Oklahoma-Man: Wyatt Earp 231 – Western
By William Mark
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Flammendrote Abendsonne hatte die graubraune Kistenholzstadt am Südrand Colorados mit einem purpurnen Lichtschein überzogen. In den Straßen herrschte das Leben, das um diese Stunde voll entfaltet wurde. Von Norden her kamen schwere, vollgeladene Prärieschooner in die Main Street und machten vor dem alten Büffeljäger-Saloon halt. Auch von Süden her über die große Straße, die von Raton heraufführte, kamen Fahrzeuge in die Stadt. Es war am Wochenende. Während sich in der Mitte der Main Street vor der City Hall eine große Menschenmenge ansammelte, um den Ausgang des Garland-Prozesses zu erleben, war es unten am Ende der kleinen Hatford Street doch verhältnismäßig ruhig. Im Obergeschoss des alten Boardinghouse lag in einem der drei Zimmer, die nach Süden hinausführten, ein Mann mit bleichem Gesicht auf seinem Lager. Es war Doc Holliday. Er war völlig angekleidet und blickte durch das offene Fenster nach Süden in die Savanne hinaus. Wie oft schon hatte er bedauert, dass es kein Zimmer war, das einen Blick nach Osten gab. Dabei war ihm der Osten niemals angenehm gewesen. Auch hatte man nur die Morgensonne. Viel lieber hatte er stets den Westen gehabt und sich immer gern in den Sattel gezogen, wenn es westwärts ging. Aber diesmal lag Dodge City im Osten. Und eine merkwürdige Sehnsucht zog ihn auf einmal dorthin. Er hatte das dumpfe Gefühl in der Magengrube, dass er die Stadt nicht mehr erreichen würde. Im Hintergrund des Raumes lehnte neben der Tür ein hochgewachsener, herkulischer Mann mit tiefbraunem Gesicht und blauen Augen, die von einem dichten Wimpernkranz umgeben wurden. Er trug einen breitrandigen schwarzen Hut, ein rotes Hemd und eine schwarze Lederweste. Um seine Hüften hatte er einen patronengespickten schwarzen büffelledernen Gurt geschnallt, der an beiden Seiten je einen schweren schwarzknäufigen Revolver vom Kaliber 45 hielt. Die Waffe an der linken Seite musste einen besonders langen Lauf haben, und der Kenner hätte in ihr einen jener seltenen Revolver vom Fabrikat Buntline-Special erkennen können.
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Oklahoma-Man - William Mark
Wyatt Earp
– 231 –
Oklahoma-Man
William Mark
Flammendrote Abendsonne hatte die graubraune Kistenholzstadt am Südrand Colorados mit einem purpurnen Lichtschein überzogen.
In den Straßen herrschte das Leben, das um diese Stunde voll entfaltet wurde.
Von Norden her kamen schwere, vollgeladene Prärieschooner in die Main Street und machten vor dem alten Büffeljäger-Saloon halt. Auch von Süden her über die große Straße, die von Raton heraufführte, kamen Fahrzeuge in die Stadt.
Es war am Wochenende.
Während sich in der Mitte der Main Street vor der City Hall eine große Menschenmenge ansammelte, um den Ausgang des Garland-Prozesses zu erleben, war es unten am Ende der kleinen Hatford Street doch verhältnismäßig ruhig. Im Obergeschoss des alten Boardinghouse lag in einem der drei Zimmer, die nach Süden hinausführten, ein Mann mit bleichem Gesicht auf seinem Lager.
Es war Doc Holliday.
Er war völlig angekleidet und blickte durch das offene Fenster nach Süden in die Savanne hinaus.
Wie oft schon hatte er bedauert, dass es kein Zimmer war, das einen Blick nach Osten gab. Dabei war ihm der Osten niemals angenehm gewesen. Auch hatte man nur die Morgensonne. Viel lieber hatte er stets den Westen gehabt und sich immer gern in den Sattel gezogen, wenn es westwärts ging. Aber diesmal lag Dodge City im Osten. Und eine merkwürdige Sehnsucht zog ihn auf einmal dorthin.
Er hatte das dumpfe Gefühl in der Magengrube, dass er die Stadt nicht mehr erreichen würde.
Im Hintergrund des Raumes lehnte neben der Tür ein hochgewachsener, herkulischer Mann mit tiefbraunem Gesicht und blauen Augen, die von einem dichten Wimpernkranz umgeben wurden. Er trug einen breitrandigen schwarzen Hut, ein rotes Hemd und eine schwarze Lederweste. Um seine Hüften hatte er einen patronengespickten schwarzen büffelledernen Gurt geschnallt, der an beiden Seiten je einen schweren schwarzknäufigen Revolver vom Kaliber 45 hielt. Die Waffe an der linken Seite musste einen besonders langen Lauf haben, und der Kenner hätte in ihr einen jener seltenen Revolver vom Fabrikat Buntline-Special erkennen können.
Dieser Mann war niemand anders als Wyatt Earp.
Seit vier Tagen schon lag Doc Holliday hier oben in der kleinen Dachkammer und rang mit der boshaften Krankheit, die in seiner Brust wühlte.
Sie hätte ihn längst schon niederreißen müssen, die unheilbare Seuche, die ihn damals im fernen Boston angesprungen hatte, als er noch der junge Doktor John Henry Holliday war, der eine aufsehenerregende Karriere als Arzt begonnen hatte.
Eine unvorstellbar zähe Natur besaß er, dieser Mann, der hier im Westen unter dem Namen Doc Holliday eine zweite Karriere begonnen hatte, ein zweites Leben. Ein Leben aber, das ständig überschattet war von dem drohenden Tod, der ihn ständig begleitete.
Als der Marshal am späten Nachmittag das Zimmer des Gefährten aufgesucht hatte, um nach den möglichen Wünschen des so sehr anspruchslosen Mannes zu fragen, hatte er ihn zu seiner Verwunderung völlig angekleidet auf dem Lager vorgefunden.
Wyatt hatte nichts gefragt. Als Holliday nichts gesagt hatte, war er an der Tür stehengeblieben und hatte mit ihm zusammen beobachtet, wie sich das Sonnenlicht langsam vom flammenden orangefarbenen Schein in den purpurnen Ton verfärbte.
»Der Frühling kann nicht mehr weit sein von Colorado«, ließ sich da die leise, spröde, immer wie flirrendes Glas klingende Stimme des Georgiers vernehmen.
»Ja, er wird bald hier sein«, versetzte der Mann, der an der Tür stand.
Da richtete sich der Mann auf dem Lager auf die Ellbogen auf, nahm dann die Beine vom Bett herunter und zog die Zeitung vom Fußende, auf die er die Stiefel gelegt hatte, an sich, faltete sie sorgfältig zusammen und legte sie auf den Nachttisch. Dann richtete er sich auf und stand am Fenster.
Wyatt sah die Konturen des Freundes scharf gegen den roten Abendschein im Fensterviereck.
Und plötzlich hörte er die Stimme des Georgiers.
»Wann reiten wir?«
»Wenn es Ihnen bessergeht«, entgegnete der Marshal.
»Well, es geht mir besser.«
»Ja, aber ich würde doch lieber noch ein paar Tage warten, Doc. Wir haben es doch nicht so eilig.«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Holliday, »ich habe das Gefühl, dass wir es sehr eilig haben. Und zwar habe ich es seit gestern. Ich weiß selbst nicht, weshalb.«
»Sie wollen nach Dodge City?«
»Ja, und doch glaube ich, dass ich nicht ostwärts reiten werde, wenn ich in den Sattel gestiegen bin.«
»Ich wollte Ihnen gestern schon etwas sagen, Doc, und zwar, dass wir noch einen kleinen Abstecher machen werden. Wir werden von hier aus nicht hinüber nach Kansas reiten, sondern die Bahn nehmen, die schon oben in Walsenburg Anschluss hat. Wir können fast bis Pueblo fahren. Von da nach Colorado Springs fährt eine Schnellpost und von dort nach Denver haben wir wieder die Bahn.«
»Und dann reiten wir westwärts«, sagte Holliday in das Abendrot hinaus, »hinüber in die Berge, und dann nach Glenwood Springs. Ich werde im kühlen Park des Windhill Hotels unter den schattigen Ulmen und Plantanen sitzen und zu den grünen Bergen hinaufschauen. Es wird sehr schön und erholsam – und sehr einsam sein.«
»Ich werde Sie begleiten«, hörte da Holliday die gepresste Stimme des Freundes hinter sich.
Er wandte sich um, und plötzlich fiel seine Lache klirrend und ein wenig spöttisch wie immer in den kleinen Raum:
»Nein, Wyatt Earp, wir werden das alles nicht tun.«
»Sondern?«
»Sondern wir werden das tun, was näher liegt.«
»Was liegt denn näher?«, fragte der Missourier.
»Ich weiß es noch nicht«, entgegnete Doc Holliday.
Wyatt suchte sein Gesicht gegen das immer dunkler werdende purpurne Rot der Prärie erkennen zu können.
»Ich weiß es noch nicht«, wiederholte Doc Holliday leise, »aber ich werde es von Ihnen erfahren.«
»Von mir?«, entgegnete der Missourier verdutzt.
»Ja, von Ihnen. Es ist da etwas seit gestern, das Sie bedrückt.«
Da löste sich die Gestalt des Marshals von der Wand, und mit ein paar Schritten hatte er den kleinen Raum durchmessen und stand vor dem Gefährten.
»Wie geht es Ihnen, Doc?«
»Thanks, Sie wissen es ja.«
»Ich weiß, dass es Ihnen nicht gut geht.«
»Es kommt ganz darauf an«, entgegnete Holliday, »was anliegt.«
Da schüttelte der Missourier den Kopf.
»Nein, wir werden warten, Doc.«
Eine Minute kroch auf Schneckenfüßen durch den dämmerigen Raum.
Dann fragte der Spieler mit verhaltener Stimme:
»Was ist geschehen, Marshal?«
Wyatt blickte an dem Gefährten vorbei hinaus in die Savanne.
Es hatte ja doch keinen Zweck. Er musste es ihm sagen, zu sehr bedrängte es ihn.
Und da war wieder die Stimme des Georgiers:
»Clay Allison?«
Wyatt musste jetzt doch erleichtert lächeln.
»Nein, Gott sei Dank nicht.«
Er sah, dass sich die Brust des Gefährten hob und senkte. Also atmete auch er auf. Nichts Schlimmeres hätte geschehen können, als dass der gefährliche Desperado, der im Südwesten von Trinidad an der Grenze nach New Mexico in der kleinen Stadt La Punta saß, sich bemerkbar gemacht haben könnte. Noch befanden sie sich in seinem County, in seinem Reich.
»Es ist etwas mit Spittkey geschehen«, sagte der Marshal leise.
»Er ist ausgebrochen, nicht wahr?«
»Yeah, und – nachdem er die beiden Staatenreiter getötet hat – geflüchtet.«
Holliday nagte an seiner Unterlippe. Dann zog er seine goldene Uhr aus der Westentasche, ließ den Deckel aufspringen und lauschte dem Läutwerk.
»Und – weiter?«
Wyatt hätte am liebsten die Hand gereicht, weil er wieder mal feststellen musste, dass der Freund über ein ganz außerordentliches Feingefühl verfügte.
»Ja, es ist noch nicht zu Ende, Doc. Er war auf der Maxwell-Ranch.«
Hollidays Kopf flog herum. Seine Augen waren groß und dunkel.
Aber er sagte nichts.
Da berichtete der Missourier weiter:
»Er hat das Mädchen entführt.«
»Juana?«
Der Marshal nickte.
Wieder war es eine volle Minute still in dem kleinen Raum.
Hollidays Gedanken flogen hin und her.
Der Rustler Rip Spittkey, dem sie die Hölle von Tigerhoo zu verdanken hatten, war in Weston zu siebenjähriger Zwangslagerhaft verurteilt worden und hatte seine beiden Bedränger also ausgelöscht und war entkommen. Dazu hatte er die eiskalte Stirn besessen und auf der Maxwell-Ranch, von der er das Vieh gestohlen hatte, die Rancherstochter weggeholt.
»Wie lange ist es her?«
»Ich weiß es nicht genau«, entgegnete der Marshal. »Zwei, höchstens drei Tage.«
Wieder war es still.
Weshalb musste immer alles bei ihnen münden, bei ihnen hängenbleiben? Weshalb drängte sich alles an den Mann heran, der doch auch nur einen fünfzackigen silbernen Stern trug und seit mehr als anderthalb Jahrzehnten so sehr viel für den Vormarsch des Gesetzes in diesem wilden Lande getan hatte?
Weshalb fanden alle diese Dinge wie Magnetnadeln zu seiner Person?
Holliday wandte sich jetzt um und blickte neben dem Marshal hinaus in die Prärie.
Dann sagte er leise:
»Sie haben doch wirklich den großartigsten Job erwischt, Marshal, von dem ich jemals gehört habe. Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht stimmt.«
Es war wieder einen Moment still. Und dann schlug nebenan im Hof ein kleiner Hund an.
Eine Frau kam aus dem Nachbarhaus und trug ein Blech, auf dem flache Maiskuchen dampften.
»Ein großartiger Job«, sagte Doc Holliday wieder. »Ich möchte bloß wissen, womit Sie das verdient haben.«
»Ich?«, entgegnete der Missourier. »Ich möchte viel eher wissen, womit Sie sich das verdient haben, Doc. Sie haben mehr als genug getan, um mir zu helfen. Sie sind nicht gesund und müssten sich erholen. Ich erwarte jetzt, dass Sie hinauf nach Colorado fahren. Ich werde nachkommen, wenn ich das hier erledigt habe.«
Wieder perlte die spöttische Lache von den Lippen des Georgiers.
»Ja, wenn Sie das hier erledigt haben. Ich muss doch sagen, dass der Weg nach Dodge City ziemlich weit geworden ist, Wyatt.«
Wieder lauschte er dem Läutwerk der Uhr, klappte dann den goldenen Deckel zu und schob sie in die Tasche zurück.
»Also gehen wir.«
Wyatt schüttelte den Kopf.
»Nein, Doc, diesmal werde ich allein reiten. Ich weiß, dass ich es