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"Lauf los, Buch! Mal sehen, was die Welt aus dir macht!": Werkgespräche
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Ebook135 pages1 hour

"Lauf los, Buch! Mal sehen, was die Welt aus dir macht!": Werkgespräche

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Welche Themen und Stoffe beschäftigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller heute? Wie finden sie zu einer literarischen Stimme und ihrem Stil? Wie, womit und unter welchen Bedingungen schreiben sie ihre Texte? Diesen Fragen stellen sich Nino Haratischwili, Saskia Hennig von Lange, Thomas Klupp, Inger-Maria Mahlke, Steven Uhly und Joachim Zelter im Interview.

"Schreiben als Laborarbeit" (Nino Haratischwili)
"Lauf los, Buch. Mal sehen, was die Welt aus dir macht!" (Saskia Hennig von Lange)
"Kafka hatte es wirklich schwieriger als ich." (Thomas Klupp)
"Jedes Buch ist eine bestimmte Aufgabenstellung an mich selbst." (Inger-Maria Mahlke)
"Beim Schreiben bin ich niemand!" (Steven Uhly)
"Ich sehe heute eher den Tod des literarischen Textes." (Joachim Zelter)
LanguageDeutsch
Release dateMar 21, 2020
ISBN9783962428419
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    Book preview

    "Lauf los, Buch! Mal sehen, was die Welt aus dir macht!" - Dorothea Blankenhagen

    11

    Inhalt

    Cover

    Titelei

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    »Schreiben als Laborarbeit«

    Nino Haratischwili

    »Lauf los, Buch! Mal sehen, was die Welt aus dir macht!«

    Saskia Hennig von Lange

    »Kafka hatte es wirklich schwieriger als ich.«

    Thomas Klupp

    »Jedes Buch ist eine bestimmte Aufgabenstellung an mich selbst.«

    Inger-Maria Mahlke

    »Beim Schreiben bin ich niemand!«

    Steven Uhly

    »Ich sehe heute eher den Tod des literarischen Textes.«

    Joachim Zelter

    Über die Herausgeber

    Impressum

    Vorwort

    In den hier versammelten Werkgesprächen kommen vielfältige Stimmen der Gegenwartsliteratur zu Wort – und das mitunter auf experimentelle Weise.

    So eröffnet ein ›Tascheninterview‹ mit Nino Haratischwili den Band. Hierfür leert die aus Georgien stammende Autorin, Dramatikerin und Theaterregisseurin, die zuletzt mit ihrem Roman über den Tschetschenienkrieg, Die Katze und der General, auf sich aufmerksam machte, ihre Handtasche aus und gibt Auskunft über die Herkunft der darin versammelten Dinge. Der Idee nach, die auf Sergej Tretjakow zurückgeht, sollen die mitgeführten Dinge und ihre Geschichte(n) mehr über einen Menschen verraten als das direkte Erzählen über sich selbst. Und auch Nino Haratischwili scheint ein wenig erstaunt darüber zu sein, was sich alles in ihrer Handtasche befindet und Auskunft über sie gibt.

    Mit dem Titelzitat »Lauf los, Buch! Mal sehen, was die Welt aus dir macht« spielt die Autorin und Kunsthistorikerin Saskia Hennig von Lange auf die Grunderfahrung von Schreibenden an, ein bisweilen mühsam verfasstes Buch an einem bestimmten Punkt loszulassen und die eigene Deutungshoheit abgeben zu müssen. Mit gewohnten Deutungsschemata ist Hennig von Langes Büchern von Seiten der Lesenden dann allerdings nicht mehr beizukommen: Sowohl in ihrem jüngsten Roman, Hier beginnt der Wald, als auch im Gespräch fordert sie ihr Publikum dazu auf, sich in den tiefsten Wald zu begeben. Als verwilderter Andersort setzt der Wald die Regeln der Gesellschaft außer Kraft und verlangt nach neuen Aneignungs- und Deutungsweisen der Realität.

    Auch im Schreiben von Thomas Klupp, der Autor und promovierter Hochschuldozent für kreatives Schreiben ist, spielen besondere Räume, in seinem Fall die Provinz und Peripherie, eine große Rolle. In seinem zuletzt veröffentlichten Roman Wie ich fälschte, log und Gutes tat spielt Klupp im überschaubaren Mikrokosmos der Provinz soziale Konfliktlagen aus der Perspektive von Jugendlichen durch, die sich den Anforderungen einer beständig auf Selbstoptimierung getrimmten Leistungsgesellschaft mit List und Tücke zu entziehen versuchen. Ähnlich wie der jugendliche Protagonist seines Romans begibt sich im Rahmen des Interviews auch der Autor auf eine gedankliche Fahrt mit dem Heißluftballon, die ihn über die Orte seiner Jugend auf dem Land führt und über das Erwachsenwerden reflektieren lässt.

    Im Gespräch mit der Schriftstellerin und studierten Juristin Inger-Maria Mahlke rückt indes das Schreiben und Lesen von Literatur selbst ins Blickfeld. Einigen Anlass dazu bietet ihr Roman Archipel, der 2018 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Darin erprobt sie den anspruchsvollen erzählerischen Kunstgriff, die Geschichte einer Familie von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, die vom spanischen Faschismus und Kolonialismus auf Teneriffa geprägt ist, aufzurollen. Angesichts der ungewöhnlichen Konstruktion, die Kapitel gegen die Chronologie anzuordnen, stellt sie sich im vorliegenden Interview unter anderem der Frage, ob dieser Kunstgriff eine neue Art des Lesens erforderlich macht.

    Diese Blickrichtung kehrt Steven Uhly um und lenkt den Fokus auf das Selbstverständnis des Schriftstellers. Das literarische Schreiben begreift der Autor und promovierte Literaturwissenschaftler als Möglichkeit, von der eigenen Person abzusehen und im Aufgehen in der Figur die eigene Identität quasi zu multiplizieren (man beachte in diesem Zusammenhang auch den Titel seiner Doktorarbeit: Multipersonalität als Poetik). Zur Sprache kommt dabei auch ein beliebtes Schreibverfahren des Autors, der ob seiner literarischen Vexierspiele berühmt-berüchtigt ist: In seinen Texten, zuletzt im Roman Den blinden Göttern, treten immer wieder Figuren auf, die den identischen oder leicht abgewandelten Namen des Autors tragen und damit die Grenzziehung zwischen Realität und Fiktion auf den Prüfstand stellen. Dass die Autofiktion aber bei weitem nicht das einzige Erzählverfahren ist, mit dem Uhly die Grenze zwischen Fakt und Fiktion umspielt, ist gleichermaßen Gegenstand des Interviews.

    Joachim Zelter, ebenfalls promovierter Literaturwissenschaftler und Schriftsteller in Personalunion, nimmt sein Prosawerk Im Feld, eine Parabel über das Scheitern des Menschen an der modernen Leistungsgesellschaft, zum Ausgangspunkt, um im Interview über das eigene Scheitern zu reflektieren. So greift er das im Roman verwendete Bild einer irrwitzig steilen Auffahrt zu einem schier unerreichbaren Gipfel, den seine Radfahrergruppe dennoch zu erreichen versucht, auf, um über die eigenen Ansprüche und großen Herausforderungen seines Lebens zu sprechen. Zur weiteren Diskussion regt sicherlich auch sein Schlussgedanke an: Angesichts des gegenwärtigen Zwangs zur Selbstvermarktung, der den Literatinnen und Literaten auferlegt werde, könne nicht mehr vom »Tod des Autors«, sondern müsse vom »Tod des literarischen Textes« die Rede sein.

    Wie jedes Buch hat auch dieser Band mit Werkgesprächen eine eigene Entstehungsgeschichte: Aus Begeisterung für Interviews aus dem Literatur- und Kulturbetrieb, die nicht zuletzt unseren Professionen als Literaturwissenschaftlerin und als Verleger geschuldet ist, haben wir im Wintersemester 2018/19 ein Seminar zu »Theorie und Praxis des SchriftstellerInnen-Interviews« konzipiert und an der Leuphana Universität Lüneburg angeboten. Die Studierenden des Bachelor-Studiengangs ›Kulturwissenschaften‹ haben sich dem Interview zunächst aus einer theoretischen Perspektive genähert und das Genre als besondere Gesprächs- und Frageform ebenso wie als grundlegende Praktik der Selbstinszenierung von Autorinnen und Autoren im literarischen Feld diskutiert. Darauf aufbauend haben sie sich in der Kunst des Interviewführens geübt, indem sie sich in Kleingruppen zunächst mit Leben und Werk ›ihrer‹ Autorin bzw. ›ihres‹ Autors intensiv auseinandergesetzt haben. Daran anschließend haben sie ein Konzept für ein Werkgespräch erarbeitet, das schließlich in die Tat umgesetzt wurde. Gelegenheit dazu bot sich den Studierenden im Vorfeld von Lesungen der interviewten Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Lüneburg, die im Rahmen des jährlich stattfindenden Literaturwettbewerbs ›LiteraTour Nord‹ im Winter 2018/2019 abgehalten wurden.

    Unser Dank gilt allen Studierenden, die die Interviews in Eigenregie, mit Mut und Ideenreichtum geführt und unser Seminar mit ihrer unermüdlichen Begeisterung und ihrem Engagement bereichert haben. Dank gebührt außerdem allen Autorinnen und Autoren für ihre Gesprächsbereitschaft und Offenheit, mit der sie den Studierenden begegnet sind. Danken möchten wir nicht zuletzt dem Lehrservice der Leuphana Universität Lüneburg, der das Lehrprojekt mit seiner Expertise begleitet und durch Fördermittel aus dem ›Qualitätspakt Lehre‹ (BMBF-Programm) unterstützt hat.

    Berlin, im Februar 2020 Angela Gencarelli, Benedikt Viertelhaus

    Nino Haratischwili

    Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tiflis (Georgien), lebt als Schriftstellerin und Theaterregisseurin in Hamburg. Nach einem Studium der Filmregie in Tiflis studierte sie von 2003 bis 2007 Theaterregie an der Theaterakademie Hamburg. Für ihre Romane und Theaterstücke hat sie zahlreiche Preise erhalten, u.a. den Anna-Seghers-Preis 2015 und den Bertolt-Brecht-Literaturpreis 2018. Ebenfalls 2018 stand ihr neuester Roman Die Katze und der General auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.

    »Schreiben als Laborarbeit«

    Zu Beginn möchten wir mit Ihnen ein Tascheninterview nach Sergej Tretjakow durchführen. Es stellt nicht den Menschen ins Zentrum, sondern vordergründig die Gegenstände, die dieser bei sich trägt. Tretjakow geht davon aus, dass diese Gegenstände mehr über einen Menschen aussagen als das explizit Mitgeteilte. Für das Experiment müssten Sie Ihre Tasche ausleeren und erklären, wie der Inhalt dort hineingekommen ist und welche Geschichte er hat.

    Das können wir gerne machen. Meine Tasche ist aber heute relativ langweilig (kichert). Ich bin jetzt selber gespannt. Wo fange ich denn an? Ich bin ein großer Mützen-Fan und brauche die auch, weil ich sehr empfindliche Ohren habe und als Georgierin sehr schnell friere. Für mich ist bereits eine Temperatur von null Grad Celsius schlimm. Meine Freundinnen und Freunde ziehen mich deswegen ständig auf. Ein Klischee besagt ja, dass Menschen, die aus dem Osten kommen, kälteresistent sind. Aber Georgien liegt nicht so weit nördlich, sondern hat vergleichbare Temperaturen mit Griechenland oder Süditalien, hat also ein mediterranes Klima. Und die Mütze ist aus einem Laden in Hamburg, in dem zwei sehr entspannte und sympathische Damen Mützen stricken. Ich habe sie mir nach etlichem Überlegen gekauft, bin mir aber immer noch nicht so sicher. Eigentlich mag ich die Mütze, aber gleichzeitig fühle ich mich wie eine russische Babuschka, die eingelegtes Gemüse auf dem Markt verkauft.

    Ist das etwas Schlechtes?

    Wenn sie nicht grau wäre, sondern eine andere Farbe hätte, würde ich mich nicht so unwohl fühlen. Sie hat etwas Biederes. Aber gleichzeitig auch nicht. Viele sprechen mich auf diese Mützenform an. Zumindest erfüllt sie einen praktischen Zweck. Wenn man von Schönheitsidealen absieht, finde ich sie sehr gemütlich und ästhetisch. Außerdem habe ich in meiner Tasche noch ein Paar rote Handschuhe. Zum ersten Mal in meinem Leben besitze ich Lederhandschuhe. Die hat mir mein Mann zu Weihnachten geschenkt, und ich bin noch in der Eingewöhnungsphase. Sonst habe ich immer nur Wollhandschuhe besessen.

    Mein Portemonnaie. Das habe ich mir vor vielen, vielen Jahren gekauft. Wie bei einer Tasche musste es groß sein. Ich kann mit kleinen Damengegenständen wenig anfangen. Es hält sich noch gut, aber es hat für mich

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