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60 einzigartige Kurzgeschichten: Ein Lesevergügen
60 einzigartige Kurzgeschichten: Ein Lesevergügen
60 einzigartige Kurzgeschichten: Ein Lesevergügen
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60 einzigartige Kurzgeschichten: Ein Lesevergügen

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About this ebook

Ob beim Arzt im Wartezimmer, zwischen zwei Schulstunden oder Vorlesungen, im Zug, im
Flugzeug, zu einer wohlverdienten Pause. Ob im Urlaub oder am Strand, immer gibt es eine
Möglichkeit, diese einzigartigen Geschichten zu lesen, ja zu genießen!
Die Vielfalt der Geschichten bieten Ihnen ein Lesevergnügen, von dem sie schwer wieder
loskommen. Dazu wünsche ich Ihnen viel Freude
Der Autor
LanguageDeutsch
Release dateAug 14, 2020
ISBN9783751975940
60 einzigartige Kurzgeschichten: Ein Lesevergügen
Author

Dietmar R. Horbach

Mein Name ist Dietmar Rolf Horbach. Ich bin am 26. Juni im Kriegsjahr 1943 in Potsdam geboren. Als ich drei Jahre alt war, wechselten meine Eltern mit mir von Dresden nach Essen in NRW. Dort bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nachdem ich meinen Realschulabschluss gemacht hatte, ergriff ich den Beruf des Schaufenstergestalters, der mir als Sprungberuf dienen sollte, da ich eigentlich Bühnenbildner werden wollte. Doch es kam anders. Als die Bundeswehrzeit heranrückte, meldete ich mich freiwillig zur Bundesmarine. Dort war ich von 1963 bis 1971. An der Bundeswehrfachschule in W’haven machte ich meinen Fachhochschulabschluss. Danach bewarb ich mich in Bremen in den gehobenen Verwaltungsdienst, was auch gelang. Vorher habe ich in der Neuapostolischen Kirche, der ich angehöre, meine Frau kennengelernt und 1968 geheiratet. Wir haben zwei Töchter und eine Enkeltochter. In der Kirchengemeinde Bremen-Vegesack war ich 33 Jahre ehrenamtlich als Diakon und Priester tätig. Im Jahre 2008 trat ich mit 65 Jahren beruflich und kirchlich in den Ruhestand. Nun zu meinen Hobbies: Gemalt und gezeichnet habe ich schon als Kind und Jugendlicher gern. Vornehmlich waren es Aquarellbilder, sowie Bleistift- und Tuschezeichnungen. Durch meine berufliche Tätigkeit ruhte dieses Hobby lange Jahre. In den 1980er Jahren begann ich mit der Ölmalerei. Erst 2012 begann ich wieder damit und bin seitdem unentwegt beschäftigt, Ölbilder zu malen. Da ich mich autodidaktisch weiterbilde, versuche ich mich an Bildern anderer Künstler, um meine Fähigkeiten auszubauen. Ich sehe es als ein Geschenk Gottes an und bin dankbar, dieses Hobby ausführen zu dürfen. Neben der Malerei interessiert mich auch die Schriftstellerei. Ein entfernter Onkel von mir, Michael Horbach, den ich nicht einmal persönlich kennenlernen durfte, war mir darin ein Vorbild. Der Ölfresser ist mein erster Roman, der bereits aufgelegt wurde. Nun erfolgt eine Neuauflage. Weiterhin habe ich einige Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. Ein Gedichtband mit christlichen Gedichten ist bereits unter dem Titel “Zum Trost und zur Freude” beim Verlag BoD veröffentlicht worden. Ein weiterer Roman mit dem Titel “Der verlorene Zwilling” wartet noch auf seine Veröffentlichung. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern dieses Buches viel Freude damit.

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    60 einzigartige Kurzgeschichten - Dietmar R. Horbach

    Inhaltsverzeichnis

    Die neuen, roten Pumps

    Bryan ist wieder da

    Das leere Blatt

    Das Chamäleon

    Das Wolfsrudel

    Conny und Leander

    Nur ein leeres Blatt

    Mein Schutzengel

    Der Klavierspieler

    Nur ein leeres Blatt (2)

    Die neue Schule

    Urlaub auf Mallorca

    Fünf Goldtaler

    Luise

    Auf dem Weihnachtsmarkt

    Der Christstollen

    Geschichte ohne Titel

    Lorenzos Angst

    Der Bumerang

    Eine Vision

    Horch, was kommt von draußen rein

    Mein Auftritt

    Thunderstorm und Kugelblitz

    Die Gangsterbraut

    Der einsame Wolf

    Unbegründete Eifersucht

    Im Wartezimmer

    Mit 250 PS

    Die Hellseherin

    Weihnachtswünsche

    Im Altersheim

    Die Lottofee

    Wie Karl zum Löwen wurde

    Es ist wieder Weihnachten

    Gute Vorsätze zum Neuen Jahr

    Der vermisste Koffer

    Bei Mama ist kein Zimmer frei

    Ich suche mir eine neue Familie

    Die Zirkusprinzessin

    Der Straßensänger

    Das alte Schloss

    Der verzauberte Garten

    Steuermann, halte den Kurs

    In Wahrheit bin ich einMann

    Der Grenzstein

    Der große Donner

    Zwei Tippelbrüder

    Der Löwenanteil

    Das vergessene Füllhorn

    Mr. Belutschi und sein Hund Malte

    Der alte Kutter

    Rigoletto oder Riegel-Otto?

    Das rote Einhorn

    Sonnenuntergang über der Prärie

    Die letzte Fähre

    Alte Liebe rostet nicht

    Was ist geschehen?

    Die Primrose-Demonstration

    Lang lebe Napoleon

    Daphne und der Kardinal

    Die neuen, roten Pumps

    Colette hatte es heute Morgen sehr eilig. Sie musste sich unbedingt mit ihrer Freundin Francoise treffen, um ihr die aktuellsten Neuigkeiten zu berichten. Dabei wollte sie persönlich ihre Reaktion sehen.

    Auf dem Weg zum Café Le Paris gafften ihr einige junge und ältere Männer nach. Einige pfiffen laut hinter ihr her. Colette registrierte die Äußerungen der Männer und genoss es. Ja, sie war hübsch. Dabei überdachte sie noch einmal die Erlebnisse der letzten Tage, bevor sie das Café erreichte.

    Francoise winkte schon von weitem. Mit einem erleichterten Seufzer ließ sich Colette auf den gepolsterten Stuhl fallen und fächerte sich mit dem Angebotsprospekt des Cafés Luft zu. „Na, ma chere! Du bist ja richtig außer Atem. Dann ist es bestimmt etwas Wichtiges, was du zu berichten hast?"

    Colette nickte und bestellte einen Milchkaffee bei der gerade erscheinenden Bedienung.

    „Hör zu, Cherie, begann Colette und ließ ihre Zunge prüfend über ihre weißen Zähne fahren. „Vor drei Wochen lief ich mit meinen neuen, roten Pumps die Rue de la Chansonniere entlang, und plötzlich passierte es. Ich blieb mit meinem rechten Absatz in einem Kanaldeckel stecken. Es machte Knacks! Der Absatz brach ab, und ich stürzte der Länge nach auf die Straße. Ein stechender Schmerz durchzuckte mein rechtes Knie. Es blutete sofort, und ich schrie laut auf. Benommen schaute ich mich um. Niemand war zur Stelle, um mir aufzuhelfen. Die Tränen kullerten mir herunter, und ich war verzweifelt. „Und? „Ich muss wohl ein paar Minuten dort gelegen haben, als eine fantastische Limousine vor mir hielt. Ein junger Fahrer in einer vortrefflichen Livree, er erinnerte mich sofort an Brad Pitt, sprang heraus und half mir auf. Dann humpelte ich zum hinteren Teil des Wagens und ließ mich auf den Sitz plumpsen. Ein würdig aussehender, älterer Herr mit weißen Haaren beugte sich zu mir und reichte mir ein Glas Sekt. „Ja, und weiter?"

    Colette schwieg und genoss die Vorfreude auf das Kommende. Sie strahlte und hielt ihrer Freundin einen blinkenden Verlobungsring entgegen. „Nein!" entfuhr es Francoise, die Hand vor ihren Mund haltend. Sie stierte fasziniert auf den Ring. Sie konnte es nicht fassen und gar nicht daran sattsehen.

    Colette fuhr mit ihrer Erzählung fort. „Gleich kommt mein süßer Pierre und holt mich hier ab."

    Sie blickte suchend um sich und rief: „Ich glaube, da kommt er schon. „Wo? rief Francoise und suchte nach einem jungen, hübschen Mann. Doch ein Fahrer in Uniform half einem vornehmen, weißhaarigen Herrn aus dem Wagen. „Der? fragte Francoise ungläubig. Colette nickte. „Er ist steinreich und liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. „Und wo bleibt da …die Liebe? „Die habe ich mit Colbert, dem Fahrer. Die schönsten Stunden, die du dir denken kannst, und er hat so viel Erfahrung.

    „Ja, meint Francoise, etwas wie Neid stieg in ihr hoch. Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. „So bedeutet der Bruch eines Pumps nicht nur Schmerzen und Verdruss. Er kann auch Freude und sogar Glück bringen.

    Bryan ist wieder da

    Lilian saß nach fast zwei Jahren in einem Zug, der sie nach Hause bringen würde. Die Landschaft raste an ihr vorbei. Sie lehnte sich gegen die weichen Kopfpolster des Abteils und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Ihr Geist führte Lilian Bilder vor, die sie vor mehr als zwei Jahren erlebte.

    Auf einmal war sie wieder daheim. Sie erblickte das schöne Cottonhaus mit den roten Ziegeln. Ihre Schwester Sophie tauchte auf, und ihr kleiner Bruder Timothy tanzte um sie herum. Was war sie damals glücklich.

    Plötzlich tauchte Bryan vor ihr auf, ihre große Liebe. Aber den wollte sie nicht sehen. Lilian schüttelte den Kopf und rief: „Nun, geh schon weg, als sie von einer eleganten Dame angesprochen wurde. „Wie bitte? Die Frau stand vor ihr und war gerade im Begriff, das Abteil zu betreten.

    „Oh, entschuldigen Sie, Miss, antwortete Lilian, „Sie waren nicht gemeint. Ich habe ein wenig meine Gedanken spielen lassen.

    „Das kenn ich, kam die Antwort, begleitet von einem sanften Lächeln. „Dann ist man so richtig in den Bildern drin. Lilian lachte und machte der Frau Platz, die gerade ihren Koffer oben ins Netz gepackt hatte.

    „Fahren Sie auch nach Brighton? fragte sie Lilian. „Nein, ich fahre weiter bis Southkanton, antwortete Lilian brav. Dann stellte sich die Dame vor. Sie hieß Jenny Clymore und war Rechtsanwältin in Brighton. Auch Lilian stellte sich vor. Dann schwiegen beide wieder und schauten sich die Landschaft durch das Fenster an.

    Nachdem sich Miss Clymore nach eineinhalb Stunden gemeinsamer Fahrt, in der sie sich über dies und das unterhielten, verabschiedet hatte, dachte Lilian an ihre Mom. „Hoffentlich geht es ihr gut", waren ihre inneren Worte. Dad war verstorben, als sie beruflich in Los Angeles war. Sie konnte damals zu seiner Trauerfeier nicht kommen.

    Ihre Reise war bald zu Ende. Sie stand auf dem Bahnhof von Southkanton und hielt nach ihrer Schwester Ausschau. Die Menschen eilten an ihr vorbei, und plötzlich stand sie allein auf dem Bahnsteig. Das wunderte Lilian sehr, da sie ihrer Schwester Sophie ihre Ankunft telefonisch vorher mitgeteilt hatte. Also schnappte sie sich ihre Tasche und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle.

    Dort beobachtete sie die Menschen, die ihr alle fremd vorkamen.

    Sie war gerade im Begriff, in den Bus zu steigen, der vor ihr gehalten hatte, als sie eine vertraute Stimme vernahm. „Hi, Lilly! Wartest du schon lange?" Ihre Schwester Sophie stand direkt neben der Haltestelle und winkte ihr zu. Lilian nahm ihren Koffer und versuchte, an den Passanten vorbeizukommen. Dann lagen sich die beiden Schwestern lachend in den Armen.

    „Mom freut sich irrsinnig auf dich, sagte Sophie und nahm ihrer Schwester den Koffer ab, während sie zum Auto gingen, das in der Nähe geparkt war. „Und Timothy erst. Der fragt jeden Tag: Wann kommt sie denn endlich? Ich glaube, der hat die letzten Nächte vor Aufregung nicht geschlafen. Diese Worte ermunterten Lilian wieder, die vorhin über die vielen fremden Menschen etwas enttäuscht war.

    Dann waren sie endlich zu Hause. Als Lilian ausstieg, rannte ihr ein jubelnder Wirbelwind entgegen und hätte sie bald umgestoßen. Es war ihr Bruder Timothy. „Hi, Lilly, endlich bist du da! Ich hab‘ dich ja so vermisst." Dann spürte sie seine feuchten Küsse. Als er endlich von ihr abließ, stand ihre Mom vor ihr. Eine Träne rann aus ihrem Auge. Dann öffnete Mom beide Arme, und Lilly flüchtete fast in sie hinein. So hatte sie es als kleines Mädchen immer getan. Es war ihr, als öffnete sich der Himmel für sie.

    Bei englischem Kuchen und Tee plauderten sie alle durcheinander. Jeder wollte etwas erzählen. So lachten und schwatzten sie eine Zeit lang, und jeder berichtete, was er in den letzten Jahren erlebt hatte.

    Gegen Abend saßen Lilian und ihre Mom allein im Wohnzimmer. „Woran denkst du? fragte sie ihre Mom. „Ich denke an Dad. Wie sehr hätte es ihn gefreut, das mitzuerleben. Dabei seufzte sie still vor sich hin. Lilian stand auf und gab ihrer Mom einen Kuss auf die Stirn. „Ja, entgegnete sie dann, „schade, dass ich damals nicht dabei sein konnte, als er beerdigt wurde.

    Ihre Mutter sah sie mit liebenden Augen an. „Wir wollen uns freuen, dass du da bist. Und nicht der Vergangenheit nachtrauern", waren ihre Worte.

    Einige Tage waren bereits vergangen, als Lilly eines Morgens in die Stadt wollte, um etwas einzukaufen und zu sehen, was sich in der letzten Zeit in Southkanton verändert hatte. Sie war gerade fort, als Timothy um die Ecke kam und nach seiner Schwester rief. „Die ist in die Stadt gefahren, hörte er seine Mom rufen. „Wolltest du was von ihr? „Nee, rief Timothy, „ich wollte ihr nur sagen, dass Bryan auch wieder da ist. Ich habe ihn gestern bei Grocery gesehen. „So, so", meinte seine Mutter, und auch ihr kamen die Bilder ins Gedächtnis zurück, als Lilly mit Bryan befreundet war.

    Diese war gerade beschäftigt, sich einen Hut aus einem Stapel herauszusuchen. Sie wusste, dass die Sommer hier sehr heiß waren, und ein Hut könnte nicht schaden. Auch hier stellte sie fest, dass viele fremde Menschen in der Stadt waren. Da stutzte sie auf einmal. Keine acht Schritte vor ihr lief ein junger Mann in einem weißen Sommeranzug an ihr vorüber. Er schaute nicht zu ihr hin. Es war Bryan. Sofort trat sie zur Seite und versteckte sich hinter einem Stapel Zeitungen, die durcheinander auf einem Ständer lagen. Da hörte sie, wie eine junge Frau rief: „He, Bryan! Kommst du mal her? Ich habe hier etwas gefunden, was dir gefallen könnte. „Na, dachte Lilian, „das ist wohl seine neue Flamme." Sie ließ von den Hüten ab und eilte die Mall, die Hauptstraße, herunter. Nach einiger Zeit hatte sie Bryan wieder vergessen, weil sie in ihre Einkäufe vertieft war.

    Zu Hause wollte Timothy sie mit der neuen Nachricht überraschen. Aber sie winkte leicht ab. „Ich weiß, Timothy. Ich habe ihn persönlich gesehen. Seine neue Freundin war auch bei ihm. „Freundin? fragte ihr Bruder. „Wie sieht sie aus?" Lilian schilderte ihm das Aussehen der Frau. Doch dieser schüttelte den Kopf.

    „Das ist nicht seine Freundin, sagte er lachend. „Das ist seine Schwester, die ist von Kalifornien gekommen und besucht ihn.

    Lilian blickte ihren Bruder erstaunt an. „Sag mal, woher weißt du denn das alles?"

    „Nun, ich gehe mit offenen Augen und Ohren durch diese Welt und höre mal hier und mal dort etwas, war seine kecke Antwort, wobei er lachte und mit seiner Schwester schäkerte. „So, so – Herr Neunmalklug, antwortete sie, „weißt du eigentlich, was für einen Beruf du ergreifen solltest? Timothy schüttelte den Kopf und sah sie fragend an. „Journalist, wäre der richtige Beruf für dich – du Oberschlauer. Er lächelte und meinte: „Ja, daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht, aber nun ist es vermerkt." Dann kitzelte er seine Schwester durch, die sich vor Lachen kaum halten konnte.

    Lilian hatte sich den Wagen von ihrer Schwester ausgeborgt und stand an der Tankstelle, um Benzin nachzufüllen. Sie war so in ihre Gedanken vertieft, da ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. „Hi, Lilly! Was machst du denn hier?" Im selben Augenblick lief ein Schauer ihren Rücken herunter, und die kleinen, feinen Härchen an ihren Armen stellten sich quer. Er war es. Langsam drehte sie sich um und blickte ihren Liebesschwarm an. Er sah noch genauso gut aus wie früher.

    „Hallo Bryan, sagte sie, fast flüsternd. „Wie geht es dir? Dieser blickte sie an, und ein kleines Augenzwinkern, das sie früher schon so lustig fand, kam herüber.

    „Du siehst genauso hübsch aus wie früher", kam es von seinen Lippen, die immer noch so anziehend waren wie damals.

    Nun konnte Lilian lächeln. Doch dann kam die Erinnerung zurück. Ihr Gesicht verfinsterte sich. Sie schlug ihn leicht auf den Arm und rief empört: „Warum bist du damals so einfach gegangen? Kein Sterbenswörtchen habe ich von dir seitdem gehört. Weißt du, wieviel Tränen ich geweint habe, als ich von deiner Mom erfuhr, dass du in die Staaten gegangen bist? He!"

    Bryan hörte sich das alles in Ruhe an. Dann erschien ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht, das wie ein Sonnenstrahl aus einer dunklen Wolke fiel. „Wir wollten damals zusammen fort, weißt du noch? „Und ob, rief Lilian und schaute ihn erwartungsvoll an. Nun wollte sie seine Entschuldigung hören. „Als ich an unserem Treffpunkt fast eine halbe Stunde gewartet hatte, kam dein Dad angefahren. Er berichtete mir, dass du nicht kämest. Du würdest nach London gehen, weil du dort studieren wolltest. Ich dachte damals, mich trifft der Schlag. Ich war wütend und unendlich traurig zugleich. Heulend lief ich nach Hause und verkroch mich. Ich wollte dich nicht mehr sehen. Später ergab sich dann die Möglichkeit, in die Staaten zu gehen, was ich dann auch machte. Ich wollte nur fort von hier."

    Lilian hatte schweigend zugehört. „Also doch", dachte sie. Es war also ihr Dad gewesen, der ihren Wunsch, mit Bryan nach Amerika zu gehen, vereitelt hatte. Sie hatte es immer vermutet, sich aber nicht getraut, ihn zu fragen.

    „Und, was machst du hier?" fragte sie. Dabei trat sie einen Schritt auf ihn zu. Sie spürte die Wärme seines Körpers und roch sein Deo, dass sie damals schon immer mochte.

    „Ich bin mit meiner Schwester Veronica hier. Wir lösen den Haushalt von Mom auf. Sie ist vor zwei Wochen verstorben, antwortete er mit leiser Stimme. „O, dass tut mir aber leid, hörte sich Lilian sagen. „In gut zwei Wochen fliegen wir wieder zurück in die Staaten. Dann schien es, als wenn ein Gedankenblitz durch sein Gehirn fuhr. Sein Gesicht hellte sich auf, und er strahlte Lilian an. „Du kannst ja jetzt mitkommen, rief er begeistert.

    „Wie stellst du dir das vor? Ich lebe in London und habe dort meinen Job." Für den Bruchteil einer Sekunde fand der Vorschlag von Bryan bei ihr ein großes Echo. Doch dann schob sich wieder eine Gedankenwolke davor.

    „Du hast bestimmt eine Freundin dort, sagte sie, und man merkte ihr die Enttäuschung an. „Nein! rief er, „wo denkst du hin? Ich habe immer nur an dich gedacht. Da trat plötzlich die Frau an die beiden heran, die Lilian schon vor zwei Tagen gesehen hatte. Bryan stellte seine Schwester vor. „Sie sind also Lilly, von der mein Bruder immer erzählt hat. Wie schön, dass ich Sie jetzt persönlich kennen lerne. Dann verabschiedeten sie sich, nicht ohne, dass sie ihre Adressen ausgetauscht hätten. „Bitte, ruf mich an", hatte Bryan gesagt, ehe Lilian an die Kasse ging, um das Benzin zu bezahlen.

    Zu Hause berichtete sie von ihrem Treffen mit Bryan. Timothy tanzte um sie und ihre Mom herum und rief immer: „Lilly ist noch verliebt. Sie ist in Bryan verliebt. Die Mutter machte dem ganzen Spuk ein Ende und rief: „Nun hör mal auf, Junge. Du machst uns noch ganz verrückt.

    Als Bryan mit seiner Schwester im Flugzeug nach L.A. saß, fühlte er einen Brief in seiner Brusttasche. Lilian hatte ihm geschrieben. Sie konnte nicht mitkommen, denn sie wollte England nicht verlassen.

    Wochen später saß Lilian in ihrer Firma und dachte an das Wiedersehen mit Bryan. Sie hatte wieder etwas für ihn empfunden, aber es reichte nicht, um eine neue Verbindung entstehen zu lassen.

    Mittags lud George, ihr Kollege, sie ein, mit ihm essen zu gehen. Lilian stimmte zu und dachte, das ist auch ein lieber Kerl.

    Das leere Blatt

    Peggy Gordon war mit ihren zwölf Jahren ein aufgewecktes Mädchen. Eigentlich war sie mit ihrer Familie ganz zufrieden. Ihr älterer Bruder Peter hatte vor ein paar Tagen seinen siebzehnten Geburtstag gefeiert, und Peggy fand ihn ganz in Ordnung. Er mochte nur nicht gestört werden, wenn er seinen Beschäftigungen nachging. Und er war immer beschäftigt.

    Ihr jüngerer Bruder Frederic, den seine Freunde „Spookey" nannten, war das eigentliche Problem. Mit seinen acht Jahren war er eine Nervensäge und terrorisierte sie, wo er nur konnte. Es war ihm ein diebisches Vergnügen, seine Schwester in den Wahnsinn zu treiben, denn bei Peter war er machtlos. Der hatte ihn vor längerer Zeit mal so verdroschen, dass er sich nicht einmal mehr in seine Nähe wagte. Peter hatte, als es mal wieder eine tüchtige Auseinandersetzung zwischen den Brüdern gab, seinen Eltern vorgeschlagen, Spookey außer Landes zu bringen oder ihn auf einer einsamen Insel auszusetzen.

    Die Eltern waren damals entsetzt gewesen und fragten sich allen Ernstes, ob sie etwas in ihrer Erziehung falsch gemacht hätten. Die Sache renkte sich bis zum nächsten Vulkanausbruch wieder ein.

    Doch wenden wir uns erneut Peggy zu. Sie war verliebt in ihr Pony „Smiley" und besuchte es jeden Tag, wenn es ihre Zeit erlaubte. Sie striegelte es, gab ihm Futter und führte es aus. Zweimal in der Woche war Ausritt. Dann ritten sie in einer Gruppe von fünf bis sechs Personen unter Aufsicht des Großknechtes Phil durch die Gegend.

    In der Schule hatte Peggy eine Freundin. Das war Sarah. Sie waren wie Geschwister. Peggy hätte so gerne eine Schwester gehabt. Doch sie musste sich mit Peter, dem Unnahbaren, und Frederic, dem Scheusal, zufrieden geben.

    Das Einzige, was Peggy Angst machte, waren Referate. So vor der Klasse zu stehen und etwas vom Zettel abzulesen, war nicht ihr Ding. Frei zu sprechen? Daran war überhaupt nicht zu denken.

    Eines Tages kam sie missmutig nach Hause. Ihre Mama sah es ihr schon von weitem an, dass da etwas nicht stimmte. Doch sie ließ ihrer Tochter Zeit, das Problem zu besprechen. Die Zeit hatte es gelehrt, dass Peggy immer von selbst ankam, um Trost und Hilfe von ihrer Mama zu erhalten.

    Es war beim Mittagessen. Mama und sie waren glücklicherweise alleine. Da berichtete Peggy ihrer Mutter, was sie bedrückte. Es war wieder so ein schreckliches Referat zu fertigen, vor dem sie sich so fürchtete. Mama hörte still zu und überlegte gleichzeitig, welchen guten Rat sie ihrer Tochter geben konnte.

    „Weißt du schon das Thema? fragte sie teilnehmend. „Wir sollen uns ein Thema ausdenken, antwortete Peggy und zuckte dabei mit den Schultern. Es wollte ihr absolut keines einfallen. „Warum schreibst du kein Referat über „Smiley? schlug ihre Mutter vor. Da strahlten Peggys Augen. „Au ja, Mama, rief sie, sprang von ihrem Stuhl auf und umarmte ihre Mama. Das waren die Augenblicke, die Mrs. Gordon so genoss, denn die Söhne machten so etwas nicht. „Du bist die beste Mama der Welt, rief Peggy und fühlte sich frei und ledig aller Sorgen.

    „Und wenn du noch Peter fragst, ob er dir hilft, dann geht es sicher ganz schnell", rief ihre Mutter ihr hinterher, als Peggy kurz darauf in ihr Zimmer eilte, um mit dem Referat zu beginnen. Doch das war gar nicht so einfach.

    Ihr Bruder hörte nicht richtig zu, als Peggy ihn um Hilfe bat. Doch dann ließ er sich erhaben herab und fand Gefallen an dem Thema, über das Peggy schreiben wollte.

    In den nächsten Tagen war Peggy sehr beschäftigt. Selbst die kleinen Biestigkeiten, die ihr Spookey von Zeit zu Zeit entgegenbrachte, störten sie nicht. Alles, was ihr einfiel, schrieb sie nieder. Dann las sie Peter ihr Werk vor. Dieser nickte dazu und machte hin und wieder einige Einwendungen. Als auch die Schreibfehler beseitigt waren und die Geschichte inhaltlich zurechtgerüttelt war, machte sich Peter die Arbeit, seine Schwester abzufragen.

    Immer wieder musste sie ihm das Referat vorlesen. Peggy wollte schon wieder aufgeben, weil es ihr zu strapaziös war, immer wieder dasselbe zu erzählen. Doch Peter ließ nicht locker, denn er wusste, warum er das so machte.

    Der Tag rückte immer näher, an dem die Kinder ihr Referat vortragen sollten. Peggy hatte ihren Text schon eingepackt. Mama wünschte ihr Glück und gab ihr einen Kuss. Selbst Peter wünschte alles Gute, was bei ihm schon etwas heißen sollte. War er doch der Trainer und wollte vor den Eltern glänzen. Eine Blamage durfte sich Peggy also nicht leisten.

    Dann war es soweit. Peggy zog ihre Mappe mit dem Referat aus der Tasche und ging langsam nach vorne. Ihr Herz klopfte wild. Aber sie hatte ja so oft geübt, was sollte da noch schiefgehen?

    Dann blickten sie zwanzig Augenpaare an. Die Angst kroch wieder in Peggy hoch und wollte Besitz von ihr ergreifen. Doch Peggy dachte an Mama und schlug ihren Ordner auf. O Schreck! Was war das? Vor ihr lag ein leeres Blatt. Peggy war entsetzt. Sie konnte es nicht fassen. Tränen schossen ihr in die Augen, und sie suchte hilfesuchend den Blick der Lehrerin. Diese merkte sofort, dass etwas nicht stimmte und sah Peggy fragend an. Im gleichen Augenblick sah Peggy das Gesicht ihres Bruders Peter vor sich, der die Hände vor den Kopf schlug.

    „Nein!" dachte Peggy. Sie hatte es doch so oft geübt. Peggys Blick löste sich von dem Ordner mit dem leeren Blatt. Sie blickte ihre Freundin Sarah an und begann zu erzählen. Wie von selbst purzelten die Worte aus ihrem Mund. Als Peggy fertig war, sprangen die Mädchen auf und klatschten Beifall. Sie jubelten ihr zu. Peggy wusste nicht, wie ihr geschah. Miss Clerk, die Lehrerin, sagte, dass das ein wunderschönes Referat war und gab ihr eine Eins dafür. Peggy war überglücklich.

    Zu Hause stand Peggys Mund nicht still. Sie erzählte allen, die es hören wollten oder nicht, immer wieder von ihrem Erlebnis. Ihr kleiner Bruder Spookey ärgerte sich. Denn er hatte das Referat entfernt und das leere Blatt hineingelegt. Doch von da an empfand er so etwas wie Hochachtung vor seiner älteren Schwester und er nahm sich vor, sie nicht so oft zu ärgern. Peter war begeistert, hatte sich doch sein Einsatz gelohnt. So gab er seiner Schwester immer häufiger Schützenhilfe bei Problemen in der Schule. Und Peggy? Sie hatte plötzlich keine Angst mehr vor Referaten und war überglücklich.

    Das Chamäleon

    Inspektor Trudeau schloss den Aktendeckel. Es war zum Verzweifeln. Schon wieder waren zwei Einbrüche in der letzten Nacht geschehen, während der größte Teil der Bevölkerung seinen wohlverdienten Schlaf fand. Ein Einbruch in einer der bekanntesten Villen der Stadt und der zweite im gerade eröffneten Museum of Modern Art. In beiden Fällen waren unschätzbare Kunstgegenstände gestohlen worden. Wie sollte er mit seinem Team den Tätern auf die Spur kommen? Waren es verschiedene Täter, oder waren beide Einbrüche von ein und derselben Person in Auftrag gegeben worden? Diese Gedanken beschäftigten den Inspektor und bereiteten ihm unsägliches Kopfzerbrechen.

    Um einen klaren Gedanken zu fassen, bestellte er sich bei seiner Sekretärin erst einmal einen Kaffee. Dann telefonierte er mit Louis, seinem besten Mann. „Komm mal rüber, Louis! Vielleicht finden wir ja einen Faden in der Geschichte, den wir dann aufwickeln können." Er legte auf, und in wenigen Minuten waren beide da, der Kaffee und Louis.

    „Haben wir schon Anhaltspunkte und einen Bericht von der Spurensicherung? fragte Trudeau seinen Assi, als dieser eintrat. „Nein, nichts Konkretes, kam die Antwort, der ein schlürfendes Geräusch folgte. „Der Kaffee ist gut, meinte Louis zwischen zwei Schlukken. „Danach machen wir uns auf den Weg, meinte der Inspektor und griff schon nach seinem Mantel.

    Der erste Besuch galt dem Museum of Modern Art in der Rue du Chirac in der Nähe des Eiffelturms. Die stellvertretende Leiterin gab sich die Ehre, den Polizisten Rede und Antwort zu stehen. „Hat der Wächter keine verdächtigen Geräusche gehört? Madame Soustrain schüttelte energisch den Kopf. „Wir waren alle wie erstarrt, als wir heute Morgen das Fehlen des Michelangelo entdeckten. Der ist mindestens fünf Millionen Franc wert. Wir werden demnächst zwei Wachen einstellen, damit so etwas nicht wieder geschehen kann. Als die beiden Beamten gingen, waren sie nicht schlauer als vorher. „Vielleicht gibt uns ja die Aussage in der Villa einen Anhaltspunkt, um weiterzukommen", knurrte Louis und hüstelte dabei. Inspektor Trudeau nickte und fuhr auf die andere Seite der Seine, wo sich die Villa befand.

    Nachdem Louis den Klingelknopf das dritte Mal gedrückt hatte, öffnete der Butler die Tür und fragte etwas nasal nach dem Begehr. Die beiden zeigten ihre Ausweise. „Der gnädige Herr ist nicht anwesend, und die gnädige Frau hat gerade ihre Migräne, näselte er von oben herab. Sein Blick war ebenso abschätzend wie entwürdigend. „Kann uns jemand vom Personal Auskunft geben, wann der Verlust der teuren Ming-Vase entdeckt wurde? bellte der Inspektor und blickte dem Butler scharf in die Augen. „Das war unsere Reinigungskraft, Mademoiselle Lutrot, aber die ist nicht im Hause. Bevor er den beiden Männern die Tür vor der Nase zumachen konnte, rief eine leicht gequälte Stimme: „Jules, Jules mit wem reden Sie da? „Es sind zwei Polizisten, gnädige Frau, die wegen der Ming-Vase vorsprechen, gab er zurück. „Dann bitten Sie sie doch, hereinzukommen. So gelangten die beiden Vertreter des Gesetzes ins Haus.

    „Wann ist es Ihnen denn aufgefallen, dass die teure Vase fehlt?, fragte Trudeau die Dame des Hauses, als sie in den weichen Plüschsesseln Platz genommen hatten. „Mir ist gar nichts aufgefallen, dafür haben wir zu viele kostbare Gegenstände in diesem Hause. Erst Isabelle kam aufgeregt zu mir, als ich gerade frühstückte. Auf die Frage, wer Isabelle sei, stellte Louis fest, dass sie mit der genannten Mademoiselle Lutrot identisch war. „Haben Sie Sicherheitskameras im Haus? wollte er dann wissen. „Ja, aber die werden abends abgeschaltet. Auf seinen fragwürdigen Blick flüsterte die Grand Dame: „Sie machen so ein irres Geräusch, und das vertrage ich schlecht. Auch hier ergaben die Ermittlungen eine Fehlanzeige. Als sie ins Auto stiegen, meinte Trudeau: „Louis, erkundige dich im Museum, ob sie auch solche Kameras haben. Vielleicht finden wir da eine Spur.

    Tatsächlich! Louis saß mit einem weiteren Mitarbeiter am Nachmittag vor dem Computer und ließ die Filme der Museumskameras an sich vorüberrauschen. Immer wieder spulten sie die Aufnahmen hin und her. Trudeau sah inzwischen den Bericht der Spurensicherung an. „Eh, halt doch mal an. Da war doch jemand! Louis spulte ein wenig zurück. Tatsächlich, da war eine Person, die man nur von hinten sehen konnte. Sie stand vor dem gestohlenen Bild. Als der die Aufnahme weiterlaufen ließ, war der Platz, wo das Bild vorher hing, leer. Immer wieder spulten sie hin und zurück. Beim x-ten Mal rief Bryan, ein Mitarbeiter: „Louis, zeig doch noch mal den Typen und vergrößere ihn. Nachdem dieser im Blickfeld war, meinte Bryan: „Da, an seiner Hand, was hat er da?" Zwischen Daumen und Zeigefinger tauchte eine kleine Tätowierung auf.

    „Sieht aus wie ein Chamäleon, sagte Louis und vergrößerte das Bild noch ein wenig.

    „Tja, da haben wir ja was, nach dem wir suchen können. Einen Menschen mit dieser Tätowierung an der Hand." Trudeau nickte anerkennend, als die beiden Männer ihm diesen Hinweis zeigten. Louis und Bryan zogen noch einmal zur Villa, um das Personal unter die Lupe zu nehmen. Der Inspektor fuhr ins Museum und knöpfte sich die Bediensteten dort vor.

    Acht Personen, fünf Männer und drei Frauen, blickten ihn teils erwartungsvoll, teils skeptisch an. Neben dem Inspektor stand „Timke. Ein Deutscher, der seit über zwanzig Jahren in Frankreich lebte und der seit über zehn Jahren zum Inventar in seinem Revier zählte. Da er einen unaussprechlichen Vornamen besaß, nannte ihn Trudeau nur bei seinem Nachnamen: „Timke.

    Zunächst stellte er sich und Timke beim Museumspersonal vor. Dann ließen sie sich die Hände zeigen. Nirgendwo eine Spur von einer Tätowierung geschweige einem Chamäleon. Dann befragte er die einzelnen Personen. Dabei fiel ihm ein Mann, so Anfang dreißig, auf, der erst seit kurzem im Museum arbeitete. „Den werde ich mir genau unter die Lupe nehmen, merkte sich Trudeau, als er sich der nächsten Person widmete. Zwei Museumswächter waren anwesend. Dieser Typ und zwei schlaksige Typen, die in der Verwaltung arbeiteten. Zwei Reinemachefrauen, denen auch nichts aufgefallen war, und die Leiterin, Madame Soustrain. Niemand konnte genaue Angaben machen. „Sind das alle Ihre Angestellten? fragte Trudeau. Madame Soustrain schüttelte den Kopf, wobei ihr die brünetten Locken um die Ohren flogen. „Da ist noch Monsieur Capoule, ein weiterer Wachmann, der hat sich krankgemeldet. „Bitte, geben Sie mir seine Adresse, antwortete der Inspektor ein wenig ungeduldig und fordernd.

    „Wir fahren jetzt zu diesem Wachmann. Halten Sie die Ohren und Augen offen, Timke, befahl der Inspektor. „Das tue ich doch immer, Inspektor, meinte Timke und setzte eine beleidigte Miene auf. Trudeau dachte sich seinen Teil, und schon fuhren sie los.

    Es war schon früher Abend, als sie das allein stehende Haus erreichten. Irgendwo brannte im Haus ein Licht. Als sie vor der Tür standen, um zu klingeln, hörten sie ein Telefon läuten. Einmal, zweimal, dann nahm jemand ab, denn sie hörten eine Stimme. Trudeau blickte sich ungeduldig um und erblickte diesen Typen aus dem Museum. „Was macht der denn hier? rief er halblaut und stieß Timke an. Dieser wusste nicht, was sein Chef meinte. Der Mann aus dem Museum war schnell weitergegangen. „Kommen Sie, Timke, brüllte der Inspektor und schoss dem Verdächtigen nach. Timke lief hinterher und wusste nicht, warum er lief.

    Nach ein, zwei Minuten prallte Inspektor Trudeau gegen den Mann aus dem Museum. „Was machen Sie hier? Sind Sie uns gefolgt? wollte er von dem Kerl wissen. Der Mann fasste in die Innentasche seines Mantels und holte – einen Ausweis heraus. Trudeau blickte darauf und erstarrte. „Inspektor Ganzenheimer – Interpol las er. Fragend kniff Trudeau seine Augen zu: „Was soll das? Warum sind Sie hier? Der andere Inspektor grinste sein Gegenüber überlegen an. „Aus dem gleichen Grund wie Sie, Herr Inspektor. Bevor dieses Gespräch bei Dämmerschein fortgesetzt werden konnte, hörten die Polizisten ein Motorengeräusch. Mit quietschenden Reifen jagte ein Auto an ihnen vorbei, das vom Grundstück des observierten Hauses kam. „Hinterher", brüllte Trudeau und rannte zu seinem Wagen. Timke konnte kaum folgen. Der andere Polizist ließ inzwischen den Motor seines Wagens an und raste dem Fliehenden hinterher. Endlich hatte auch Trudeau die Fährte aufgenommen.

    Sie hatten Mühe, hinter ihm zu bleiben und die Distanz kleiner werden zu lassen. Da Trudeau sich hier auskannte, versuchte er, eine Abkürzung zu nehmen, während Ganzenheimer an dem Verdächtigen klebte. Inzwischen brannten überall die Straßenlaternen, und die Verkehrsteilnehmer hatten in ihren Vehikeln das Licht eingeschaltet. Der Wagen des vermutlichen Täters machte einen großen Schlenker, bog nach links ab und fuhr in eine Seitenstraße hinein. Der Interpolmensch übersah das und raste an dem Verfolgten vorbei.

    Doch auf halber Strecke wartete schon Trudeau. Sie hatten das Licht ausgeschaltet. Als das Auto mit dem Bullen von einem Mann herannahte, schaltete er das Fernlicht an, um den Mann zu blenden. Es gelang ihm. Der Verdächtige bremste und hielt sich die Hand vor Augen. Schon standen Trudeau und Timke mit gezogenen Waffen neben seinem Fahrzeug und brüllten: „Wagen aus, Hände auf das Lenkrad und keinen Mucks. Der Dicke war so verdattert, dass er alles tat, wie ihm geheißen wurde. Dann riss Trudeau die Wagentür auf, zog den massigen Körper heraus, drehte ihn um, und schon klickten die Handschellen. Dabei erblickte der Inspektor auch das Chamäleon auf dessen rechter Hand. „Da haben wir ihn, triumphierte Trudeau. Indessen war auch der Interpolmensch herangekommen und stand neben den dreien. Trudeau sah auf ihn und wollte etwas fragen. Doch der andere kam ihm zuvor: „Er gehört zu einer großen Bande von Räubern, die es auf Kunstgegenstände abgesehen haben. Ihr Zeichen ist das Chamäleon. Wir beobachten sie schon seit langem, sind aber noch nicht bis zum Kopf vorgedrungen." Dann bugsierten sie den bulligen Kerl in Trudeaus Wagen, und alle fuhren zum Revier, um den Mann in die Zelle

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