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Früher wusste ich alles: Wie spirituelle Erfahrungen ein Leben prägen
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Früher wusste ich alles: Wie spirituelle Erfahrungen ein Leben prägen

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About this ebook

Es ist ein Phänomen, das erst ganz allmählich wahrgenommen und systematisch erforscht wird: Erlebnisse in der Kindheit oder frühen Jugend, die so tiefgreifend sind, dass sie das gesamte Leben eines Menschen beeinflussen!
Edward Hoffman hat in einer detaillierten Studie erstmals Menschen befragt, die in jungen Jahren eine außergewöhnliche Erfahrung machen durften, die unter die Überschrift „mystisch“ oder „spirituell“ fällt. Es war der plötzliche, völlig unerwartete Einbruch einer transzendenten Wirklichkeit, von der sie als Kinder oder Jugendliche praktisch nichts wussten. Dieses Erleben war so nachhaltig, dass es für Jahrzehnte nicht nur prägend war, sondern auch eine immer wieder abrufbare Kraft- und Inspirationsquelle darstellte, die in Krisenzeiten Ermutigung und Trost zu schenken vermochte.
Eine Dokumentation, die erstmals glaubwürdig nachweist, dass der Mensch zu jeder Zeit Hilfe und Unterstützung aus einer „höheren Wirklichkeit“ erhält!

LanguageDeutsch
Release dateJun 3, 2020
ISBN9783861911852
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    Früher wusste ich alles - Edward Hoffmann

    alles

    Crotona Verlag GmbH & Co.KG | Kammer 11 | D-83123 Amerang |

    www.crotona.de Originalausgabe | 1. Auflage 2020

    Titel der Originalausgabe:

    The Mystical Child

    Uplifting spiritual experiences of our early years

    © Edward Hoffman 2017

    Umschlag: Annette Wagner

    ISBN: 978-3-86191-185-2

    Inhalt

    Einführung zur deutschen Ausgabe

    EinsBedeutende Sichtweisen der Kindheit

    ZweiDie Erhabenheit der Natur

    DreiVisionen hinterm Haus

    VierNahtod-Erfahrungen und Krisen

    FünfDas Wunder des Gebets

    SechsUnscheinbare Momente der Ekstase

    SiebenTiefsinnige Träumereien

    AchtInnerhalb religiöser Mauern

    NeunAußergewöhnliche Wahrnehmungen

    ZehnUnvergessliche Träume

    ElfKindliche Spiritualität verstehen und würdigen

    Anmerkungen

    Literaturverzeichnis

    Meinen Kindern Daniel und Sophia

    Einst war die Zeit, da schien mir Strom und Baum,

    Die Erde, jedes grüne Feld,

    Der Weltenraum

    Von Himmelslicht erhellt,

    In Glanz und Frische wie im Traum.

    Einführung zur deutschen Ausgabe

    Die unerforschten Dimensionen der Kindheit faszinieren mich schon lange. Seit vielen Jahren glaube ich, dass Kinder wesentlich mehr zu erleben imstande sind als die meisten Erwachsenen zugeben. Ich muss gestehen, dass ich zu dieser Ansicht nicht durch inspirierende Begegnungen mit der Natur gelangt bin, denn ich bin in New York City zwischen asphaltierten Straßen und Wohnblöcken aufgewachsen. Natürlich gab es ein paar Parks, in denen mein Bruder Barry und ich mit Freunden gespielt haben, aber auf mein inneres Wachstum hatte die Welt der Natur nur sehr geringen Einfluss. Weitaus wichtiger war die jüdische Schule, die ich fast bis zum Teenageralter täglich besucht habe. Dort haben die Lehrer mit ihren lebendigen Nacherzählungen biblischer Geschichten meine Fantasie und meine Fähigkeit zum Staunen angeregt. Ich war begeistert von Abraham, dessen leidenschaftliche Suche nach dem Schöpfer bereits in seiner Kindheit begann. Ganz besonders beeindruckten mich die Schriften der Propheten, die auf eine Welt jenseits des Alltäglichen hindeuteten.

    Auch fantasievolle Geschichten haben mich stark beeinflusst. Mit Bilderbüchern fing ich an, arbeitete mich zu griechischer und römischer Mythologie sowie verschiedenen amerikanischen und europäischen Sagen vor und entdeckte schließlich die moderne Science-Fiction-Literatur. Meine Mutter war großer Science-Fiction-Fan und leitete mich bei der Auswahl meiner Lektüre mit Begeisterung an. Ich erinnere mich noch gut, wie ich im Schulbus auf dem Heimweg nach dem Unterricht mit Klassenkameraden über die Geheimnisse von Zeit und Raum fachsimpelte. Mit Feuereifer diskutierten wir so faszinierende Fragen wie: Hat das Universum ein Ende? Und wenn ja, was könnte dahinterliegen? Oder ist das Universum unendlich? Und wenn ja, wie kann man sich das vorstellen? Gibt es um uns herum andere Dimensionen, die wir nur in seltenen Augenblicken wahrnehmen können? Gibt es Telepathie? Und wie steht es mit anderen übersinnlichen Kräften? Schließlich hatten wir in der Schule gelernt, dass Maimonides – der berühmte rabbinische Arzt und Philosoph – gelehrt hat, bei entsprechender spiritueller Ausbildung und emotionaler Entwicklung könne jedermann prophetische Fähigkeiten entwickeln. Eine solche Vorstellung erschien uns vernünftig – und war ungeheuer verlockend.

    Später, als siebzehnjähriger Student an der Cornell University, wählte ich Psychologie zu meinem Hauptfach. Zwar war mein Studium zum größten Teil konventionell und drehte sich um Kognition, Lernen und anomales Verhalten, doch die Ideen von Alfred Adler und Abraham Maslow beflügelten mich. Jahre später sollte ich maßgebliche, preisgekrönte Biographien dieser beiden Denker schreiben, deren Ideen mich in meiner Arbeit bis heute motivieren und inspirieren.

    Adler war selbstverständlich Sigmund Freuds brillantester Kollege, bevor er entschieden mit seinem Mentor brach und seinen eigenen Ansatz vertrat – die Individualpsychologie. Beide Männer lebten und arbeiteten in Wien. Im Gegensatz zu Freuds düsterer Sicht der Kindheit und späteren Entwicklung zum Erwachsenen vertrat Adler eine optimistische und menschenfreundliche Ansicht. Adler hat zwar nicht über mystische Erfahrungen bei Kindern gesprochen, aber er vertrat die Auffassung, dass alle Menschen von Geburt an über die Fähigkeit verfügen, egoistische Wünsche zu überwinden und altruistisch zu leben. Es ist faszinierend zu beobachten, dass Adlers Schriften zu Themen wie Gemeinschaftsgefühl, erfolgreiche Elternschaft und Bildungsreform heute, über fünfundsiebzig Jahre nach seinem Tod, in vielen Ländern der Welt beispiellose Aufmerksamkeit erlangen.

    Adlers einflussreichster Schüler war zweifellos der kurz nach dem Beginn des 20. Jahrhunderts in New York City geborene Abraham Maslow. Mehr als jeder andere Psychologe, mit dem ich mich an der Cornell University und später an der University of Michigan beschäftigt habe, bot Maslow ein spannendes Bild des menschlichen Potenzials, das mit meiner jugendlichen Sicht der Welt in Einklang stand. Seine aufrüttelnden Vorstellungen von Kreativität und höheren Bedürfnissen, Selbstverwirklichung und Gipfelerlebnissen waren mir als Doktorand und auch in meiner späteren Laufbahn als Kliniker und Professor ein Leuchtfeuer.

    In seiner beruflichen Arbeit hat sich Maslow selten mit der Kindheit befasst. Im höheren Alter jedoch, nach der Geburt seiner Enkeltochter Jeannie, entwickelte er die Überzeugung, dass Kinder echte Gipfelerlebnisse haben können: Sinnerfüllte Momente großer Freude, in denen die alltägliche Welt transzendiert wird. Maslows Ansicht nach können Kinder derart erhebende Erfahrungen ihren Eltern, Lehrern, Gleichaltrigen oder Geistlichen gegenüber nur selten in Worte fassen. Dennoch, so betonte er, kommen solche Erlebnisse vor – und sie sollten ernst genommen werden. Maslow hoffte, diese wissenschaftlich unerforschte Dimension der Kindheit untersuchen zu können, starb jedoch an einem Herzinfarkt, bevor er dieses wichtige Vorhaben angehen konnte.

    Während meiner Ausbildung zum Erziehungspsychologen stellte ich fest, dass Maslows Ansicht durchaus zutrifft; denn es zeigte sich mir deutlich, dass viele Kinder – sogar bereits im Vorschulalter – auf ihre Weise mit spirituellen Fragen ringen. „Auslöser" für ihre ernsten Gedanken ist häufig, so stellte ich fest, ein intensives Naturerlebnis – sei es durch Haustiere, einen Garten oder die erhabene Schönheit von Wäldern, Bergen oder dem Meer im Allgemeinen. In anderen Fällen regen eindrückliche Bücher oder Filme, ungewöhnliche Träume oder der Tod eines geliebten Menschen die Kinder zu tiefsinnigen Gedanken über die menschliche Existenz an. Bei manchen, wie etwa bei mir, wecken religiöse Studien und Gemeinschaft die Ehrfurcht vorm und die Abenteuerlust aufs Leben. Im weiteren Verlauf meines Berufslebens und seit ich Vater bin wurde für mich noch deutlicher erkennbar, dass Kinder starke spirituelle Erfahrungen haben können, die ihre Persönlichkeit dauerhaft prägen. Doch wo waren die wissenschaftlichen Arbeiten zur Erforschung dieser Frage? Wenn sich niemand der Untersuchung dieses Themas widmete, dann wäre ich ein Pionier wie Adler und Maslow – und würde die Forschung in Gang bringen. Das Ergebnis sehen Sie vor sich.

    Es freut mich ganz besonders, dass dieses Buch, das zunächst auf Englisch unter dem Titel Visions of Innocence erschien, nun in deutscher Ausgabe vorliegt. Seit dem Beginn der Romantik im modernen Europa ist die deutsche Kultur führend in der Anerkennung und Würdigung unserer kindlichen Fähigkeit zu freudvoller Transzendenz. Seit über zweihundert Jahren heben Dichter und Denker in Deutschland die kindliche Fähigkeit zum Staunen und zu spiritueller Lebendigkeit hervor. Bereits in den 1790ern pries Friedrich Schiller die „reine und freie Kraft des Kindes, „seine Integrität, seine Unendlichkeit.* Sein Zeitgenosse Johann Gottfried Herder empfahl, Kinder Texte wie den arabischen Geschichtenzyklus Tausendundeine Nacht lesen zu lassen, um ihre Fantasie und ihre angeborene dichterische Gabe zu stärken – und damit ihre authentische Spiritualität zu fördern. Er sah Eltern und Erzieher in dieser Hinsicht in einer wichtigen Rolle als Förderer. Herders Auffassung war ausschlaggebend für die Absicht, die ich mit diesem Buch verfolge.

    Ich verbinde damit die Hoffnung, dass diese neue Ausgabe in deutscher Sprache uns nicht nur in unseren eigenen frühen mystischen und transzendenten Erfahrungen bestätigt, sondern uns auch in die Lage versetzt, solche Erfahrungen bei den heutigen Kindern besser zu würdigen.


    *Schiller, „Über naive und sentimentalische Dichtung" in Schillers Sämtliche Werke, Erster Band, J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart 1879, http://gutenberg.spiegel.de/buch/-3347/1

    Danksagungen

    Dieses Buch wäre nicht möglich gewesen ohne die wertvolle Mitarbeit vieler Menschen. Stephan Bodian, Dr. Gerald Epstein, Dr. Lawrence Epstein, Diane Hughes, Neal Kaunfer, Irene Javors, Dr. W. Edward Mann, Paul Palnik sowie Alyce und Bob Tresenfeld brachten aufschlussreiche Ideen ein. Dank schulde ich Harvey Gitlin für seine gründlichen Recherchen sowie meinen Eltern und meinem Bruder für ihre uneingeschränkte Begeisterung. Auch die redaktionelle Hilfe und das Urteilsvermögen von Kendra Crossen und Samuel Bercholz weiß ich in hohem Maße zu schätzen. Besonders dankbar bin ich vielen Menschen in den gesamten Vereinigten Staaten und anderswo, die mich im Zusammenhang mit diesem Buch an ihren Kindheitserfahrungen teilhaben ließen. Sie werden im Buch unter Pseudonym genannt.

    Bei mir zu Hause möchte ich drei Personen für ihre grenzenlose Geduld und Ermutigung danken. Meine Kinder Aaron und Jeremy, die oft neben mir spielten oder darauf bestanden, dass ich eine Pause machte, haben mir geholfen, ausgeglichen und fröhlich zu bleiben. Meine Frau Laurel hat mir mehr als jeder andere die emotionale Unterstützung gegeben, damit ich dieses Projekt abschließen und meine Erwartungen daran erfüllen konnte.

    Eins

    Bedeutende Sichtweisen der Kindheit

    Der Gegenwartszustand ist möglicherweise mit dem Kindheitszustand in Widerspruch geraten. Man hat sich vielleicht gewaltsam von seinem ursprünglichen Charakter getrennt, zugunsten einer willkürlichen, der Ambition entsprechenden Persona. Man ist damit unkindlich und künstlich geworden und hat so seine Wurzeln verloren.

    C. G. Jung

    Glauben Sie, dass Kinder imstande sind, zutiefst spirituelle, ja mystische Erlebnisse zu haben? Sind die kurzen Kindheitsjahre bloß eine Zeit prägender emotionaler, intellektueller und körperlicher Vorbereitung aufs Erwachsenenleben – oder verfügt die Kindheit über eine eigene, authentische Wahrnehmung der Welt? In der heutigen Gesellschaft betrachten die meisten Lehrer und Erzieher Kinder hauptsächlich als leere Gefäße, die mit Wissen und Fertigkeiten für ihren späteren beruflichen Erfolg angefüllt werden müssen. Nur selten wird Kindern die Fähigkeit zu kreativem Denken, Reden und Handeln, geschweige denn zum Erreichen höherer Bewusstseinszustände zugesprochen. Diese Haltung ist häufig so verbreitet und beherrschend, dass selbst kritische Eltern kaum dagegen ankommen.

    Historisch betrachtet hingegen, erkennen die großen Weltreligionen unsere kindliche Fähigkeit, dem Göttlichen nahe zu sein, seit jeher an. Die Bibel lässt uns in den Psalmen wissen, dass Gottes „Glanzes Preis zum Himmel steigt vom Mund der Kinder und der Säuglinge".** Der Prophet Jesaja sagte ein künftiges Zeitalter irdischer Harmonie vorher, in dem „der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern wird. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten." Die jüdische Mystik lehrt seit Jahrtausenden, dass wir im Mutterleib mit den glanzvollen Geheimnissen der Welt in Berührung sind, im Moment der Geburt jedoch dafür gesorgt wird, dass wir dieses Wissen vergessen, damit wir unsere Aufgaben hier auf Erden erfüllen können.

    Wie die Evangelien berichten, rief Jesus auf die Frage seiner Jünger, wer denn nun der Größte im Himmelreich sei, ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie. „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, erklärte er, „so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. In einer anderen Geschichte tritt Jesus dafür ein, dass zu einer Menge, die sich um ihn versammelt, auch Kinder gehören. „Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen."***

    Die Auffassung, dass die Kindheit eine besondere Empfänglichkeit für das Intuitive und Spirituelle bergen kann, erlebte in der westlichen Religion eine lange Blütezeit. In der mittelalterlichen kabbalistischen Praxis bat man hin und wieder kleine Kinder, in eine glattpolierte Oberfläche wie einen Kristall, einen Spiegel oder eine mit Ruß und Öl beschmierte Handfläche zu schauen und zu beschreiben, was sie darin mithilfe ihrer Fantasie erkannten. Auf der Grundlage ihrer Antworten trafen die Mystiker dann Vorhersagen über die Zukunft oder Ereignisse in weiter Ferne. Im Judentum war dies damals die einzige akzeptierte Form der Wahrsagerei, und auch mittelalterliche Christen praktizierten sie.

    Im Katholizismus galt jahrhundertelang, dass Kinder über eine besondere Nähe zur Jungfrau Maria und die Fähigkeit verfügen, himmlische Erscheinungen wahrzunehmen. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs berichteten drei Kinder aus dem portugiesischen Fatima von solchen Begegnungen, bei denen sie prophetische Botschaften über den Krieg und bevorstehende historische Ereignisse empfingen. Die letzte Begegnung ging mit einem außergewöhnlichen atmosphärischen Geschehen einher, das Tausende Einwohner beobachteten. Schließlich war die Kirchenleitung in Rom überzeugt, dass hier etwas wahrhaft Mystisches geschehen war, und ließ sich die geheimen Prophezeiungen gespannt von den Kindern weitergeben.

    Vor über zwanzig Jahren setzte sich der umstrittene katholische Priester Matthew Fox dafür ein, „das innere Kind zu würdigen, wie er es nannte. Seiner überzeugenden Ansicht nach leidet unsere Gesellschaft deshalb an so vielen Störungen, weil wir eine entscheidende Fürsorgepflicht vernachlässigen: „In diesem Unvermögen, unsere Kinder und das innere Kind zu würdigen, liegt eine der größten Gefahren unserer Zeit – und paradoxerweise zugleich eine der stärksten Quellen für eine globale Renaissance.¹ Fox behauptet, um das verletzte Kind in uns zu heilen, müssen wir wieder Verbindung zum göttlichen Kind aufnehmen.

    Von den wenigen hier genannten Beispielen abgesehen, lässt sich nicht gerade behaupten, die institutionalisierten Religionen im Westen seien der kindlichen Spiritualität immer freundlich und wohlwollend gegenübergestanden. Im Gegensatz dazu haben nicht-westliche und schamanische Kulturen die Kindheit im Allgemeinen als Teil des unentwirrbaren Netzes menschlicher Existenz in einer spirituellen Welt betrachtet. Das heißt, sie haben kindliche Erfahrungen eher nicht als etwas notwendigerweise Unreifes und Unsinniges ausgesondert, sondern ihnen eine eigenständige Gültigkeit beigemessen.

    Mündlichen Berichten vieler Generationen indigener amerikanischer Heiler und Schamanen zufolge erkannten die Stammesältesten traditionell in bestimmten Kindern eine besondere innere Sensibilität. Manchmal zeigte sich diese natürliche Gabe durch einen Traum des Kindes oder durch eine Vision im Wachzustand. Dann sorgten die Ältesten für eine entsprechende Begleitung oder Ausbildung, um das spirituelle Wachstum des Kindes zu fördern.

    In seinem provokanten Buch The Vision schreibt der Überlebenstrainer Tom Brown über seinen spirituellen Mentor „Großvater, der in den 1880ern in einem kleinen, nicht sesshaften Klan der Lipon-Apachen geboren wurde. Mit zehn Jahren hatte Großvater alleine in der Wildnis eine kraftvolle Vision und erzählte sie umgehend den Stammesältesten. Sie beriefen einen besonderen Rat ein, vor welchem dem Jungen verkündet wurde: „Die Vision und der Geist hätten ihn auf einen Weg geführt, den er einschlagen müsse. Um seiner Vision zu folgen, müsse er zunächst zehn Winter lang zum Kundschafter, einer der mächtigsten Positionen im Stamm, ausgebildet werden. Diesen Weg müsse er dann aber für die Dauer von weiteren zehn Wintern aufgeben und den Pfad des Schamanen und Heilers suchen. Abschließend, so sagte ihm der Älteste namens ‚Coyote‘, müsse er sein Volk verlassen und sechzig Winter auf der Suche nach Visionen und Wissen alleine umherziehen, erst dann werde seine Vision in Erfüllung gehen.²

    Fast alle Stammeskulturen haben Initiationsriten, die den Übergang aus der Kindheit in einen anderen Abschnitt des Erdendaseins markieren. Bei vielen Stämmen der amerikanischen Ureinwohner gehörte zu dieser Initiation üblicherweise eine „Visionssuche oder das „Weinen um eine Vision, was für die Jugendlichen zu einem intensiven Erweckungserlebnis für den spirituellen Sinn ihres Lebens führte. Der moderne Sioux-Schamane Lame Deer erinnert sich an seine Visionssuche am Ende der Kindheit, bei der er tagelang ohne Nahrung und Wasser alleine in den Bergen bleiben musste: „Natürlich wäre ich, sobald alles vorüber wäre, kein Junge mehr, sondern ein Mann. Ich hätte meine Vision. Ich würde einen Männernamen erhalten."³

    Die visionären Dichter: Blake und Wordsworth

    Die uralten Initiationsriten hatten auch im Westen viele Jahrhunderte Bestand. Doch mit dem Aufkommen des Industrie-Zeitalters bröckelten die altüberlieferten kulturellen Riten und Spiritualitätsmuster. Insbesondere das Fabriksystem brachte beispiellose Gräuel über die Kinder. Die elenden Arbeits- und Lebensbedingungen, wie sie etwa der englische Schriftsteller Charles Dickens anschaulich beschreibt, waren beispiellos in der Geschichte. Abgestellt oder zumindest gemildert wurden sie schließlich aufgrund eines massiven öffentlichen Aufschreis, der zu parlamentarischem Eingreifen führte.

    Paradoxerweise traten zur selben Zeit in England zwei bemerkenswert visionäre Dichter auf, welche die Kindheit – auf recht unterschiedliche Weise – als die erhabenste Phase des menschlichen Lebens verehrten: William Blake (1757-1827) und William Wordsworth (1770-1850). Vielleicht stärker als alle anderen bekannten Persönlichkeiten in der modernen Geschichte des Westens betrachteten die beiden unsere ersten Lebensjahre als von Natur aus staunenswert und gottesnah. Für alle, die heute einen Zugang zu den visionären „Gipfeln" kindlichen Erlebens suchen, sind Blake und Wordsworth die wichtigsten Wegweiser.

    William Blake ist in London geboren und aufgewachsen, und diese Stadt sollte auch fast sein ganzes Leben lang seine Heimat bleiben. Seine Eltern waren „Freigeister", die das konventionelle Christentum ablehnten und stattdessen die mystischer geprägten Lehren Emanuel Swedenborgs annahmen. Sie unterrichteten William zu Hause selbst, und als er künstlerische Begabung zeigte, schickten sie ihn zu einem Kunstlehrer im Londoner Stadtteil Strand. Williams Eltern waren zwar nicht arm, konnten es sich aber auch nicht leisten, ihn an der Kunstschule anzumelden. Daher wurde er im Alter von vierzehn Jahren zu einem bekannten Graveur in die Lehre gegeben. Nach sechs Jahren trat Blake eine finanziell holprige, künstlerisch aber glänzende Laufbahn an, in der sich Dichtung, Malerei, Gravur und Druck vermischten.

    Blakes inspirierendstes und wichtigstes Werk über die Kindheit ist sein illustrierter Gedichtband Lieder der Unschuld, den er 1789 selbst verlegte. Damals war

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