allgemein anerkannte begriffliche Abgrenzung zwischen dem Wort Emotion und anderen Phänomenen des menschlichen Innenlebens zu finden. Mit Gefühl wird in der Literatur oft der subjektive Aspekt einer Emotion beschrieben (vgl. Kobi 2016). Auch gibt es eine zeitliche Komponente, da sich das Gefühl, als Teilaspekt einer Emotion, erst nach der körperlichen Reaktion einstellt.
Ein weiterer Unterschied zwischen Gefühl und Emotion besteht auch darin, dass sich Gefühle nur auf körperliche Zustände beziehen können und nicht, wie Emotionen im Allgemeinen, abhängig von Reizen sein müssen.
Auch gehören körperlich nicht zu lokalisierende Wahrnehmungen hierzu, beispielsweise das Gefühl des Tatendrangs.
1.3.1.3Stimmung
Stimmungen sind, im Gegensatz zu Emotionen, keine direkten Reaktionen auf innere oder äußere Reize und haben eine andere zeitliche Komponente (vgl. Petrides, 2007). Auch beinhalten sie keinen klaren Handlungsauftrag, wie es beispielsweise beim Wegrennen bei der Emotion Angst der Fall wäre. Obwohl Stimmungen meist aufgrund von einem oder mehreren Gründen zu erklären sind, sind sie trotzdem keine direkte Reaktion auf externe oder interne Quellen. Individuen können diese meist nicht einem eindeutigen Auslöser zuordnen. Daher erzeugen Stimmungen auch keine klaren Verhaltensänderungen, wie beispielsweise eine stark veränderte Mimik oder Gestik. Es fehlt ihnen damit auch der kommunikative Aspekt für das soziale Umfeld, den Emotionen und Gefühle besitzen.
Als Auslöser für Stimmungen werden häufig wiederkehrende Emotionen genannt, die sich im Menschen festsetzen und zu einer Stimmung werden. Allerdings ist der Übergang zwischen Emotion und Stimmung nicht klar abgrenzbar.
1.3.1.4Affekt
Affekte sind meist Reaktionen auf Umweltreize und treten unwillkürlich auf (vgl. Schulze, 2006). Der Begriff steht für eine sehr starke Emotion, die einen Menschen überkommen kann und ihn die Kontrolle über sein Verhalten verlieren lässt. Ein heftiges Aufwallen von Emotionen mit entsprechend starken körperlichen Reaktionen ist hierbei häufig zu beobachten. Der Begriff Affekthandlung beschreibt recht gut diese Art einer Reaktion, die meist nicht bewusst eingeleitet wird. Oftmals sind diese Verhaltensweisen auch hormonell oder neuronal zu begründen. Diese Art von Informationsverarbeitung erfolgt biologisch gesehen innerhalb einer sehr kurzen Zeit, was auch erklärt, weshalb eine zunächst kognitive Verarbeitung nicht möglich ist.
Eine zentrale Aufgabe in der Emotionsforschung (vgl. Petrides, 2007) ist, empirisches Datenmaterial zu sammeln, dieses auszuwerten und so einen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufklärung zu leisten. In diesem Zusammenhang spielt die Möglichkeit Emotionen zu messen eine große Rolle. Nur so lassen sich qualitative und quantitative Daten erheben, die dann Rückschlüsse zulassen.
Im Falle der Emotionsforschung ist dies allerdings erschwert, da das Forschungsgebiet noch relativ jung ist und zunächst neue Messverfahren entwickelt werden müssen. Die gängigste Methode der Messung (vgl. London Psychometric Laboratory, 2013) besteht zurzeit darin, einen Probanden mit einem emotionsauslösenden Reiz zu konfrontieren. Der Proband beschreibt dann meist selbst die empfundenen Reaktionen. Oft wird diese Art der Selbstbefragung mittels Expertenbeobachtung oder über medizinische Sensoren überprüft.
Demnach deckt die Emotionsmessung (vgl. Geher, 2004) folgende drei Ebenen ab:
Subjektive Erlebnismessung
Beobachtung des Verhaltens
Messung von körperlichen Reaktionen
Das subjektive Erlebnis wird meist mittels Selbstbefragung bzw. Fragebögen zur Selbsteinschätzung ermittelt. Hier werden häufig standardisierte Fragebögen verwendet, die anonym ausgewertet werden. Vereinzelt wird dies auch mittels eines persönlichen Interviews durchgeführt oder durch eine 360°-Methode ergänzt, wonach engere Bekannte um eine Einschätzung gebeten werden. Diese erfolgt meist ebenfalls durch die Verwendung eines Fragebogens.
Bei der Beobachtung des Verhaltens durch Dritte soll Fehlern in der Selbstwahrnehmung und eventuellen Falschaussagen entgegengewirkt werden. Hierbei werden insbesondere Mimik, Gestik, Stimme und Körpersprache analysiert. Dies kann durch beobachtende Experten, aber auch computergestützt durchgeführt werden. Ein Beispiel für Letzteres ist ein Gesichtsmuskel-EMG (Elektromyografie), welche Bewegungen in den Muskeln des Gesichts misst und dadurch veränderte Gesichtsausdrucke erkennen kann. In beiden Fällen wird davon ausgegangen, dass Veränderungen im Verhalten teilweise reflexartig erfolgen und somit Aufschluss über die emotionale Befindlichkeit des Probanden liefen können (vgl. Peters 2013).
Studien haben bereits aufzeigen können, dass einige Emotionen einzelne Gehirnbereiche aktivieren und daher messbar sind (vgl. Petrides, 2007). Obwohl diese ersten Ergebnisse vielversprechend klingen und noch mehr an Forschung dieser Art wünschenswert ist, können Instrumente der Gehirnforschung aufgrund der hohen Kosten noch nicht flächendeckend eingesetzt werden.
1.3.1.5Emotionsmanagement und der Begriff Emotionale Intelligenz
Der Begriff Emotionale Intelligenz