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Cyrillo
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Cyrillo

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About this ebook

Jenn ist CIA-Agentin und undercover hinter diesem mysteriösen Cyrillo her. Es geht um Geld - extrem viel Geld. Wüßte ihr Boss was sie antreibt und wie tief sie in die Sache verstrickt ist, hätte er sie längst von dem Fall abgezogen.
Sie ist sich ihrer Sache sicher und sie braucht niemanden. - Oder vielleicht doch? - Wird ihr dieses eine Mal ihre Eigenbrötlerei zum Verhängnis?
LanguageDeutsch
PublisherTWENTYSIX
Release dateJan 18, 2021
ISBN9783740704148
Cyrillo
Author

Gisi von Sima

Gisi von Sima - geboren 1965 an der hessischen Bergstraße, lebt mit Ehemann und Sohn im vorderen Odenwald. Aufstehen? ... Wozu? ist ihr erster veröffentlichter Roman.

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    Book preview

    Cyrillo - Gisi von Sima

    Ein Wort zur Zeichensetzung:

    Vor unglaublich vielen Jahren habe ich in der Schule sämtliche Komma- und Zeichensetzungsregeln gelernt und sie auch ziemlich gut beherrscht. Dann kam eines Tages jemand auf die Idee sie zu ändern.

    Was früher richtig war, war plötzlich falsch und was früher falsch war, war plötzlich richtig.

    Tja, was nun? Sollte ich jetzt tatsächlich noch einmal ganz von vorne anfangen und alles neu lernen?

    Was wenn dann wieder irgendwer beschloss das Ganze zu reformieren? Was wenn dann das was früher falsch war und dann richtig plötzlich wieder falsch war und das was früher richtig war und dann falsch plötzlich wieder richtig oder falsch?

    Da ich manchmal genauso bockig sein kann wie Jenn (ihr lernt sie gleich noch kennen), habe ich mir die ‚künstlerische Freiheit‘ genommen, meine eigenen Regeln aufzustellen und die Zeichen dahin zu setzen, wo ich sie am sinnvollsten halte. Ich hoffe Ihr, meine lieben Leser, kommt damit klar und verzeiht mir mein Rebellentum.

    Inhaltsverzeichnis

    NEW YORK, USA, 11. NOVEMBER 2016

    EIN MONAT SPÄTER : ZÜRICH, SCHWEIZ, 7. DEZEMBER 2016

    2 1/2 MONATE SPÄTER : WASHINGTON D.C., USA, 25. FEBRUAR 2017

    2 WOCHEN SPÄTER : US MILITARY BASE, PESCHAWAR, PAKISTAN 14. MÄRZ 2017

    3 TAGE SPÄTER : ANNANDALE, VIRGINIA, USA, 18. MÄRZ 2017

    2 TAGE SPÄTER : WASHINGTON D.C., USA, 20. MÄRZ 2017

    RÜCKBLICK 10 MONATE FRÜHER : JETTY SPRINGS, USA, 19. MAI 2016

    GEGENWART : WASHINGTON D.C., USA, 21. MÄRZ 2017

    2 TAGE SPÄTER : CHIGACO, ILLINOIS, USA, 28. MÄRZ 2017

    AM SELBEN TAG : JETTY SPRINGS, USA, 28. MÄRZ 2017

    Chicago, Illinois

    NEW YORK, USA,

    11. NOVEMBER 2016

    Michael da Silva verließ die Bar gegen Mitternacht. Sie hatten heute einen lange vorbereiteten Deal abschließen können und richtig Kohle gemacht, das mußte gefeiert werden. Die Zeiten waren schwieriger geworden an der Wallstreet, das 'Große Geld' über Nacht war nicht mehr so einfach zu machen wie früher. Man mußte hart dafür arbeiten und Geduld aufbringen. Das Team hatte dringend einmal wieder ein Erfolgserlebnis gebraucht. Mike hatte das Gefühl, dass das gerade noch rechtzeitig passiert war, bevor die Ersten das Handtuch geworfen hätten. Er war müde und fühlte sich ausgelaugt. Er hatte nicht einmal das Verlangen verspürt, eine der Kolleginnen anzubaggern und sie dazu zu bewegen, mit ihm nach Hause zu kommen.

    Äußerst bedenklich! Sollte er sich Sorgen machen?

    Er blieb kurz auf dem Gehweg stehen und atmete die frische Nachtluft ein. Dann überlegte er - Subway oder Taxi? Er entschied sich dafür ein Stück zu gehen, die frische Luft tat gut. Er bog nach Osten in die 54. Straße ein, da packte ihn eine starke Hand und zog ihn unsanft in eine dunkle Einfahrt.

    Komm einfach mit, dann wird Dir nichts geschehen, raunte eine weibliche Stimme nahe an seinem Ohr.

    Er schlug nach der Angreiferin, machte sich frei und rannte los. Aber er kam nicht weit. Sie war schneller, stärker und wie es schien wesentlich vertrauter mit solchen Situationen.

    Wie Du willst, dann eben so, hörte er die Stimme sagen, dann wurde es dunkel.

    ***

    Als er wieder zu sich kam, fand er sich lange ausgestreckt auf einem Bett. Vorsichtig begann er sich umzusehen. Das große Bett stand direkt vor einer Fensterfront durch die er auf das nächtliche Manhattan schauen konnte. Sein Kopf dröhnte, er hatte Schwierigkeiten sich zu orientieren. Er ließ den Blick durch das Zimmer schweifen und sah jemanden in dem Sessel neben dem Bett sitzen. Er sprang auf.

    Tun Sie das nicht Mr. da Silva. Ihr Kopf wird es Ihnen krumm nehmen, hörte er die ihm schon bekannte weibliche Stimme sagen und sie hatte Recht, sein Kopf drohte zu zerspringen. Er legte sich wieder hin und presste die Hände an die Schläfen.

    Wer sind Sie? Wo bin ich? Was wollen Sie von mir?, stammelte er angestrengt.

    Die Frau stand auf, nahm ein Glas Wasser vom Tisch und brachte es ihm ans Bett.

    Hier trinken Sie das, es wird die Kopfschmerzen etwas mildern.

    Als er sie argwöhnisch betrachtete und keine Anstalten machte, das Glas entgegenzunehmen, fügte sie hinzu: Es ist normales Leitungswasser mit einer Aspirin darin. Wenn ich Sie umbringen wollte, hätte ich nicht damit gewartet bis Sie wieder aufwachen.

    Er nahm das Glas und trank es in einem Zug aus, dann setzte er sich auf und sah die Frau fragend an. Sie hatte ihr pechschwarzes langes Haar am Hinterkopf zu einem unordentlichen Dutt zusammen genommen, das Tank-Top, das sie trug, ließ den Blick auf ein farbiges, kleines Tattoo auf ihrer Schulter nahe der Halsbeuge frei. Als sie bemerkte, dass er es betrachtete, nahm sie einen Pullover vom Stuhl und zog ihn über.

    Mike nahm das alles nur verschwommen am Rande wahr, er hatte ganz andere Sorgen. Sein Gehirn versuchte eine Erklärung für die Situation zu finden, in der er sich befand.

    'Was war das hier? War er gekidnappt worden? Warum? Wieso er?'

    Er ging seine letzten Transaktionen durch. Ja klar, es ging um viel Geld - immer - aber er konnte keinen Grund erkennnen, warum jemand sauer auf ihn sein sollte.

    Privat? Spielschulden? Eifersüchtige Ehemänner?

    Naja, er war kein Heiliger, aber gerade in letzter Zeit war eigentlich alles glatt und unauffällig gelaufen. So sehr er sich auch bemühte, er konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen.

    Was soll das alles?, fragte er schließlich, Warum bin ich hier?

    Bevor seine Bewacherin antworten konnte, kam ein Mann mittleren Alters mit dunklem Vollbart ins Zimmer. Er blieb an der Tür stehen, warf einen kurzen Blick auf Michael da Silva und wies dann die Frau mit einer knappen Kopfbewegung an, ihm nach draußen zu folgen. Als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, fragte er:

    Ist das der Kerl?

    Ja.

    Hast Du dafür gesorgt, dass er nicht vermisst wird?

    Sie nickte. Er hat gerade einen großen Deal abgeschlossen. Sein Umfeld wird problemlos akzeptieren, dass er nach all dem Stress in letzter Zeit eine längere Auszeit nehmen will. Ich denke, ich habe uns genug Zeit verschafft, bis sie misstrauisch werden.

    Gute Arbeit, sagte der Mann mit einem leichten Zucken des Mundwinkels. Jeder, der ihn kannte, wusste, dass das das höchste Zeichen von Anerkennung war, das man von ihm erwarten konnte. Aber diesmal setzte er sogar noch eins drauf und sein Gesicht verzog sich tatsächlich für einen kurzen Moment zu einem kleinen Lächeln. Er schien sichtlich zufrieden mit dem Lauf der Dinge zu sein. Er ging näher an die Frau heran und legte ihr seine Hand auf den Rücken.

    Wenn er jetzt noch entsprechend abliefert, könnte das Deine Eintrittskarte an die Spitze der Organisation sein.

    Könnte?, erwiderte die Frau und trat einen Schritt zurück, offensichtlich nicht sehr beeindruckt von seinem Lächeln. Das war der Deal - ich besorge Euch den Typen, dafür werde ich 'Cyrillo' - oder etwa nicht? Sie schaute ihm mit festem Blick in die Augen, signalisierend dass auf diese Frage nur eine Antwort die Richtige war.

    Es wird eine Wahl stattfinden, sagte der Bärtige und erwiderte ihren Blick. Er war es gewohnt, das Alphatier im Raum zu sein und als solches behandelt zu werden. Die Tatsache, dass diese Frau das einfach ignorierte und ihm selbstbewußt entgegentrat, turnte ihn unglaublich an. Er sah es als willkommene Herausforderung inmitten der schon langweilig gewordenen Unterwürfigkeit, die ihm normalerweise entgegenschlug, und er freute sich jetzt schon darauf, dieser scharfen Kleinen zu zeigen, wer der Herr im Haus war.

    Ich kann Dich vorschlagen, fuhr er fort, den Rest musst Du selbst übernehmen. Du musst Sie von Dir überzeugen.

    Sie werden tun, was Du ihnen sagst.

    Der Mann grinste selbstgefällig. Möglich, sagte er nur und wurde dann sofort wieder ernst, Jetzt müssen wir uns aber zuerst einmal um ihn kümmern. Er nickte in da Silvas Richtung. Die Schweizer sind angepisst, weil ich ihren Mann eliminieren musste. Sie werden leicht panisch, wenn sie ein paar Tage länger auf der Kohle sitzen bleiben. Ich hoffe, Dein Mann versteht sein Geschäft genauso gut wie der Letzte.

    Besser, die Frau grinste ebenfalls und fügte ironisch hinzu, ich habe den Besten ausgesucht. Ich weiß, darunter tut Ihr es nicht.

    Wir werden sehen, der Bärtige hob die rechte Augenbraue, Weiß er schon, was er zu tun hat?

    Nein, er ist gerade erst wieder aufgewacht.

    Dann sollten wir ihn erleuchten. Er muß gleich morgen früh an die Arbeit gehen.

    Sie gingen zurück in das Schlafzimmer und blieben vor dem Bett stehen.

    Da Silva blickte von einem zum anderen und wartete. Schließlich sagte der Mann ohne sich mit unnötigem Vorgeplänkel aufzuhalten: Mr. da Silva sie werden für uns ein paar Geldtransfers tätigen, so dass die Summe nicht mehr eindeutig auf das Ursprungskonto zurückgeführt werden kann. Ich bin sicher, Sie wissen was ich meine.

    Michael stand auf.

    Sie wollen, dass ich Geld für Sie wasche? Auf gar keinen Fall!

    Der bärtige Mann zog eine Pistole und richtete sie auf da Silva.

    Das war keine fromme Bitte, das war ein Befehl, knurrte er, Wenn Sie nicht tun, was wir Ihnen sagen, wird es ungemütlich für Sie.

    Michael versuchte seinen verwirrten Kopf zu sortieren. Ein Teil von ihm sagte, dass das hier ernst war und er Angst haben sollte, aber irgendwie wußte das der andere Teil von ihm noch nicht.

    Wie stellen Sie Sich das vor?, fragte er. Seine Stimme zitterte nur leicht. Wie soll ich das tun?

    Keine Ahnung, Sie sind der Fachmann. Benutzen Sie die Infrastruktur Ihres Arbeitgebers.

    Ich kann die Konten der Bank nicht nutzen, ohne dass es bemerkt wird. Wie soll ich das erklären?

    Der Mann drückte Michael die Pistole an die Schläfe. Tja Mann, das ist Ihr Problem. Aber Sie sind doch ein schlauer Kopf, ich bin sicher, Ihnen fällt etwas ein.

    Und wenn nicht?, fragte Mike in aufmüpfigem Ton. Offensichtlich machte der noch anhaltende Alkoholpegel ihn mutiger, als es gut für ihn sein konnte. Vielleicht hatte auch die Art, wie die Frau mit ihm gesprochen hatte damit zu tun. Obwohl sie ihn entführt und ihm offensichtlich eins übergebraten hatte, klang ihre Stimme eher wohlwollend und irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie ihn im Ernstfall verteidigen würde.

    Der Bärtige war Michael allerdings nicht so wohlgesonnen. Er holte aus und schlug ihm mit der Rückseite der Hand, in der er die Waffe hielt, ins Gesicht.

    Spielen Sie hier nicht den starken Mann, sagte er grob, wenn Sie Probleme machen, jage ich Ihnen eine Kugel in den Kopf. Es ist unsere Spezialität, Leute verschwinden zu lassen. Einfach so.

    Er wandte sich der Frau zu.

    Erkläre ihm seine Optionen. Er scheint noch Verständnisprobleme zu haben, sagte er knapp und verließ den Raum.

    Die Frau kam näher auf Michael zu, der nach dem erneuten Schlag benommen auf dem Rücken lag. Mit verschränkten Armen blieb sie vor ihm stehen und sah ihn kopfschüttelnd an.

    Er meint es ernst. Er hat schon Leute aus erheblich weniger offensichtlichen Gründen erschossen. Tun Sie einfach Ihren Job und reizen Sie ihn so wenig wie möglich. Das ist mein Rat.

    Michael tastete mit der Hand nach seinem rechten Mundwinkel. Er blutete leicht.

    Meinen Job? Wer ist er? Wer sind Sie?

    Und vor allem, fragen Sie nicht so viel, fügte die Frau unbeeindruckt hinzu, das Wesentliche ist, dass wir wissen wer Sie sind. Lassen Sie die Ziererei. Tun Sie einfach was Sie sonst für Ihre guten Kunden oder sich selbst tun. Wir haben Sie nicht zufällig ausgewählt.

    Michael da Silva nickte. Das hatte er schon befürchtet. Wie es aussah, musste er sich wohl in sein Schicksal fügen. Er setzte sich auf und sah die Schwarzhaarige mit zusammengekniffenen Augen an.

    Wer garantiert mir, dass Sie mich nicht abknallen, wenn die Transaktion abgeschlossen ist?

    Die Frau sah ihm in die Augen und erwiderte dabei ungerührt: Niemand. Das Restrisiko müssen Sie wohl eingehen. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem leichten Grinsen und mit Ironie in der Stimme fügte sie hinzu: Lebe jeden Tag so als wäre es Dein Letzter! In Ihrer Situation bekommt sogar dieser abgedroschene Satz wieder irgendwie Sinn.

    Michael schaute sie entsetzt an. Es war, als würde er plötzlich den Ernst seiner Lage erkennen. Sie konnte sehen, dass er Angst hatte.

    Machen Sie Sich mal nicht ins Hemd, sagte sie schließlich, wenn Sie Ihren Job vernünftig abwickeln, gibt es keinen Grund, Sie aus dem Weg zu schaffen. Was wollen Sie denn tun, das uns gefährlich werden könnte? Wollen Sie zum FBI laufen und sagen 'Hey, die haben sich unerlaubt meiner hochentwickelten Geldwäscher-Fähigkeiten bedient.' Was glauben Sie, was die dann tun würden? Sagen Sie mir wenn ich falsch liege, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht in Ihrem Interesse ist, das Bureau in Ihren Büchern rumschnüffeln zu lassen.

    Michael hatte dazu nichts zu sagen.

    EIN MONAT SPÄTER

    ZÜRICH, SCHWEIZ,

    7. DEZEMBER 2016

    Ich muss das Geld zurückholen. Wenn es nicht bis heute Abend 18 Uhr auf dem Konto ist, fliegen wir auf.

    Vom Konferenzraum des Bankhaus Bielmeyer hatte man einen herrlichen Blick auf den See und das in der Schweiz allgegenwärtige Alpenpanorama im Hintergrund. Allerdings schenkten die vier Herren in ihren teuren maßgeschneiderten Anzügen, die sich hier zusammengefunden hatten, der Aussicht keinerlei Beachtung.

    Die Stimmung war angespannt. Der blonde, hagere Mitvierziger, der gesprochen hatte, spielte nervös mit seinem Kugelschreiber. Sein Gegenüber, etwas jünger und mit dunklem Vollbart, ergriff das Wort und sagte mit düsterer Miene: „Was ist das Problem? Ich dachte diese Nazi-Konten liegen brach und keiner kümmert sich darum?"

    Ja, normalerweise ist das auch so, erwiderte der Blonde, aber zum Ende des Jahres werden alle Kontoabschlüsse automatisch vom System erstellt, auch für die Konten, die keinen Umsatz hatten.

    Wir haben gerade mal Anfang Dezember, warf der Andere ein.

    Stimmt, aber der Vorstand hat gerade beschlossen, dass aufgrund des hohen Aktivitätsvolumens zum Jahresultimo alle Buchungen, die in irgendeiner Form vorgezogen werden können, schon morgen laufen sollen. Dazu gehören natürlich auch die nachrichtenlosen Konten, da es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass damit in den verbleibenden Tagen diesen Jahres noch etwas passieren wird.

    Hm, ich will ja nicht meckern, aber, der Bärtige lehnte sich etwas in seinem Sitz vor, hätte man dieses Problem nicht vorhersehen können? Ich meine, selbst wenn dieser Beschluss, die Buchungen vorzuziehen, nicht gekommen wäre, hätte es bis zum Jahresende knapp werden können. Warum sind wir dieses Risiko eingegangen?

    Sie haben natürlich recht, stimmte der Andere zu, Die Kontoabschlüsse zum Jahresultimo sind nicht überraschend. Was überraschend kam, war die Zinspolitik der Zentralbanken und die damit verbundene Talfahrt an der Börse. Der Plan war eigentlich, die Papiere schon vor Wochen abzustoßen, aber uns ist die gewünschte Gewinnspanne weggebrochen und so mussten wir zuwarten, bis der Markt sich wieder beruhigt.

    Sichtlich genervt ließ sich der Dunkelhaarige in seinem Sessel nach hinten fallen.

    Was heißt das in konkreten Zahlen? Von wieviel Verlust reden wir hier?

    Kein Verlust. So gravierend sind die Einbußen glücklicherweise nicht. Der Plan war mit zwanzig Millionen Gewinn herauszukommen und dann das Kapital auf die Ursprungskonten zurückzuführen. Die Fonds, in die wir investiert haben, liefen zu Anfang gut und wir hatten unser Ziel schon mehr als erreicht, als schließlich der Crash dazwischen kam und unseren Gewinn fast halbiert hat, bevor wir ihn realisieren konnten.

    Er wandte sich an den Kollegen zu seiner Rechten.

    Simerski, haben Sie die genauen Zahlen?

    Ja, einen Moment, Simerski blätterte kurz in seinen Unterlagen, per heute morgen 9.30 Uhr beträgt der erwirtschaftete Überschuss genau 12.786.475,36 Franken.

    Der Bärtige sprang auf und hieb mit der flachen Hand auf die Tischplatte.

    Verdammt! Verkaufen Sie den Schrott bevor der Kurs noch weiter fällt und wir noch mehr verlieren. Übernächsten Monat brauche ich zehn Mio für den 'Global Warming Opfer Fund'. Es wird Zeit, dass wir mal wieder unser soziales Gesicht zeigen, sonst rückt uns die Steuerbehörde auf die Pelle. Sie planen eine Wohltätigkeitsgala, an der wir den Scheck des, er machte eine große Bewegung mit beiden Händen und verdrehte höhnisch die Augen, mysteriösen, anonymen Spenders medienwirksam übergeben können.

    Er überlegte einen Moment, dann fuhr er fort.

    Dann bekommen die eben nur fünf Millionen, sonst lohnt die Sache nicht für uns. Er erhob sich und wedelte ungeduldig mit der Hand in Richtung des Blonden. Regeln Sie das!

    Mit Verlaub, erwiderte der und blieb ruhig sitzen, das liegt außerhalb Ihrer Befugnis. Das muss der Cyrillo entscheiden.

    Ihre Blicke kreuzten sich. Die Augen des Bärtigen verengten sich zu schmalen Schlitzen, wie bei einer Raubkatze, die sich zum Sprung bereit macht. Im letzten Moment schien er jedoch seinen Zorn, der sich offensichtlich in ihm ausgebreitet hatte, unter Kontrolle zu bekommen.

    Er ging einen Schritt rückwärts und sagte in relativ ruhigem Ton: Ich bin sicher der Cyrillo wird der gleichen Meinung sein wie ich, aber wie Sie wollen, fragen wir ihn, er wandte sich an den Vierten im Bunde, Kessler, stellen Sie eine Verbindung her!

    Der Mann tat wie ihm geheißen und reichte das Phone an den Blonden weiter. Während dieser in kurzen Worten die Situation schilderte, trommelte der Dunkelhaarige ungehalten mit den Fingerspitzen auf dem Tisch. Obwohl er sich Mühe gab, seinen Frust zu verbergen, merkte man ihm die innere Anspannung an. Er war nicht gut darin, seinen Zorn zu unterdrücken. Warum sollte er? Das war etwas für Schwächlinge. Jeder, der sich seinen Zorn auf irgend eine Weise zuzog, sollte ihn gefälligst auch zu spüren bekommen. Aber er war nicht dumm, er wusste, dass er diese Banker brauchte und obwohl ihm diese ganze soziale 'Cyrillo-Scheiße' unglaublich auf die Nerven ging, war er sich darüber im Klaren, dass er sich an die Regeln halten und das System bis zu einem gewissen Grad akzeptieren

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