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Die Geschichte eines hässlichen Mädchens: Eine etwas andere Biographie
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Ebook159 pages1 hour

Die Geschichte eines hässlichen Mädchens: Eine etwas andere Biographie

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About this ebook

Die kleine Charlotte erlebt schnell, worauf es ihrer Mutter ankommt: Schönheit. Sie ist der Einstiegspreis in die Welt. Das Mädchen entspricht nicht diesem Schönheitsideal, in ihr brennt ein anderes Feuer, die Freude am Abenteuer der Entdeckungsreisen, gepaart mit hervorragender Beobachtungsgabe und Klugheit. So geht Charlotte Peter ihren Weg, sie wagt sich in unbekannte Lande ebenso vor wie in die bunte Welt des Journalismus. Das Gefühl, nicht schön genug zu sein, jedoch begleitet sie, sitzt wie ein tiefer Stachel, doch was sie erlebt, hilft ihr darüber hinweg, dass sie nie dem Ideal ihrer Mutter genügen kann. Erst als reife, ältere Frau erkennt sie, dass die Schönheit und Wunder unseres Planeten für sie einen viel höheren Stellenwert haben.
LanguageDeutsch
Release dateMay 1, 2020
ISBN9783907301036
Die Geschichte eines hässlichen Mädchens: Eine etwas andere Biographie

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    Book preview

    Die Geschichte eines hässlichen Mädchens - Charlotte Peter

    Charlotte Peter

    Die Geschichte eines hässlichen Mädchens

    Eine etwas andere Biographie

    Impressum

    © Münster Verlag Basel 2018

    Alle Rechte vorbehalten.

    Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden, insbesondere nicht als Nachdruck in Zeitschriften oder Zeitungen, im öffentlichen Vortrag, für Verfilmungen oder Dramatisierungen, als Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen oder in anderen elektronischen Formaten. Dies gilt auch für einzelne Bilder oder Textteile.

    ISBN 978-3-905896-97-8

    eISBN 978-3-907301-03-6

    Printed in Germany

    www.muensterverlag.ch

    Inhalt

    Vorwort

    Kapitel 1

    Die schöne Grossmutter – eine Heidi der anderen Art

    Kapitel 2

    Meine schönen Freundinnen

    Kapitel 3

    Schönheit im Büro, auf der Bühne und im Bundeshaus

    Kapitel 4

    Schönheit, Liebe, Lust und Frust

    Kapitel 5

    Philosophische Betrachtung zur Schönheit im Alter

    Vorwort

    Dieses Buch zu schreiben tat weh, denn es zeigt auch die Schattenseite meines Lebens. Ich war nie hübsch, ich trug einen Dämon in mir, der immer wieder mahnte: Du bist nicht schön, du musst dich bescheiden, darfst keine grosse Liebe erwarten, sondern du musst dein Glück anderswo suchen. Der Dämon wurde mir von meiner Mutter und deren Familiengeschichte eingepflanzt. Ihn zu vergessen war jahrzehntelang nicht möglich, denn er rief sich bei jedem Blick in den Spiegel energisch zurück. Ihn zu überwinden brauchte es fast ein ganzes Leben und viel Nachdenken. So habe ich mir zum Beispiel oft überlegt, was mit einer hübschen Charlotte geschehen wäre. Hätte ich vielleicht früh geheiratet, zwei oder drei Kinder bekommen, ein durchschnittliches ruhiges Leben geführt? Wäre ich Hostess bei der Swissair geworden oder gar Tänzerin? Was für Möglichkeiten hätten sich einer selbstbewussten attraktiven Journalistin geboten? Fragen, die sich nicht beantworten liessen.

    Klar war nur Eines: Schönheit ist eine Macht, die sehr viel bewirken kann und das im Positiven, wie auch im Negativen. Schönheit kann in den Himmel tragen, aus einem armen Mäuschen eine Prinzessin machen. Schönheit kann aber auch zur Jagd nach Unerreichbarem und zu falschem Glamour verführen. Das Problem wurde zu einem Rätselspiel und bot manche Überraschungen. Im Folgenden eine Auswahl der interessantesten und, wie ich hoffe, unterhaltsamsten Geschichten, dies ohne moralischen oder belehrenden Anspruch.

    Kapitel 1

    Die schöne Grossmutter – eine Heidi der anderen Art

    Es geschah kurz nach Schuleintritt in der ersten Klasse, ich bummelte mit Hedi, einer Kameradin, und traf meine Mutter. «Wer ist das Mädchen?», wollte sie wissen und fügte gleich hinzu: «Das Mädchen ist ja bildschön, die Eltern können glücklich sein, die Eltern können stolz sein. Dieses Mädchen wird eine brillante Partie machen. Die Eltern können glücklich sein …» Meine Mutter liebte Wiederholungen, weshalb ich das Sätzchen von den stolzen Eltern, auch bezogen auf andere hübsche Mädchen, sehr oft zu hören bekam. Ein fatales Votum. Ich verstand, dass ich ganz und gar nicht schön bin, meine Eltern nicht beglücken kann, keine Aussicht auf eine gute Heirat habe. Ein Sätzchen, das sich wie ein böser Dämon in mir festkrallte, mich verunsicherte, schüchtern machte und zum einsamen Steppenwolf werden liess. Ich musste alt werden, um meinen Dämon einigermassen in Griff zu bekommen.

    Doch es gibt noch einen weit bedeutenderen Schönheitsfall in der Familie. Meine Grossmutter Paula war ein armes, aber sehr hübsches Bauernmädchen, das, wie die berühmte Heidi von Johanna Spyri, vor dem Ersten Weltkrieg lebte und durch Zufall in den Bann einer deutschen Grossstadt geriet. Bei meiner Grossmutter war es eine Love Story der schnulzigen Art. Ein feiner Herr aus Stuttgart, der in der Gegend von Basel einen Stage absolvierte, verliebte sich in die Dorfschönheit und hatte zunächst ein Problem. Sein Vater war durchaus nicht erfreut, liess sich aber auf Grund der begeisterten Schilderungen des Sohnes dazu bewegen, in die Schweiz zu kommen, um die Auserwählte zu begutachten. Was dann geschah, wurde mir immer wieder erzählt, es war die romantische Saga meiner Jugend, die Saga von Schönheit, Glück und Trauer. In Paulas Familie gab es fünf Töchter, die dem Besucher aus Deutschland nacheinander präsentiert und von ihm nacheinander beurteilt wurden: «Nein, die nicht … die auch nicht, die ist ebenfalls nicht hübsch genug …» Dann endlich erschien meine schöne Grossmutter und wurde gnädig aufgenommen. Ein Verdikt mit gewichtigen Folgen.

    Das Glück des jungen Paares führte aus nie geklärten Gründen dazu, dass Paula jeden Kontakt zur eigenen Familie abbrach. Wollte sie der Armseligkeit entrinnen, etwas Besseres werden? Stritt sie sich mit den neidischen Schwestern? Mochten die Eltern den vornehmen Deutschen nicht? Das Thema war tabu, schweizerische Verwandte meiner Mutter gab es angeblich nicht, sie wurden totgeschwiegen. Obwohl die bescheidenen Kleinbauern keine Autostunde von Zürich entfernt wohnten, habe ich sie nie kennengelernt, die feinen Stuttgarter dagegen sehr bald.

    Dann das grosse Unheil. Paulas Mann starb mit 23 Jahren an einem Nierenversagen, die junge Witwe, die ihr drittes Kind erwartete, blieb hilflos zurück. Unterstützung vom Staat oder von Verwandten war nicht zu erwarten und so hätten die beiden Buben und das kleine Mädchen wohl als Verdingkinder geendet, doch der Schwiegervater übernahm die Fürsorge. Er bezahlte einen ausreichenden Unterhalt, die kleine Familie musste keinen Mangel leiden und wurde im Dorf zum bestaunten, aber auch kritisch beobachteten Sonderfall. «Ich durfte meine Puppe mit in die Schule nehmen und mein Bruder Eugen konnte mit den Lehrern essen», erzählte meine Mutter.

    Paula blieb ihrem verstorbenen Mann mehr als sechzig Jahre lang treu, sie trug nur noch schwarze und graue Kleider, dazu um den Hals ein schwarzes Samtbändchen, erzog ihre Kinder zu Anstand und folgte der Tochter nach deren Hochzeit erst nach Aarau, dann nach Zürich, wo ich geboren wurde. Sie besuchte jeden Sonntag die Kirche, hatte keine Freunde, keinen Hund und keinen Vogel, las keine Bücher, interessierte sich weder für Mode noch für Blumen, noch für Sport, noch für Musik, strickte pro Jahr zwei Pullover, einen für mich und einen für meine Schwester Ruth, sie tat vierzig Jahre lang fast nichts als aus dem Fenster schauen, war freundlich und still, sie atmete, doch sie lebte nicht. Die Schönheit hatte einst ihr Schicksal bestimmt, nun welkte sie dahin wie eine müde Rose.

    Stuttgart aber wurde zum gelobten Land, die Stuttgarter zur wahren Familie. Meine Mutter Amalie verbrachte acht Jahre jenseits der Grenze bei ihrem Grossvater. Er war blind, wurde von einer Haushälterin, gerufen Marie, und einer Putzfrau betreut. Amalie musste ihm den Handelsteil in der Zeitung vorlesen, am Bobserbrunnen Wasser holen, zum Mittagsschlaf eine Decke über seinen Knien ausbreiten und Ähnliches. Daneben blieb Zeit für Groschenromane, Bummeln in der Stadt und Kontakt mit Tante Helene, Onkel Ferdinand, Cousine Anneliese und Vetter Walter. Von ihnen lernte das Bauernmädchen (unsere Heidi) die feinere Lebensart, Kenntnisse, die sie wie Honig aufschlürfte. Sie faltete bald Servietten zu Fächern, erfuhr, was in der Oper geschieht, welche Gläser sich für Rotwein eignen und welche Zigarren für einen gediegenen Herrn angemessen sind. Praktischer war da noch die Erklärung der Tante, wie sich eine Frau während ihrer Tage bequem und hygienisch schützen kann.

    Zu leben wie vor dem Ersten Weltkrieg in Stuttgart wurde für meine Mutter zum Lebensziel. Mit den Stuttgartern hatten wir stets guten Kontakt, dies besonders mit Anneliese, der Cousine meiner Mutter, die einst erklärte: «In Stuttgart war das gar nicht so nobel, wir lebten ganz gewöhnlich, kaum anders als ihr in Zürich.» Wir haben uns umarmt und gelacht; Stuttgart oder Zürich ist wie Spätzle oder Spätzli – gar kein so grosser Unterschied.

    Dass das Glück meiner Grossmutter allein ihrer Schönheit zu verdanken war, habe ich erst viel später erfahren. Ausser ihr gab es in der Familie Woertz noch eine zweite unpassende Schwiegertochter. Sie hiess Luise, arbeitete als Kellnerin in einem Stuttgarter Bierlokal und sollte auf Wunsch des Grossvaters von einem seiner studierenden Söhne beurteilt werden. Dummerweise irrte sich dieser, testete mit einem Annäherungsversuch die falsche Luise, wurde geküsst und erstattete einen höchst negativen Bericht. Die Bier-Mamsell wurde nie in den Clan ihres Mannes aufgenommen und bekam als früh Verwitwete auch keine Unterstützung. Ihre Tochter Maria erinnerte sich: «Einmal wurde ich hübsch gekleidet und mit einer rosaroten Masche im Haar zum Grossvater gebracht, der mir zum Abschied fünf Reichsmark schenkte.» Mehr war für die unerwünschte Enkelin nicht drin. (Ich habe versucht abzuschätzen, wie viel Geld meiner Grossmutter ihre Schönheit eingebracht hat – nach heutigem Wert müssten es inklusive Erbschaft über zwei Millionen Franken gewesen sein, von denen nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder und Enkel profitierten). Maria hätte allen Grund gehabt, wütend zu sein, doch sie akzeptierte die Ungerechtigkeit der alten Welt, war sehr fromm, pilgerte einige Male nach Rom, dies mit jeweiligem Unterbruch der Reise in Zürich, brachte uns einst gar einen päpstlichen Ablassbrief mit. Wir fanden das komisch.

    Doch zurück zu Heidi. Bei Johanna Spyri wird das bodenständige Leben in den Alpen verklärt, die gute Geissenmilch, der frische Käse, das Schlafen auf duftendem Heu, die reine Bergluft, die wunderbarer Weise mithilft, dass das behinderte Stadtmädchen Klara gesund wird. Bei unserem Familien-Heidi lief es ganz anders, für Amalie lag die bessere Welt in den Luxusgeschäften an der Königsstrasse, beim Konzertflügel der Cousine Anneliese, bei der gelöcherten Spätzlepresse der Haushälterin Marie (meine Mutter hat die Presse geerbt und in ihr zürcherische Spätzli gekocht).

    Spätzle waren mit der geerbten Presse leicht zu machen, doch meine Mutter wollte auch den Chic der Königsstrasse haben, zum Beispiel ein Skunk-Cape mit senkrecht verlaufenden Fellen, wie es Tante Helene vor dem Ersten Weltkrieg gekauft hatte. Das gab es an der Zürcher Bahnhofstrasse (ein Ersatz für die Königsstrasse) nach dem Zweiten Weltkrieg nicht. Immerhin hatten auch wir feine Pelzgeschäfte und so setzte es meine Mutter durch, mit fast fünfzig Jahren Verspätung doch noch zu einem Skunk-Cape mit Königsstrassen-Senkrecht-Verarbeitung zu kommen.

    Noch bedeutender als das Pelzchen waren für uns Kinder einige praktische Dinge, die Amalie aus Stuttgart übernahm. Meine Schwester und ich bekamen Klavierunterricht (wie Anneliese), meinem Vater schenkte sie Havanna-Zigarren (die gleichen, die der Onkel in Stuttgart rauchte), sie kümmerte sich nie um die armen kleinbäuerlichen Verwandten (nach dem Vorbild des Grossvaters, dem eine Kellnerin zu wenig war), sie ging nie ohne Hut und Handschuhe ausser Haus, sie wollte stets das Bessere

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