Der Zirkus ist ihr Zuhause: Sophienlust Bestseller 4 – Familienroman
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Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
Obwohl große Plakate in Diepholz darauf hinwiesen, daß der »weltberühmte Zirkus Mendoza« mit seiner ebenso »berühmten Tierschau« nur für eine Woche vor den Toren der Stadt gastieren würde, war die Besucherzahl weit unter der Erwartung des Zirkusdirektors Mendoza geblieben. Die Frau des Direktors, die aus längst verflossenen Jugendjahren noch immer als die »schöne Flora« auf den Plakaten bezeichnet wurde, obwohl sie ganz gehörig in die Breite gegangen war, schloß die Kassette mit der mageren Einnahme ab und verließ ihren Platz vor dem Eingang des Zeltes. Nach den »Vier Fantinis« war sie an der Reihe, eine Elefantengruppe vorzuführen. Vor Jahren noch hatte die Gruppe aus sechs Elefanten bestanden, doch jetzt mußte sich der Zirkus mit zwei begnügen, und zwar mit der schon alten Elefantenkuh Arabella und der jungen Miranda. Frau Mendoza bemühte sich zwar, mit diesem kärglichen Rest die alten Kunststückchen von früher vorzuführen, aber sie wußte, daß die Zugkraft der Nummer verlorengegangen war. Zirkus im Niedergang, dachte Flora Mendoza pathetisch und traurig zugleich, als sie ihren Wohnwagen betrat, um die Kasse in ein gutgetarntes Versteck zu stellen. Während sie ihre üppige Figur in ein enges, glitzerndes Kostüm zwängte, dachte sie an die Glanzzeit des Zirkus unter ihrem Schwiegervater zurück, der ihn aufgebaut und ihm Weltruhm verschafft hatte, während er jetzt unter der Leitung seines Sohnes ohne dessen Schuld immer mehr verfiel. Die Zeit der Wanderzirkusse ist eben vorbei, dachte sie resignierend und verließ den Wohnwagen. Im Zirkuszelt verbeugten sich die »Vier Fantinis«. Sie waren als Jongleure Könner in ihrem Fach, bekamen aber dennoch nur mäßigen Applaus. »Kein Wunder bei diesem Publikum«, zischte Emilio, der älteste der drei Brüder und Chef der Gruppe, zwischen den Zähnen hervor, während sie sich lässig verbeugten. Er blickte zu seiner Frau Lilli hin, die in ihrem mehr als knappen Kostüm nach allen Seiten tänzelte und Handküßchen verteilte. Zwei Clowns tauchten hinter ihnen auf. Sie bemühten sich, unter Stolpern und Grimassenschneiden die Jongleurutensilien hinauszutragen. Die Kinder bedachten sie mit jubelndem Beifall.
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Der Zirkus ist ihr Zuhause - Anne Alexander
Sophienlust Bestseller
– 4 –
Der Zirkus ist ihr Zuhause
… doch nun muss sie fort
Anne Alexander
Obwohl große Plakate in Diepholz darauf hinwiesen, daß der »weltberühmte Zirkus Mendoza« mit seiner ebenso »berühmten Tierschau« nur für eine Woche vor den Toren der Stadt gastieren würde, war die Besucherzahl weit unter der Erwartung des Zirkusdirektors Mendoza geblieben.
Die Frau des Direktors, die aus längst verflossenen Jugendjahren noch immer als die »schöne Flora« auf den Plakaten bezeichnet wurde, obwohl sie ganz gehörig in die Breite gegangen war, schloß die Kassette mit der mageren Einnahme ab und verließ ihren Platz vor dem Eingang des Zeltes.
Nach den »Vier Fantinis« war sie an der Reihe, eine Elefantengruppe vorzuführen. Vor Jahren noch hatte die Gruppe aus sechs Elefanten bestanden, doch jetzt mußte sich der Zirkus mit zwei begnügen, und zwar mit der schon alten Elefantenkuh Arabella und der jungen Miranda. Frau Mendoza bemühte sich zwar, mit diesem kärglichen Rest die alten Kunststückchen von früher vorzuführen, aber sie wußte, daß die Zugkraft der Nummer verlorengegangen war.
Zirkus im Niedergang, dachte Flora Mendoza pathetisch und traurig zugleich, als sie ihren Wohnwagen betrat, um die Kasse in ein gutgetarntes Versteck zu stellen.
Während sie ihre üppige Figur in ein enges, glitzerndes Kostüm zwängte, dachte sie an die Glanzzeit des Zirkus unter ihrem Schwiegervater zurück, der ihn aufgebaut und ihm Weltruhm verschafft hatte, während er jetzt unter der Leitung seines Sohnes ohne dessen Schuld immer mehr verfiel. Die Zeit der Wanderzirkusse ist eben vorbei, dachte sie resignierend und verließ den Wohnwagen.
Im Zirkuszelt verbeugten sich die »Vier Fantinis«. Sie waren als Jongleure Könner in ihrem Fach, bekamen aber dennoch nur mäßigen Applaus.
»Kein Wunder bei diesem Publikum«, zischte Emilio, der älteste der drei Brüder und Chef der Gruppe, zwischen den Zähnen hervor, während sie sich lässig verbeugten. Er blickte zu seiner Frau Lilli hin, die in ihrem mehr als knappen Kostüm nach allen Seiten tänzelte und Handküßchen verteilte.
Zwei Clowns tauchten hinter ihnen auf. Sie bemühten sich, unter Stolpern und Grimassenschneiden die Jongleurutensilien hinauszutragen. Die Kinder bedachten sie mit jubelndem Beifall.
»Ich glaube, das nächste Mal treten wir lieber als Clowns auf«, sagte Carlo wütend, nachdem sie die Manege verlassen hatten. Er war achtundzwanzig Jahre alt, zwei Jahre jünger als Emilio, und hatte sich seine Zukunft als Artist gänzlich anders vorgestellt. Die Konkurrenz war groß man mußte schon etwas Besonders leisten. Außerdem gehörte auch Geld dazu, um sich dafür die entsprechenden Geräte anschaffen zu können.
Carlo begleitete seine beiden Brüder und die Schwägerin zu ihrem Wohnwagen. Es war ziemlich eng in dem Mobil, denn außer dem Ehepaar hatte auch noch hinter einem Vorhang der jüngste Bruder Gero seinen Schlafplatz.
In ihren Kostümen setzten sich die Artisten um den kleinen Tisch herum. Es lohnte sich nicht, sich umzuziehen, denn bald würde die Abendvorstellung beginnen.
Lilli stellte Limonade und Gläser auf den Tisch, dazu reichte sie einen leichten Imbiß.
»Willst du nicht lieber zu deinem Wagen gehen, Carlo?« fragte sie. »Lori ist sonst wieder beunruhigt.«
»Dazu besteht wohl gar kein Grund.«
»Nun, sie wird denken, du bist wieder bei Rosita.«
»Na und? Die klagt mir wenigstens nicht ständig was vor. Ich hab’s satt, dauernd eine wehleidige Frau um mich zu haben.«
»Vielleicht ist sie wirklich krank«, meinte Lilli. »Sie sieht sehr schlecht aus.«
»Wenn du dich den ganzen Tag im Bett herumdrücken würdest, anstatt dich körperlich zu betätigen, sähest du auch schlecht aus«, erwiderte Carlo gereizt. »Ich habe sie vor einiger Zeit zum Arzt geschickt. Sie kam zurück und sagte, es wäre nichts Schlimmes. Warum also dann ihre Wehleidigkeit? In unserer Branche können wir keine Kranken, und besonders in unserem Fall, wo die Einnahmen immer schlechter werden, keine unnützen Kostgänger gebrauchen.«
»Ich kann Carlos Einstellung gut verstehen«, mischte sich jetzt Emilio ein. »Haben wir uns doch alle von ihrer Mitgift eine Sanierung des Zirkusses versprochen. Wir wären dann Teilhaber geworden und hätten das Unternehmen moderner aufbauen können.« Er wandte sich an seinen Bruder: »Ihr hättet erst heiraten und dann den Alten vor die vollendete Tatsache stellen sollen.«
»Das hatte ich ja auch vor«, erwiderte Carlo, »aber sie wollte unbedingt erst den Segen des Vaters. Sie meinte, er wäre zwar streng, aber auch sehr gerecht und würde keine Klassenunterschiede kennen. Von wegen! Er drohte uns, wenn sie mich heiraten würde, müßte sie das ohne die versprochene große Mitgift tun, und nicht nur das, er würde sie enterben.«
»Trotzdem hättest du sie heiraten müssen«, meinte Lilli. »Sie hat doch deinetwegen alles aufgegeben.«
»Na und? Was hab ich davon? Als ich sie kennenlernte, war sie so behende und beweglich, daß ich dachte, sie könnte eine echte Bereicherung für uns sein. Aber sie hat versagt.«
»Du bist ungerecht«, mischte sich jetzt Gero ein. »Mir tut sie leid. Sie kommt doch aus einem ganz anderen Milieu als wir. Wir sind von Kindesbeinen an Artisten und damit das harte Training gewöhnt, während sie in einem Schweizer Mädchenpensionat groß geworden ist.«
»Ich bin nicht ungerecht«, widersprach Carlo heftig, »sonst hätte ich sie schon längst zum Teufel gejagt, ohne Rücksicht darauf, daß sie damals ein Kind erwartete.
Wenn doch sie wenigstens danach bemüht gewesen wäre, sich bei uns einzuleben, mitzumachen, aber nein, seither spielt sie die kränkelnde, schwache, unverstandene Frau. Wir kämpfen um unsere Existenz, und sie führt sich als die nicht arbeitsfähige Tochter aus gutem Hause auf!« Carlo lachte bitter auf. Er sprang auf und verließ den Wohnwagen. Tief sog er draußen die frische Luft ein.
Es dämmerte bereits. Die Nachmittagsvorstellung war zu Ende, die spärlichen Besucher strömten aus dem Zirkuszelt.
Unschlüssig stand Carlo vor dem Wagen seines Bruders und blickte zu dem seinen hinüber. Ein kühler Wind strich plötzlich über den Platz, der Mann fröstelte in seinem dünnen Kostüm.
»Hallo, Carlo!« Aus einem Nebeneingang des Zirkuszeltes war die Seiltänzerin Rosita Corba gekommen. Über ihrem super kurzen Kostüm trug sie einen Sommermantel.
»Hallo, Rosita!« erwiderte Carlo. Verliebt sah er die junge Frau an. Rosita war zweiundzwanzig. Weißblonde Haare umrahmten ein apartes Gesicht mit dunken Augen.
Vor einem Jahr war sie beim Zirkus Mendoza gelandet.
Und seitdem liebte Carlo sie. Hatte er früher ab und zu ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er Lori trotz ihres gemeinsamen Kindes nicht geheiratet hatte, war er jetzt froh darüber. Aber in letzter Zeit empfand er seine bisherige Lebensgefährtin nur noch als Belastung.
»Warst du bei deinem Bruder?« fragte Rosita. Leichter Spott schwang in ihrer Stimme mit. »Seht ihr euch nicht oft genug bei den Vorstellungen? Was macht deine Frau?«
»Lori ist nicht meine Frau, sie ist meine Lebensgefährtin«, stellte Carlo richtig.
»Kommt das nicht auf dasselbe hinaus?« fragte Rosita lachend. »Zumal ihr ein gemeinsames Kind habt.«
»Nein«, widersprach Carlo. Er wandte den Blick von ihr ab. »Ich geh noch rüber«, sagte er müde.
*
Karl Weber, im Zirkus bekannt als Carlo Fantini, betrat seinen Wohnwagen. Sein Blick fiel auf die sechsjährige Maria, die mit ihren blonden Haaren und dunklen Augen.
Maria war bei seinem Eintritt ängstlich zurückgewichen. Wieder wallte Bitterkeit in ihm auf. Sie ist genauso zimperlich wie ihre Mutter, dachte er. Carlo liebte seine Tochter auf seine Weise, nur ihretwegen hatte er mit Lori nicht Schluß gemacht. Aber er wollte sein Kind zu einer echten Artistin erziehen. Hannelore hinderte ihn seiner Meinung nach daran, indem sie Maria verweichlichte und sich stets schützend vor sie stellte, wenn er sie für eine Ungeschicklichkeit bei den Jonglierübungen bestrafte.
»Ich hoffe, du stellst dich morgen vormittag gescheiter bei den Übungen an, Maria«, sagte er. »Ich habe mit einem unnützen Esser genug.« Er warf einen bösen Blick auf Lori, die auf dem Bett lag und schwer nach Luft rang.
Freunde von früher hätten Hannelore von Lenau nicht mehr wiedererkannt. Aus dem einst schönen Mädchen war eine verhärmte Frau geworden. Ihr blondes Haar war glanzlos geworden, ihre blauen Augen trübe, sie war am Ende ihrer Kraftreserven. Wenn ihre Tochter Maria nicht gewesen wäre, hätte sie schon längst aufgegeben, aber so versuchte sie noch immer, mit jedem Atemzug ihr Leben zu verlängern. Sie wußte, daß sie Carlo, obwohl sie seinetwegen ihr gutes, gesichertes Leben aufgegeben hatte, nur noch im Wege war.
»Ich werde dir nicht mehr lange zur Last fallen«, sagte sie mühsam. »Mir tut nur die Kleine leid, die ich dir hilflos überlassen muß.«
Überrascht sah Carlo sie an. »Hat dein Vater etwa auf deine Lamentierbriefe geantwortet?« Er bemerkte ihr Zusammenzucken und lachte spöttisch. »Meinst du, ich weiß nicht, daß du an ihn geschrieben hast? Hat er dir endlich geantwortet? Will er seinem verlorenen Töchterchen ein Kalb schlachten, natürlich nur, wenn sie ohne das Kind der