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Ostfriesischer Schuss. Ostfrieslandkrimi
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Ebook172 pages2 hours

Ostfriesischer Schuss. Ostfrieslandkrimi

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About this ebook

Mysteriöser Windrad-Mord bei Pewsum. Die Krummhörn-Cops ermitteln in ihrem 3. Fall.

Johannes Urban steht vor laufenden Kameras auf der Terrasse seines Hauses bei Pewsum, als ihn der tödliche Schuss trifft. Nicht zu hören und schneller als der Schall. Abgefeuert von einem weit entfernten Windrad aus. Die unglaubliche Präzision lässt nur einen Schluss zu: Die Krummhörn-Cops haben es diesmal mit einem absoluten Profi zu tun. Hat das Fernsehinterview, das Johannes Urban gerade gab, etwas mit dem Mord zu tun? Der zugezogene Neu-Ostfriese hatte sich mit seinen Aktivitäten in der Region nicht nur Freunde gemacht, mehrere Verdächtige geraten in den Blickpunkt. Und plötzlich traut Kommissar Kalle Petersen seinen Augen kaum, als er ausgerechnet in Pewsum einen längst Totgeglaubten entdeckt, auch bekannt als der fiese Friese...

LanguageDeutsch
PublisherKlarant
Release dateJun 16, 2020
ISBN9783965862081
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    Book preview

    Ostfriesischer Schuss. Ostfrieslandkrimi - Andreas Kriminalinski

    Kurz-Ostfrieslandkrimi

    Kapitel 1

    Das Interview

    Die Kugel traf ihn mittig zwischen die Augen. Die am Hinterkopf austretende Blutwolke riss jede Menge Schädelteile mit. Als sein Körper auf den Steinboden klatschte, war er bereits tot. An der Hauswand hinter ihm und auf der Terrasse verteilten sich Blut, Knochensplitter und Hirnmasse.

    Der Schuss kam wie aus dem Nichts. Er war nicht zu hören und schneller als der Schall.

    Die Kamera hatte alles aufgezeichnet.

    Das TV-Interview zum Thema »Flaute für Ostfrieslands Windenergiebranche« sollte bei ihm zu Hause, in seinem Garten, aufgezeichnet werden; im Hintergrund eine – trotz starken Windes – abgeschaltete Windkraftanlage, gegen die er mit Erfolg gekämpft hatte. Niemand von der Filmcrew konnte sich erklären, wieso er jetzt auf der Terrasse lag. Wenn der kräftige Januarwind mal etwas nachließ, waren aus der Ferne vereinzelte Schüsse zu hören. Nichts Ungewöhnliches an diesem Vormittag im östlichen Umland von Pewsum, an dem Jagd auf Wildkaninchen gemacht wurde.

    »Oh mein Gott, oh mein Gott!« Bine, die Maskenfrau, am Set nie ohne Pinsel und Make-up unterwegs, liebte es theatralisch. Aus dem Augenwinkel heraus hatte sie wahrgenommen, dass er nach hinten gekippt war. Richtig gesehen hatte sie es nicht. Allein die Tatsache, dass er nicht mehr aufstand, reichte ihr, loszubrüllen und dann abzuwarten, was noch passierte.

    »Kamera aus!«, rief Rob, der Regisseur. Er saß aufrecht in seinem Regie-Klappstuhl und reckte wie eine schnatternde Gans seinen Hals in die Höhe. Er hatte nichts mitbekommen, Bine hatte ihn aus seinem Skript geholt.

    »Kamera aus«, bestätigte Carsten, der Kameramann, der sich in einem Kamerawagen direkt neben Rob in leicht erhöhter Position befand. Carsten griff – wie bei jedem »Kamera-aus«-Kommando – reflexartig zu seinem Kaffee und trank, spuckte ihn aber sofort wieder aus. Nicht weil der Kaffee kalt war, sondern weil der Typ da lag und sich nicht mehr bewegte.

    »Wieso hat er sich hingelegt?«, fragte Rob ungehalten und hob dabei beide Arme. Eine Antwort bekam er nicht und so hakte er nach: »Ist ihm schlecht geworden? Kann mal einer gucken gehen?« Um ihn herum nur Achselzucken, daher schickte er seinen Assi: »Jimmy, geh du mal gucken!«

    Von selbst bewegte sich hier niemand.

    Jan Hendricks, der schwarz gelockte neunzehnjährige Regie-Assistent mit pubertärem Oberlippenbart und Kopfhörer um den Hals, aus nachvollziehbaren Gründen Jimmy genannt, latschte genervt los.

    »Wenn’s geht, noch heute«, bellte ihm sein Chef hinterher. Als Zeichen, dass er es gehört hatte, hob Jimmy die Hand. Gewillt, einen Zahn zuzulegen, war er jedoch nicht.

    »Scheiße!«, flüsterte der höher sitzende Kameramann, nachdem er den Kaffeebecher wieder verstaut hatte und der Typ immer noch keine Anstalten machte, aufzustehen. Er hatte eine Vorahnung, die Jimmy ein paar Sekunden später treffsicher und in jugendlicher Unbekümmertheit bestätigte: »Ich glaub, wir brauchen einen Neuen.«

    Kapitel 2

    Am Tatort

    Im Garten war die Hölle los. Ein Menschenauflauf, wie ihn Polizeihauptkommissar Ferdinand Morthorst selten an einem Tatort erlebt hatte. Der Dorfpolizist war damit beschäftigt, die Jäger von neugierigen Nachbarn zu separieren und beide Gruppen auf Abstand zu halten, damit die Kollegen der Kriminaltechnik in Ruhe ihre Arbeit verrichten konnten. Zudem fuhren gerade die ersten Pressevertreter vor, die er schleunigst in Empfang nehmen musste.

    Zur gleichen Zeit orchestrierte Faserspur-Fiete seine weiße Overall-Truppe gewohnt professionell, während die Kollegin Rieke Reents dabei war, die Mitglieder des Kamerateams der Reihe nach zu befragen. Hier wünschte sie sich die Unterstützung vom Kollegen Morthorst, der offenbar an anderer Front kämpfte.

    Derweil beugte sich Kommissar Kalle Petersen über die Leiche und betrachtete – fast bestaunte er – das ringförmig eingetrocknete Einschussloch, das zwischen den geöffneten Augen wie der i-Punkt auf der Nasenwurzel aussah.

    »Ging so durch«, sagte der Notarzt trocken und ergänzte: »Sie müssen sich das so vorstellen: Es knallt, der Schädel platzt, Blut, Hirnmasse und Knochensplitter treten aus. Sehen Sie?« Im Knien drehte der Mediziner den Kopf des Toten und zeigte dem Ermittler die verheerende Ausschusswunde am Hinterkopf. »Vermutlich ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss. Er war sofort tot.«

    »Wie ein Querschläger von einer Jagdflinte sieht mir das nicht aus«, überlegte Petersen laut und vergrub die Hände in seinem olivgrünen Parker. Die schwarze Polizeiwollmütze hatte er tief ins Gesicht gezogen. Die eisige Kälte machte ihm zu schaffen.

    »Wenn Sie mich fragen«, entgegnete der Arzt, »suchen Sie keinen Jäger, sondern einen Scharfschützen.«

    »Hab ich Sie gefragt?«, grummelte Petersen und sah hinüber zu den Jägern, die sich auf Anordnung des Kollegen Morthorst für eine erste Befragung zur Verfügung hielten.

    Der Notarzt folgte Petersens Blick. Er kannte dessen Allüren mittlerweile und machte sich nichts weiter daraus. »Wie gesagt, die können Sie getrost vergessen. Das sieht mir nicht nach einem Jagdunfall aus, eher nach einem professionellen Krönleinschuss.«

    Petersen musste kurz überlegen, was der Mediziner meinte. Dann erinnerte er sich an die von Rudolf Ulrich Krönlein beschriebene tödliche Schussverletzung eines Schädels, die vorwiegend bei Treffern mit hochenergetischen Geschossen aus Spezialwaffen auftrat, mit denen man aus größerer Entfernung treffsicher wirken konnte. Die Jäger hatten aus eher kurzer Distanz auf bewegliche Ziele geschossen, so viel stand bereits fest. Bei einem Krönleinschuss kam es zum vollständigen Herausschleudern des Großhirns nach Zerbersten des Schädelknochens. In Filmen von Quentin Tarantino sieht das immer sehr spektakulär aus, erinnerte sich Petersen.

    »Moin!« Hauptkommissar Frank Dierks konnte seinen Unmut darüber, den warmen Platz am Bürotisch verlassen zu haben, nicht verbergen. Er hielt seinen mitgebrachten Kaffeebecher in der rechten Hand, seine Linke suchte in der Jackentasche Schutz vor der Kälte. »Was haben wir?«, fragte er den Kollegen aus der Krummhörn und trat dabei von einem Fuß auf den anderen.

    »’Ne Leiche.«

    »Ach was«, flüsterte Dierks, sodass Herumstehende nichts mitbekamen, »ich nehme an, die ist auch noch tot.«

    Während Fotos von der Leiche gemacht wurden, sah Petersen auf, sagte aber nichts. Seine Mundwinkel umspielte ein leises Grinsen.

    Der Chef-Ermittler aus Aurich schlürfte süffisant seinen heißen Kaffee, um den ihn Petersen in diesem Moment schwer beneidete. Schließlich beantwortete dieser Dierks Frage: »Johannes Urban, sechzig Jahre alt, frühpensionierter Lehrer, verheiratet, seine Frau wartet übrigens drinnen. War sofort tot, als ihn das Geschoss zwischen die Augen traf. Tatort und Fundort stimmen überein. Zur möglichen Tatwaffe kann ich noch nicht viel sagen, wahrscheinlich eine Langwaffe, ein Spezialgewehr. Fiete hat zwei Ballistiker angefordert, die herausfinden sollen, von wo aus geschossen wurde.« Petersen wandte sich schon ab, da ergänzte er mit einer Kopfdrehung »Ach so, das Projektil steckt noch in der Hauswand.«

    »Hm«, murmelte Dierks, zog geräuschvoll seine eiskalte Nase hoch und folgte Petersens Blick zur Wand. Ungefähr in Kopfhöhe erkannte er ein Einschussloch im Mauerwerk. Er schaute genauer hin, nickte und wandte sich wieder dem Kollegen zu. »Warum das Filmteam?«

    »Filmaufnahmen?!«

    Dierks rollte mit den Augen. Das hatte er sich denken können. Bevor er eine Nachfrage stellen konnte, schob Petersen schnell hinterher: »Herr Urban sollte als Sprecher einer Bürgerinitiative interviewt werden. Thema Windkraft.«

    Ein stummes Kopfnicken war Dierks’ Zeichen, mit der Ergänzung erst einmal zufrieden zu sein. Dann fiel sein Blick auf die Jäger, die sich versammelt hatten und brav darauf warteten, endlich befragt zu werden. Man sah ihnen deutlich an, dass sie froren.

    »Wenn du mich fragst«, wiederholte Petersen, »nach einem Jagdunfall sieht das nicht aus.«

    »Fragen Sie ihn besser nicht«, kam der Notarzt mit einem Augenzwinkern dazwischen und drückte Dierks zum Abschied den Totenschein in die Hand.

    Kapitel 3

    Spuren einer Nacht

    Als die Tür hinter ihm zufiel, ging im Osten bereits die fahle Wintersonne auf. Geblendet vom frühmorgendlichen Sonnenlicht schloss er seine Augen. Er schob die ins Gesicht fallenden blonden Haarsträhnen zurück und stellte seinen Mantelkragen hoch. Mit zitternden Fingern steckte er sich eine Zigarette an. Gierig zog er den Rauch tief in seine Lunge. Benebelt von zu vielen Whisky-Cola hatte er den Geschmack der Niederlage mit nach draußen genommen. Er war blau, doch nicht zu blau, um zu begreifen: Er hatte mal wieder alles verspielt.

    Spuren einer Nacht, wie am Tag zuvor. Vor ihm lag das Nichts, weil er stets verlor. Tränen liefen ihm übers Gesicht, den Weg nach Hause fand er nicht.

    Er fingerte sein Handy aus der tiefen Manteltasche und wählte eine Nummer. Es dauerte nicht lange, bis abgehoben wurde. Ohne eine Begrüßung kam er gleich zur Sache: »Ich bin’s. Hast du noch auf?«

    Seinen Namen brauchte der blonde Hüne dank der markanten, tiefen und kehligen Stimme nicht zu nennen. Sie gehörte genauso zum Markenzeichen des sensiblen Raubeins wie seine immer ein wenig melancholischen Gesichtszüge, in die sein Grenzen austestendes Leben langsam begann, tiefe Furchen zu ziehen.

    »Klar hab ich Geld! Für wen hältst du mich?«

    Er spuckte aus.

    »Digger, ich will diesmal die kleine Chinesin, hörst du? – Was? Ja, von mir aus ist sie ’ne Thai. – Nein, ich mach sie nicht kaputt. Wieso sollte ich sie kaputt machen?« Verärgert zog er an seiner Zigarette, nahm einen letzten tiefen Zug und schnippte die Kippe gedankenlos weg. »Hör zu, ich leg jetzt auf, also bis gleich.«

    Schnell verkroch er sich tiefer in seinen dicken, dunkelgrauen Wintermantel und ging los. Zwischenziel: Geldautomat. An dem musste er noch anhalten, denn er war blank.

    Als er an der Flamingo-Bar ankam, fühlte er sich ziemlich nüchtern. Nur durfte man sich ihn nicht genauer ansehen, sonst hätte man schnell eine andere Meinung gehabt. Luka Ladić, dem kroatischen Türsteher des Nightclubs, war das zu diesem Zeitpunkt scheißegal. Um diese Uhrzeit war kein Gast mehr da, mit dem es hätte Ärger geben können. Ladić – er war mal wieder auf Bewährung auf freiem Fuß – stand draußen und rauchte seine Feierabendzigarette. Als der VIP-Gast, der bei solchen Gelegenheiten gern viel Geld daließ, endlich aufkreuzte, umschmeichelte ein breites Grinsen die Mundwinkel des Kroaten. »Ey, Poppinga, da biste ja. Geh schnell rein, Flamingo und die Lady erwarten dich schon.«

    »Moin Luka, lange nicht gesehen. Wo hast du gesteckt?« Nicht so schnell, dachte Poppinga, schließlich brachte er Geld und Zeit mit. Und er hasste Drängelei, besonders beim Sex. Es war auf jeden Fall nicht zu spät, mit dem Türsteher noch rasch eine zu paffen. Nachdem er den ersten Zug inhaliert hatte, fragte er erneut, wo Ladić so lange gewesen sei.

    »Auf Montage«, log der Kroate, der langsam, aber sicher ins Bett wollte. »Sei mir nicht böse, Poppinga, aber ich bin hundemüde. Ich muss in die Falle, mach’s gut!«

    Ladić stieg in sein Auto, das direkt vor dem Eingang stand. Er ließ den Motor an und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

    Poppinga – trotz seines wohlklingenden Vornamens Tarquinius, in der Kurzform Tjerk, meist nur mit Nachnamen angesprochen – rauchte in Ruhe auf. Dann betrat er die Flamingo-Bar.

    Der Laden war hell erleuchtet, die Musik bereits aus. Otto Cohrs, auch Flamingo genannt, der einbeinige Barbesitzer mit Cowboyhut, Lederweste und getönter Brille, stand hinter dem Tresen und spülte Gläser. Als er Poppinga erblickte, begrüßte er ihn von Weitem und rief die bestellte Dame zu sich. Derweil bestieg der späte VIP-Gast einen Barhocker und steckte sich eine weitere Zigarette an. Gähnend und Kaugummi kauend schlurfte eine kleine

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