Herr Ober, der Tisch wackelt: Beim Essen aufgegabelt
By Hermann Gutmann and Peter Fischer
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Book preview
Herr Ober, der Tisch wackelt - Hermann Gutmann
Hermann Gutmann
Herr Ober,
der Tisch wackelt
Beim Essen aufgegabelt
1. Auflage 2008
Titelillustration: Peter Fischer
© 2008 Edition Temmen e.K.
Hohenlohestr. 21 – 28209 Bremen
Tel. 0421-34843-0 – Fax 0421-348094
info@edition-temmen.de
www.edition-temmen.de
Alle Rechte vorbehalten
Herstellung: Edition Temmen
Ebook ISBN 978-3-8378-8049-6
Print ISBN 978-3-86108-404-4
Gedächtnis
Stellen Sie sich vor, ich gehe mit meiner Frau in ein besseres Restaurant. Es ist nicht das beste Restaurant, aber, wie gesagt, es ist besser.
Wir sind angemeldet. Denn ich hatte einen Tag vorher einen Tisch für zwei Personen bestellt. Auf unseren Namen.
Wir gehen also in das Restaurant hinein und stehen zunächst etwas ratlos im Eingang, weil sich kein Bedienungspersonal um uns kümmert.
Endlich kommt ein Kellner auf uns zu und guckt uns fragend an.
Ich stelle mich vor, wie es sich gehört, und teile dem Kellner mit: »Wir hatten einen Tisch für zwei Personen bestellt. Auf meinen Namen.«
Nun, der Kellner hat aus dieser Mitteilung wohl nur meinen Namen behalten. Er fragt: »Hatten Sie einen Tisch bestellt?«
Daraufhin sage ich: »Ja, wir hatten einen Tisch bestellt!«
Der Kellner fragt: »Für wie viel Personen?«
Ich wiederhole ganz freundlich: »Für zwei Personen.«
Ich gebe das überdeutlich von mir. Der Kellner blättert in einem schlauen Buch, in dem die angemeldeten Gäste des Abends verzeichnet sind.
Während er blättert, schaut er mich durchdringend an und …
… fragt: »Wie war doch noch Ihr Name?«
Der Tisch wackelt
Herr und Frau Tünnermann hatten ein Restaurant betreten, so eine Art Bistro, um – wie man so sagt –
eine Kleinigkeit zu essen.
Es wurde ihnen ein Tisch zugewiesen. Und Frau Tünnermann, ehe sie sich setzte, sagte: »Ich wasch’ mir mal eben die Hände!«
Herr Tünnermann hingegen setzte sich und stellte fest, dass der Tisch wackelte.
In diesem Augenblick sagte sein Nachbar am Nebentisch: »Der Tisch wackelt!«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Herr Tünnermann.
»Weil ich daran sitze!«
»Ach so!«, sagte Herr Tünnermann. »Ihr Tisch wackelt auch?«
»Was heißt auch?«, fragte der Nachbar.
»Mein Tisch wackelt auch«, meinte Herr Tünnermann.
Er wandte sich an den Ober.
»Mein Tisch wackelt«, sagte er. Und Tünnermanns Nachbar sagte: »Meiner auch!«
Der Ober nahm das sportlich. Er holte zwei Bierfilze, verschwand unter den Tischen, schob sie darunter, kam wieder hoch und ruckelte an den Tischen.
»So«, sagte er. »Alles in Ordnung!«
»So weit ja«, meinte Herr Tünnermann. »Doch jetzt wackelt der Tisch an der anderen Seite.«
»Kein Problem«, sagte der Ober.
Er holte noch einen Bierfilz, tauchte ab, schob ihn unter den Tisch und tauchte wieder auf.
»Siehste«, sagte er. »Jetzt wackelt er bestimmt nicht mehr.«
Indem kam Frau Tünnermann. Der Ober rückte den Tisch zur Seite, damit sie sich setzen konnte. Frau Tünnermann setzte sich. Der Ober stellte den Tisch zurück.
Herr Tünnermann griff nach der Speisekarte, die auf dem Tisch lag. Dabei merkte er, dass der Tisch wackelte.
Er rief den Ober und sagte: »Herr Ober, der Tisch wackelt!«
Gruß aus der Küche
Feinschmecker, die auf sich halten, und die für sie
kochenden Küchenmeister werden immer vornehmer.
Bis vor gar nicht langer Zeit wurden die sogenannten Grüße aus der Küche als »Amuse-Gueule«
bezeichnet.
La gueule ist, versteht sich, französisch und bedeutet Maul, Rachen, Schnauze – Ausdrücke, die im Deutschen nicht gerade als fein gelten. Doch als kultivierter Mensch soll man ja die deutsche Sprache ohnehin nach Möglichkeit meiden. Man sieht ja, was dabei herauskommt.
Also diese Schnauze, um dabei zu bleiben, sollte amuse, nämlich belustigt, werden.
Was mich betrifft, ich nahm das hin, obwohl
meine Schnauze durch den »Gruß aus der Küche« in der Vergangenheit so manches Mal wenig belustigt worden ist.
Neuerdings aber heißt das »Amuse-Gueule« in
fortschrittlichen Feinschmecker-Kreisen »Amuse- Bouche«, was aber, wie man sich vorstellen kann, nichts Unanständiges ist.
Bouche ist ebenfalls französisch. Es bedeutet Mund oder Mundhöhle, sodass also nicht mehr die Schnauze des Feinschmeckers amüsiert werden soll, sondern die Mundhöhle.
Doch ob nun »Amuse-Gueule« oder »Amuse- Bouche« – die etwas lächerliche Zeremonie bleibt die gleiche.
Am Anfang eines feinen, aber auch eines weniger feinen Essens wird dem Gast mit feierlicher Geste ein oftmals übergroßer Teller offeriert, auf dem sich eine winzige Essensportion verliert.
Sie ist mit bloßen Augen kaum zu erkennen, weshalb der Kellner oder die Serviererin auch vorträgt, was sich im Einzelnen auf dem Teller befindet. Eben das »Amuse-Bouche«, der »Gruß aus der Küche«, das der Gast gar nicht bestellt hat und das auch nicht unbedingt zu seinem Menü passen muss.
Nun gut, als geschulter Gast verziehe ich keine Miene. Ich putze weg, was mir vorgesetzt wird, und »belustige« meine Mundhöhle, zumal ich bisher in meiner Naivität glaubte, der Gruß aus der Küche sei kostenlos.
Ein mir bekannter freundlicher Koch hat mir dieser Tage die Augen geöffnet.
»Kostenlos?«, fragte er. »Für uns ja, aber nicht für Sie. Der ›Gruß aus der Küche‹ erscheint nur nicht auf der Rechnung.«
Herr Professor
Karl, trotz seiner großen Klappe, ist ein empfindsamer Mensch.
Ich weiß davon ein Lied zu singen, und nun wird mir das wieder bestätigt durch Karl selbst.
»Stell dir vor«, sagt Karl, »was mir passiert ist!«
»Was denn?«, frage ich.
»Vorige Woche«, berichtet Karl, »besuchte ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin und einem befreundeten Ehepaar, er ist Professor an einer Hochschule, du kennst ihn nicht, ein uns allen gut bekanntes Speiselokal.«
»Und?«, frage ich. »Hat’s euch nicht geschmeckt?«
»Darum geht es nicht«, antwortet Karl. »Der Zufall wollte es, dass wir vier uns an der Tür des Lokals trafen, sodass wir einander schon mal die Hände schütteln konnten, um dann gemeinsam und gut gelaunt das Restaurant zu betreten.«
»Interessant«, bemerke ich.
»Veräppeln kann ich mich selbst«, knurrt Karl.
Er fährt fort: »Im Lokal suchten wir Augenkontakt zu dem Kellner, den wir ebenfalls alle gut kannten, damit er uns an unseren Platz führen konnte. Aber der Kerl hatte uns, wir sind ja immerhin Stammgäste, längst bemerkt. Er eilte herbei.«
»Und dann?«, frage ich.
»Und dann?« Karl schnaubt.
»Als er uns erreicht