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Lektorat, Programmplanung und Projektmanagement im Buchverlag
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Lektorat, Programmplanung und Projektmanagement im Buchverlag

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Arbeiten als Lektor*in? – Für viele Menschen ein Traumberuf. Doch auch wenn ein abgeschlossenes Hochschulstudium meist eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist, einen der begehrten Volontariats- oder Assistenzplätze zu erhalten, reicht Fachwissen allein nicht aus. Mindestens genauso wichtig ist die Fähigkeit zum vernetzten Denken. Denn das Lektorat ist die entscheidende ›Schaltzentrale‹ im Buchverlag. Und bereits seit langem geht es nicht nur um haptische Bücher, sondern auch digitale Produkte, etwa E-Books, Hörbücher, Apps und Online-Datenbanken, rücken zunehmend in den Fokus.
Auf der einen Seite planen Lektoren Projekte mit Kreativen (Autor, Übersetzer, Illustrator) und führen eine entsprechende Korrespondenz, auf der anderen Seite sind sie eingebettet in Sachzwänge, die sich aus herstellungsbedingten Produktionsabläufen und auslieferungsbedingter Terminnot ergeben. Darüber hinaus ist Sinn für Ästhetik und Kreativität gefordert – gilt es doch, sich gemeinsam mit der Herstellung über eine angemessene Symbiose von Inhalt und Gestaltung zu verständigen und kurze Presse- und Werbetexte über das Endprodukt selbst zu verfassen.
›Kuratieren von Content‹ ist die Aufgabe des modernen Lektorats. Damit gehört der Titel fraglos in die Reihe ›BramannBasics buch & medien‹. Denn diese Reihe richtet sich erklärtermaßen nicht nur an Studierende, sondern auch an Praktiker. Einzige Vorgabe: Das Material ist didaktisch gut aufbereitet, vermittelt komprimiert Aktuelles und ist von anerkannten Wissenschaftlern oder Praktikern mit Lehr- oder Seminarerfahrung verfasst, die ihr Know-how aus Forschung, Lehre und/oder Berufsexpertise in ihre Darstellungen einfließen lassen.
LanguageDeutsch
Release dateDec 21, 2020
ISBN9783959031059
Lektorat, Programmplanung und Projektmanagement im Buchverlag
Author

Michael Schickerling

Michael Schickerling war als Lektor und Programmleiter in mehreren großen Verlagen tätig. Heute begleitet er mit schickerling.cc Autoren, Unternehmen und Verlage bei der Entwicklung und Realisation von Buchprojekten. Er ist überzeugt: Büchermachen ist immer ein Teamspiel!

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    Book preview

    Lektorat, Programmplanung und Projektmanagement im Buchverlag - Michael Schickerling

    Freien.

    1

    Programm- und Projektplanung

    Praxisbeispiel 1

    Die Verlagsgründerin hatte die Zügel immer fest in der Hand: Alle Entscheidungen liefen über ihren Tisch, die Autorenkontakte pflegte sie höchstpersönlich. Nun ist sie schwer erkrankt, und niemand weiß so recht, wie es weitergeht. Die von ihr akquirierten Titel reichen noch für das nächste Programm – und dann? Nachdem drei Verlagsmitarbeiter ein Seminar zur Programmplanung besucht haben, teilen sie die Arbeit unter sich auf: Die dienstsälteste Kollegin wird mit allen Autoren telefonieren und sie nach neuen Buchideen fragen – da findet sich bestimmt etwas. Der Volontär durchforstet die Backlist und prüft, welche Titel durch eine Neuauflage frischen Schwung bekommen könnten. Und eine Lektorin wird endlich ihre Idee für eine neue Reihe umsetzen, die schon lange in ihrer Schublade liegt, im Detail durchdacht ist und für die es sogar zwei konkrete Themenangebote gibt. Dass sie die Dinge jetzt selbst in die Hand nehmen, werden sie der Verlegerin beim nächsten Krankenbesuch vorsichtig beibringen.

    Praxisbeispiel 2

    In Asien bereits ein Riesentrend: ›Sports Fantasy‹, kurze Romane mit cricketspielenden Gnomen und Elfen. Die Lektorin hat dazu gerade ein erstes Angebot vorliegen, aber eine kurze Marktrecherche ergibt: Cricket kennt hierzulande kaum jemand. Aber wenn man das Ganze vielleicht ins Eishockeymilieu verlegt und als Setting die Alpenlandschaft um ein verzaubertes Neuschwanstein wählt? Dann könnte man die Lizenz auch gut ins Ausland verkaufen. Die Lektorin überzeugt ihre Programmleiterin, es zunächst mit einem Titel zu versuchen, und den Marketingchef, dafür eine starke Social-Media-Kampagne zu entwickeln. So lässt sich die avisierte junge, vorwiegend weibliche Leserschaft, die sie bei ihrer Zielgruppenrecherche als erfolgversprechend identifiziert hat, am besten erreichen.

    Praxisbeispiel 3

    Die bisher erfolgreiche Ratgeberreihe, Aushängeschild des Verlags, verkauft sich von Jahr zu Jahr immer schleppender. Um herauszufinden, woran das liegt und was man besser machen könnte, arbeiten der verantwortliche Lektor, ein Kollege aus dem Marketing und die Vertriebschefin mit der Business-Model-Canvas. Ihre Leitfrage: Welche Faktoren gefährden das Geschäft mit unserer Buchreihe? Schnell wird klar: Die Leser informieren sich zunehmend in kleinen Häppchen im Internet, oft auf Special-Interest-Seiten, die teils eine erstaunlich große und engagierte Fangemeinde haben. Die eigenen Produkte müssten in Zukunft also viel flotter und übersichtlicher als bisher aufbereitet werden. Und der Verlag sollte eine eigene Online-Community rund um seine Themenwelt aufbauen oder Kooperationen mit Influencern eingehen. Gut gemachte Bücher allein reichen für den Erfolg jedenfalls nicht mehr.

    Immer mehr Bücher – immer weniger Zeit zum Lesen. 2019 erschienen auf dem deutschen Buchmarkt etwa 78.800 Titel erstmals oder in einer Neubearbeitung,³ immerhin 18 Prozent weniger als im Spitzenjahr 2007.⁴ Hinzu kommen 9.500 Novitäten in Österreich⁵ und 4.800 deutschsprachige Neuerscheinungen in der Schweiz⁶ Da stellt sich die Frage: Wer soll das alles lesen? Denn nur 31 Prozent der Bevölkerung nehmen zumindest einmal pro Woche ein gedrucktes Buch in die Hand, 32 Prozent tun das nie, und bei E-Books sieht es noch schlechter aus. Bücher lesen gehört damit schon lange nicht mehr zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen – und rangiert weit abgeschlagen hinter dem Spitzenreiter Fernsehen (94 Prozent) oder der Nichtaktivität Ausschlafen (61 Prozent).⁷Für die Lektüre von gedruckten und digitalen Büchern stehen täglich durchschnittlich 26 Minuten zur Verfügung – während es für die Lektüre im Internet 101 Minuten sind, wozu auch Social-Media-Beiträge oder Produktbeschreibungen in Online-Shops zählen, 89 Minuten für das Lesen und Schreiben von E-Mails, SMS und Messenger-Chats sowie 22 Minuten für Zeitungen und Zeitschriften.⁸ Bücher haben es immer schwerer, im Medienwettbewerb zu bestehen – und finden entsprechend von Jahr zu Jahr immer weniger Käufer.⁹

    Konzentrationsprozesse in der Medienbranche haben ebenfalls Auswirkungen auf die Lesekultur. Auf der einen Seite verdrängen wenige große Buchhandelsketten viele mittelständische Buchhandlungen. Auf der anderen Seite versammeln große internationale Verlagskonzerne zahlreiche #Imprints unter ihrem Dach, die sich auf immer kleinere Zielgruppen spezialisieren. Doch damit sinken die Verkaufszahlen pro Titel, verstärkt durch die digitale Konkurrenz – eine schwierige Situation für Verlage. Für die Programmmacher stellt sich daher die Frage: Wie muss ein Buch aussehen, damit es den Nerv der Zielgruppe trifft? Der Handel hat dabei hohe Erwartungen an die Verlage: schnelle Verkäuflichkeit bei guter inhaltlicher und herstellerischer Qualität. Aber soll es überhaupt noch ein gedrucktes Buch sein?

    Verlage stehen vor der schwierigen Aufgabe, den zahlreichen Novitäten weitere Titel hinzuzufügen – für deren Lektüre niemand so recht Zeit hat. Den richtigen Riecher haben nur wenige; der hängt mehr von glücklichen Umständen ab als von durchdachter #Programmplanung. Darauf können #Verleger und Lektoren also ebenso wenig bauen wie darauf, dass sie die richtigen Bücher schon irgendwie finden werden. Denn in einem heiß umkämpften Markt, in dem gleichzeitig um die Aufmerksamkeit der Leser und der Medien sowie um knappe Regalflächen im Handel gerungen wird, sind erfolgreiche Verlagsprodukte fast immer das Ergebnis klarer Konzepte. Das Stichwort lautet Programm- beziehungsweise Produktpolitik. Sie ist Teil des klassischen Marketingmix, dem 4-P-Konzept.¹⁰ Eine Neuinterpretation, welche die Kundeninteressen mehr in den Vordergrund rückt, bietet das hier integrierte SAVE-Modell:¹¹

    4-P-KONZEPTDieses Konzept als klassische Säule des Marketingmix stammt ursprünglich aus dem Jahr 1960 von Edmund Jerome McCarthy Perreault, damals Professor für Marketing an der Harvard University. Das Modell hat seitdem einige Erweiterungen und Abwandlungen erfahren, zum Beispiel als 7 P (zusätzlich People, Process und Physical Evidence), oder Neuinterpretationen wie den SAVE-Ansatz (Solution, Access, Value, Education).

    ProduktWelche Produkte (Buch, Hörbuch, E-Book oder App) oder Dienstleistungen (Aktualisierungen via Internet, Diskussionsforen oder anderes) sollen zu welchen Themen und für welche Zielgruppen angeboten werden? Noch mehr als das einzelne Produkt muss eine Lösung (Solution) im Hinblick auf die Kundenbedürfnisse im Vordergrund stehen.

    PlatzierungWelches sind die geeigneten Absatzkanäle (Buchhandel, Online-Shops, Direktvertrieb, Nebenmärkte wie Lebensmittelgeschäfte, Apotheken oder Tankstellen)? Optimale Verfügbarkeit und Zugänglichkeit (›Access‹) spielen für Kunden dabei eine wichtige Rolle.

    PreisWas ist der richtige #Ladenpreis? Wie sind die Lieferbedingungen (Rabatte, Valuta oder Skonto)? Dabei sind für die Kunden weniger der Preis oder die Kosten entscheidend als Nutzen und Wert (›Value‹) des Angebots.

    PromotionWelche Bestandteile hat das Kommunikationskonzept (Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit oder Social Media)? Was sind die Werbebotschaften? Welches sind die optimalen Medien für Marketing und PR? An die Stelle mehr oder weniger aufdringlicher Werbebotschaften tritt Wissen (›Education‹) in Form attraktiver und hochwertiger Inhalte, die Kunden inspirieren, unterhalten oder informieren.

    Der Kern verlegerischer Aktivitäten ist die Programmgestaltung. Hierzu zählen die Entwicklung und Herstellung sämtlicher Produkte und Dienstleistungen, die ein Verlag anbietet. Daran orientieren sich die anderen Instrumente des Marketingmix. Auch der umgekehrte Weg ist möglich: Die Marketingstrategie verlangt unter Umständen eine bestimmte Gestaltung des #Covers, unterschiedliche Vertriebskanäle erfordern unterschiedliche Ausstattungen, und nicht zuletzt hat der Ladenpreis großen Einfluss auf die Aufmachung eines Buchs. Die Grundlinien der Programmpolitik werden vom Lektorat oder von der Verlagsleitung festgelegt, oft in enger Abstimmung mit der Marketingabteilung. Dabei lauten die beiden wesentlichen Fragen:

    TitelpositionierungWie lassen sich einzelne Titel innerhalb des eigenen Verlagsprogramms und nach außen in Abgrenzung zum konkurrierenden Gesamtmarkt eindeutig positionieren?

    ProgrammentwicklungWie wird aus der Vielzahl der Einzeltitel ein profiliertes und erfolgreiches Verlagsprogramm?

    Bei jedem Buchprojekt werden Lektoren immer auch mit Fragen der Programmentwicklung konfrontiert. Das gilt umso mehr, wenn sie neue Reihen oder gar Programmbereiche planen. Umgekehrt hat das Programmprofil ebenfalls entscheidenden Einfluss auf Auswahl und #Positionierung einzelner Titel.

    1.1

    Programmentwicklung

    Stärker als ein einzelnes Buch prägt das Gesamtprogramm das Erscheinungsbild eines Verlags. So gehört das kritische Sachbuch zum Westend Verlag wie modische Kochbücher zu Gräfe und Unzer. Während bei Westend der aufklärerische Anspruch im Vordergrund steht, beruht die Programmplanung bei GU auf intensiver Marktforschung. Beiden ist jedoch ein Ziel gemeinsam: Trends rechtzeitig erkennen, teure Flops vermeiden und aus einzelnen Büchern ein erfolgreiches, gewinnbringendes Programm mit unverwechselbarem Profil machen.

    Bei Verlagen mit einem hohen Titelausstoß geht die Zahl der lieferbaren Bücher leicht in die Hunderte oder gar Tausende, und auch #Self-Publisher tragen ihren Teil zur Titelflut bei. Doch damit stellt sich die Frage: Wie kann die langfristige Programmstrategie eines Verlags aussehen, welche Veränderungen sind notwendig? Alle Verlage wünschen sich, dass sich ein neu erschienenes Buch möglichst lange und erfolgreich am Markt behaupten kann. Doch kaum ein Titel verkauft sich auf unbegrenzte Zeit. Wichtig ist also, in einem überschaubaren Zeitraum einen ausreichenden Umsatz zu erzielen, der die Entwicklungskosten ausgleicht und einen Gewinn abwirft.

    Produktlebenszyklus

    Jedes Buch hat einen charakteristischen Lebenszyklus. Dieser zeigt, wie Absatz und Gewinn über die gesamte Lebensdauer verlaufen. Der Produktlebenszyklus, für den es unterschiedliche Modelle gibt, teilt sich üblicherweise in fünf Phasen, deren Dauer je Titel unterschiedlich ausfallen kann. Dieses Konzept aus der Marketingpraxis bietet eine nützliche Orientierungshilfe, nicht mehr und nicht weniger. Entscheidend ist, rechtzeitig zu erkennen, an welcher Stelle sich einzelne Reihen oder Titel befinden – um die programm- und absatzpolitisch passenden Entscheidungen zu treffen.

    PRODUKTLEBENSZYKLUSKONZEPTEin ›Urheber‹ lässt sich nicht benennen. Erste Ansätze hierzu finden sich schon Anfang des 20. Jahrhunderts, ausführliche Darstellungen seit den 1950er und 1960er Jahren. Somit gibt es kein verbindliches ›Urmodell‹, sondern diverse Ausprägungen, die sich hinsichtlich der Zahl und Benennung der Phasen unterscheiden. Oft werden fünf Hauptphasen genannt: Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung und Degeneration, wobei die beiden letzten manchmal zusammengefasst werden. Hinzu können vorgelagerte Phasen (Beobachtung, Entwicklung) ebenso kommen wie nachgelagerte Phasen (Entsorgung, Desinvestition).

    Produktlebenszyklus¹²

    ProduktentwicklungEin neues Buchprojekt entsteht und verursacht Kosten, zum Beispiel für Honorarvorschüsse, Übersetzung, Lektorat oder Herstellung, aber es gibt noch keine Verkaufserlöse.

    MarkteinführungDie Neuerscheinung wird dem Handel angeboten, und das Buch erscheint. Noch decken die Einnahmen nicht die Kosten für Projektentwicklung und Marketing.

    WachstumDie Markteinführung ist erfolgreich verlaufen, das Buch wird von den Lesern angenommen, die Medien berichten positiv. Der Absatz steigt, die Gewinne wachsen.

    ReifeDer Absatz ist möglichst lange hoch, schwächt sich aber zunehmend ab; eventuell erscheinen erste Konkurrenzprodukte. Um die Verkäufe auf diesem Niveau zu halten, muss wieder stärker in Marketing und Vertrieb investiert werden. Denkbar ist auch, #Lizenzen für günstigere Taschenbuch- oder Sonderausgaben zu vergeben oder diese selbst zu produzieren.

    AbsatzrückgangDer Markt ist gesättigt, der Absatz geht endgültig zurück, die Gewinne sinken. Eventuell läuft das Buch aus, um durch einen Nachfolgetitel ersetzt zu werden. Mit einer überarbeiteten Neuauflage lässt sich der Titel vielleicht mit frischem Schub wieder in die Wachstumsphase zurückführen.

    Neuerscheinungen, die diese kritische Einführungsphase überstehen, haben gute Chancen, sich als Backlisttitel über einen langen Zeitraum zu verkaufen. Dabei helfen regelmäßige Erwähnungen in den Medien, den Titel am Laufen zu halten. Die Werbung setzt den Schwerpunkt nicht mehr auf den Inhalt, sondern nutzt hohe Auflagenzahlen oder positive Statements bekannter Medien und Persönlichkeiten, sogenannter Testimonials, als Verkaufsargumente. Über zusätzliche Absatzkanäle werden neue Käufer gefunden. Neuauflagen in veränderter Ausstattung, eventuell in Verbindung mit Preisanpassungen, können den Absatz ebenfalls ankurbeln.

    Aber selbst der beste Longseller hat irgendwann alle seine Käufer gefunden. Der Rückgang der Verkaufszahlen mag dabei langsam verlaufen, aber allzu oft wurde die Größe der Zielgruppe falsch eingeschätzt oder die Zielgruppe nicht erreicht. Auf keinen Fall darf der Verlag nun den Fehler begehen, einem veralteten oder schwachen Titel zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Denn diese Kapazitäten können produktiver für die Entwicklung neuer – hoffentlich erfolgreicherer – Projekte eingesetzt werden.

    Programmportfolio

    Der Produktlebenszyklus zeigt zwar, wie sich ein einzelner Titel entwickelt, er gibt jedoch wenig Aufschluss über die Positionierung des Gesamtprogramms. Mithilfe einer einfachen Matrix, die von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group entwickelt wurde, lassen sich Marktanteile und Wachstumschancen anschaulich darstellen:¹³

    BCG-MATRIXDieses Modell beruht auf der Portfoliotheorie der Finanzwirtschaft aus den 1950er Jahren, bei der es um eine Zusammenstellung unterschiedlicher Anlagemöglichkeiten zur Risikominimierung geht. 1968 wurde sie vom Gründer der Boston Consulting Group Bruce Henderson vorgestellt und ist noch immer ein wichtiges Werkzeug der Strategieentwicklung. Das Modell berücksichtigt nicht das Potenzial schrumpfender Märkte, wie sie für Teile des Verlagsgeschäfts typisch sind.

    Fragezeichen(›Question Marks‹) befinden sich oft in der Einführungsphase und besitzen einen geringen Marktanteil in wachsenden Märkten. Wie sie sich entwickeln werden, lässt sich schwer abschätzen. Um den Marktanteil auszubauen, sind Investitionen in Marketing und Vertrieb notwendig.

    Stars(›Stars‹) weisen hohe Wachstumsraten und einen hohen Marktanteil auf. Um Marktanteil und hohes Wachstum zu halten, sind weitere Investitionen in Marketing und Vertrieb nötig. Bei kontinuierlicher Programmpflege entwickeln sie sich oft zu Melkkühen.

    Melkkühe(›Cash Cows‹) sind eingeführte und erfolgreiche Titel. Sie habe geringe Wachstumsraten, verursachen kaum Kosten, bringen aber hohe Umsätze und Gewinne – ein Glücksfall für jeden Verlag.

    Boston-Matrix

    •Lahme Hunde(›Poor Dogs‹) sind Problemtitel ohne Zukunftsperspektive: Der Markt ist gesättigt, der Verkauf rückläufig, im besten Fall spielen sie ihre Kosten ein. Der Verlag sollte sie aufgeben – es sei denn, sie dienen der Autorenbindung oder leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu Image und Profil des Verlags.

    Eine optimale Programmstruktur weist möglichst keine lahmen Hunde auf, dafür sollten Stars und Melkkühe etwa 80 Prozent des Umsatzes ausmachen. Für jeden Programmbereich eines Verlags stellt sich also regelmäßig die Frage nach der eigenen Position: Wie hoch ist der Marktanteil? Gibt es ein Wachstum? Welche Investitionen in Marketing und Vertrieb oder in Aktualisierungen und Neuauflagen sind notwendig?

    Neuerscheinungen sind teuer, denn neben der Produktion verschlingen vor allem die Werbemaßnahmen zur Markteinführung viel Geld. Eine erfolgreiche Verlagspolitik richtet deshalb das Augenmerk nicht allein auf die Novitäten, also die Frontlist, sondern auch auf die Pflege der Backlist. Gerade Wissenschaftsund Fachverlage, die selten schnell verkäufliche Bestseller im Programm haben, sind auf die Langlebigkeit ihrer meist hochpreisigen Bücher angewiesen. Als problematisch erweist sich die sogenannte Midlist: inhaltlich solide, aber mit geringem Aufwand produzierte Werke, vor allem Reihentitel, von (noch) wenig bekannten Autoren mit mittelmäßigem Absatzpotenzial und geringem Marketingbudget. Der Handel listet solche Titel nur zögerlich, und so rechnen sie sich oft erst, wenn sie sich doch besser als erwartet verkaufen oder wenn sie durch Sponsorings, Druckkostenzuschüsse, Sonderverkäufe oder Eigenvermarktung seitens der Autoren gestützt werden.

    BESTSELLERBücher, die sich überdurchschnittlich verkaufen, was sich in einem hohen Ranking in den einschlägigen Bestsellerlisten niederschlägt. Im Handel werden sie prominent platziert und oft durch intensive Marketingmaßnahme unterstützt.

    Programmpflege bedeutet nicht bloß, ein Buch lieferbar zu halten, sondern ihm regelmäßig neuen Schub zu geben: mit einem neuen Cover, einer aktualisierten Neuauflage, einer besonders günstigen oder einer besonders hochwertig ausgestatteten Sonderausgabe oder einer Werbeaktion. Das hält die Melkkühe lange bei Laune. Programmpflege heißt aber auch, schlecht verkäufliche Titel aus dem Programm zu nehmen oder Reihen einzustellen.

    Programmanalyse

    Die regelmäßige Analyse des eigenen Verlagsprogramms hilft, rechtzeitig zu erkennen, welche Themen, Reihen oder Programmsegmente im Trend liegen und welche keine Zukunft besitzen. Sie zielt auf eine bewusste Planung und Gestaltung des

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