Sophienlust 316 – Familienroman: Zu jung für dieses Leid
Von Bettina Clausen
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Eigentlich war alles schon klar gewesen. Simon Tretow hatte am Sonnabendmorgen mit seiner Familie wegfahren wollen. Aber als sie beim Frühstück saßen, sagte er: "Ihr müsst allein vorausfahren." Wanda Tretow schaute ihren Mann über den Tisch hinweg erstaunt an. "Aber warum, Vati?", fragte der achtjährige Mario. "Zwei dringende Fälle." Simon Tretow hatte ein schlechtes Gewissen, als er das sagte. Er war Zahnarzt. Und prompt entgegnete seine Frau: "Für so etwas gibt es doch einen Notdienst." "Ich weiß …" Seine Gewissensbisse verstärkten sich. "Aber es handelt sich um zwei langjährige Patienten. Einer, ein älterer Mann hat einen vereiterten Backenzahn, den er sich nur von mir ziehen lassen will." Wanda versuchte ihren Mann zu verstehen. Sie schaute ihre beiden Söhne an. Sascha, der Jüngste, erst zwei Jahre alt, spielte mit seinem Brötchen. Mario zog zuerst einen Flunsch, dann schlug er vor: "Dann fahren wir eben allein, nicht wahr, Mutti?" Das hatte ja auch Simon vorgeschlagen. Normalerweise hätte Wanda das auch gemacht, aber ausgerechnet an diesem Morgen fühlte sie sich nicht wohl.
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Sophienlust 316 – Familienroman - Bettina Clausen
Sophienlust
– 316 –
Zu jung für dieses Leid
Als Marios heile Welt zerbrach
Bettina Clausen
Eigentlich war alles schon klar gewesen. Simon Tretow hatte am Sonnabendmorgen mit seiner Familie wegfahren wollen. Aber als sie beim Frühstück saßen, sagte er: »Ihr müsst allein vorausfahren.«
Wanda Tretow schaute ihren Mann über den Tisch hinweg erstaunt an.
»Aber warum, Vati?«, fragte der achtjährige Mario.
»Zwei dringende Fälle.« Simon Tretow hatte ein schlechtes Gewissen, als er das sagte. Er war Zahnarzt.
Und prompt entgegnete seine Frau: »Für so etwas gibt es doch einen Notdienst.«
»Ich weiß …« Seine Gewissensbisse verstärkten sich. »Aber es handelt sich um zwei langjährige Patienten. Einer, ein älterer Mann hat einen vereiterten Backenzahn, den er sich nur von mir ziehen lassen will.«
Wanda versuchte ihren Mann zu verstehen. Sie schaute ihre beiden Söhne an. Sascha, der Jüngste, erst zwei Jahre alt, spielte mit seinem Brötchen. Mario zog zuerst einen Flunsch, dann schlug er vor: »Dann fahren wir eben allein, nicht wahr, Mutti?«
Das hatte ja auch Simon vorgeschlagen. Normalerweise hätte Wanda das auch gemacht, aber ausgerechnet an diesem Morgen fühlte sie sich nicht wohl. Sie hatte Kopfschmerzen und das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen.
Entweder eine Erkältung oder ein verdorbener Magen, diagnostizierte Wanda im Stillen. Sie schaute ihren ältesten Sohn an. »Warum warten wir nicht auf Vati?«
»Och, Mutti.« Mario zog erneut einen Flunsch.
Wanda blickte über den Tisch hinweg ihren Mann an. »Wann könntest du mitkommen, Simon?«
»Am Nachmittag, frühestens so gegen drei Uhr.« Zwei Stunden dauert die Fahrt, überlegte Wanda. Also wären wir so gegen fünf Uhr am Ziel. Zu spät für die Kinder, um noch etwas von dem Tag zu haben.
Die Familie Tretow hatte ein Wochenendhaus auf dem Land. Eine alte Mühle, die Simon gekauft und renoviert hatte. Dort verbrachten sie im Frühjahr und im Sommer fast jedes Wochenende. Oft fuhren sie auch noch im Herbst hin, seltener im Winter.
»Ich sehe wirklich keinen Grund, warum ihr auf mich warten solltet«, sagte Simon und schaute seine Frau an.
Natürlich hätte sie jetzt erwidern können, dass sie sich nicht wohlfühle. Aber damit hätte sie Simon beunruhigt und den Kindern das Wochenende verdorben. Und das alles nur wegen einer vorübergehenden Unpässlichkeit.
»Also gut, dann fahre ich mit den Kindern voraus«, entschied sie.
Sascha strahlte, und Mario reagierte mit lautem Indianergeheul.
»Na, siehst du.« Simon griff über den Tisch und drückte Wandas Hand. Dabei lächelte er ihr zu. Sie erwiderte seinen zärtlichen Blick.
Die Tretows führten eine Musterehe. Das behaupteten Nachbarn und Freunde – und das stimmte auch. Keiner der beiden Ehepartner konnte sich ein Leben ohne den anderen auch nur vorstellen. Sie hatten die gleichen Ansichten und die gleichen Interessen, und sie liebten beide ihre Kinder über alles.
Eine Stunde später saß Wanda mit den Kindern in ihrem kleinen Wagen und fuhr los. Während der Fahrt ließen ihre Kopfschmerzen ein wenig nach.
Nach fast drei Stunden erreichten sie die Mühle. Wanda war langsam gefahren. Bei normalem Tempo schaffte sie die Strecke in zwei Stunden.
Mario sprang als Erster aus dem Wagen.
»Warte auf mich«, rief Sascha und rannte hinter seinem Bruder her.
»Nicht so schnell«, mahnte die Mutter, als sie sah, dass Sascha stolperte und fast gefallen wäre.
Wanda nahm die Reisetasche aus dem Wagen. In diesem Moment spürte sie wieder diese seltsame Leere im Kopf. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Dann ging sie langsam zum Haus. Am liebsten hätte sie sich eine Stunde hingelegt, aber dann hätte sie die Kinder ohne Aufsicht draußen spielen lassen müssen, und das wollte sie nicht.
Zu der alten Mühle gehörte ein Bach: der Mühlbach. An ihm spielten die beiden Jungen besonders gern. Irgendwie hatte dieser Wasserlauf eine besondere Anziehungskraft für Sascha und Mario. Leider war er sehr tief und auch ziemlich reißend. Also nicht gerade ein Planschbecken für Kinder. Immer wieder hatte Wanda den beiden eingeschärft, nicht ins Wasser zu gehen und auch nicht zu nahe am Ufer zu spielen.
»Wasser«, rief Sascha und griff nach der Hand seines Bruders. »Zum Wasser gehen.«
»Ja, aber erst müssen wir unsere Schiffe holen.« Mario ließ den Kleinen los und lief zur Rückfront des Hauses. Dort hatte er zwei Segelboote versteckt.
»Mutti!«
»Ja?« Wanda steckte den Kopf durchs Küchenfenster.
»Wo sind meine Segelboote?«
»Die hat Vati in den Schuppen gestellt.«
Mario lief zum Schuppen, fand ihn verschlossen und kam zurück. Inzwischen hatte die Mutter schon den Schlüssel vom Haken genommen und reichte ihn Mario durchs Fenster. »Aber ihr geht nicht allein runter zum Bach, ist das klar?«
»Ja, Mutti, wir warten auf dich. Du musst dich aber beeilen.«
»Ist schon gut«, antwortete Wanda müde und dachte, ich kann mich ja auch unten am Bach ausruhen. Es ist doch egal, ob ich im Gras liege oder auf der Couch.
Wanda nahm ihre Sonnenbrille, eine Decke und eine Flasche Mineralwasser. Mario und Sascha waren trotz der mütterlichen Ermahnung schon vorausgelaufen. Wanda fand sie unten am Bach.
»Sieh nur, Mutti, wie unsere Segelschiffe schwimmen«, rief Mario begeistert.
Saschas Begeisterung hielt sich in Grenzen. »Schwimmen weg!« Er deutete bachabwärts und lief am Ufer entlang.
»Bleib hier, Sascha«, befahl die Mutter. Sie wollte den Kleinen unter Aufsicht haben.
Mario lief seinen Booten nach und holte sie mit einem Haken zurück ans Ufer. Während Wanda ihn beobachtete, dachte sie wieder, dass dieser Bach einfach nicht der richtige Spielplatz für Kinder sei.
»Warum spielt ihr nicht in dem Planschbecken, das Vati für euch aufgestellt hat?«
»Das ist ja so klein«, maulte Mario.
Die Mutter seufzte. »Ich werde Vati bitten, euch ein größeres zu kaufen.«
Aber Mario schüttelte den Kopf. »Wir brauchen kein Schwimmbecken, Mutti. Wir haben doch hier den Bach.«
»Der Bach ist zu gefährlich für euch.«
»Warum?«, fragte Sascha.
»Weil er zu tief ist und weil ihr nicht schwimmen könnt.«
»Ich kann schwimmen«, widersprach Mario. Er lernte es gerade bei einem Schwimmlehrer.
»Außerdem ist die Strömung zu stark«, fuhr Wanda fort.
Aber gerade das gefiel den Kindern. Oft warfen sie einfach nur Stöcke oder Holzstücke ins Wasser und liefen am Ufer entlang, um zu sehen, wohin ihr Spielzeug schwamm. Einmal war eine Entenfamilie den Bach hinuntergeschwommen. Das hatte die Buben fasziniert, dass sie den Enten bis ins Dorf nachgelaufen waren.
Sascha wollte wissen, was eine Strömung ist. Die Mutter versuchte es dem Zweijährigen zu erklären. Dabei spürte sie plötzlich wieder diese seltsame Leere im Kopf. Gleich danach begann ihr Magen zu rebellieren. Sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, und sprang auf.
»Mutti!«, rief Sascha.
»Ich komme gleich wieder. Pass auf Sascha auf«, sagte sie zu Mario. »Und bleibt vom Wasser weg.«
Wanda erreichte das Haus. Dahinter musste sie sich übergeben. Ihr brach am ganzen Körper der Schweiß aus. Ihre Knie zitterten, ihr Kopf schmerzte. Kraftlos fiel sie auf die Holzbank, die hinter dem Haus stand. Sie hatte keinen anderen Wunsch, als sich hinzulegen.
Nur ein paar Minuten flach liegen, dachte Wanda und schloss die Augen. Mit letzter Kraft stand sie auf und tastete sich zur Küchentür.
Aber kaum hatte sie den ersten Schritt ins Haus getan, da kehrte sie auch schon wieder um. Es ging nicht. Sie konnte die Kinder nicht allein lassen. Ich werde sie zum Haus zurückholen, beschloss sie. Danach lege ich mich hin.
Wanda kam bis zu der Bank vor dem Haus. Dort musste sie sich wieder für ein paar Minuten setzen. Vor ihren Augen tanzten rote Ringe, und ihre Hände zitterten wie die einer Greisin. Sie dachte sofort an den Fisch, den sie am Vorabend gegessen hatte.
Vielleicht war er schlecht gewesen. Aber Simon und