Die Bischöfe von Innsbruck: Paulus Rusch, Reinhold Stecher, Alois Kothgasser, Manfred Scheuer, Hermann Glettler
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Verglichen mit anderen Bistümern ist die Diözese Innsbruck noch relativ jung: Ihre tatsächliche Eigenständigkeit erhielt sie erst 1968. Seither standen ihr fünf Bischöfe vor, deren pastorale und administrative Leistungen hier vorgestellt und gewürdigt werden: Paulus Rusch, Reinhold Stecher, Alois Kothgasser, Manfred Scheuer und Hermann Glettler.
Jeder von ihnen hatte seine eigene Vision und sein eigenes Amtsverständnis und wurde auf unterschiedliche Weise in der Öffentlichkeit wahrgenommen. In seiner Hommage an die Bischöfe von Innsbruck gibt Martin Kolozs einen umfassenden Einblick in ihr Leben und Wirken für die "Kirche im Gebirge".
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Book preview
Die Bischöfe von Innsbruck - Martin Kolozs
ERINNERUNGEN AN INNSBRUCK
Band 7:
Martin Kolozs
Die Bischöfe von Innsbruck
Paulus Rusch
Reinhold Stecher
Alois Kothgasser
Manfred Scheuer
Hermann Glettler
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Vorwort und Dank
EINE KURZE GESCHICHTE DER DIÖZESE INNSBRUCK
PAULUS RUSCH (1903–1986)
CHRISTUS, DEM KÖNIG, UNSER LEBEN (1938/64–1980)
Einleitung
Der jüngste Bischof Europas
Kirche in Ketten
Kirche des Aufbaus
Kirche des Umbruchs
Kirche der Krise
Der missverstandene Bischof
Kirche der Zukunft
REINHOLD STECHER (1921–2013)
DIENEN UND VERTRAUEN (1981–1997)
Einleitung
Ein wirklicher Konzilsbischof
Die mutige Kirche
Ein unbequemer Volksbischof
Die bergende Kirche
Ein nimmermüder Altbischof
ALOIS KOTHGASSER SDB (*1937)
DIE WAHRHEIT IN LIEBE TUN (1997–2002)
Einführung
Ein Salesianer-Bischof
Die sympathische Kirche
Kein Schreibtisch-Bischof
Die Kirche Jesu Christi
Ein Kurzzeit-Bischof
MANFRED SCHEUER (*1955)
DER GEIST MACHT LEBENDIG (2003–2015)
Einführung
Der unerwartete Bischof
Kirche im Widerstand
Kirche, Gesellschaft und Politik
Konflikte mit „Wir sind Kirche"
Der unerwartete Abschied
HERMANN GLETTLER (*1965)
GEHT, HEILT UND VERKÜNDET (SEIT 2017)
Einführung
Was die Zukunft bringt
Was die Gegenwart braucht
SCHLUSSWORT DES VERFASSERS
ANMERKUNGEN
VERWENDETE UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Martin Kolozs
Zum Autor
Impressum
E-Books der Reihe „Erinnerungen an Innsbruck"
Altes und neues Wappen der Diözese Innsbruck
Vorwort und Dank
Verglichen mit Größe und Alter anderer Bistümer ist die Diözese Innsbruck relativ klein und jung; die Grenzen ihres Jurisdiktionsgebietes sind enger gefasst als die Landesgrenzen Tirols und ihre tatsächliche Eigenständigkeit erhielt sie erst 1968, also vor genau 50 Jahren.
Während dieser kurzen Zeitspanne standen der Diözese Innsbruck fünf Bischöfe vor, deren pastorale und administrative Leistungen hier beispielhaft vorgestellt und gewürdigt werden sollen: Paulus Rusch, Reinhold Stecher, Alois Kothgasser SDB, Manfred Scheuer, Hermann Glettler.
Jeder von ihnen hatte und hat sein eigenes Amtsverständnis und wurde bzw. wird auf unterschiedliche Weise in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Dennoch verbindet sie alle ihre gemeinsame Sorge um die Kirche im Gebirge, damals wie heute. Diesen Zusammenhang aufzuzeigen, ist Ausgangspunkt und Ziel dieses Buches.
Danken möchte ich an dieser Stelle im Besonderen den hochwürdigen Herren Erzbischof em. Alois Kothgasser SDB, Bischof Manfred Scheuer und Bischof Hermann Glettler für die persönlichen Gespräche. Außerdem: P. Peter van Meijl SDS für seine wertvollen Literaturhinweise, Bürgermeister Vitus Monitzer aus St. Veit in Defereggen sowie Markus Renk und Markus Hatzer (Wagner’sche Buchverlag), die meiner Idee einer Chronik der Bischöfe von Innsbruck vorab das Vertrauen geschenkt haben.
Gewidmet ist dieses Buch dem Andenken an Bischof Paulus Rusch († 1986) und Bischof Reinhold Stecher († 2013).
Der Verfasser
EINE KURZE GESCHICHTE DER DIÖZESE INNSBRUCK
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges (1914 bis 1918) und dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns begann für die Kirche Tirols ein neues Kapitel.¹ So regelte etwa der Vertrag von Saint-Germain (1919/20), welcher zwischen den alliierten bzw. assoziierten Streitkräften und der neu geschaffenen Republik Österreich (damals: Deutsch-Österreich) geschlossen wurde, die Bedingungen der Staatengründung. Eine davon war u. a. der Verlust Südtirols an das Königreich Italien, wodurch die italienisch-österreichische Staatengrenze mitten durch das Jurisdiktionsgebiet der Diözese Brixen gezogen wurde, welcher Nordtirol zu diesem Zeitpunkt noch angehörte.
Anfang 1921 wurde infolgedessen vom Heiligen Stuhl ebenfalls eine Teilung der Diözese, entsprechend des neuen Grenzverlaufes, erwogen, was jedoch erst 1925 realisiert werden konnte. Damals wurde der ehemalige Weihbischof von Brixen, Sigismund Waitz (1864 bis 1941), zum Apostolischen Administrator von Innsbruck-Feldkirch mit allen Rechten und Pflichten eines Residentalbischofs ernannt, was einer kirchlichen Trennung des südlichen vom nördlichen Landesteil faktisch gleichkam. Der dadurch entstandene selbständige kirchliche Verwaltungsbezirk maß rund 12.200 km² und zählte insgesamt 400.000 Katholiken.
Als Sigismund Waitz 1934 zum Fürsterzbischof von Salzburg gewählt und im Jahr darauf gleichzeitig inthronisiert (27. Januar) bzw. als Apostolischer Administrator von Innsbruck-Feldkirch bestätigt wurde (17. Januar), kam es aufgrund von Kompetenzüberschreitungen immer wieder zu Konflikten und einem unhaltbaren Zustand. Um diesem Abhilfe zu schaffen, wurde im Jahre 1938 der erst 35-jährige Paulus Rusch (1903 bis 1986) durch Papst Pius XI. (eigentlich: Achille Ratti, 1857 bis 1939) zum Apostolischen Administrator von Innsbruck-Feldkirch, mit allen Rechten und Pflichten eines residierenden Bischofs, ernannt (15. Oktober) und von seinem zurückgetretenen Vorgänger Sigismund Waitz in Innsbruck/St. Jakob konsekriert (30. November).
In dieser Funktion blieb Paulus Rusch bis 1964, als durch die päpstliche Bulle Sedis Apostolicae die Apostolische Administratur Innsbruck-Feldkirch, ohne Veränderung der Grenzen, zur Diözese Innsbruck-Feldkirch erhoben (6. August) und infolge Paulus Rusch zum ersten Diözesanbischof des neu entstandenen Bistums ernannt wurde (26. November).
Völlige Eigenständigkeit erhielt die Diözese Innsbruck, wie wir sie heute kennen, im Jahre 1968, als die Abtrennung des Bundeslandes Vorarlberg als Diözese Feldkirch (8. Dezember) erfolgte. Ihr Gebiet umfasst etwa 9.845 km² (westlicher und mittlerer Teil von Nordtirol, bis zur Diözesangrenze Ziller-Fluss, danach Erzdiözese Salzburg sowie Osttirol)² und zählt circa 385.500 Katholiken (Stand 2016) in sechzehn Dekanaten (Axams, Breitenwang, Hall, Imst, Innsbruck, Jenbach-Fügen, Lienz, Matrei am Brenner, Matrei in Osttirol, Prutz, Schwaz, Sillian, Silz, Telfs, Wilten-Land, Zams) mit insgesamt 246 Pfarrgemeinden. Schutzpatron der Diözese Innsbruck ist der Heilige Petrus Canisius (1521 bis 1597).³
Gebet für die Diözese Innsbruck
„Herr Jesus Christus,
du bist das Haupt der Kirche,
du bist das Haupt unserer Diözese.
Gib uns füreinander den Blick der Liebe,
das rechte Wort, die helfende Tat.
Behüte die Schwachen, erleuchte die Zweifelnden,
stärke die Verzagten, führe die Suchenden.
Hilf uns, einander zu geben, wessen wir bedürfen,
dass einer des anderen Last trage. Amen."⁴
PAULUS RUSCH (1903–1986)
CHRISTUS, DEM KÖNIG,
UNSER LEBEN (1938/64–1980)
Einleitung
Im Rückblick ergibt das Episkopat von Paulus Rusch kein einheitliches Bild. Das liegt vordergründig an der Dauer seiner Amtszeit – 42 Jahre: „Für die große Welt- und Kirchengeschichte, aber auch für den kleinen Sektor der Kirchengeschichte des Landes im Gebirge bedeutet die hier angesprochene Epoche eine derartig geballte Fülle von Schicksal und Veränderung, von Wechselbädern der Zeit und äußerer wie innerer Problematik, dass sich Ähnliches in einem halben Jahrhundert der letzten tausend Jahre nicht so leicht finden wird."¹
Je nach Betrachtungsweise lassen sich somit mindestens drei oder mehr Phasen seines Wirkens unterscheiden. Meinrad Schumacher etwa beschreibt in seiner Tiroler Kirchengeschichte die Abschnitte: 1938 bis 1945 (Rusch, der von den Machthabern nicht anerkannte Bischof), 1945 bis 1968 (Rusch, der visionäre Sozialbischof), 1968 bis 1980 (Rusch, der belächelte Traditionalist).² Reinhold Stecher hingegen erkannte in Bischof Paulus Rusch den selbstbewussten Vor- und Versteher einer Kirche im ständigen Wandel: Kirche in Ketten (Nationalsozialismus), Kirche der Hilfe und des Aufbaus (Nachkriegszeit), Kirche des Umbruchs (Konzil), Kirche der Krise (1968er-Generation), Kirche der Hoffnung (Aktion Bruder in Not usw.)³, und charakterisierte ihn treffend: „Bischof Dr. Rusch war in keiner Phase seines Wirkens ein bequemer Mann, aber seine Wegbegleiter, seine Gläubigen, seine Zeitgenossen und die ihm Fernstehenden haben ihn als Mann mit Linie und Profil kennengelernt."⁴
Ähnliches sagte auch Joseph Ratzinger (seit 2005: Papst Benedikt XVI., 2013 emeritiert) in einer Predigt zum 40-jährigen Bischofsjubiläum von Pauls Rusch im Jahre 1978: „In diesen vier Jahrzehnten, in denen Bischof Rusch hier im Gottesvolk priesterlich gedient hat, waren manche Höhen und manche Täler zu durchschreiten. Nach den Nöten des Krieges: der große seelische Aufbruch, der damals kam, das Verlangen, wieder ein gefülltes Christentum zu leben, das aus den reinsten Wassern des Glaubens seine Wurzeln nährt; der Aufbruch in ein Christsein hinein, das für immer Bollwerk gegen solche Vorgänge sein sollte, wie wir sie erlebt hatten; die Freude der neuen Lebendigkeit, der Weite und Größe der Ursprünge des Glaubens, die dann in die Jahre des Konzils hineinführten. Bischof Rusch hat dort Entscheidendes getan, dass die großen Gedanken des Glaubens, die gerade hier in Innsbruck von Josef Andreas Jungmann [Jesuit, 1889 bis 1975], Karl [Jesuit, 1904 bis 1984] und Hugo Rahner [Jesuit, 1900 bis 1968] und anderen gedacht wurde, Raum gewannen, fruchtbar wurden in die Weite der ganzen Kirche hinein. Und wahrhaftig ging es dabei nicht darum, wie es jetzt manchen scheint, den Glauben billig zu machen, ihn zu verwässern, sondern ihm das reine Wasser des Ursprungs in Fülle zu geben. Weil er so im Konzil gestanden hatte, konnte er auch hernach, ohne sich wenden zu müssen, in aller Nüchternheit Wegweiser aus der Weisung Jesu Christi für sein Bistum bleiben, mit dem ihm anvertrauten Hirtenstab die Scheidelinie ziehen zwischen Geist und Ungeist, zwischen wahrer und falscher Erneuerung."⁵
Trotz dieser Vielschichtigkeit von Episkopat und Persönlichkeit des ersten Bischofs von Innsbruck, Paulus Rusch, sind vor allem die letzten Jahre seiner über vier Dekaden andauernden Amtszeit im kollektiven Gedächtnis geblieben und haben Meinung und Urteil über ihn nachträglich (negativ) beeinflusst. Während dieser Zeitspanne galt er seinen Befürwortern als „Fels im Strom der Zeit und seinen Gegnern als „Hort des Traditionalismus
, als „ewig Gestriger", und wurde medial zum Spottbild eines Kirchenfürsten gemacht, der den Kontakt zur Gegenwart und seinen Gläubigen verloren hatte.⁶
Zwar kann dieser Vorwurf nicht zur Gänze ausgeräumt werden, aber ihm kann dennoch einiges Positives und weiter Erklärendes entgegengesetzt werden, was die schiere Einseitigkeit der Kritik aufwiegt und Paulus Rusch als Mensch und Bischof in ein versöhnlicheres Licht stellt; dazu sind die folgenden Seiten geschrieben.
Der jüngste Bischof Europas
Die Ernennung des erst 35-jährigen Paulus Rusch zum Apostolischen Administrator von Innsbruck-Feldkirch⁷ mit allen Rechten und Pflichten eines Diözesanbischofs und seiner anschließenden Weihe am 30. November 1938 in Innsbruck/St. Jakob kam überraschend. Erzbischof Sigismund Waitz, der das Amt zuvor erfüllt und aufgrund der Unvereinbarkeit mit seinem Episkopat in Salzburg vakant gestellt hatte, hätte sich seinen Mitarbeiter und Vertrauten, den nachmaligen Provikar Dr. Carl Lampert (1894 bis 1944) als Nachfolger gewünscht; auch der damalige Propst von Innsbruck,