Der Logos und die Dialektik von Sein und Werden
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Elias Johannes Benedikt
Elias Johannes Benedikt, ist spiritueller Lehrer, Philosoph und Vermittler geistiger Heilung. Nach seinem Studium zuerst mehrere Jahre in Forschung und Lehre mit Schwerpunkten Applied Theory of Dynamic Systems, Bildungs- und Raumplanung tätig. Zugleich Ausbildung in eidetischer Wahrnehmungsschulung bei Werner Arnet. Ab 1980 Seminar- und Vortragstätigkeit in den deutschsprachigen Ländern, Israel und Indien mit den Schwerpunkten Jüdisch-christliche Mystik und platonische Philosophie und West-östliche Weisheitstraditionen. Begleitung von Menschen in ihrer Suche nach Gott und Selbst.
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Der Logos und die Dialektik von Sein und Werden - Elias Johannes Benedikt
Inhalt
Logos und Logoslehre
1. 1 Begriffsbestimmung: Der Logos als die schöpferische Kraft Gottes
1. 1. 1 Der Logos als Ursprung, Ende und Mitte der Welt
1. 1. 2 Der Logos als Ursprung und Platzhalter der (noetischen) Vernunft in Mensch und Kosmos
1. 1. 2. 1 Denken und Vernunft
1. 2 Zum Logosbegriff Meister Eckharts
1. 3 Parmenides und die kabbalistische Kosmogonie
1. 3. 1 Griechische Logoslehre und kabbalistische Kosmogonie – Der Sefirot-Baum der Kabbala als Urbild des Kosmos und des Menschen
1. 3. 2 Der Sefirot-Baum als Aufrollung des Logos und Schlüssel zum Aufbau der Welt
1. 3. 2. 1 Zimzum: Die Selbsteinschränkung Gottes
1. 3. 2. 2 Die drei Stufen des Logos
1. 3. 2. 3 Die sieben Äonen, die Geburt der Sefirot und der Schöpfungsstrahl
1. 3. 2. 4 Lebensbaum und Schöpfungsdrama
1. 3. 2. 5 Involution und Evolution
1. 3. 2. 6 Die zehn Attribute Gottes – Sefirot und Othiot: Wesen, Ordnung und Namen
Die Dialektik als Prinzip des Logos
2. 1 Formalisierung der Dialektik von Einem und Denken
2. 2 Die Logik der Metaphysik des Einen
2. 3 Die Hierarchie der Hypostasen und Begriffe
2. 4 Die dialektische Beziehung zwischen Sein und Werden, Begriff und Erkenntnis
2. 4. 1 Teilhabe und Begriff
2. 4. 2 Dialektik von Sein und Werden, Sein und Erkenntnis: Identität und Wandel in den Gestalten des Seins und der Erkenntnis
2. 4. 3 Geist und Begriff
2. 4. 4 Dialektischer Aufstieg zur Einheit und zum Einen
2. 5 Die Begründung der Dialektik aus dem Einen und ihre Bestimmung als Gesetz des Logos
2. 5. 1 Zur formalen Struktur der Dialektik und ihrer Verwirklichung im Logos
2. 5. 2 Die Dialektik als universelles Gesetz des tätigen Logos: Selbsteinschränkung und Polarisation versus transzendentale Koinzidenz der Gegensätze als Prinzipien des Hervorgang und der Rückkehr in den Ursprung
2. 5. 3 Entwicklungsgang des dialektischen Denkens und seine erkenntnismäßige Kulmination
Über den Autor
1. Logos und Logoslehre
1. 1 Begriffsbestimmung: Der Logos als die schöpferische Kraft Gottes
Ursprung, Mitte und Ende alles Seienden und allen Lebens wie auch aller Erkenntnis ist der Logos. Wie es heißt: „Alle Dinge haben eine obere Wurzel." (Plato, Plotin, Eckhart, Sohar, Baal-Shem-Tov, Reb Nachman von Brazlav)
Im platonischen, biblischen und vedischen Sinne begreifen wir den Logos ganz ursprünglich sowohl als kosmische Intelligenz als auch als die geistige Schöpfungskraft Gottes. Insbesondere das platonisch inspirierte Johannes-Evangelium hat ihn als solche gefaßt. Er ist die Urkraft, die jedes Seiende hervorbringt und gestaltet.
Im Folgenden möchte ich die wesentlichen Eigenschaften und Aspekte des Logos einzeln aufzählen:
1. Zuallererst verstehen wir den Logos als die schöpferische Kraft Gottes, ganz im Sinne des Fiat Lux (Jehi or wa-jehi or)‘." – „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde ... Gott sprach: Es werde Licht ..., und es ward Licht ..." (Gen. 1. 1 & 3) bzw. im Johannes-Evangelium:
Εν αρχη ην λογος, και ο λογος ην προς τον ϑεον, και ϑεος ην ο λογος. αυτος ην εν αρχη προς τον ϑεον.
παντα δι αυτου εγενετο, και χωρις αυτου εγενετοουδε εν, ο γεγονεν.
εν αυτω ζωη ην, και η ζωη ην το ϕως των ανϑρωπων. και το ϕως εν τη σκοτια ϕαινει, και η σκοτια αυτο ου κατελαβεν.
(Κατα Ιωαννην 1. 1 − 5)
zu Deutsch:
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Und alles, was gemacht (geschaffen) ist, ist durch das Wort gemacht (geschaffen). Und nichts, was gemacht (geschaffen) ist, ist ohne es gemacht (geschaffen). Und das Wort ist das Leben und das Leben ist das Licht des Menschen." (Joh. 1. 1 – 4)
Im Sanskrit wird der Logos als „Matrika-Shakti (mütterliche Urkraft) wie auch als „Vak
oder „Paravak" (Wort oder Urwort) bezeichnet.
Dementsprechend heißt es im Rig-Veda:
„Prajapatir vai idam-agre-asit
Tasya vak dvitya-asit
Vak vai Paramam Brahman."
„Im Anfang war Gott (Prajapati – der Schöpfer);
Mit Ihm war das Wort.
Und das Wort war wahrhaftig das höchste Brahman."
Murdo McDonald-Bayne faßte Geist und Gehalt dieser Verse in seinen Johannesburger Reden in moderne Sprache. Da heißt es:
„Gott ist Geist, nicht ein Geist, sondern Geist. Der Geist ist in sich selbst vollkommen; er hat die Macht, sich zu offenbaren, sich die Formen zu schaffen, derer er bedarf, um sich auszudrücken. [Denn Gottes Wesen ist Mitteilsamkeit. (Plato, Plotin, Eckhart)]
... Der Geist Gottes war, bevor die Welt gebildet wurde, und der Geist ist Fleisch geworden und wohnt auf der Erde, dennoch ist es derselbe Geist, der im Himmel wohnt.
„... Die vollkommene schöpferische Kraft – der Geist Gottes – wirkt schöpferisch in Ihrem eigenen Ewigen Sein, worin es keine Teilung gibt."
„Geist ist Bewußtsein, und Bewußtsein wirkt ... vermittels seiner intelligenten Tätigkeit. Das Bewußtsein und die Intelligenz Gottes offenbart sich in allem, was lebt." (M. McDonald-Bayne: Göttliche Heilung, 3. 27; 7. 53 – 54)
Durch die Kraft des Wortes antizipiert der Logos die ihm innewohnenden Ideen und Eide in einer Innenschau als Gedanken und Intentionen und durch die Kraft des Wortes materialisiert er diese Ideen, Eide, Gedanken und Intentionen in fein- oder grobstoffliche Formen und Gestalten.
Der Grund des Wirkens des Logos und alles in ihm Liegenden liegt nicht außerhalb seiner, sondern allein in ihm selbst. Wie es heißt: „Im göttlichen Bereich wirkt alles ‚ohne Worumwillen’, weil alles eins ist und daher um seiner selbst willen wirkt." (Cusanus)
Das bedeutet, daß der Logos als der Ursprung und die Wurzel aller Dinge in Gott, als der Quellgrund aller Bewegung und allen Lebens, und als der Punkt ihrer Koinzidenz und ihrer Rückkehr in Ihn zu fassen ist. Er ist die erste, höchste und einzige Ursache aller Dinge und aller Bewegung.
Ganz in diesem Sinne heißt es auch bei Shankaracharya: „Dieses sichtbare Universum hat seine Wurzel in der gedanklichen Schöpfungskraft des Geistes." (Shankara: Viveka Chudamani, Vers 407);
Auch bei manchen der griechischen und christlichen Denker, Seher und Philosophen finden wir ähnliche Zeugnisse:
Schon Heraklit, der Vater der Logoslehre, sagte: „Alles entsteht gemäß dem Logos und wird von ihm geleitet. ... „Der Logos ist es, der Alles in Allem durchwaltet.
Und bei Philo heißt es: „Τελειος λογος αρχη γενεσεως − der vollendete Logos ist das Urprinzip der Schöpfung."
„Der Logos wird Arche (Anfang und Haupt; Hebräisch: Resh) genannt, weil er das Prinzip und der Herr (κυριος) aller Dinge ist, die durch ihn geschaffen wurden. (Theophilus) Dementsprechend schreibt Philo dem Logos zwei Vollmachten zu. Die eine nennt er die erschaffende Gewalt (δυναμις ποιητικη). Sie bezieht sich, wie ihr Name sagt, auf die Erschaffung der Welt. Die andere nennt er die königliche Gewalt (δυναμισ βασιλικη), „durch die der Demiurg das Erschaffene lenkt
.
Facit: „Der Logos ist nicht nur der Ursprung (αρχη, δημιουργος), sondern auch der bleibende Lenker des Alls (διοικων τα παντα)." Seine Natur ist Sein und Wirken.
Ferner: Der Logos ist Same und Wurzel aller Welten, Wesen und Dinge: „Das erste [Prinzip] ist das Feuer, das gleichsam als Samen des Alls die Logoi enthält, die Ursachen von allem, was entstanden ist, was entsteht und was sein wird. (Eusebius) Die Stoa nannte diese Samen ‚λογοι σπερματικοι’. Philo sagte: „Der Same ist das Wort Gottes
– „Ο σπορος εστιν ο λογος του ϑεου." Dieser Logos bildet den Kern und die Mitte eines jeden lebenden Wesens und geschaffenen Dinges.
Der geschaffene Kosmos ist Aufrollung des Logos in Raum und Zeit. Seine erste Manifestation ist die ψυχη (All-Seele) als Entfaltung der im Nous verborgenen Ideenfülle. Diese Ideenfülle ist selbst der Logos und das dem Nous innewohnende Leben. Seinsfülle ist Leben. In der Seele nimmt seine (des Logos und des Lebens) Entfaltung ihren Anfang und in der Emanation des Kosmos kommt sie zur Blüte und Vollendung. Der Logos ist ihr Same und der Kosmos die Frucht ihrer Entfaltung.
Aber auch im Menscheninnern wohnen heilige Funken oder Monaden (αποσπασμαι, Hebräisch: Jechidot), die Same, Kern und Wurzel seiner zur Entfaltung drängenden Seele sind. Ihr Aussprießen und ihre Entfaltung zu einem differenzierten Individuum, Charakter und Bewußtsein erfolgt zwar gesetzmäßig gemäß der inneren δυναμισ und ενεργεια (bzw. dem πνευμα) (Hebräisch: Ruach Ha-Kodesh) des Logos (Sanskrit: Kundalini Shakti), aber nicht zwangsläufig; sie wird nicht vom Kosmos selbst besorgt. Justinus der Märtyrer gebrauchte für diesen Geistfunken in der Seele den Ausdruck: „Der Same des Logos (σπερμα του λογου) im Menschen".
Die Stoiker sprachen vom:
λογος σπερματικος bzw. σπερμα του λογου (dem Samen des Logos) oder auch von der εμϕυτου του λογου (der Saat des eingeborenen Logos) im Menschen. Wie es schon heißt im Evangelium Johanni:
„εν αυτω ζωη ην και η ζωη ην το ϕως των ανϑρωπων – „In ihm war das Leben und das Leben war das Licht des Menschen
.
Bei Murdo McDonald-Bayne hören wir das Wort: „Wenn ein Same in die Finsternis der Erde ausgesät wird, wächst er aus innerer Kraft; der Samen bringt ihm selbst Gleiches hervor und vermehrt sich dabei hundertfältig. ... Der Samen des Christus in euch enthält die ganze Fülle der Gottheit." (McDonald-Bayne: Göttliche Heilung, Kap. 9. 69; 98)
Makro- und Mikrokosmos entsprechen einander und haben im Logos eine gemeinsame Mitte. Wie es heißt: „Der Logos, der Älteste des Seins, ist in den Kosmos wie in ein Gewand gehüllt, in Erde, Wasser, Luft und Feuer und alles, was darin enthalten ist. (Philo) „Der ganze Kosmos ist ein Wesen (ζωον), beseelt und vom Logos durchdrungen.
(Poseidonios)
Und bei Plato heißt es: „κοσμος ζωον εμψυχον και εννοιον." (Timaios 30 B)
„Der Kosmos ist ein συστημα (System) von Göttern und Menschen [Purushas] und all dessen, was um ihretwillen erschaffen wurde." (Chrysipp) Der Logos ist All und allem gemein.
„Gott ist die Substanz der Welten, die das Dasein alles Geschaffenen unterhält. Er existiert nicht, hat keine Existenz, denn Er ragt nirgends unter den Seienden Dingen der Welt heraus, sondern ist er das Sein alles Seienden schlechthin; Sein Sein hat den Charakter des Sub-sistierens. „Er ist die Substanz, die das Da-Sein der Welten unterhält. Ansonsten ist Gott αποιος, das heißt ohne Attribute oder Qualitäten, die in Begriffe oder Worte zu fassen wären. Nicht einmal das Schaffen ist seinem Wesen eigen. Wo es beginnt, tritt der Logos in Kraft.
(Philo)
„Der Logos ist der Herr der Mächte nach dem Willen Gottes (die erste der Dynameis). ... „Der Logos war vor aller Schöpfung in ihm. ... Der Logos hatte als Arche (Kraft des Urbeginns) vor allem Erschaffenen in Gott Bestand.
(Justin)
Eine mehr poetische Form und zugleich Zusammenfassung der Definition des Logos als der schöpferischen Kraft des universellen Geistes finden wir im Sohar. Er sieht die Erschaffung der Welt nach dem Bilde des Oberen, der oberen Vollkommenheiten:
„Es sprach Gott: ‚Es werde Licht – und es ward Licht‘."
„Es ist dies das Leuchten, das der Allheilige im Uranfang schuf: genannt das Licht des Urquells.
„Und Er umhüllte sich mit dem Lichte wie mit einem Mantel, darum heißt es: ‚Er bedeckt sich mit Licht wie mit einem Kleide‘ (Psalm 104,2).
„Das Licht, das der Allheilige im