Nostalgie 2175
By Anja Hilling
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Pagona verliebt sich in den Tapetenmaler Taschko, der immer Szenen aus alten Filmen, aus der Zeit der Jahrtausend-Wende malt. Als es noch Tiere und Pflanzen gab, und Farben und Geräusche. Sie darf Taschko nicht berühren. Deshalb schläft sie mit dessen Chef Posch. Ihm gehört das Filmarchiv, aus dem Taschko seine Bilder zieht; es umfasst nur noch die Buchstaben D, I, M und N.
Pagona wird schwanger von Posch; es wird das erste Baby seit Jahrzehnten sein, das auf natürliche Art gezeugt wurde. Ein Wunder. Die Chancen, die Geburt zu überleben, sind verschwindend gering. Aber das Baby soll leben: "Es bedeutet mehr Glück denn je, das Licht dieser Welt zu erblicken.", sagt Pagona.
Anja Hillings Stück "Nostalgie 2175" ist eine sprachgewaltige Liebeserklärung an die Vergangenheit, an verschwundene Welten und versunkenes Glück. Gleichzeitig beschreibt es die Unmöglichkeit, in der Gegenwart glücklich zu sein. Eher Gedicht als dramatischer Text, berührt das Stück die Ränder des Sagbaren und entzieht sich den gängigen Kriterien und Genres. Ist es eine Zukunftsutopie oder eine Gegenwartsbeschreibung?
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Nostalgie 2175 - Anja Hilling
Anja Hilling
Nostalgie 2175
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Personenverzeichnis
Stücktext
Quellen
Über die Autorin
Über das Stück
Impressum
Personenverzeichnis
Pagona
Taschko
Posch
Ein Augusttag im zweiten Jahr des 22. Jahrhunderts drehte
Bei einer Rekordtemperatur von 81°Celsius
Der Welt den Saft ab.
Menschliche Seelen elektrischer Strom
Bildschirme Computersysteme
Telefonverbindungen
Automotoren Blechkarosserien
Die weiche Haut über den Organen
Zarte Organismen schmolzen dahin
Wie früher Herzen beim Anblick einer schönen Frau.
Stillstand.
Wilde Gesten hohe Pulsfrequenz Telefonate im Freien
Autos Kriege Schreie aus Schlachthöfen
Das alles war nicht mehr als eine dunkle Erinnerung.
Die Sonne hat sich seitdem nicht mehr sehen lassen.
Die Temperatur sich eingependelt
Auf einen Durchschnittswert von 60°Celsius.
Es gab eine Umstellung.
Ein Erwachen unter neuen Bedingungen.
Verödung von Körper und Landschaft.
Blutung der Lungenwege.
Verstopfung der Hörgänge.
Reduktion des Augenlichts um 30 Prozent.
Nasenschleimhaut verschwunden unter Eiter und Blasen.
Schwarze Mundhöhle.
Zungenlähmung.
Tiefer Himmel.
Einsamkeit.
Vor der Anpassung also eine Art Ende.
Eine Unterbrechung mitten im Leben.
Der Körper kann kein Fleisch mehr verdauen
Keine Haare mehr produzieren
Und keinen Samen der Kinder schenkt.
Die Haut ist dünn geworden.
Rissig.
Der Kontakt intensiv.
Die Schönheit einer Berührung ist von ihrem Schmerz nicht mehr zu trennen.
Das Herz tut was es immer tut.
Schlägt rein.
In eine leise Welt.
Befreit.
Von Straßenlärm Telefonkontakten Kriegen und Computern.
Uns ist warm.
Wärme ist alles was wir haben alles was wir sind.
Durch sie fahren leise unsere Autos unsere Straßenbahnen
Leuchten unsere Räume.
Sie legt sich auf unsere Glieder
Verschluckt unsere Stimmen.
Ist die Stille in unseren Augen.
Strom ist Schnee von gestern
Und Vegetation ein Märchenwald.
Wir arrangieren uns.
Der Mensch ist eine Fee
Die sich weiter Lebenslust aus dem leeren Ärmel schüttelt.
Wir lächeln.
Wir brauchen keine Vollmondnacht und keine Wimpern.
Um den Glanz in unseren Augen zu sehen.
Wir tragen die Wunder in uns.
Wir leben von Wärme und Vorstellungskraft.
Wir haben Seen aufgeschüttet
Bäume nachgebaut.
Setzten Lichter wie Abendrot in die Kronen
Und konnten schon bald
Sowohl den Geruch eines Ahorns imitieren
Als auch einen zeugungsstarken Samen künstlich reproduzieren.
Bei Sonne und Schnee hapert es noch.
Aber.
Baby.
Das ist erst der Anfang.
Wir schreiben das Jahr 2175.
Und es bedeutet mehr Glück denn je
Das Licht dieser Welt zu erblicken.
Taschko
Pagona.
Pagona
Ja.
Pagona.
Weil das alles ist.
Mein Name.
Alles was ich dir geben kann.
Alles was du wissen musst. Von mir.
Alles.
Und nichts.
Nichts als Freude und heller Schmerz.
Nichts was ich mir mehr wünsche.
Nur mein Name.
Aus seinem Mund.
Also hab ich von dir erzählt.
Er hat meinen Namen gesagt und dich gemeint.
Das ist doch ein Anfang.
Kein schlechter für dich.
Baby.
Taschko
Pagona.
Pagona
Ja.
Taschko
Ein Mädchen.
Pagona
Dein Mädchen.
Taschko
Mach dir doch nichts vor.
Ja.
Lass uns ehrlich sein.
Vertrauen haben Glauben schenken.
Ein Mädchen.
Pagona.
Die natürlichste aller Befruchtungen.
Dieses Wunder wurde seit dem August 2102 ganze acht Mal gemeldet.
Die acht Frauen standen nach der Bekanntgabe unter extremer Beobachtung.
Medizin Soziologie Philosophie.
Die Wissenschaft hat kein Auge zugetan um herauszufinden
Wie das möglich wurde.
Die Befruchtung durch gewöhnlichen Geschlechtsverkehr.
Die Frauen waren zwischen 18 und 37.
Extreme Unterschiede in Größe Gewicht und Hautfarbe.
Kein gemeinsamer Nenner in Punkto Herkunft und sozialer Hintergrund.
Keine Ähnlichkeit.
Erst im Gespräch.
Im Gespräch über den speziellen Moment.
Den Moment der Empfängnis.
Haben alle acht von einem unsagbaren Schmerz gesprochen.
Gefolgt von dem Gefühl tot zu sein
Bei vollem Bewusstsein.
Endlich die Frage nach Liebe.
Ob sie den Mann geliebt hätten mit dem das passieren konnte.
Antworteten vier von ihnen Ja.
Vier mit einem klaren Nein.
Also. Wurde zusammengefasst.
Kann die Bedingung nicht sein dass Liebe im Spiel war.
Doch das war der Fehler.
Denn Liebe war im Spiel.
Genau das ist die Bedingung.
Liebe.
Baby.
Auf vollkommen