Nachhaltigkeit mit Kindern leben: Impulse für eine wertebasierte Pädagogik in der Kita
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Mehr Nachhaltigkeit in der Kita
Die Kita ist ein verantwortungsethischer Lebens- und Lernort, der Veränderungsprozesse anstoßen und Kinder und Eltern mitnehmen kann auf diesem lohnenswerten Weg. Familien, aber auch Pädagogen und Pädagoginnen, kommt die Aufgabe zu, kindgerechte Wege dahin zu finden. Kinder dürfen beispielsweise lernen, sich in Bescheidenheit zu üben, Dinge wertzuschätzen, Lebensnischen für Tiere und Pflanzen anzulegen und zu pflegen: in Innenräumen, im Außenbereich und im Umfeld der Kita. Ein nachhaltiger Lebensstil ist der Schlüssel dazu, den Klimawandel zu dämpfen und Lebensräume sowie Wildtiere zu schonen und damit eine lebenswerte Welt für die Zukunft zu erhalten. Mehr denn je ist es, in Zeiten von Dürren, Waldbränden, Überschwemmungen und Pandemien notwendig, sich mit gelebter Nachhaltigkeit von Anfang an auseinanderzusetzen.
Das Buch erscheint in der Reihe ´Zukunft leben – Welt gestalten´, die sich mit Themen rund um Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) beschäftigt, um Kita-Kinder für Themen wie Nachhaltigkeit, Umwelt und Ökologie zu sensibilisieren und zu begeistern.
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Book preview
Nachhaltigkeit mit Kindern leben - Ingrid Miklitz
1.Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
1.1Was bedeuten Nachhaltigkeit und BNE?
Die Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit lässt sich erstmals 1713 nachweisen und kommt aus der Holzwirtschaft. „Nachhaltigkeit" beschreibt in seiner ursprünglichen Verwendung das forstwirtschaftliche Prinzip, in einem Wald nicht mehr Bäume zu fällen als nachwachsen können. So bleibt die Größe des Waldes erhalten. Bevor dieses nachhaltige Prinzip in der Waldwirtschaft berücksichtigt wurde, waren – besonders im Mittelalter – viele Wälder vernichtet worden. Deshalb hat Deutschland keine Urwälder.
Was heißt nun aber BNE in der Kita? Vergeblich sucht man nach einer systematischen Einbettung des Begriff s im Bereich der frühkindlichen Bildung. In den Erziehungs- und Bildungsplänen der Bundesländer fi nden sich wenige grundlegende Überlegungen und eher allgemein gehaltene Zielformulierungen. Was fehlt, sind darum länderübergreifende, wertebasierte Leitlinien als Basis für einrichtungsspezifische Curricula. Stattdessen überlässt man die Schwerpunktsetzungen und die Ausgestaltung von Themen und Aktionen den Trägern und pädagogischen Fachkräften. Das ist mit Blick auf die Erfordernisse eines grundlegenden Umdenkens im Angesicht des fortschreitenden Klimawandels schlichtweg unverantwortlich und, was den Arbeitsaufwand der Kitas angeht, auch unökonomisch.
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Bildung für nachhaltige Entwicklung umfasst den Bildungsauftrag, Kindern „zukunftsfähiges Denken und Handeln näherzubringen. Durch die Förderung eigenständigen Denkens und die Sichtbarmachung globaler Zusammenhänge erleben sie, dass ihre Handlungen konkrete Auswirkungen auf die Welt haben. Diese Verantwortung, die jeder und jede Einzelne für die ganze Welt hat, kann mit „global denken – lokal handeln
zusammengefasst werden (vgl. Faas; Müller 2019, S. 11).
1.2Das Nachhaltigkeitsdreieck
Das Nachhaltigkeitsdreieck zeigt die Verbindung der Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles. Legt man diesen Nachhaltigkeitsbegriff zugrunde, kann Nachhaltigkeit nur verwirklicht werden, wenn alle drei Aspekte im gleichen Umfang berücksichtigt werden. Die Bundesregierung hat diese Gewichtung in der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 („Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung) bekräftigt und festgelegt, dass die umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. In der Neuauflage von 2016 heißt es: „Dem Leitprinzip der nachhaltigen Entwicklung zu folgen bedeutet für die Bundesregierung daher, darauf hinzuarbeiten, mit ihrer Politik gleichermaßen den Bedürfnissen der heutigen sowie künftiger Generationen gerecht zu werden […]. Dafür bedarf es einer wirtschaftlich leistungsfähigen, sozial ausgewogenen und ökologisch verträglichen Entwicklung, wobei die planetaren Grenzen unserer Erde die absolute äußere Beschränkung vorgeben
(Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2016, S. 21).
In allen drei Bereichen oder Dimensionen gibt es im 21. Jahrhundert Problembereiche, die hier nur beispielhaft und stichwortartig aufgeführt werden können.
Ökologische Aspekte
fortschreitende Klimaerwärmung durch steigenden CO2-Ausstoß in Industrie- und Schwellenländern
zunehmender Verbrauch endlicher/nicht erneuerbarer Ressourcen
dramatischer Verlust von Artenvielfalt, insbesondere Aussterben von Insekten
Rückgang/Verlust/Beschädigung von Landschaftsformen/Biotopen (z. B. Moorlandschaften, intakte Wattenmeere, Feuchtbiotope)
Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier (z. B. durch Stickoxidbelastung und Umweltgifte, steigende Nitratbelastung im Grundwasser, extreme Wetterbedingungen, Epidemien und Pandemien, Insektenplagen)
Ökonomische Aspekte
unsicherer Arbeitsmarkt aufgrund von fortschreitender Digitalisierung und Automatisierung
instabile und deregulierte Finanzmärkte
Zwang zu stetigem Wirtschaftswachstum (Konsumkapitalismus) und zunehmende Verteilungskämpfe
Konzentration von Kapital in den Händen weniger global operierender Konzerne
außenwirtschaftliche Abhängigkeiten durch Globalisierung und Macht-/Marktkonzentration
fortschreitende Staatsverschuldung, u. a. durch steigende Klimafolgeschäden (Deichbau/Überflutungsschäden, Gesundheitssystem, Subventionierung der Landwirtschaft etc.)
Irreführung von Verbrauchern und Verbraucherinnen durch Greenwashing (Marketing-Maßnahmen, die ein „grünes Image" von Unternehmen vortäuschen)
Rebound-Effekte (dt. Abprall-Effekte): Der zunehmend effiziente Einsatz von Rohstoffen (z. B. durch neue Geräte, die weniger Energie verbrauchen) verpufft, indem z. B. die Geräte mehr benutzt werden
Soziale Aspekte
Angst vor Arbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen
ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung
Verknappung bezahlbaren Wohnraums
Massenmigration
demografische Fehlentwicklungen
Zunahme von Protesten und zivilem Ungehorsam
politisch instabile Situationen und Erstarken extremistischer und nationalistischer Parteien
1.3Fehlende Nachhaltigkeitsstandards
1992 hat sich die Weltgemeinschaft auf der UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro auf das neue Leitbild der nachhaltigen Entwicklung geeinigt. Fast alle internationalen Organisationen und Nationalstaaten erkennen dieses Leitbild aus dem sogenannten Erdgipfel an. Was bis heute jedoch fehlt, ist eine diesem Leitbild entsprechende nachhaltige Wirtschaftslehre. Es reicht eben nicht, das Leitbild anzuerkennen, wenn daraus keine grundlegenden, für alle Staaten verbindlichen Standards für eine nachhaltige Wirtschaftslehre abgeleitet werden. So bleibt das unterzeichnete Entwicklungsleitbild „Sustainable Development
eine inhaltslose Worthülse, die allenfalls geeignet ist, der Zivilgesellschaft vorzugaukeln, dass es mit nachhaltigem Wirtschaften vorangeht.
Auch ist die Betonung der Gleichrangigkeit der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles nicht zukunftstauglich, wenn vergessen wird, dass die Säule Ökologie die Grundlage allen Lebens und Handelns auf der Erde bildet. In diesem Sinne verwässert das Nachhaltigkeitsdreieck das Prinzip Nachhaltigkeit. Die inflationäre Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit bildet ein Einfallstor für wirtschafts- und sozialpolitische Zielsetzungen, die sich gerne das Etikett „nachhaltig anheften, ohne der Erhaltung unseres Planeten zu dienen (Bsp.: „nachhaltiges
Wirtschaftswachstum, „nachhaltiger" Ausbau von Autobahnen). Besonders ein wirtschaftliches Modell, das auf stetes Wachstum setzt, ist dabei fatal und steht dem Nachhaltigkeitsgedanken entgegen. Die Ökologie muss Leitwissenschaft werden. Denn Nachhaltigkeit, die diese Bezeichnung verdient, wird es wohl erst geben, wenn die drei Säulen nicht nur in der Theorie unter dem absoluten Primat der Ökologie zusammengeführt werden.
2.Wo stehen wir heute?
2.1Von der industriellen Revolution zum Turbokapitalismus
Der Mensch war nicht schon immer sesshaft. Bis in die Jungsteinzeit zog ein Großteil der Menschen als Jäger und Sammler durch die Natur, wodurch sich die Natur immer wieder von menschlicher (Über-)Nutzung erholen konnte. Mit dem Beginn der Sesshaftigkeit änderte sich das. Durch Ackerbau und Viehzucht wurden bestimmte Landflächen auf Dauer intensiv genutzt. Trotzdem schadeten diese Siedlungen dem Ökosystem zunächst kaum. Durch die niedrige Bevölkerungsdichte blieben große Gebiete der Natur weiterhin sich selbst überlassen. Es gab sogar noch unentdeckte Flecken auf der Erde. Mensch und Natur konnten koexistieren und gaben einander genug Raum und Zeit zum Florieren.
Mit den technischen Neuerungen der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts änderte sich das jedoch. Den Startschuss dafür bildete die Dampfmaschine, die Thomas Newcomen 1712 in England entwickelte und mit der man Wasser aus Bergwerken pumpen konnte. Durch verschiedene Weiterentwicklungen kam sie in vielen Industriebranchen zum Einsatz und ermöglichte große Fabriken. Schließlich wurde sie auch zum Antrieb von Dampfschiffen und -lokomotiven genutzt. Ein weiterer Meilenstein stellte die erste industrielle Spinnmaschine 1738 dar. John Wyatt erfand hierfür die sogenannten Streckwalzen, die den Spinnfaden automatisch auszogen. 1786 folgte die Erfindung des mechanischen Webstuhls durch den Engländer Edmund Cartwright. Ursprünglich angetrieben von Ochsenkraft übernahm auch diese Arbeit bald eine Dampfmaschine.
All diese Erfindungen gaben den Menschen eine ungeheure