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Die Erlebnisse des Inspector Pernell - Kriminalgeschichten
Die Erlebnisse des Inspector Pernell - Kriminalgeschichten
Die Erlebnisse des Inspector Pernell - Kriminalgeschichten
Ebook150 pages1 hour

Die Erlebnisse des Inspector Pernell - Kriminalgeschichten

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About this ebook

Als ehemaliger Staatspolizist weiß Leo Frank, wie es in der Welt der Kriminalität zugeht – seine vielfältigen beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse fließen in diese Kurzgeschichten ein, die sich durch Detailreichtum und einen trockenen Humor auszeichnen. Inspektor Pernell, der rationell kühle Antiheld seiner Erzählungen, bastelt mit pedantischer Korrektheit an seiner Karriere. Besonders erfolgreich ist er dabei nicht. Doch Chefinspektor Trudeau, der jenseits von neuesten kriminaltechnischen Erkenntnissen und Paragraphendschungel nach der Wahrheit sucht, trifft dafür immer ins Schwarze. So unterschiedlich die beiden Ermittler in ihrem Charakter und Temperament auch sein mögen – sie geben ein ganz wunderbares Paar ab!-
LanguageDeutsch
PublisherSAGA Egmont
Release dateMay 24, 2018
ISBN9788711487877
Die Erlebnisse des Inspector Pernell - Kriminalgeschichten

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    Book preview

    Die Erlebnisse des Inspector Pernell - Kriminalgeschichten - Leonhard Frank

    www.egmont.com

    Kein Alibi für Zwinker-Joe

    Chefinspektor Marcel Trudeau sah traurig zum Fenster und dachte an seine bevorstehende Pensionierung. Regentropfen klatschten an das Glas, ordneten sich zu kleinen Bächen, Trudeau beobachtete aufmerksam diese Wasserspiele, als ob er in neununddreißig Jahren Kripo-Dienstzeit nichts anderes getan hätte. Wieder so ein scheißverregneter April in Paris! Zwei Tauben hockten am Fensterbrett, tropfnaß und sie gurrten erbärmlich. Der Chefinspektor hatte das Gefühl, das Fenster öffnen und die Tauben hereinlassen zu müssen. Aber sie würden wegfliegen, seine Gastfreundschaft mißverstehen. Arme, dumme Kreaturen, sie würden nicht in sein warmes Zimmer kommen und sich füttern lassen. Klar, die Tauben waren scheu, der Chefinspektor hatte es ausprobiert.

    Er betrachtete nun mißmutig das viele Papier, das auf seinem Schreibtisch lag. Der Akteneinlauf. Das alles sollte er jetzt lesen und irgendwie erledigen. Er hatte keine Lust dazu, gar keine. Wieder dachte er an seine bevorstehende Pensionierung, am liebsten hätte er mit den Akten die Tauben gefüttert. Aber Tauben fressen kein Papier. Eigentlich schade.

    Es klopte an der Tür und er wußte: Das war Inspektor Pernell. »Herein«, sagte er unglücklich und das Wunder blieb aus, es war tatsächlich Inspektor Pernell, einen Akt in der Hand. Chefinspektor Trudeau kannte diesen Akt.

    Inspektor Pernell stand heran zur Beförderung zum Oberinspektor, das wußte jeder in der Polizeidirektion Paris, oder fast jeder. Pernell kannte alle Vorschriften in- und auswendig, und was das Schlimmste war, er hielt sich auch daran. Und seinen Vorgesetzten, den alten Chefinspektor Trudeau, den mochte er gar nicht.

    »Diese alten Männer sollten schon lange in Pension sein, schon lange. Sie sollen Tauben füttern im Park«, sagte er, »nicht hier herumkommandieren, sie haben ja keine Ahnung von moderner Verbrecherbekämpfung.« So dachte der angehende Oberinspektor, sagte es überall und auch in der Polizeikantine. Natürlich nur, wenn der alte Trudeau gerade nicht da war. In einfachen Worten: Inspektor Pernell mochte seinen Chef nicht besonders. Und der Chef empfand dasselbe für ihn.

    »In dieser Bankraubsache am Gare du Nord«, berichtete nun Inspektor Pernell sachlich, »haben Sie mir den Auftrag gegeben, den einschlägig vorbestraften Joseph Gilette zu überprüfen.«

    »Richtig«, sagte der Chefinspektor, »den Zwinker Joe.«

    »Das habe ich auftragsgemäß getan«, sagte Pernell. »Der Mann sitzt in meinem Büro. Er hat ein einwandfreies Alibi.«

    »Aha«, sagte der alte Chefinspektor.

    »Er war zur fraglichen Zeit im Cinema-Rouge, dort spielte ein Sex-Film. Bei der Personsdurchsuchung wurde auch die Kinokarte vorgefunden. Vorstellung von 17–18 Uhr. Der Bankraub geschah um 17.10 Uhr. Gilette scheidet also aus.«

    »Aha«, sagte der Chefinspektor wieder.

    Es war ganz ruhig im Zimmer, nur die Tauben gurrten am Fensterbrett. »Bring ihn her«, sagte der Chefinspektor und Pernell biß sich auf die Lippen. »Wie Sie meinen«, sagte er, »aber er hat ein Alibi«, und dann war er wieder draußen.

    Der Chefinspektor zündete sich umständlich eine Gauloise an. Gauloise mit Filter. Dann nahm er den Telefonhörer und wählte die Klappe 451, das war die Kantine. Er wollte wissen, ob es schon Kaffee gäbe. In ca. 5 Minuten, sagte Madame Brunhild. Madame Brunhild war die Pächterin der Kantine.

    Es klopfte wieder und herein kam Pernell mit Zwinker Joe. »Morgen Chef«, sagte dieser und zwinkerte vergnügt. »Diesmal sind Sie auf dem falschen Dampfer. Hab nichts zu tun mit dem Ding in der Bank. Bin unschuldig wie ein Engelchen. Außerdem hab ich ein Alibi.«

    »Hab schon gehört, Engelchen, schon gehört. Einwandfreies Alibi. Wußte gar nicht, daß du dir Sexfilme anschaust. Was sagt denn da Christine dazu, deine Freundin?«

    »Hat gar nichts dagegen, Chef. Christine ist prima. Auswärts Appetit holen, essen daheim. So ist Christine«, Zwinker Joe wurde immer vergnügter.

    Inspektor Pernell hustete ärgerlich.

    Der Chefinspektor nahm wieder den Telefonhörer und wählte.

    »Ist dort Cinema-Rouge?« fragte er.

    »Ah Madame, entschuldigen Sie die Störung. Waren Sie gestern im Dienst, Nachmittagsvorstellung 17.00 bis 18.00 Uhr… sehr gut, sehr gut, sagen Sie mir, war die Vorstellung stark besucht? Ich meine, erinnern Sie sich vielleicht zufällig… was?! Was sagen Sie? Irren Sie sich auch nicht, Madame?… Ja, gestern die Vorstellung von 17 bis 18… ist ja hochinteressant. Ja, verstehe schon, Stromausfall, verstehe schon. Danke verbindlichst, Madame.«

    Der Chefinspektor legte den Hörer auf und grinste. »Zwinker«, sagte er vergnügt, »bist wirklich ein Pechvogel. Und dein Alibi kannst du dir in die Haare schmieren. Na, so was…«

    Inspektor Pernell sah seinen Chefinspektor an. Er hatte den Alten noch nie so herzlich lachen hören. Zwinker Joe saß da und zwinkerte jetzt ununterbrochen. »Was ist so lustig?« fragte er schließlich, aber der Chefinspektor konnte nicht antworten, weil er so lachte und dann einen Hustenanfall bekam.

    Er dämpfte die Zigarette aus.

    »Bist wirklich ein Pechvogel«, sagte er.

    »Die Kinovorstellung fand nicht statt, ein Stromausfall. Hör zu, Zwinker, sei jetzt nicht blöd, du rückst das Geld heraus, die Strumpfmaske und die Pistole. Ich verschaff dir mildernde Umstände, bescheinige dir ein freimütiges Geständnis. Mach das mit dem Inspektor da aus, ich brauche jetzt…«

    »Das kann nur mir passieren«, seufzte Zwinker Joe. »…brauche jetzt einen Kaffee, also…«


    In der Kantine wusch Madame Brunhild Gläser. »Chefinspektor«, sagte sie, »gerade wollte ich den Polizeiarzt rufen. Ist ihnen nicht gut? Was redeten sie da vorhin für wirres Zeug am Telefon, von einem Stromausfall, Kinovorstellung nicht stattgefunden und so. Sie haben doch mit mir gesprochen und nicht mit Cinema-Rouge, ich habe…«

    »Schon in Ordnung«, grinste der Chefinspektor, »mir geht’s großartig.« Er setzte sich umständlich. »Bring endlich den Kaffee.«

    Das Telefon läutete. Anruf für Chefinspektor Trudeau. Es war die Personalabteilung. »Aber natürlich«, sagte der Chefinspektor, »ausgezeichnete Dienstbeschreibung für Inspektor Pernell. Ja, ja, einer meiner besten Leute. Ja, soll befördert werden. Erst heute hat er einen Bankraub geklärt.«


    Dann war endlich der Kaffee da. Endlich.

    Schwerer Raub an Susanne Brune

    Inspektor Pernell sah die beiden alten Männer langsam vor ihm gehen, auf dem langen Korridor zum Erkennungsamt, und er ging rascher, denn er war neugierig, was sie redeten, Chefinspektor Trudeau und der alte Masarin vom Sittendezernat. Die beiden kamen von einem Tatort, das wußte er, ein schwerer Raub an einer Prostituierten, drüben im Quartier Latin. Ihn hatten sie natürlich nicht mitgenommen. Wahrscheinlich sah der Fall nach rascher Klärung aus, und die Alten wollen ja Erfolge nicht mit den Jungen teilen, das kannte man ja. Jetzt war er auf drei Meter heran und wirklich neugierig, was die beiden…

    »…Nie im Leben«, hörte er den Chefinspektor sagen, »da freß ich einen Besen samt der Putzfrau, nie im Leben.« »Du wirst schon sehen, Marcel, wirst schon sehen. Wenn Cocon einmal richtig warm wird…« »Cocon ist doch eine Flasche, ein Armleuchter, dem geht doch nach zwanzig Minuten die Luft aus. Ich hab eine Bank getippt auf Racing und…«

    Die beiden redeten also von dem Fußballmatch heute nachmittag und Inspektor Pernell war ein wenig enttäuscht. Das sah denen aber ähnlich, diesen Alten, kein Dienstinteresse mehr, keine Ambitionen. Kommen von einem Tatort und reden vom Fußball.

    »Guten Morgen, Herr Chefinspektor«, sagte er.

    »Morgen, Pernell«, sagte der Chefinspektor, und »Pirie, der Tormann, ist doch auch ein Nachtwächter wie er im Buche steht, und heuer müssen sie froh sein, wenn sie nicht absteigen. Gibt’s was, Pernell?« Sie waren vor der Tür zum Erkennungsamt und Pernell öffnete höflich und ließ die beiden vorgehen. Angenehmer Kaffeeduft strömte ihnen entgegen. Eigentlich nichts Besonderes, Chef«, sagte Pernell, »nur…« »Kaffee«, rief Masarin laut, »eine Tasse schwarz«, und »mir auch einen Schwarzen«, rief der Chefinspektor und »bitte mir einen kleinen Braunen, wenn es geht«, sagte Inspektor Pernell höflich.

    Sonntags war die Kantine der Polizeidirektion geschlossen. Es war eine alte Tradition, daß sonntags der diensthabende Kriminalbeamte des Erkennungsamtes Kaffee kochte für die Dienstgruppe. Eine ganz alte Tradition. Wahrscheinlich so alt wie die Polizeidirektion Paris.

    Die drei setzten sich an einen Tisch, der voll war mit Fingerabdruckkarten. Masarin schob das Zeug ärgerlich von sich. Diensthabender Kriminalbeamter im Erkennungsamt war heute Oberinspektor Bonin. Sein weißer Labormantel war fleckig von Kaffee. »Gleich fertig«, sagte er und schepperte mit Tassen, »gleich fertig.«

    »Also was nun, Pernell«, fragte der Chefinspektor und Pernell war ein wenig verlegen und meinte, es interessierte ihn, wie die Sache aussähe mit dem schweren Raub an der Prostituierten Susanne Brune und was die Ermittlungen am Tatort ergeben hätten und so.

    »Ach Su-Su«, sagte Masarin, »der geht’s schon wieder ganz gut, nicht umzubringen das Mädchen.« Und der Chefinspektor hatte wieder seine schmalen Augen, wie immer, wenn er grinste und sagte »Tatort« und erklärte dann, der Tatort wäre eine Straßenecke im Quartier-Latin und ob Pernell glaubte, daß es dort was Besonderes zu sehen gäbe. Ob Pernell glaubte, daß der Täter dort vielleicht seine Visitenkarte verloren hätte und nein, dort wären sie auch gar nicht gewesen, sondern im Krankenhaus bei Su-Su und es ginge ihr schon wieder besser und morgen würde sie entlassen. Zwei Rippen angeknackt und ein blaues Auge. Dann brachte Bonin den Kaffee und die beiden Alten redeten wieder vom Fußballmatch heute nachmittag. Pernell rührte mit dem Löffel in seinem kleinen Braunen und würgte eine Weile an der Visitenkarte. Er dachte daran, wie eindringlich man in der Polizeischule immer gelehrt hatte, der Tatort gehöre abgesucht, das sei sehr wichtig, aber diese überheblichen Alten wußten ja immer alles besser. Sie sollten endlich in Pension gehen.

    Bonin machte plötzlich ein Gesicht wie der Weihnachtsmann und dann verkündete er, er hätte eine Flasche Beaujolais im Frigidaire und frischen Käse aus der Bretagne, von seiner Tante, und Trudeau und Marasin wurden ganz vergnügt und riefen »her damit, Alter« und sie ließen seine Tante hochleben. Der alte Bonin ist auch so einer, dachte Pernell, alles andere im Sinn, nur nicht den Dienst, und ein schwerer Raub an einer Prostituierten war denen offenbar ganz egal.

    »Keine Spur vom Täter?« fragte er steif.

    »Welcher Täter«, sagte Bonin.

    »Na der Raub an Susanne Brune«, sagte Pernell.

    »Es war der Richtig-Macher«, sagte Marasin, »Alter, der Beaujolais ist Klasse.«

    »Der Richtig-Macher«, Pernell war der Verzweiflung nahe. Jetzt erklärte es der Chefinspektor:

    »Das ist so ein Komiker, im ganzen Viertel bekannt. Er geht abends zu den Mädchen und läßt sich anquatschen, dann redet er blöd herum, sie mache es sicher nicht richtig und wenn dann die Mädchen heiß werden und beteuern, sie machen schon alles richtig und wie er es denn haben wolle, dann sagt der Spaßvogel: umsonst. Verstehst Du? Er findet das

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