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Die Jukebox des Teufels/Rock 'n' Rollgeschichten
Die Jukebox des Teufels/Rock 'n' Rollgeschichten
Die Jukebox des Teufels/Rock 'n' Rollgeschichten
Ebook301 pages3 hours

Die Jukebox des Teufels/Rock 'n' Rollgeschichten

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Die Jukebox des TeufelsKurzgeschichten, bei denen das Kopf-Kino angeht.Rock n RollgeschichtenSpot an: Auf der Bühne stehen die Stars. Backstage warten Groupies. Das Publikum johlt und skandiert Bandnamen. Schlagzeug, Gitarren und Gesang setzen ein. Hände gehen nach oben. Büstenhalter fliegen. Es ist laut, heiß und schweißtreibend.In diesen Storys geht es um jede Menge skurriler Typen, die mal gewinnen, mal verlieren und das macht sie sympathisch oder auch nicht. Bei diesen Begegnungen werden allerlei Mythen der Rockmusik behandelt, Menschen und deren Werk gehuldigt, Fehler vergeben.Ein Buch wie ein Rockkonzert!
LanguageDeutsch
PublisherMystic Verlag
Release dateMay 15, 2019
ISBN9783947721351
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    Book preview

    Die Jukebox des Teufels/Rock 'n' Rollgeschichten - Bernd Ernst

    bezeichnet.

    Vorwort

    Für mich ist Rockmusik nicht nur etwas, das ich sehr gerne mag, sie brachte mich auch zum Schreiben. Das war Mitte der 1980er Jahre. Meine Haare waren damals lang, meine Jacke mit Buttons & Patches bestückt und ich hatte wie jeder Pubertierende einen gewissen Hang zur Rebellion, aber da war noch etwas Anderes: Meine in mir schlummernde Kreativität suchte ein Ventil und eine adäquate Ausdrucksmöglichkeit! Dies alles fand sie in englischen Songtexten, durch musikalische Vorbilder dazu inspiriert. Das waren meine ersten literarischen Werke.

    Mit AC/DC, Black Sabbath und diversen Bands der New Wave of British Heavy Metal bin ich aufgewachsen. Dann kamen irgendwann die Doors hinzu. Jim Morrison hat mir eine ganz neue Welt zur Poesie eröffnet. Auf dieser Strecke wurden das Lesen und das Schreiben neben dem Musik hören zu einem wichtigen Bestandteil meines Lebens und sind es immer noch. Mein belletristisches Schreiben hat sich natürlich seitdem weiterentwickelt. Zu den englischen Songtexten kamen deutsche Gedichte, Kurzgeschichten und Theaterstücke hinzu. Irgendwann wird ein Roman folgen.

    Vor über einem Jahr hatte ich die Idee meine beiden großen Leidenschaften – Literatur und Musik – in einem eigenen Werk zusammenzubringen. Das Ergebnis sind die vorliegenden Rock 'n' Roll-Geschichten, die jetzt unter dem Titel »Die Jukebox des Teufels« erschienen sind. Natürlich kommen die Bands von damals – die mich heute immer noch begleiten – auch darin vor.

    Ich freue mich, mit meinen Erzählungen meinen musikalischen Idolen somit eine literarische Reverenz zu erweisen und hoffe ein Buch geschrieben zu haben, dass nicht nur Musikfans anspricht, sondern auch Leser, die gut unterhalten werden wollen und Kurzgeschichten mögen, bei denen das Kopf-Kino angeht.

    Film ab!

    Bevor Sie sich aber Popcorn holen und genüsslich in Ihrem bequemen Sessel zurücklehnen, möchte ich Ihnen noch folgende Fragen stellen:

    Welche Songs spielt der Teufel in seiner Jukebox?

    Wie gefährlich ist der Tatatata-Effekt?

    Wie erlöst man ein Rock 'n' Roll - Gespenst von seinem Fluch?

    Na, neugierig geworden?

    Antworten darauf finden Sie auf den nachfolgenden Seiten.

    Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

    Keep on rocking and reading!

    Die Jukebox des Teufels

    Menschen haben zu mir gesagt: »Du kannst keine Songs schreiben. Du kannst kein Instrument spielen. Aber ich habe zehn goldene Schallplatten.«

    Sonny Bono (1935 – 1998), US-amerikanischer Sänger, Schauspieler und Politiker

    ***

    Es gibt Songs, die uns sehr viel bedeuten und eine besondere Wirkung auf uns entfalten, weil uns ihre Melodie verzaubert oder die Bedeutung des Textes tief bewegt hat.

    Manche von ihnen begleiten uns ein kurzes Stück auf unserem Weg durch das Dasein. Sie sind wie gute Bekannte, die kommen und gehen, weil unsere Tür gerade offen ist. Einige wenige bleiben bei uns ein ganzes Leben. Oft verknüpfen wir Erinnerungen mit diesen Musikstücken, schöne, aber auch unschöne Erlebnisse, setzen sie in Beziehung zu Menschen, die wir mögen, lieben oder hassen.

    Das Spektrum der Möglichkeiten ist groß.

    Gibt es aber Songs, die regelrecht Macht über uns besitzen? Ich meine eine böse, schreckliche, manipulierende.

    Die meisten von uns werden diese Frage sicher verneinen, ich aber sage: Es gibt sie, diese Songs! Sie werden eigens für uns komponiert und an ausgewählten Orten nur für uns gespielt und das bis in alle Ewigkeit.

    Sollte ich mit meiner These recht haben, dann stellt sich eine weitere Frage: Wer ist der Schöpfer dieser Musik und warum tut er das? Es ist an der Zeit, dies herauszufinden!

    ***

    Auf dem Highway ist wenig Verkehr. Cortland sitzt am Steuer des Firmenwagens von Miller & Brown.

    Seit er losgefahren ist, regnet es. Die Sicht ist schlecht und der Wagen braucht dringend neue Wischblätter.

    Seine beiden Bosse haben ihn mit einem Spezialauftrag quer durchs Land geschickt. Auf dem Beifahrersitz liegt ein Päckchen. Wie immer machten sie ein großes Geheimnis darum, was drin ist.

    »Cortland, setz deinen Arsch in den Ford und bring das hier zu Wurlitzer nach Taylor's Needle

    »Taylor's was?«

    »Taylor's Needle

    »Wo liegt denn das?«

    »Ich habe dir die Route rausgesucht. Wurlitzer hat dort eine Niederlassung. Du kannst das Päckchen egal zu welcher Tageszeit abliefern. Wenn niemand da sein sollte, wirf es einfach durch die Klappe neben der Eingangstür und lass bloß die Flossen von der Verpackung!«, hatte Miller gesagt und ihm das Päckchen zusammen mit einer Straßenkarte in die Hand gedrückt. Miller ist ein Fettsack mit Glatze, der ständig nach Knoblauch stinkt. Brown ist etwa im gleichen Alter, aber optisch das genaue Gegenteil von Miller, ein dürrer Hering mit einem Hals wie eine Giraffe.

    Nachdem Cortland das Päckchen in Empfang genommen hatte, wollte er sich wortlos aus dem Büro stehlen, da rief ihm Brown hinterher.

    »Hey, du könntest deinen beiden Gönnern gegenüber etwas höflicher sein und dich anständig verabschieden!«

    Cortland hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Wenn er könnte, würde er den Job auf der Stelle hinschmeißen, aber die beiden Arschlöcher besitzen mehrere brisante Fotos von ihm. Eines zeigt ihn nackt auf allen vieren, den Allerwertesten in die Höhe gereckt und hinter ihm kniet ein Typ. Also drehte er sich artig um und sagte etwas gekünstelt: »Auf Wiedersehen, ich melde mich dann, wenn ich angekommen bin!«

    »Geht doch!«, antwortete Brown.

    »Pass gut auf deine Fracht auf! Und mach mir keine Dellen in den Ford!«, ergänzte Miller.

    Cortland ging hinaus zum Wagen.

    Als er den Zündschlüssel im Schloss drehte, schlug irgendwo ein Blitz ein und die ersten Tropfen fielen. Cortland war erschrocken zusammengezuckt, hatte dann den Ford auf die Straße zurückgesetzt und war losgefahren. Das war kurz nach neun gewesen.

    ***

    Zehn Stunden und viele Meilen später schleicht er über diesen Highway und hätte am liebsten ins Lenkrad gebissen. »Verdammter Regen!« Nicht nur das Wetter geht Cortland auf die Nerven, auch die Musik im Radio ist für'n Arsch!

    Er betätigt den Suchlauf bis er eine Bluesband hört. Da singt ein Typ etwas über Swamp Gas. Im Text geht es um zwei Bluesmusiker, die in einer Bar auf der Bühne sitzen. Es kommt die Freundin des einen herein. Muss eine absolute Granate gewesen sein, jedenfalls ist der andere Typ voll geil auf sie. Um sie zu bekommen, muss er erst seinen Nebenbuhler beseitigen. Er tut es und versenkt die Leiche in einem Sumpf.

    Cortland wünscht sich, er könne Miller & Brown auf die gleiche Art verschwinden lassen, aber er brächte es wohl nicht fertig und hätte noch schlimmere Gewissensbisse als der Typ, von dem im Liedtext die Rede ist.

    Der Song ist gerade zu Ende, als Cortland blinkende Lichter sieht. Eine Straßensperre. Er fährt langsam heran. Ein Erdrutsch blockiert die Straße. Er muss eine Umleitung nehmen, runter vom Highway. Sie führt über eine Straße quer durch den Wald. Der Regen hört schlagartig auf. Endlich freie Sicht. Trotzdem fährt er vorsichtig, Cortland hat keine Lust, in diesem Nirgendwo ein Waldtier umzunieten, den Wagen zu demolieren und liegen zu bleiben. Das Autoradio empfängt jetzt nichts mehr, nur noch Rauschen.

    Nach wenigen Meilen passiert Cortland ein Straßenschild – Pollock’s Refuge. Knapp dahinter sieht er ein weiteres Schild Maitland’s Diner. Ein alleinstehendes Gebäude mit einem Parkplatz davor. Auf dem Flachdach blinkt eine Leuchtreklame Burger & Fries. Einige der Birnen sind defekt. Cortland könnte einen Burger vertragen und beschließt anzuhalten. Er biegt ein. Alle Kundenparkplätze sind frei. Er parkt und steigt aus.

    Der Boden unter seinen Füßen ist fest – Asphalt, trotzdem hat Cortland das Gefühl zu schwanken. Außerdem scheinen die Buchstaben auf dem Schaufenster neben der Eingangstür – Enjoy your stay at Maitland’s Diner – für einen Moment zu verschwimmen.

    Cortland setzt sich mit weichen Knien in Bewegung, erreicht die Tür und tritt ein. Kaum hat er die Schwelle überschritten, fühlt er sich wie ein Zeitreisender, den es in die 1950er verschlagen hat. Er bleibt kurz stehen, lässt das alles auf sich wirken. Die Einrichtung hat schon bessere Tage gesehen. Einige Lederpolster der Sitzbänke sind aufgeplatzt und das Glas in einem der Spiegel ist gesprungen. An dem Garderobenständer fehlen mehrere Haken und an den Wänden lösen sich Tapeten. Cortland tritt einen Schritt vor, blickt sich intensiver um und entdeckt noch weitere Beschädigungen an der Einrichtung. Dem Besitzer des Diners scheint es egal zu sein, sonst hätte er wohl etwas dagegen unternommen.

    In einer Ecke steht eine Jukebox und blinkt in der Sonne, die durch das Fenster scheint. Sie wirkt intakt, auch wenn sie gerade keinen Laut von sich gibt. Cortland ist der einzige Gast, so wie es aussieht. Vor dem unbesetzten Tresen steht eine Kellnerin, mit dem Rücken zu ihm.

    Er sagt »Hallo!«, aber sie antwortet nicht, dreht sich nicht mal um.

    Cortland geht zu einem Tisch am Fenster neben der Tür, mit Blick zum Parkplatz. Das Päckchen hat er im Wagen gelassen.

    Er studiert die Speisekarte.

    Die Kellnerin kommt an seinen Tisch, sie hat eine Zigarette im Mundwinkel. Mit einem schmutzigen Lappen wischt sie schlampig über den Tisch. Cortland atmet ihren Körpergeruch ein, eine Mischung aus Schweiß und Moder. Er schätzt sie auf um die sechzig. Ihr graues, fettiges Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Arbeitskleidung – Rock und Bluse – wirken abgetragen, etliche Flecken, vermutlich Majonaise und Ketchup, zieren sie.

    Cortland spürt Ekel in sich aufsteigen. Sie raunzt ihn an: »Was wollen sie?« Cortland bestellt einen Hamburger und French Fries. Dazu eine Cola. Die Kellnerin dreht sich um, dabei fällt etwas von der Asche auf den Tisch. Im Laufen ruft sie die Bestellung in die Küche. Wer dort drin arbeitet, kann Cortland nicht sehen. Er wischt die Asche mit der Hand vom Tisch. Die Kellnerin entnimmt die Cola einem Eisschrank, der neben der Durchreiche zur Küche steht, bringt sie und stellt sie ohne Glas geöffnet vor ihn hin.

    Ihr Blick fällt verächtlich auf ihren einzigen Gast. Sie zieht die Nase hoch, streicht eine ergraute Locke aus der Stirn und geht zurück zum Tresen, wo sie sich hinsetzt, um in einem Modemagazin zu blättern.

    Er nimmt einen Schluck aus der Flasche, die Cola ist eiskalt, stellt sie zurück auf den Tisch.

    In seinen Gedanken taucht ein Bild auf.

    Er sieht sich wieder im Wohnzimmer seiner Eltern. Sein Vater hatte ihn abgepasst. Cortland kam vom Einkaufen und merkte sofort, dass der Alte kurz vorm Explodieren war. Ihm war klar, was gleich passieren würde. Sein Vater würde die Beherrschung verlieren und auf ihn einprügeln. Seit dem Tod seiner Mutter geschah das ständig. Schon ging der Alte auf ihn los. Cortland fielen die Einkaufstüten und der Zündschlüssel des Wagens herunter, als ihn die Fäuste seines Vaters an der Schulter trafen und er zurücktaumelte.

    »Wo hast du dich herumgetrieben?«

    »Ich war einkaufen, Dad, aber das siehst du doch! Was ist los mit dir?«

    »Und vorher?« Cortland rieb sich die Schulter, aber ihm blieb nicht viel Zeit, denn der Alte ging erneut auf ihn los und er musste ihm ausweichen.

    »Ich bin im Supermarkt gewesen. Sonst nirgends!«

    Der Alte ließ nicht locker.

    »Hast du wieder das Mädchen gespielt?«

    »Nein, ich habe nicht das Mädchen gespielt, ich habe unser Abendessen eingekauft!«

    »Lüg nicht!« Cortland blickte seinen Vater an, er wusste genau worauf dieser hinauswollte und wartete einige Sekunden bevor er antwortete.

    »Ich lüge nicht, Dad!« Dann ging es rasend schnell.

    Die Faust seines Vaters brach seine Nase und riss ihn von den Beinen. Er schmeckte sein eigenes Blut. Der Alte gab ihm keine Zeit sich aufzurappeln, sondern packte ihn am Kragen und schleifte ihn zur Haustür. Er öffnete diese und stieß Cortland hinaus, so dass er auf dem Boden landete.

    »Mach, dass du fortkommst und lass dich hier nie wieder blicken, du Schwein!« Das Bild in Cortlands Gedanken verblasst. Seine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf die Gegenwart.

    Etwas Musik wäre jetzt gut!, denkt er.

    Sein Blick wandert hinüber zur Jukebox. Das altmodische Teil fasziniert ihn. Er steht auf und geht hinüber. Seine Finger gleiten über das Gehäuse, berühren das Firmenlogo Wurlitzer. So lautet auch der Name des Empfängers des Päckchens.

    Dann berühren seine Fingerspitzen die Buchstaben- und Zahlentasten, mit denen man die Titel wählen kann. Cortland blickt durch die Glasscheibe, liest die Namen der Künstler und der Songs. Lauter alte Schinken von Elvis, Bill Haley & His Comets, Jerry Lee Lewis, Little Richard, etc. Die Songs kommen ihm alle bekannt vor, obwohl Rock 'n' Roll nicht unbedingt seine Lieblingsmusik ist. Sein Blick gleitet weiter. Fast ganz am Ende der Liste fällt ihm etwas auf. Ein Song mit dem Zahlencode »X1« heißt I give you my heart, gesungen von einem Rufus Miller. Ein anderer mit dem Code »X2« Dangerous thoughts, gesungen von einem Chester Brown.

    Das ist ja witzig, denkt Cortland. Die heißen ja wie meine beiden Bosse! Er wirft eine Münze in den Schlitz und drückt erst X1 dann X2. Aber es erklingt keine Musik.

    »Das Scheißding ist kaputt!«, ruft die Kellnerin.

    »Das hätten Sie mir doch gleich sagen können! Was ist jetzt mit meinem Geld?«

    »Ziehen Sie es mir einfach vom Trinkgeld ab, Mister!«

    Cortland setzt sich wieder hin.

    Kurze Zeit später kommt das Essen.

    Es schmeckt erstaunlicherweise gut.

    Nachdem er gegessen hat, lässt er sich die Rechnung geben und rundet entgegen seiner ursprünglichen Absicht den Betrag auf. Wieder fällt Asche auf den Tisch, trotz seiner Großzügigkeit.

    Cortland verlässt das Diner ohne ein weiteres Wort und geht zum Auto. Der Wagen springt sofort an. Das Radio spielt den Song von vorhin Swamp Gas. Es fällt ihm nicht auf.

    Er fährt los, verlässt den Parkplatz und biegt auf die Straße ein.

    Nach einer guten Meile erreicht er den Highway. Er will auf dem schnellsten Weg zur angegebenen Adresse und seine Fracht abliefern.

    ***

    Eine halbe Stunde vor Mitternacht muss er einen Tankstopp einlegen. Beim Bezahlen verwickelt ihn der Tankwart in ein Gespräch »Na, wo soll's denn hingehen?«

    »Nach Taylor's Needle.« Bei diesen Worten wird der Tankwart hellhörig.

    »Was wollen Sie denn dort?« Cortland hat große Lust, dem Typen an der Kasse zu sagen, dass ihn das nichts anginge, stattdessen sagt er: »Einen Job erledigen. Ich soll bei Wurlitzer was abgeben.«

    »Tun Sie das nicht, das bringt bloß Unglück.«

    »Ich bin nicht abergläubisch. Wie gesagt, nur was abgeben und schon bin ich wieder weg.«

    Cortland legt einen Geldschein hin, als ihn der Tankwart am Arm festhält und direkt in die Augen blickt.

    »Ich rate Ihnen dringend, diesen Ort zu meiden. Vor zwei Jahren kam ein Fremder namens Levid in diese Gegend, elegant, feine Manieren, ein richtiger Gentleman könnte man meinen, aber nur auf den ersten Blick. Wenn man genauer hinsah, konnte man ganz klar erkennen, dass mit dem feinen Herrn etwas nicht stimmte.«

    Cortland will sich losmachen, aber er kann sich dem Griff des Tankwarts nicht entwinden. »Es waren die Augen, etwas Böses ging von ihnen aus. Er hat die alte Farm der Smiths gekauft, eine baufällige Bruchbude, die seit Jahren leer stand. Dachziegel fehlten, einige Fensterscheiben waren kaputt. Das Grundstück erinnerte eher an einen Schrottplatz denn an eine Farm. Trotzdem hat Levid nichts weiter verändert, außer dass an der Fassade jetzt ein Schild hängt, Wurlitzer steht drauf. Damit wollte er wohl den Eindruck erwecken, dass er dort Jukeboxen bauen oder reparieren wollte, aber das nahm ihm natürlich keiner ab. Alle hielten es für eine Art Tarnung, um seine wahren Absichten dahinter zu verbergen. Er soll immer noch manchmal dort aufkreuzen. Niemand weiß was dort vor sich geht und wenn Sie mich fragen, das ist auch besser so. Ich will nicht wissen, was er dort treibt, weil ich ehrlich gesagt einen Riesenschiss davor habe.« Cortland bekommt auch langsam Schiss. Was, wenn der Typ vor ihm ein Psychopath ist?

    »Ich habe als erster verkauft. Vermutlich habe ich den Braten gerochen, geahnt was über uns hereinbrechen würde. Kurz nachdem der Fremde auf der Bildfläche erschienen war, geschahen seltsame Dinge. Viele von uns wurden krank oder hatten merkwürdige Unfälle, die sich keiner erklären konnte. Überall wimmelte es plötzlich von Ratten. Eine saß eines Nachts in unserem Bett. Meine Frau hat sich so erschrocken, dass sie einen hysterischen Schreikrampf bekommen hat. Bring mich sofort von hier weg, keinen Fuß setze ich mehr in dieses Haus! Wie gesagt, ich habe verkauft, aber nicht zu einem Spottpreis, sondern ich bekam das Doppelte des Marktpreises. Merkwürdig, nicht? Levid hat sich erst unser Haus unter den Nagel gerissen und dann das ganze Land und die Häuser der Anderen. Nach uns gingen alle anderen weg bis auf den sturen Wilson – der arme Narr!«

    »Würden Sie mich bitte endlich loslassen?«, blafft Cortland, aber der Spinner ignoriert ihn einfach und erzählt seine Schauergeschichte stupide weiter.

    »Taylor's Needle ist ein richtiges Kaff, müssen Sie wissen. Sechs Familien lebten hier. Wilson gehörte die alte Sägemühle. Die war aber nicht der Grund, der ihn am Weggehen hinderte. Er sagte allen, seine Religion verbiete es ihm wegzuziehen. Die Wilsons gehörten einer anderen Glaubensgemeinschaft an. Keiner von uns wusste genau welcher. Jedenfalls hat sie niemand je im Gottesdienst gesehen. Vermutlich waren sie Mitglieder irgendeiner Sekte. Einige von uns behaupteten später, dass Wilson den Fremden gerufen hätte. Ob da was dran ist, weiß ich nicht. Jedenfalls hat ihm seine Entscheidung kein Glück gebracht, im Gegenteil. Seine beiden Söhne starben als seine Scheune niederbrannte. Kurz darauf hat seine Frau Selbstmord begangen. Das hat ihn fast um den Verstand gebracht.«

    Dich vermutlich auch, du Depp!, denkt Cortland. Er zerrt, um seine Hand freizubekommen, aber der stählerne Griff bleibt unerbittlich.

    »Ihm war nur noch seine kleine Tochter – die dreijährige Ivy – geblieben. Trotzdem zog er nicht weg, ignorierte weiterhin die Angebote des Fremden und arbeitete in der Sägemühle bis zu jener Nacht. Von dem Geld, das mir Levid gegeben hatte, habe ich mir diese Tankstelle gekauft. Vor einem Jahr, es war schon sehr spät, erschien Wilsons Kleine hier, barfuß und nur mit einem Nachthemd bekleidet. Sie war total verstört und hielt ihre Puppe an sich gepresst. Ich fragte sie, was geschehen sei. Sie gab mir keine vernünftige Antwort. Immer wieder stammelte sie »Daddy, Säge. Daddy, Säge.«

    Vermutlich hat der Idiot zu viele Horrorfilme gesehen oder ist auf Drogen! Cortland kann nicht glauben, was gerade geschieht. Warum lässt mich der Typ nicht los?

    »Das klang so als ob etwas Furchtbares geschehen war, also brachte ich die Kleine zu meiner Frau und fuhr zur Mühle. Das Licht brannte, als ich dort ankam lief die Säge. Ich rief Wilsons Namen, er antwortete nicht. Ich näherte mich der Säge und da sah ich ihn. Es war schrecklich, die Säge hatte ihn der Länge nach in zwei Hälften geteilt, so wie Wilson die Baumstämme, wenn er Bretter schnitt. Ich ging ins Haus und rief den Sheriff an. Dann rannte ich wieder raus, mir war schlecht geworden, nicht nur wegen dem was an der Säge passiert war, auch wegen des Geruchs im Haus. Es roch wie im Schlachthaus. Die arme Kleine, was musste sie durchgemacht haben. Warum hat niemand früher nach ihr geschaut? Nur, weil die Wilsons zu einer Sekte gehört haben? Nach einer halben Stunde erschien der Sheriff. Er hielt das Ganze für einen schrecklichen Unfall – der arme Wilson hätte sich mit dem Ärmel seines Hemdes an einem Stamm verfangen und wäre dann in sein Verderben gezogen worden –, aber ich glaube das noch immer nicht. Ich glaube, dass Levid etwas damit zu tun hat.«

    Der Tankwart hält abrupt in seinem Monolog inne und scheint zu überlegen.

    »Kann ich jetzt gehen?«

    Endlich lässt er Cortland los.

    »Sie glauben mir nicht?«

    »Ehrlich gesagt – nein.«

    Der Tankwart nimmt den Geldschein und legt ihn in die Kasse. Das Wechselgeld legt er vor Cortland.

    »Es ist die Wahrheit!«

    »Für mich klingt das nach einer Schauergeschichte, die sie Fremden auftischen.«

    Cortland steckt das Wechselgeld ein und geht, ohne sich zu verabschieden zur Tür.

    Der Tankwart ruft ihm hinterher: »Pass auf dich auf, Junge!«

    Cortland steigt in den Ford und fährt los.

    ***

    Kurz nach Mitternacht erreicht er Taylor's Needle. Was ihm seine Scheinwerfer zeigen, wirkt auf ihn wie eine Geisterstadt. Surreal und so Welt vergessen, dass sogar das Radio hier keinen Empfang hat.

    Ob der Tankwart doch die Wahrheit gesagt hat? Ach was, das war doch bloß ein alter Spinner, denkt sich Cortland. Dennoch ist ihm mulmig

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