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Reporter, Report
Reporter, Report
Reporter, Report
Ebook166 pages2 hours

Reporter, Report

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In diesem Buch diskutiert Thilo Koch viele spannende politische und gesellschaftliche Situationen der 70er Jahre, der Zeit in der das Buch veröffentlicht wurde. In Kombination dazu hinterfragt er die Aufgaben und Verpflichtungen der Reporter. Dazu benutzt er eine einfallsreiche Methode, denn er interviewt sich selbst in seiner Position als Fernsehjournalist und berichtet dabei von seinen Erfahrungen.-
LanguageDeutsch
PublisherSAGA Egmont
Release dateSep 9, 2019
ISBN9788711836453
Reporter, Report

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    Book preview

    Reporter, Report - Thilo Koch

    www.egmont.com

    Herr Koch, Sie haben eingewilligt, mir ein 144-Seiten-Interview zu geben und von Ihrer Arbeit zu berichten. Darf ich gleich mit einer brenzligen Frage beginnen?

    Ja.

    Waren Sie als Reporter einmal in Lebensgefahr?

    Ja, aber davon möchte ich nicht gleich am Anfang erzählen. Ein gutes Interview ist so ähnlich wie ein guter Boxkampf. Die Zuschauer mögen kein K. o. in der ersten Runde.

    Dann eine andere brenzlige Frage. Haben Sie sich bei Ihrer Tätigkeit als Reporter einmal richtig verliebt?

    Ja, aber ein gutes Interview hat stets etwas von einer Lovestory, und bei einer guten Lovestory dürfen sich die Partner nicht gleich in der ersten Szene in die Arme sinken.

    Sie wollen also auch diese Frage lieber später beantworten.

    Ja.

    Dann fangen Sie mit dem Thema an, das Sie für richtig halten.

    Wenn Sie erlauben: so sollte man ein Interview nicht führen. Der Interviewer muß schon wissen, was er will.

    Sind Sie als Reporter ‒ und Interviewer eigentlich manchmal etwas schulmeisterlich, Herr Koch?

    Ich hoffe nicht, aber wer kennt sich schon selbst ganz genau.

    Nun, wir wollen Sie in diesem Interview hier näher kennenlernen.

    Mich oder meine Arbeit und wie es »hinter den Kulissen des Fernsehens« aussieht?

    Man kann bei Ihrer Arbeit Person und Sache nicht voneinander trennen.

    Das stimmt.

    Dann möchte ich Sie jetzt fragen: Was war Ihrer persönlichen Meinung nach die beste Reportage, die Sie je gemacht haben?

    Diese Geschichte will ich Ihnen gern erzählen. Gern? Nun ja, es war eigentlich eine in doppelter Hinsicht traurige Geschichte. Stellen Sie sich vor: Ein Novemberabend in Washington. Es ist schon kühl und die Blätter fallen. Die Fenster des Weißen Hauses sind erleuchtet. Ich stehe mit meinem Kamerateam auf dem gutgepflegten Rasen vor dem Weißen Haus, aber schon innerhalb der Einzäunung, und warte.

    Sie haben den Präsidenten der Vereinigten Staaten erschossen, ein paar tausend Kilometer entfernt von hier, in Texas, in der Stadt Dallas. Ich bin total übermüdet, denn seit jenen verhängnisvollen Schüssen aus einem Gewehr mit Zielfernrohr, denen John F. Kennedy zum Opfer fiel, gab es kaum Schlaf. Ich saß stundenlang am Telefon und vor dem Bildschirm, und ein Anruf aus Deutschland jagte den anderen. Ich mußte für den Hörfunk berichten, hatte einen langen Artikel für meine Zeitung über den Fernschreiber gejagt, und natürlich wollte das Fernsehen zu Hause möglichst viel aus Amerika haben, denn das Attentat auf Kennedy hatte rund um die Welt einen schweren Schock ausgelöst, besonders auch in Deutschland. An diesem Novemberabend schien nichts Bemerkenswertes mehr zu passieren, und ich sagte zu meinem Kameramann Fritz, er möge sein Gerät zusammenpacken.

    Fritz Roland, in Wien geboren, aber schon als Kind mit den Eltern nach Amerika emigriert, war ein Veteran unseres Gewerbes. Er trug schon damals einen schwarzen Spitzbart und hatte stets einige Redewendungen parat, die uns allen viel Spaß machten. Sie fielen ihm immer dann ein, wenn die Lage total verfahren oder unsere Stimmung unter den Nullpunkt gesunken war.

    The whole Mischmasch war eine dieser Redensarten, eine Kombination aus Amerikanisch und Jiddisch-Deutsch. So sagte er denn auch jetzt zu seinem Assistenten Bill und dem Tonmops Andy: »Get your whole Mischmasch people, we’ll leave!«

    Aber dann sah er mich mit seinen traurig-verschmitzten dunklen Augen nachdenklich an und sagte zu mir: »Idon’t know, Thilo, irgendwas liegt hier noch in der Luft.«

    »Ja«, sagte ich, »Regen, Fritz.«

    In der Tat fing es nun auch an zu tröpfeln. Wir standen zwar unter einem der herrlichen großen alten Bäume, die das Weiße Haus in Washington umrahmen. Aber da sie nicht mehr allzu viele Blätter hatten, war das kein ausreichender Schutz.

    In diesem Augenblick hörten wir das Flop-Flop-Flop eines Hubschraubers über uns. Es war schon so dunkel, daß wir den Copter nicht mehr erkennen konnten, aber wir sahen seine Positionslichter und wußten sofort, daß er zum Landen auf dem White House Lawn, dem Rasenplatz hinter dem Weißen Haus, ansetzte.

    Ich trabte los. Fritz, Bill und Andy hatten in wenigen Sekunden ihr Gerät geschultert, und nach drei Minuten waren wir zur Stelle. Ungewöhnlich, daß um diese Zeit ein Hubschrauber hier ankam. Das mußte etwas Besonderes sein.

    Einen Teil des Nachmittags und des Abends hatten wir im Presseraum des Weißen Hauses darauf gewartet, ob irgendein Mitarbeiter des toten Präsidenten oder des Vizepräsidenten Lyndon Johnson, der schon im Flugzeug als Nachfolger vereidigt worden war, uns etwas Neues mitteilen würde. Vergeblich. Die Kollegen waren jetzt alle weg, und so standen nur ein paar Leute, einige in Uniform, einige in Zivil, hier auf dem Rasen, um den Helikopter zu empfangen. Einige Scheinwerfer waren aufgeflammt, und Fritz meinte, das Licht würde reichen für das hochempfindliche Schwarzweißmaterial, das er in der Kamera hatte.

    Vorsichtshalber ging ich in Position, Andy hatte mir schon das Mikrofon um den Hals gehängt, Bill stand bereit mit einer Handlampe, und der Regen war nicht zu schlimm.

    Der Helikopter hatte sanft aufgesetzt, der Rotor kam zum Stillstand; und das Triebwerk war abgestellt.

    »Look«, sagte Fritz, »the body.« Tatsächlich, sie hoben die Leiche des ermordeten Präsidenten aus dem Hubschrauber.

    »Kamera läuft«, sagte Fritz, und ich blickte in die Kamera und sprach in mein Mikrofon, was mir gerade einfiel.

    Die Situation läßt sich schwer beschreiben. Ich kann nicht leugnen, daß ich ergriffen war und, wie gesagt, auch übermüdet. Seit jenen Mittagsstunden des 23. November 1963 war ich pausenlos damit beschäftigt, mich mit diesem Attentat, seinen Hintergründen und seinen Folgen zu befassen. Aber hier, in diesem Augenblick, bewegte mich etwas anderes. Die Erschütterung brach durch, die Erschütterung darüber, daß ein junger Mann, an den sich in aller Welt so viele Hoffnungen knüpften, plötzlich dort in dem Sarg lag, tot. Es war die Erschütterung über die Familientragödie der Kennedys: Jackie und die beiden Kinder waren nun allein. Aber es war auch die persönliche Erschütterung, denn ich hatte diesen Präsidenten auf all seinen Auslandsreisen begleitet, wohl keine seiner wöchentlichen Pressekonferenzen versäumt, und obwohl er auch viele Fehler gemacht hatte, glaubte ich daran, daß er den seltenen Typ des Politikers verkörperte, der es ehrlich meinte, der klug und kraftvoll war, vorsichtig und friedfertig, ein Mann meiner Generation zudem, die am eigenen Leibe erfahren hatte, was Krieg ist.

    Die Scheinwerfer erloschen, die Männer mit dem Sarg waren im Weißen Haus verschwunden. Wir standen unter einem kleinen Vordach, Andy hatte das Tonband zurückgespult, und wir hörten ab, was ich gesagt hatte.

    »Knapp zwei Minuten«, sagte Andy. Fritz schaute mich an und ‒ soll ich es sagen? Nun gut, ich sage es: ihm standen Tränen in den Augen.

    »Get going people«, sagte Bill etwas rauher als nötig, packte Film und Tonband in die vorbereitete Blechbüchse, tat die Blechbüchse in den vorbereiteten Luftpostsack mit der großen leuchtendroten Aufschrift »Tagesschau« und rannte los. Alles kam jetzt darauf an, daß Bill noch ein Flugzeug nach New York erreichte und daß das Päckchen in New York schnell ins richtige Flugzeug nach Deutschland umgeladen wurde, damit die Reportage am nächsten Abend in der Tagesschau laufen konnte.

    Als ich zu Hause war, rief ich noch Erika an, meine Sekretärin, und bat sie, ein Kabel nach Hamburg zu schicken mit der Ankündigung der Reportage. Dann schlief ich zum erstenmal seit Tagen eine Nacht tief und fest durch.

    Ich will es kurz machen. Die Reportage wurde nie gesendet. Sie hatten in Deutschland alles vorbereitet, um das Material im Luftpostbeutel sofort aus der gelandeten Maschine zu holen, in den Entwickler zu stecken, auf den Schneidetisch zu bringen und in der 20-Uhr-Abendausgabe zu senden. Die Boeing aus New York war pünktlich, aber sie hatte den Beutel nicht an Bord. Irgend jemand in New York hatte es nicht fertigbekommen, die Sendung von der Maschine aus Washington auf die Maschine nach Deutschland umzuladen. Das aber war unsere einzige Chance gewesen. Einen Tag später war die Reportage sauer, weil dann bereits über die Beisetzungsfeierlichkeiten berichtet werden mußte. Kühl und geschäftsmäßig, wie so etwas beim Fernsehen ist und auch sein muß, wurde das Material, das dann irgendwann später doch noch eintraf, weggeworfen, weil man ja in den Archiven Zuwachsen würde, wenn man jede überholte aktuelle Story aufbewahren wollte.

    Fritz sagte »merde«, denn wenn er ganz wütend war, sprach er französisch. »This whole Mischmasch. . .« Er machte eine vielsagende Geste und knurrte noch: »Es war die beste Reportage, die wir je gedreht haben.«

    Herr Koch, das Weiße Haus, das ist so ein Begriff. Sie sagten, Sie hätten da auf dem Rasen des Weißen Hauses gefilmt, vorher im Presseraum gewartet. Darf denn ein normaler Sterblicher überhaupt in dieses Allerheiligste der amerikanischen Politik?

    Nun, man muß den richtigen Ausweis haben, einen sogenannten White-House-Paß, dann macht es gar keine Schwierigkeiten, in dem für die Presse offenen Teil des Gebäudes ein und aus zu gehen. Schwierig ist es, diesen White-House-Paß zu bekommen. Die spezielle Sicherungsgruppe der Geheimpolizei, die fürs Weiße Haus und für den Schutz des Präsidenten zuständig ist, kümmert sich erst einmal sehr genau um den Antragsteller. Man wird »gescreent«, wie es heißt, Erkundigungen zu Hause werden eingeholt, die deutsche Botschaft in Washington wird befragt, man muß einen sehr umfangreichen Fragebogen ausfüllen, Fingerabdrücke hinterlassen, wird in einer bestimmten Weise fotografiert, und erst nach einiger Wartezeit bekommt man dieses kleine Kärtchen, das dann allerdings wirkt wie ein Zauberschlüssel.

    Es hat mir gute Dienste getan nicht nur beim Betreten des Weißen Hauses, sondern auch dann, wenn ich militärische Anlagen besichtigen wollte, wenn ich Probleme mit dem sehr pingeligen amerikanischen Zoll hatte, wenn ich ein dringendes Telefongespräch durchbringen wollte und manchmal sogar, wenn ich nicht genug Geld bei mir hatte, um ein Fernschreiben direkt zu bezahlen, weil ich gerade die entsprechende Kreditkarte nicht bei mir hatte. Der White-House-Paß muß jedes Jahr erneuert werden. Ich habe meinen letzten als Erinnerung aufgehoben, obwohl er längst ungültig geworden ist, und es war in der Tat der wirksamste Ausweis, den ich je besessen habe.

    Im übrigen ist das Weiße Haus, jedenfalls Teile davon, durchaus auch für das Publikum zugänglich. Einige der Repräsentationsräume im unteren Stockwerk sind eine Art nationales Museum, und zu bestimmten Stunden kann man, von uniformierten Wächtern begleitet und geleitet, auch als normaler Bürger und ohne nach einem Ausweis gefragt zu werden, durchpilgern.

    Der Präsident der Vereinigten Staaten ist neben seinen vielen anderen Funktionen auch so eine Art Ersatzmonarch, und der american citicen, der amerikanische Bürger, sieht sich in seinem Präsidenten repräsentiert. Man kann nicht gerade sagen, daß ein Kult mit dem Präsidenten getrieben wird, aber ein besonderer Respekt ist doch spürbar, der sonst keiner anderen Amtsperson in den USA entgegengebracht wird.

    Natürlich kann niemand den Präsidenten einfach anrufen, obwohl die Telefonnummer des Weißen Hauses im Telefonbuch von Washington vermerkt ist. Man gerät an eine Vermittlung, und die verbindet einen mit den zuständigen Stellen des weitverzweigten Regierungsapparats. Im Vorzimmer des Präsidenten bin ich jedoch häufig gewesen, denn das grenzt an die Räume des Pressesekretärs, und die sind für jeden akkreditierten Korrespondenten und Reporter immer offen. Man holt sich da seine Informationen, mündliche oder schriftliche, und man versammelt sich da, bevor man den Präsidenten auf irgendeiner seiner zahlreichen Reisen begleitet.

    Waren Sie jemals im berühmten Arbeitsraum des Präsidenten?

    Ja, dreimal. Einmal, als Konrad Adenauer dort eine Konferenz gehabt hatte und einige Reporter die abschließenden Shakehands beobachten, fotografieren und filmen durften. Ein zweites Mal, als Willy Brandt, damals noch Regierender Bürgermeister von Berlin, sich vom Präsidenten verabschiedete. Und ein drittes Mal, als der Präsident verreist war und wir die Erlaubnis bekommen hatten, für eine größere Fernsehreportage über den Regierungsstil in Washington Statements vor der Rückseite des Weißen Hauses zu drehen.

    Bei dieser Gelegenheit, es war ein heißer Sommertag und Mittagsstunde, kein Mensch war zu sehen, schlenderte ich auch einmal bis an die Tür, die vom Arbeitsraum des Präsidenten, dem berühmten Ovalen Zimmer, hinaus in den sogenannten Rosengarten führt. Die Tür war halb geöffnet, und ich konnte hineinschauen. Nach einer Minute aber trat aus dem Schatten ein schwarzer Polizist auf mich zu und sagte nur fragend: »Yes, Sir

    Er war über unsere Dreharbeiten informiert, wir

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