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Sprung in die Hölle
Sprung in die Hölle
Sprung in die Hölle
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Sprung in die Hölle

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About this ebook

Unter diesem Titel verbirgt sich eine groß angelegte Chronik des Erfolgsschriftstellers Will Berthold zum Zweiten Weltkrieg. In sieben Kapiteln werden Kriegsschauplätze behandelt, die für die Deutschen im Weltkrieg wegweisend werden sollten. Dem ganzen Buch den Titel gegeben hat das erste Kapitel, in dem die oft tödlich verlaufenden Absprünge der deutschen Fallschirmspringer auf Kreta eindringlich beschrieben werden. Andere Kapitel befassen sich mit dem Überfall auf Russland, der Niederlage bei Stalingrad oder den Kämpfen des Afrikakorps gegen die Briten in Nordafrika. In bewährt geschickter Form verknüpft der Autor Faktenzusammenstellung mit romanhaften Schilderungen, die den Leser in die Geschichten hineinziehen. Hautnah wird dem Leser vom Autor, der den Krieg selbst als Soldat erlebt hat, das Schicksal der Männer im Angesicht des Todes vor Augen geführt. Exzellente Recherche und große Emotionen machen das Buch zu einem bleibenden Leseerlebnis.-
LanguageDeutsch
PublisherSAGA Egmont
Release dateSep 28, 2018
ISBN9788711727201
Sprung in die Hölle

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    Sprung in die Hölle - Will Berthold

    www.egmont.com

    Sprung in die Hölle

    Im ersten Schatten des Abends sehen die dreimotorigen Flugzeuge aus wie Schwärme dunkler Aasgeier, die mit gebrochenen Schwingen auf ihren Opfern hocken. Pfiffe schallen über den verstaubten E-Flughafen Megara in der Nähe von Athen.

    Es ist der 19. Mai 1941 nach 21 Uhr.

    In mäßiger Eile quellen die Männer der dritten Kompanie des II. Fallschirmjägerbataillons aus den Zelten. An ihren roten Halstüchern erkennt man sie als Grüne Teufel. Mäßig ausgerichtet treten sie am Appellplatz in Linie zu drei Gliedern an.

    »Wir werden morgen früh auf Kreta abgesetzt«, gibt Oberleutnant Karsten den Einsatzbefehl. »Wir springen in ein englisches Zeltlager neben dem Flugplatz bei Malemes. Herrschaften, ich erwarte, daß ihr ausgeschlafen seid.« Der Kompaniechef verzieht das Gesicht. Der drahtige Offizier radiert das Lächeln gleich wieder aus seinem Gesicht: »Wenn wir diesen Flugplatz bis Mittag nicht genommen haben, sind wir im Eimer.« Sein Blick geht über die Front seiner Leute. »Wer soll das schaffen – außer uns.«

    Die Kompanie brüllt Zustimmung. Die Männer stehen nebeneinander, hundertfünfzig braungebrannte, sehnige Burschen. Die wenigsten von ihnen wissen, wo Kreta liegt, ob es eine Stadt ist, eine Insel oder ein Land, und manche hätten Kreta vor zehn Minuten noch für eine Frau gehalten.

    Die Kompanie tritt weg.

    »Na, endlich«, sagt der Gefreite Panetzky mit der Nickelbrille.

    Lärmend stimmen ihm die anderen zu. Endlich ist das blödsinnige Herumlungern auf dem durchglühten Feldflughafen vorbei. Schluß mit dem verdammten tintigen Rotwein, in dem sich Panetzky die Füße wäscht, finito auch die schäbigen Erlebnisse in der Athener Vorstadtkaschemme mit den zehn malerisch drapierten Mädchen.

    Und dann gibt’s Schnaps. Drei Flaschen pro Gruppe. Gleichzeitig erläßt der Spieß ein Trinkverbot, das er selbst nicht ernst nimmt. Bernhard Ramcke, der es vom Schiffsjungen zum Fallschirmjägergeneral bringen wird, gab ihnen die Devise: »Ihr dürft alles – nur euch nicht erwischen lassen.«

    Im rötlichen Glanz der sinkenden Abendsonne läuft die Kompanie auseinander, vorbei an Flugzeugen, an denen das Bodenpersonal schuftet. Behälter mit Waffen, Munition und Proviant werden angeschleppt.

    Es ist nicht mehr ganz so heiß, aber noch immer scheuern die Uniformen auf den schweißnassen Körpern. Man hat versäumt, den Grünen Teufeln leichte Tropensachen zu verpassen. Sie werden morgen mit derselben Ausrüstung über Kreta abspringen wie im Vorjahr über Narvik.

    Panetzky und Schöller erreichen gleichzeitig das Zelt. Sie knallen die Kochgeschirre mit dem Schnaps auf den Tisch aus Kistenbrettern, Schmidtchen ist damit beschäftigt, Aktfotos mit großer Sorgfalt von der Zeltwand abzumontieren.

    »Willst du sie mitnehmen?« fragt Panetzky.

    »Worauf du dich verlassen kannst, Kumpel«, antwortet der beste Jäger der Gruppe.

    Wolfgang Stahl, als Abiturient mit dem Spitznamen Professor versehen, kniet am Boden und werkelt an seinem Fallschirm.

    »Was machst du denn da?« fragt Panetzky lachend.

    »Sicher ist sicher«, brummelt der Professor und wird rot. Morgen ist sein erster Einsatz.

    »Der Herr Professor haben Schiß, was?« fragt Panetzky mit tückischer Sanftheit.

    Paschen erhebt sich langsam, richtet sich auf zu einer imponierenden Länge. »Halt’s Maul!« sagt der Mecklenburger gedehnt. Seine langen Flossen pendeln. »Ich hab’ jedesmal Schiß, daß dieses Scheißding nicht aufgeht. Aber wenn du meinst, daß ich keinen Mumm hab’…«

    Die Jäger richten den Brotbeutel, Pistolen, Magazine, Feldflaschen und Spaten zu säuberlichen Haufen zusammen. Erst dann gehen sie an den Schnaps. Er läuft ihnen durch die Gurgel wie der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

    Sie geben auch dem staksigen Mennler etwas ab, obwohl ihm gar nichts zusteht, da von jeder Kompanie dreißig Mann wegen Platzmangels in der Maschine Zurückbleiben müssen. Der Gefreite hockt herum wie ein Trauerkloß; zwar hat der Kompaniechef einfach bestimmt, wer mit in den Einsatz geht, aber Mennler empfindet es als Schimpf, am Sprung in die Hölle nicht teilnehmen zu können.

    Fallschirmjäger haben ihre besondere Moral, ihren eigenen Ehrenkodex. Sie kämpfen weniger, wie es in den Nachrufen heißt, »für Führer, Volk und Vaterland« als für das bunte Halstuch, das sie verbotswidrig tragen, und für die Privilegien, die sie sich anmaßen.

    Mennler, zum Beispiel, hat sich in einem Athener Kabuff mit ein paar Gebirgsjägern angelegt, die sich an seine blonde Mazedonierin heranmachen wollten. Es gab eine handfeste Schlägerei, und der Gefreite zog den kürzeren, aber ein deutscher Parachutiste gibt nicht auf, vor allem nicht bei einer Balgerei mit Männern von einem anderen Haufen. Mennler zündete eine Nebelkerze und zog Leine. Am nächsten Tag wurde nach dem Täter gesucht. Alle wußten um seine Heldentat, aber keiner verpfiff den Gefreiten. Die ganze Kompanie erhielt dafür Ausgehverbot, aber darum scheren sich die Grünen Teufel ohnedies wenig. Wenn sie Lust haben abzuhauen, gehen sie weg. Hauptsache, sie sind beim Wecken wieder da.

    »Nu schneid kein solches Gesicht, oller Nebelkerzenwerfer«, tröstet ihn Panetzky.

    »Halt’s Maul«, kontert Mennler.

    »Laß ihn in Ruhe«, sagt Paschen. »Aus einem traurigen Arsch kommt nie ein fröhlicher Furz.«

    Der Gefreite will dem Mecklenburger an die Gurgel fahren, aber die anderen treten dazwischen und raten dem aufgebrachten Mennler, zum Alten zu gehen, um doch noch zum Einsatz eingeteilt zu werden.

    Der Flugplatz kommt nicht zur Ruhe. Benzinfässer werden über die Startbahn gerollt, Kommandos schwirren durcheinander. Irgendwo plärrt ein Kofferradio: »J’attendrai – le jour et la nuit – j’attendrai toujours.«

    Oberleutnant Karsten und Leutnant Petri sitzen vor ihrem Zelt. Mechanisch sehen sie immer wieder auf die Armbanduhr. Mennler pirscht sich seitlich an die Offiziere heran, baut sich auf und grüßt: »Bitte Herrn Oberleutnant sprechen zu dürfen.«

    »Was gibt’s denn, Mennler?«

    »Bin morgen nicht zum Einsatz eingeteilt«, sagt der Junge und schluckt. »Ich kann das nicht auf mir sitzen lassen, Herr Oberleutnant. Ich will mit.«

    »Tut mir leid.« Der Kompaniechef zuckt die Schultern. »Mensch, sind Sie doch froh«, tröstet ihn Leutnant Petri. »Sie würden sich ja doch bloß den Fuß verstauchen.«

    Der Gefreite dreht sich um. Unmilitärisch. Wie in der Mädchenschule. Tränen schießen ihm über das Gesicht. Er will sie verbergen, aber da wird es bloß noch schlimmer.

    »Scheußlich ist das«, sagt der Oberleutnant zu Petri, »hab’ einfach dreißig Mann bestimmt. Kann ja schließlich nicht selbst zu Hause bleiben, damit noch einer von ihnen mitkommt.«

    Stunden später löst sich die Spannung.

    »An die Maschinen!« kommt das Kommando.

    »Rot scheint die Sonne«, grölen die Soldaten in den grauenden Morgen. »Fertiggemacht!« Lautstark und überzeugt singen sie ihr Lied: »Wer weiß, ob sie morgen uns auch noch lacht…«

    Morgen ist heute. Heute hat schon begonnen. Mit Klimmzügen ziehen sich die Fallschirmjäger an den Griffen in die Ju. Schwerbepackt. Einer hinter dem anderen, passieren sie die Hühnerleiter des Schicksals. Der Professor fühlt das Gewicht des Fallschirmsacks schwer im Rücken. Gutmütig haut ihn Schmidtchen, der perfekte Soldat, mit der flachen Hand ins Kreuz: »Nu los, mach schon!« Und auch Mennler ist mit von der Kreta-Partie als Ersatz für einen der eingeteilten Springer, der über Nacht eine Blinddarmentzündung bekam.

    Über das Flugfeld braust ein einziger Dauerton. Maschine auf Maschine springt an, speit Kaskaden schwarzer Qualmwolken über das Feld. Zwischen den Flugzeugen jonglieren motorisierte Feldküchen. Es gibt Kaffee mit Schnaps. Verhältnis zwei zu eins. Die Jäger drängen sich in die offene Tür, halten die Kochgeschirre hinaus. Ihre ausgestreckten Arme sehen aus, als griffen sie ein letztes Mal nach einem sicheren Halt.

    »Glückliche Reise!« lallt Panetzky.

    Und dann kommt die erste Panne: Der Massenstart platzt. Die Luftwaffe machte ihre Rechnung ohne den Sand. Jede Maschine wirbelt eine Dreckwolke auf, die den Start der nächsten für Minuten unmöglich macht. Es herrscht die Finsternis eines Sandsturms. Auf den anderen Feldflughäfen rings um Athen dasselbe Bild: Überall Sand, Verspätung auf Verspätung.

    »Wie wenn eine Ziege auf ein Trommelfell scheißt«, flucht Oberleutnant Karsten.

    Brummend schwebt die Ju in die Luft. Gleißend und strahlend bricht die Sonne durch die ausgehängte Tür in den Rumpf der Dreimotorigen. Eng nebeneinander sitzen die Männer am Boden. Unter ihnen die Küste Griechenlands. Dann das goldübergossene Mittelmeer.

    Die anderen Maschinen kurven ein, sammeln in befohlenen Lufträumen, sammeln verspätet. Ganze Geschwader von Jus tauchen am Himmel auf, ziehen dahin wie ein Schwarm langsamer Störche.

    An den offenen Türen stehen die Männer der Todeskommandos, winken einander zu, schneiden Faxen, lachen wie die Kinder.

    Auf einmal neigt sich die Ju auf die Seite. Sie zieht eine große Schleife. »Was ist denn los?« brüllt der Oberleutnant in die Kanzel.

    »Wir müssen anders anfliegen«, schreit der Pilot zurück. »Zuviel Feuerzauber. Die Tommies haben an der Nordküste ihre ganze Marine zusammengezogen.«

    »Das fängt schon hübsch beschissen an.« Der Kompaniechef grinst. »Wie fühlt ihr euch?«

    »Prima«, überschreien die Männer den Motorenlärm.

    Der Zeitplan gerät durcheinander. Der deutsche Angriff aus der Luft soll in zwei Wellen rollen, weil nicht genügend Transportmaschinen vorhanden sind. Die Formation verliert rasch an Höhe.

    Die Fallschirmjäger langen mechanisch nach den Haltegriffen. Das Meer unter ihnen trägt Schaumkronen. Kreta in Sicht. Gelb und verbrannt, sandig und verdorrt. Die Grünen Teufel rappeln sich hoch, starren auf das Land, das sich in wenigen Sekunden in ein Schlachtfeld verwandeln wird. Sand, nichts wie Sand, Steine und wieder Steine. Hügelwellen rauf, Hügelwellen runter.

    Plötzlich knallt es an allen Ecken und Enden. Die Männer werfen sich auf den Boden. Es klatscht kurz und trocken. Glas klirrt. Die Ju neigt sich über die Tragfläche. Leuchtspurmunition. Es knattert blödsinnig. Es hört sich an, als ob dumme Jungen Kieselsteine gegen die Metallwand werfen würden.

    »Das hält unser Schlitten aus bis ans Ende der Welt«, brüllt der Gefreite Mennler.

    »Die da unten brauchen wir nicht mehr aufzuwecken«, stellt der Kompaniechef trocken fest.

    Die Ju am linken Flügel trudelt mit brennenden Motoren in die Tiefe. Nur einer kommt heraus, löst sich wie ein dunkler Punkt. Aber der Schirm öffnet sich nicht. Der dunkle Punkt klatscht in den gelben Sand, bleibt breit und schwarz liegen, wie festgedrückt vom Daumen des Schicksals.

    Der Kompaniechef steht an der Tür. Neben ihm Paschen, der Absetzer. Das Boschhorn tutet. Der Oberleutnant springt als erster, dann Schmidtchen, dann Panetzky, dann die anderen. Stahl, der Professor, greift zweimal daneben, als er den Schnapphaken festmachen will. Paschen hilft ihm, gibt ihm einen Schwung. Stahl greift ins Leere. Er hört noch, wie ihm Paschen etwas nachschreit. Die Stimme dröhnt ihm noch in den Ohren. Er gleitet nach unten aus 100 Meter Höhe; Mennler folgt ihm.

    20 bis 30 Sekunden zwischen Himmel und Hölle. Der Kompaniechef ist der Erde am nächsten. Am dichtesten am Feind. Er starrt nach oben. Großartige Burschen: Die weißen Tupfen der Fallschirme blühen nebeneinander auf wie die Blumen eines enggebundenen Margeritenstraußes. Unten: die Zelte.

    Soldaten rennen durcheinander. Gestalten in Khakihemden. Noch 60 Meter bis zur Erde. Von der Erde knallt es dünn und meckernd herauf. In der Zeit zwischen Absprung und Aufkommen ist ein Fallschirmjäger hilflos. So lange hängt er wie tot – und mancher wirklich tot – am Schirm.

    Der Oberleutnant bringt die Maschinenpistole in Anschlag. Noch in der Luft fetzt er den ersten Feuerstoß in die Tiefe. Das macht ihm keiner nach. Er pfeift auf die Landung und platzt mitten in die olivgrüne Landschaft, um die khakifarbene Gestalten tanzen. Er landet auf den Beinen, kommt blendend auf. Abrollen, aufstehen. Die Gurte vom Schirm reißen. Eine einzige Bewegung. Schwein gehabt.

    Drei, vier, fünf Gestalten hasten auf ihn zu. Der Offizier steht breitbeinig da, die Maschinenpistole in der Hüfte.

    Scheppernd rasselt der Feuerstoß aus dem Lauf. Er bedient die MP, als sei er mit ihr aufgewachsen. Mit einem einzigen Stoß mäht er die Heranstürmenden um.

    Dann erst erkennt er das Fiasko: Nicht Tommies wollten ihn greifen, sondern Italiener, die ihm begreiflich machen, daß sie Kriegsgefangene sind.

    »Ihr Scheißkerle«, brüllt Karsten, »könnt ihr nicht früher eure weißen Rotzfahnen zeigen?«

    »Villen Dank, Kamerad, grazie tante«, stottert der Italiener.

    Es knallt und blitzt von allen Seiten. Das ist echter Gefechtslärm.

    »Los, ab!« brüllt der Kompaniechef seinen Männern zu. »Ihr drei hier ins Loch. Die anderen rechts. Munition sparen! Nur gezielt schießen!«

    Die Kompanie sammelt. Viele Verluste, doch keine Zeit zur Inventur. Auf dem rechten Flügel steht die Paschen-Gruppe. Granaten orgeln heran, krepieren im Sand, wirbeln Fontänen aus Dreck und Steinen auf.

    Leutnant Petri, der als letzter springen soll, hat ein Granatsplitter noch an Bord der Ju getroffen. Der erste Tote. Stahl, der Professor, pendelt am Fallschirm auf die Bäume zu, deren Äste sich wie Polypenarme nach ihm strecken. Der Schirm verheddert sich in der Krone. Der Junge hängt mit dem Kopf nach unten am Baum. Verzweifelt versucht er loszukommen. Er liegt im Feuer der Engländer. Querschläger zischen an ihm vorbei.

    Sinnlos versucht er, ihnen mit dem Kopf auszuweichen wie ein Schuljunge, der Ohrfeigen entgehen möchte.

    »Spruuuuuuuuuuuuung!« brüllt Paschen.

    Die Gruppe hetzt über die deckungslose Fläche, Richtung Olivenhain. Das Maschinengewehr klirrt an Schöllers Hüfte. Die Reserveläufe pendeln zwischen Panetzkys Beinen.

    »Lauf, du Arsch!« brüllt Panetzky dem gemächlicher zukkelnden Schützen I zu.

    Panetzky haut sich in Deckung, sucht seine Nickelbrille, setzt sie auf. In diesem Moment sieht er den Professor am Baum. Er verliert den Verstand, heult vor Wut, schreit, tobt, Schaum vor dem Mund. Er vergißt das taktische Ziel, hastet auf den Baum zu, in kurzen Sprüngen. Hinter ihm bauen Schöller und Mommer Lafette und MG zusammen. Eine Kugel klatscht ins Gestänge, reißt Mommer einen Fetzen aus dem Knochensack.

    Panetzky geht es zu langsam. Er springt auf, jagt auf den Hain zu, schlägt Haken wie ein Hase, haut sich unter den ersten Baum.

    »Hammel!« flucht Schöller. Er beißt die Zähne aufeinander, schießt, wie er noch nie geschossen hat, scharf an Panetzky vorbei, verschafft ihm Luft.

    »Ich komme!« brüllt Panetzky. Er ist am Baum, springt hoch, das Kappmesser in der Hand. Zwei-, dreimal versucht er es. Dann gibt er die Deckung auf. Zweige peitschen ihm ins Gesicht. Er säbelt an den Gurten. Links und rechts zischen die feindlichen Geschosse vorbei. Endlich fällt der Professor wie ein Sack zu Boden.

    Panetzky zieht ihn hinter den nächsten Stamm. Seine Wahnsinnstat reißt die ganze Gruppe mit. Karsten springt auf, schleudert Handgranate auf Handgranate. Er legt zwischen die beiden und den Feind eine Wand aus Granaten und Feuer.

    Panetzky beugt sich über Stahl.

    »Willi«, flüstert der Professor.

    Panetzky schluckt; in der nächsten Sekunde durchsiebt eine MG-Garbe seinen linken Oberschenkel.


    Es ist der 20. Mai, vormittags neun Uhr. Zu dieser Stunde stehen die Fallschirmjäger, aufgeteilt in drei Sturmgruppen, im Kampf gegen eine hoffnungslose Übermacht. Auf der 30 Kilometer breiten Insel soll die Gruppe West – zu ihr gehören Oberleutnant Karsten und seine Männer – den Flugplatz Malemes und die Höhe 107 nehmen. Die Gruppe Mitte ist auf die Hauptstadt Chanea, die Sudabucht und den Flugplatz Rethymnon angesetzt, und die Gruppe Ost hat den Befehl, den Flughafen Heraklion im Sprung zu erobern.

    Die fünftgrößte Insel des Mittelmeeres wird zur Hölle. Die eingezeichneten Flakstellungen entpuppen sich als Holzattrappen, dafür landen die Springer inmitten gutgetarnter Stellungen der in hektischen Vorbereitungen zur Festung ausgebauten Insel. Überall springen die Männer aus niedrigster Höhe. Mörderisches Abwehrfeuer empfängt sie. Viele fallen, bevor sie die Erde erreichen. Ganze Kompanien werden falsch abgesetzt. Freund und Feind verkeilen sich am Boden in Nahkämpfen.

    Während sie sich in die Erde krallen, fliegen die Jus – dank der Luftüberlegenheit gingen nur sieben Maschinen verloren – nach Athen zurück, um die zweite Welle heranzuschaffen. General Student ist noch immer in Athen. Er hat keine Funkverbindung zu seinen Männern, die in der Falle sitzen. Noch immer weiß er nicht, daß er die Lage viel zu optimistisch eingeschätzt hat.

    »In dichten Gruppen wurden die Springer über ihren Angriffszielen abgesetzt«, schreibt W. Haupt. »Sie sprangen an vielen Stellen mitten hinein in den abwehrbereiten Feind, der den Finger am Abzug hatte. Das hatte niemand erwartet. Viele Fallschirmjäger wurden bereits beim Niederschweben vom feindlichen Abwehrfeuer erfaßt und kamen auf der Erde tot oder verwundet an. In dem unübersichtlichen und meist dichtbewachsenen Gelände war es äußerst schwierig, die Waffenbehälter zu finden. Viele Behälter landeten in den Stellungen des Feindes, dem sie ein willkommener Zuwachs seiner Kampfmittel waren. An anderen Stellen wiederum verhinderten die Empire-Truppen durch konzentriertes Abwehrfeuer ein Bergen der Waffenbehälter, wenigstens bei Tage.

    Das III. Bataillon des Sturmregiments wurde schon während des Niederschwebens und der Landung von schwerem Abwehrfeuer getroffen. Das Bataillon, dessen Kompanien zudem weit verstreut abgesetzt wurden, erlitt hohe Verluste und war nicht mehr angriffsfähig…«


    Während Hitler auf die Schlacht um England konzentriert war, hatte dem Balkan, von jeher Europas Pulverfaß, die Explosion gedroht. Stalin nutzte Hitlers Kraftanstrengung im Westen, um seine Raubpolitik voranzutreiben. Das Baltikum war von ihm kassiert worden. Am 26. Juni 1940 hatte er an Rumänien ein Ultimatum gestellt, Bessarabien und die Bukowina an die Sowjetunion abzutreten. Hitler, der ohne Rumänien die deutsche Kriegsmaschinerie nicht ölen konnte – bei Kriegsbeginn hatte Großdeutschland über eine Reserve von 2,5 Millionen Tonnen Benzin verfügt, die synthetische Produktion ergab weitere 3,5 Millionen Tonnen, aber bereits im ersten Kriegsjahr benötigten Panzer, Flugzeuge und die übrigen Wehrmachtsfahrzeuge 11,5 Millionen –, fürchtete den Ausbruch eines sowjetisch-rumänischen Krieges und gab Bukarest den Rat, der Erpressung nachzugeben, um nicht vom Ölhahn abgeklemmt zu werden.

    Der billige Landerwerb der Russen machte nunmehr den Ungarn und Bulgaren Appetit auf rumänisches Gebiet. Der Konflikt drohte zum Waffengang zu werden; eine willkommene Gelegenheit für Rußland, sich das ganze Petroleumland einzuverleiben und dadurch Hitler wirtschaftlich in die Hände zu bekommen.

    Die Achsenmächte schafften am 30. August 1940 – unter dem Eindruck der an der Grenze aufmarschierten sowjetischen Divisionen – durch den sogenannten zweiten Wiener Schiedsspruch gewaltsamen Frieden, gegen den wiederum Moskau protestierte. Zu den »Brandenburgern« und den »Lehrtrupps«, die sich bereits in Rumänien aufhielten, kamen noch getarnte SS-Verbände, die General Ion Antonescu, dem Chef der profaschistischen »Eisernen Garde«, bei der Machtergreifung behilflich waren.

    Das widernatürliche Bündnis zwischen der Sowjetunion und Großdeutschland zeigte bald nach Hitlers noch geheimem Entschluß, die UdSSR zu überfallen, die ersten Risse. Trotzdem erklärte sich Stalin am 25. November 1940 bereit, dem Dreimächtepakt Deutschland-Italien-Japan beizutreten, falls die neuen Partner seine Landnahmen billigten. Moskaus treuherzige Brutalität brachte nichts, denn Hitler hielt sein rotes Pendant hin und arbeitete bereits am »Fall Barbarossa«.

    Die Lage auf dem Balkan war halb stabilisiert. Nicht die Russen, sondern Benito Mussolini, Hitlers Nachahmer, warf die Funken in das Pulverfaß. Er war eifersüchtig auf die militärischen Erfolge seines Achsenpartners und verärgert, weil er von Hitlers einsamen Entscheidungen niemals vorher in Kenntnis gesetzt worden war.

    Jetzt wollte Mussolini auf dem Balkan Beute machen.

    Obwohl der deutsche Diktator jede nachrichtendienstliche Tätigkeit in Italien untersagt hatte, bekam er Wind vom Tatendrang des Duce und verabredete sich schleunigst mit ihm in Italien. Als er in Florenz aus dem Zug stieg, wurde er von einem gleichziehenden Verbündeten empfangen. »Führer, wir marschieren!« begrüßte Mussolini seinen Gast. »Heute früh im Morgengrauen haben die siegreichen italienischen Truppen die albanisch-griechische Grenze überschritten.«

    Sie kamen nicht weit. Schon bei Hitlers Rückkehr nach Deutschland wurden die Rückschläge offenkundig. Schlimmer aber war, daß die englische Nahostarmee von Ägypten aus den bedrängten Griechen zu Hilfe kam, und das bedeutete: Krieg auf dem Balkan. Es drohte die Gefahr, daß die griechisch-englischen Truppen vom Süden her die traditionell deutsch-freundlichen Bulgaren angreifen und dann nach Rumäniens Schwarzem Gold greifen würden.

    Mitte Februar hatte Hitler in Rumänien eine Armee von 680000 Mann zusammengezogen. Am 28. überschritt sie die Donau und besetzte strategische Punkte in Bulgarien, das dem Dreimächtepakt »beitrat«.

    Die Jugoslawen, unter Druck gesetzt, folgten zögernd diesem Beispiel. Es kam, bevor Hitler noch Griechenland angreifen konnte, zu einem Aufruhr der Bevölkerung und einem Regierungssturz. Der deutsche Gesandte in Belgrad wurde von Aufgebrachten angegriffen und bespuckt. Hitler bekam einen seiner berüchtigten Wutanfälle und beauftragte Göring, Belgrad in rollenden Angriffen zu zerstören.

    Um seine Strafexpedition vornehmen zu können und die Engländer aus Griechenland hinauszuwerfen, verschob er die Operation »Barbarossa« zunächst um vier Wochen.

    »Diese Verzögerung des Angriffs auf Rußland«, konstatiert William L. Shirer, »war wohl die verhängnisvollste Einzelentscheidung in Hitlers Laufbahn. Es ist kaum übertrieben, wenn man feststellt, er habe damit seine letzte Chance vertan, den Krieg zu gewinnen.«

    Noch im gleichen Jahr werden Hitler die Generale vorrechnen, daß sie diese vier Wochen um den Sieg in Rußland vor Wintereinbruch gebracht hätten.

    Blitzkrieg auf dem Balkan. Er lief wie immer. Oder noch schneller. Am 6. April rollten – ohne Kriegserklärung – deutsche Panzer von Bulgarien und Ungarn aus gegen Jugoslawien und Griechenland. Gleichzeitig wurde Belgrad von Kampfflugzeugen angegriffen und in eine Trümmerwüste verwandelt; drei Tage und Nächte kreisten sie über der gequälten Stadt, die keine Luftabwehr besaß und Hitlers Unmenschlichkeit mit 17000 Toten bezahlte.

    Am 7. April war schon der Verkehrsknotenpunkt Skopje erreicht. Am 12. standen die Kampfwagen mit dem Balkenkreuz bereits vor Belgrad. Der Fall der Hauptstadt gab das Signal zum Auseinanderfallen des Vielvölkerstaates; die alten Gegensätze zwischen Serben, Kroaten und Slowenen brachen auf wie ein Geschwür. Kroatische Truppen meuterten; ganze Einheiten liefen geschlossen zum Gegner über. Am 15. April erreichten die Panzerspitzen Sarajewo; einen Tag später streckten 344000 jugoslawische Soldaten bedingungslos die Waffen.

    Die Griechen wehrten sich mit Todesmut; sie waren – wie ihnen Hitler bestätigte – die einzige Erdarmee, die den Stuka-Angriffen je standgehalten hatte. Sie verschanzten sich in der vorbildlich ausgebauten Metaxas-Linie, während ihre australischen und neuseeländischen Bundesgenossen aus ihren Stellungen am Olymp geworfen wurden und ihr Dünkirchen auf dem Balkan, die Verschiffung nach Kreta und Ägypten, unter weitgehender Zurücklassung des Kriegsmaterials vorbereiteten.

    Deutsche Fallschirmjäger sprangen bei Korinth ab, öffneten den Isthmus und den vorrückenden deutschen Truppen den Sperriegel bei den Thermopylen; diesmal gab es keinen Leonidas, der die Angreifer an der historischen Landenge aufhalten konnte. 50000 Mann englischer Truppen flüchteten im letzten Moment, mit König Georg II. von Griechenland. Am 27. April rückten deutsche Panzer in Athen ein. Auf der Akropolis wehte die Hakenkreuzfahne.

    »Was Mussolini den ganzen Winter über nicht gelungen war, erledigte Hitler im Frühjahr in ein paar Tagen«, schreibt in dem Buch »Geheime Kommandosache« William L. Shirer.

    »Trotz allen Stolzes auf seine Siege hatte Hitler weder begriffen, welchen Schlag sie für England bedeuteten noch wie verzweifelt die Lage des Empire war. Statt seine Erfolge im Mittelmeerraum zu nutzen, waren seine Gedanken schon wieder bei Rußland. ›Ob es späterhin möglich sein wird‹, erklärte er, ›die Offensive gegen den Suezkanal zu eröffnen und schließlich die Engländer aus ihrer Position zu vertreiben, kann nicht eher entschieden werden, als bis die Operation ,Barbarossa’ durchgeführt ist.‹

    Die Vernichtung der Sowjetunion kam zuerst; alles andere mußte warten. Das war, wie wir heute wissen, ein entscheidender Fehler. Hitler hätte in diesem Augenblick mit einem Bruchteil seiner Kräfte dem britischen Imperium einen schweren, vielleicht tödlichen Schlag versetzen können; aber das erkannte er nicht.«

    Der Blitzkrieg auf dem Balkan hatte auf deutscher Seite nur 1206 Gefallene, 3901 Verwundete und 548 Vermißte gekostet, doch General Kurt Student, der sich in Holland einen Kopfschuß geholt hatte, wußte, wie man die Zahl der eigenen Verluste in die Höhe treibt: Er schlug Hitler vor, mit seinen Fallschirmjägern Kreta oder Malta aus der Luft zu nehmen.

    Der Diktator schwankte zunächst mit der Entscheidung und dann zwischen beiden Inseln. Schließlich entschied er sich für Kreta, was von der günstigsten Position aus, vom Peloponnes, dem südlichen Griechenland, ein Sprung von 100 Kilometern auf die Insel war. Kreta hat eine Seefront von 260 Kilometern und Berge, die sich bis in 2500 Meter Höhe recken. Der Hauptangriff war im dichter besiedelten Nordteil vorgesehen. Im Mittelabschnitt gab es nur eine enge, steinige Bergstraße, die der Verteidiger Kretas später die »Via dolorosa« nannte, nachdem über sie der problematische Rückzug seiner Truppen erfolgt war.

    Hitler befahl, auch Gebirgsjäger von Kleinschiffen und Motorseglern mehr oder weniger heimlich – die Deutschen beherrschten den Luftraum, die Engländer das Meer – auf die Insel zu schaffen, die von dem neuseeländischen General Bernard Freyberg mit 10258 griechischen und 32382 Empire-Soldaten sowie der gesamten Mittelmeerflotte verteidigt wurde.

    Die deutsche Feindaufklärung war miserabel gewesen. Man nahm zwar an, daß Kreta von schlechten Soldaten überschwemmt sei, bedachte aber nicht, daß der Verteidiger, ein notorischer Kriegsheld, über Eliteverbände verfügte. Schon Wochen vor der »Operation Merkur«, wie der Tarnname des Inselsprungs lautete, hatten die Engländer den deutschen Code geknackt und alle Angriffsvorbereitungen in Klartext übersetzt.

    Freyberg kannte die Landestellen der Fallschirmjäger und brachte seine Truppen in die entsprechenden Positionen. Was ihm fehlte, waren Flugzeuge. Man hatte sie, der befürchteten Invasion wegen, nach Ägypten geschafft und die Flugplätze weitgehend zerstört, um sie für die Deutschen unbrauchbar zu machen. Schwerpunkte von Angriff wie Verteidigung lagen auf dem Westteil der Insel bei Malemes und bei Heraklion im Osten, wie um die Suda-Bucht, den britischen Flottenstützpunkt.

    Am 14. Mai hatten die Luftangriffe deutscher Kampfflugzeuge des VIII. und XI. Fliegerkorps begonnen, die die Landung vorbereiten sollten. Aber es ergaben sich ungeheure Schwierigkeiten: Die Maschinen mußten von Hand aus Fässern betankt werden: 3,6 Millionen Liter Sprit. Es kam zu Verzögerungen bei den Luftangriffen. Da die Insel noch nicht sturmfrei gebombt war, wurde die »Operation Merkur« zunächst auf den 18., dann auf den 20. Mai verschoben.

    Die Luftwaffe stellte 450 Kampfflugzeuge, 502 Transportmaschinen, 60 Lastensegler, vier Fallschirmjägerregimenter und Einheiten der 5. Gebirgsdivision, insgesamt ein 24000-Mann-Invasionsheer, bereit. Die Fallschirmwaffe war seit ihrer Feuertaufe in Holland erheblich verstärkt und verbessert worden. Sie verfügte jetzt über eine eigene Artillerie, ein spezielles Leichtgeschütz mit einem Kaliber von 10,5 Zentimetern; ein Drittel des Pulvergases entwich beim Abschuß nach hinten. Je eine Kanone schwebte an fünf Fallschirmen zur Erde.

    Fallschirmjägern wachsen, sobald sie die Erde berühren, gleich Antäus, dem Riesen der Antike neue Kräfte, aber auf Kreta schienen sie von vornherein auf verlorenem Posten zu kämpfen, denn sie konnten das Überraschungsmoment nicht nutzen. Auf dem Flugplatz Heraklion kamen die Verwegenen mitten unter englischen Panzern auf, wurden zusammengeschossen, überrollt, zerquetscht und zermalmt, bevor sie eine Chance hatten, sich vom Fallschirm zu lösen.


    Auch bei der zweiten Welle verzögern Kaskaden von Staub den Einsatz der Verstärkungen bis zu dreieinhalb Stunden. Die Verbände müssen in falscher taktischer Reihenfolge starten. Sie versammeln sich nicht mehr geschlossen über ihren Zielräumen. Der Feuerschutz der Bomber und Zerstörer verpufft ins Nichts. Der Nachschub landet zum größten Teil beim Feind.

    Beim Anflug stürzt der Führer der Gruppe Mitte, Generalleutnant Süssmann, mit seinem Lastensegler auf dem Felsen der Insel Ägina tödlich ab. Generalmajor Meindl, der Führer der Gruppe West, wird gleich nach der Landung schwer verwundet. Nach dem Absetzen der Fallschirmjägerverbände fehlt beim Luftlandekorps in Athen noch immer jede Nachricht.

    Der Gruppe Mitte gelingt es nicht, den Flugplatz Rethymnon zu nehmen. Der Vorstoß in die Suda-Bucht bleibt im starken Abwehrfeuer liegen. Am Abend des ersten Einsatztages ist keiner der drei Flugplätze erobert. Alle deutschen Anstrengungen konzentrieren sich jetzt auf den E-Hafen Malemes. Von der Höhe 107 aus beherrscht der Feind das Gelände durch konzentriertes Abwehrfeuer. »Wer Malemes erobert, gewinnt die Schlacht um Kreta«, hatte ein britischer Militärhistoriker festgestellt.

    In Fischkuttern und Nußschalen aller Art versuchen Gebirgsjäger über die See die Insel zu erreichen. Sie waren 1500 Kilometer quer durch den Balkan getippelt, um hier vor Erreichen der Küste von englischen Verbänden versenkt zu werden.

    Hiobsbotschaften auf Hiobsbotschaften: Die 12. Kompanie des Fallschirmjägerregiments III wird über einem Stausee abgesetzt. Die meisten Männer können sich nicht aus den Gurten befreien und ertrinken. Die Nachbarkompanie, die 10., springt bei Daratsos selbstmörderisch in die Feindstellung. Trotzdem gelingt es einem Zug, in ein Lager einzudringen und vierhundert Gefangene zu machen. Beim Abtransport erhalten die Grünen Teufel starkes MG- und Granatwerferfeuer. Die wenigen Überlebenden werden nun selbst Gefangene ihrer wieder befreiten Gefangenen.

    König Georg II. von Griechenland hielt sich beim Angriff auf Kreta in einem Landhaus auf. Vom Fenster aus verfolgte er, wie es in nur 100 Metern Entfernung die weißen Fallschirme vom Himmel regnete. Der Monarch lief kopflos davon, flüchtete mit seinem Gefolge zu Fuß über das Gebirge, schlug sich zur Südküste durch. Am 24. nachts begab er sich an Bord eines britischen Zerstörers, der ihn nach Ägypten schaffte. Von dort aus forderte die griechische Majestät die kretische Bevölkerung auf, bis zum letzten Schuß Widerstand zu leisten. Seine Behauptung, die deutschen Todeskommandos bestünden aus Zuchthäuslern und Sittlichkeitsverbrechern, hatte bei der naiven Bevölkerung der Insel verheerende Wirkung: Verwundete wurden massakriert, Tote verstümmelt.

    Die Nacht nach dem ersten Einsatztag senkt sich über Bilder des Grauens. Jeder Meter, den der verwegene Haufen erobert hat, ist mit Blut getränkt. Zu dieser Stunde erwägt Generaloberst Student, der Befehlshaber der »Operation Merkur«, den Abbruch der Schlacht um Kreta. Nur weil er seine 7000 bereits abgesetzten Fallschirmjäger nicht im Stich lassen will, entschließt er sich zur Flucht nach vorne: Er wirft seine letzten Reserven in die Schlacht.

    Der gegnerische General Freyberg erbeutet den Regimentsbefehl, aber vorübergehend reißt auch die Verbindung zu seinen Truppen ab. So erfährt er nicht rechtzeitig, daß sie dabei sind, sich von dem umkämpften Flugplatz Malemes zurückzuziehen.

    Mit dem Tageslicht kommen die deutschen Flugzeuge wieder und kämpfen die britische Marine nieder. Im Verlauf der Acht-Tage-Schlacht versenken sie die Kreuzer »Gloucester«, »Fiji«, den Flakkreuzer »Calcutta«, die Zerstörer »Kelly«, »Kashmir«, »Juno«, »Hereward«, »Imperial« und »Greyhound«. Beschädigt

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