Predigt braucht Gefühl: Große Emotionen im Gottesdienst ermöglichen
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Arndt Schnepper ermutigt dazu, Gefühlen in Predigten mehr Raum zu geben - so wie es jahrhundertelang in Gottesdiensten der Fall war. Ganz praktisch zeigt Schnepper, wie Predigten ihr Ziel nicht verfehlen: den Hörer. Damit die Worte nicht nur in den Kopf, sondern auch ins Herz gehen.
Arndt Schnepper
Arndt Elmar Schnepper ist promovierter Theologe und Rhetorik-Dozent. Er leitet das Praxisinstitut Evangelisation in Witten an der Ruhr und ist Autor mehrerer Bücher im Bereich der Praktischen Theologie. Auf "Meisterpredigt" bloggt er regelmäßig, um die Qualität von Predigten zu diskutieren.
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Predigt braucht Gefühl - Arndt Schnepper
Arndt Schnepper
Predigt braucht Gefühl
Große Emotionen im Gottesdienst ermöglichen
SCM | Stiftung Christliche MedienSCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-417-22970-7 (E-Book)
ISBN 978-3-417-24163-1 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck
© 2020 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH
May-Eyth-Straße 41 . 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: info@scm-brockhaus.de
Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:
Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.
Weiter wurde verwendet:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen. (ELB)
Umschlaggestaltung: Daniel Salewski,
SCM Bundes-Verlag gGmbH Witten
Titelbild: gettyimages.de, SvetaZi (Bild-ID 533727854)
Satz: Christoph Möller, Hattingen
Inhalt
Über den Autor
Einstimmung – das Vorwort
Kapitel 1: Bitte mit Gefühl!
Einleitung: Was können wir tun?
Drei Faktoren – wie Predigten wirken
Christus – der Meisterprediger
Glaube ist kein Gefühl – oder doch?
Die Schatten der Geschichte – Gründe unserer Gefühlsarmut
Kapitel 2: Theologische Kompetenz
Einleitung: In die Dynamik eintauchen
Erste Bewegung – vom Gesetz zum Evangelium
Zweite Bewegung – vom Zorn zur Liebe
Dritte Bewegung – von der Sorge zur Hoffnung
Vierte Bewegung – von der Sehnsucht zur Erfüllung
Kapitel 3: Ästhetische Kompetenz
Einleitung: Fühlung aufnehmen
Feiner Unterschied – mit und ohne Geist
Sich anstecken lassen – Affizierung
Unsichtbare Ströme – das Fluidum fassen
Was in der Luft ist – Atmosphären ahnen
Kapitel 4: Rhetorische Kompetenz
Einleitung: Öffentlich sprechen
Mal schlicht, mal ergreifend – Stilwechsel tut not
Der Sound von Mesopotamien – Sprache klingen lassen
Storytelling – Kunst des Erzählens
Biografisch werden – von sich selbst reden
Dein Haus brennt – konkret reden
Nicht nur auf Samtpfoten – aggressiv predigen
Kapitel 5: Soziale Kompetenz
Einleitung: In Kontakt treten
Keine Kleinigkeiten – Anfang und Ende
Gesprächsweise – Predigt im Dialog
Frei sprechen – Improvisation wagen
Massenpredigt – auch mal plakativ sein
Gefühle zeigen – Tränen lügen nicht
Modus der Erlösung – Heiterkeit versprühen
Kreise schließen sich – eins werden
Literaturhinweise
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Über den Autor
ARNDT SCHNEPPER ist Leiter des Praxisinstituts Evangelisation in Witten und unterrichtet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Braunschweig. Er ist promovierter Theologe und Autor mehrerer Bücher im Bereich der Praktischen Theologie.
Große Gefühle
auf der Kanzel
Eine Predigt, die mitreißt und begeistert, die zu Tränen rührt und bewegt, nachklingt und verändert – das ist die Sehnsucht vieler Gottesdienstbesucher.
Arndt Schnepper ermutigt dazu, Gefühlen in Predigten mehr Raum zu geben – so, wie es jahrhundertelang in Gottesdiensten der Fall war. Ganz praktisch zeigt er in kurzen wie einfachen Schritten auf, wie Predigten ihr Ziel nicht verfehlen: die Hörer und Hörerinnen. Damit die Worte nicht nur in den Kopf, sondern auch ins Herz gehen.
»Wir können mit einer Predigt den Glauben nicht ›machen‹. Er ist und bleibt etwas Unverfügbares. Aber wir sind durchaus in der Lage, für ein paar Voraussetzungen zu sorgen, damit eine Predigt dann wirksam werden kann. Oder so formuliert: Wir können etwas tun, damit das Wesentliche durch Gott geschehen kann.«
ARNDT SCHNEPPER
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Einstimmung – das Vorwort
Es gibt Predigten, die ziemlich schief sind. Kein Wunder, dass sie wenig Echo finden. Und es gibt ebenso Predigten, die ziemlich gut sind. Doch auch sie zeigen manchmal nur eine minimale Wirkung. Wie ist dieser Umstand zu erklären? In vielen Fällen fehlt es ihnen nicht an Ernst und Exegese, auch nicht an Gebet und Gebrauchshinweisen fürs praktische Leben. Es mangelt ihnen schlicht und einfach an Gefühl. Die Menschen bestehen eben nicht nur aus Verstand und Intellekt. Sie denken und grübeln nicht nur, sondern sie fühlen und empfinden auch. »Es gibt für den Menschen keine lebendige Wahrheit als die gefühlte«, so schrieb der Erweckungstheologe Friedrich August Gottgetreu Tholuck (1799–1877) in seinem Werk »Predigten über Hauptstücke des christlichen Glaubens und Lebens« (Tholuck 1842, S. 300). Hierbei geht es freilich nicht um eine Auflösung der Wahrheit und des Wissens zulasten einer übertriebenen Rührseligkeit. Das Ziel ist vielmehr, so zu predigen, dass der Mensch das Evangelium fassen kann – mit Kopf und Herz. Darum sollte eine Predigt beides enthalten: Informationen und Emotionen. Das ist keine neue Einsicht, aber eine, die immer wieder in Vergessenheit gerät. Nach einer Einführung in das Thema entfalte ich vier Kompetenzen. Es handelt sich um Fertigkeiten, die wichtige Schlüssel für emotionale Predigten sind.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Kapitel 1: Bitte mit Gefühl!
Einleitung: Was können wir tun?
Was können wir tun, damit unsere Predigten eine Wirkung erzielen? Eine klassische Antwort auf diese Frage ist: nichts. Schlicht und ergreifend nichts. Vertreter und Vertreterinnen dieser Position finden sich in allen Kirchen und auf vielen Kanzeln. Sie eint die Überzeugung, dass die Wirkung einer Predigt ganz und gar von Gottes Wirken abhängig sei. Nur Gott allein könne durch unser Reden eine Resonanz der Zuhörer erwirken. Glaube sei immer eine Gabe, die ausschließlich durch den Heiligen Geist erschaffen werde. Darum, so die Überzeugung, führe die gestellte Frage auch in die Irre. Wenn überhaupt, dann sei das Gebet zu Gott ein legitimer Weg, der Predigt einen hohen Wirkungskreis zu ermöglichen. Auf den ersten Blick sieht dieser Standpunkt sehr ordentlich aus. Schließlich signalisieren die Anwälte dieser Position ein hohes Maß an Bescheidenheit. »Ich vermag nichts, Gott tut alles« – das ist die hohe Form der christlichen Zurückhaltung. Und ist die Ansicht nicht auch theologisch korrekt? Schließlich stimmt der Ansatz mit dem evangelischen Motto »Allein durch Gnade« (lat. sola gratia) bestens überein. Die Antwort klingt also gut, aber ist sie auch sachgemäß?
Drei Faktoren – wie Predigten wirken
Eindruck
Sicher ist an der beschriebenen Position richtig, dass wir eine Wirkung der Predigt weder planen noch produzieren können. Geistliche Dynamik lässt sich nicht mixen und in Flaschen abfüllen. Es stimmt ja: Wir können mit einer Predigt den Glauben nicht »machen«. Er ist und bleibt etwas Unverfügbares. Die biblischen Aussagen sind an dieser Stelle eindeutig. Wenn etwas geschieht, dann durch Gottes Wort und seinen Geist. Sachgemäß sprachen die alten Theologen von der Heilswirksamkeit der Schrift (lat. efficacia scripturae). So weit, so gut. Die entscheidende Frage ist aber nun, ob dies auch im Umkehrschluss bedeutet, dass wir »überhaupt nichts« tun sollen? Nun, das Wichtigste – den Glauben – können wir mit einer Predigt nicht erzeugen. Aber wir sind durchaus in der Lage, für ein paar Voraussetzungen zu sorgen, damit eine Predigt dann wirksam werden kann. Oder so formuliert: Wir können etwas tun, damit das Wesentliche durch Gott geschehen kann. Drei entscheidende Bedingungen möchte ich näher beleuchten.
Inspiration
Auch auf die Gefahr hin, dass das folgende Beispiel lapidar klingt, so ist es doch elementar. Die erste Bedingung, damit eine Predigt wirksam werden kann, ist ihre akustische Wahrnehmung. Es stimmt leider: Prediger und Predigerinnen, die zu leise sprechen, werden kein Gehör finden. Da können ihre Ideen noch so interessant sein. Wollen wir mit der Predigt eine Wirkung ermöglichen, müssen die Menschen uns hören können. Was für den Schall gilt, stimmt auch für die Predigt – ohne Worte kein Widerhall. Hier berühren wir also die äußeren Rahmenbedingungen, die gegeben sein müssen.
Wie die Außenwelt ist auch die Innenwelt des Menschen für die Predigt von erheblicher Bedeutung. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der kognitive Rahmen des Menschen, also seine Fähigkeit, zu denken und zu verstehen. Die Sache ist so simpel wie wahr: Eine Predigt, die meine Zuhörer nicht verstehen, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreichen. Das beginnt ganz grundsätzlich mit dem Zeichensystem, das eine Sprachgemeinschaft nutzt. Wird es nicht geteilt, kommt kein Verstehen zustande. Die Predigt muss also in der Muttersprache gehalten werden, die mein Gegenüber beherrscht. Wohl berichtet die Apostelgeschichte von der aramäischen Pfingstpredigt des Petrus, wo etliche Nationalitäten plötzlich alles verstehen konnten (Apostelgeschichte 2). Doch diesen Bericht dürfen wir getrost als Sonderfall der christlichen Kommunikation bezeichnen. Schließlich besuchen auch heute noch Missionare und Missionarinnen eine Sprachschule oder nutzen die Hilfe von Übersetzern. Grundsätzlich gilt: Nur wer begreifen kann, lässt sich auch bewegen.
Aber es geht nicht nur um die gesprochene Sprache. Es sind in der Predigt auch die Inhalte, die verständlich gemacht werden müssen. Es ist eine Binsenweisheit: Zu Kindern redet man anders als zu Jugendlichen oder zu Erwachsenen. Leute ohne Schulabschluss sind in aller Regel nicht wie Hochschuldozierende anzusprechen. Und Menschen ohne religiöse Bildung unterscheiden sich in ihrem Verständnisrahmen erheblich von engagierten Gottesdienstbesuchern. Die Beispiele zeigen, dass eine Predigt eine ziemlich anspruchsvolle Angelegenheit ist. Es ist eines, die Muttersprache der Zuhörer sprechen zu können. Es ist ein anderes, auch ihre Sprache zu sprechen. Wer sich nicht bemüht, seine Zuhörenden zu verstehen, steht in Gefahr, an ihnen vorbeizureden. Sprachfähigkeit ist gefragt.
Zum Hören und Verstehen gesellt sich aber noch eine dritte Voraussetzung, damit Predigten wirken können: das Fühlen. Und das ist kein nebensächlicher Faktor. Die moderne Hirnforschung legt nahe, dass das Fühlen das Denken mehr beeinflusst als umgekehrt. Doch der Reihe nach: Knapp drei Pfund wiegt das Gehirn eines Erwachsenen. Obwohl es recht klein, ist es doch das Körperorgan mit dem höchsten Energieverbrauch. Etwa 20 Prozent des gesamten Umsatzes wird hier beansprucht. Wichtige Funktionen sind hierbei die kognitiven Prozesse wie Denken, Deuten, Erinnern und Vorstellen. Sie vollziehen sich weithin in der sogenannten Großhirnrinde, der oberen Schicht des Gehirns. Rund 16 Milliarden Nervenzellen sind hier am Werk. Hinzu kommen die Gefühle, die im limbischen System beheimatet sind, das von der Großhirnrinde eingefasst ist. Beide Gehirnteile funktionieren durchaus eigenständig, sind aber auch auf hochkomplexe Weise miteinander verbunden. Parallel zu den Gefühlen entstehen im limbischen System auch die Ansichten über das, was richtig und falsch oder wichtig ist.
Eine weitere Einsicht der Hirnforschung betrifft nun das Verhältnis von Großhirnrinde und limbischem System. Denn hier gibt es eine klare Rangordnung: Das limbische System ist viel einflussreicher als die Großhirnrinde. Die emotionalen Schaltstellen steuern sehr viel stärker die Verstandesebene als umgekehrt. Diesen biologischen Befund kann man jederzeit an sich selbst nachvollziehen. Zum einen haben die Gefühle einen mächtigen Partner, nämlich unseren Körper. Viele unserer Emotionen, die sich im Kopf bilden, werden von körperlichen Erscheinungen begleitet. So kann unser Herz vor Freude hüpfen oder vor Angst rasen. Die Sorge vermag uns niederzudrücken, die Gewissheit schenkt uns einen aufrechten Gang. Bei innerer Unruhe bilden sich Falten auf unserer Stirn. Empfinden wir Glück, dann lächeln wir und fangen an zu strahlen. Zum anderen treffen wir viele unserer wichtigen Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Auch wenn wir alles sachlich durchdenken und die Argumente gegeneinander abwägen, gibt meistens unser Gefühl den Ausschlag. Denn das Leben verläuft anders als Mathematik oder Geometrie.
Blicken wir nun wieder auf die Predigt: Wenn sie Resonanz finden soll, dann muss sie dem Menschen entsprechen. Nicht dem Menschen, wie er im Idealfall sein sollte, sondern dem, der er in Wirklichkeit ist. Mit anderen Worten: Zuerst müssen die Schallwellen einen Weg durch das Gehör finden – das ist die leibliche Ebene. Das Gesagte muss sodann vom Gehirn verarbeitet und verstanden werden können – das ist die kognitive Dimension. Und das Geäußerte muss schließlich vom limbischen System als bedeutungsvoll empfunden werden – das ist die emotionale Bedingung. Fehlt der Predigt eine der drei Facetten, dann fehlt ihr Wesentliches. Ja, ein anschließendes Wirken wird fast unmöglich gemacht.
Natürlich gibt es auch hier die berühmten Ausnahmen, etwa wenn Gott eine Eselin zu Bileam sprechen lässt (4. Mose 22,28). Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Und so ist es auch einzuordnen, wenn eine ziemlich schlichte und schlechte Predigt manchmal doch zu viel Nachdenken anregen kann. Oder wenn es passiert, dass eine emotionslose und langweilige Andacht zu heftigen Erschütterungen führt. Solche Fälle gibt es immer wieder, aber sie sind und bleiben eher selten. Damit Gott durch Predigten wirken kann, müssen Prediger und Predigerinnen von außen nach innen die Voraussetzungen hierfür schaffen.
Praxis
Doch wie sehen Predigten heute bei uns aus? Welche der drei genannten Faktoren werden möglicherweise bei uns vernachlässigt? Das ist natürlich eine Frage, die sich pauschal so nicht beantworten lässt.