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Die verlorene Melodie
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Die verlorene Melodie

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About this ebook

In diesem Buch, dessen Handlung in Österreich, Deutschland und den USA spielt, schildert Heidsieck in der ihm ganz eigenen, anschaulichen Weise den Lebens- und Liebesweg eines jungen Mädchens. Doris Höffner, als Waise bei ihrem Onkel in Graz lebend, muss ihr bisheriges Heim verlassen. Sie folgt dabei einer verlorenen Melodie, die sie einmal im Radio gehört hat. Auf abenteuerliche Weise kommt sie endlich auch mit dem Mann zusammen, in dessen Stimme sie sich einst verliebt hatte –während der sie aufrichtig verehrende Ingenieur Siewers mit ansehen muss, wie sie ihrem Phantom, dem Sänger und Musiker Wendtland nachjagt.Und dann gestaltet sich für Doris alles ganz anders, als sie erwartet hatte, und sie erkennt, dass das Glück sich manchmal nicht dort versteckt, wo man es erwartet ...-
LanguageDeutsch
PublisherSAGA Egmont
Release dateApr 14, 2016
ISBN9788711508091
Die verlorene Melodie

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    Die verlorene Melodie - Hans Heidsieck

    www.egmont.com

    Der große Schäferhund, der bisher in die Sonne blinzelnd die Gartenpforte der Höffnerschen Villa behütet hatte, spitzte die Ohren. Was war das nur für ein fröhliches Liedchen, das ihm Doris da immerfort vorsang?

    Wenn er auch die Geräusche, die von den Menschen Musik genannt wurden, an sich garnicht leiden mochte, so wußte er doch die vergnügte Stimmung des jungen Mädchens zu schätzen und freute sich, als sie zu ihm herantrat, um ihm den Kopf zu kraulen. Er hatte wohl auch einer Auffrischung jener düsteren Stimmung bedurft, die sich, wie immer, vom ‚Herrchen’ auf ihn übertragen wollte. Mit ‚Herrchen‘ — das war der Rechtsanwalt Dr. Höffner — stimmte schon tagelang etwas nicht. Die Menschen seiner Umgebung hatten dies wohl überhaupt bis jetzt garnicht bemerkt; denn der Doktor wußte sich sehr zu beherrschen. Er aber, das ‚treue Hundevieh’, witterte so was sofort und hätte den guten Mann gerne getröstet, wenn das nur möglich gewesen wäre. Die stummen Blicke treuer Ergebenheit taten es allein nicht.

    Was mochte das nur für ein Fremder sein, der jetzt öfter kam, um mit Höffner geheime Besprechungen abzuhalten? Eigentlich sah der Fremde recht gut aus, ein schlechter Mensch war er gewiss nicht; aber er hatte so etwas Besorgtes, Vergrämtes in seinen Zügen, und scharfe Falten zeichneten sich auf seiner Stirn ab.

    Auch der Rechtsanwalt machte, wenn er mit jenem allein war, ein sorgenvolles Gesicht, über das oft ein Zucken ging, wie aus Angst oder Verlegenheit. Was bedeutete das?

    Doris hatte genug gekrault. Sie erhob sich aus ihrer Hockstellung wieder und summte ihr Liedchen weiter, während sie durch den Laubengang schritt, der sich am Hause entlang zog. Lux folgte ihr.

    Aus dem hinteren Küchengang trat eine Frau auf sie zu. „Nun, so vergnügt, Fräulein Doris?"

    „Ja, so vergnügt! Haben sie etwas dagegen, Mathilde?"

    „Nein, aber — — verzeihen Sie, Fräulein Doris — — wissen Sie schon, daß ihr Herr Onkel der Reserl gekündigt hat?"

    „Was? Der Reserl, dem Zweitmädchen? fragte Doris verblüfft, „ja warum denn?

    „Er meinte, daß ich und die Fanny den Haushalt alleine versorgen könnten, solange die gnädige Frau noch im Sanatorium sei, na und für die Kinder wären Sie schließlich auch noch da."

    „Merkwürdig! Doris zupfte an ihrem Gürtel und blickte zu Boden. Dann fragte sie: „Ist der Fremde noch bei ihm?

    „Ja, immer noch, gab Mathilde zur Antwort, „sie haben sich eingeschlossen. Als ich vorhin etwas fragen wollte, wurde ich garnicht hereingelassen.

    Doris trat in die Küche und warf einen Blick auf die Uhr. In einer halben Stunde kamen die Kinder aus der Schule zurück. Sie wollte ihnen entgegen gehen. Irgendwie mußte sie sich jetzt zerstreuen.

    Langsam, nachdenklich wanderte sie durch den Laubengang wieder zum Tor zurück. „Hallo, Lux! rief sie, „darfst mitkommen!

    Aber sie sang nicht mehr.


    Der Rechtsanwalt stand vorm Fenster und hielt die Arme über der Brust verschränkt. Man sah ihm an, daß er sich künstlich zur Ruhe zwang. Sein Besucher hatte sich in einem großen Klubsessel niedergelassen. Er saugte an einer Zigarre und blickte den Rauchringen nach, die er dabei in die Luft blies. „Ja ja, mein Lieber! bemerkte er, seiner Stimme absichtlich einen beruhigend-freundlichen Klang verleihend, „es steht schlimm um Sie! Hätten Sie sich doch in diese unseligen Spekulationen nicht eingelassen! Nun ist es zu spät. Sie hätten mich eher um Rat fragen sollen. Natürlich verstehe ich Ihre Gründe, die Sie zu solchem Handeln getrieben haben. Es hätte ja schließlich auch gut gehen können — —

    „Mein Vetter sagte, unterbrach Höffner, „es wäre eine totsichere Sache. Nun hat er nur noch ein Achselzucken. Ich hasse ihn!

    „Damit ist Ihnen auch nicht geholfen. Sie tun ihm Unrecht. Er meinte es gewiß gut mit Ihnen, — nur, daß er sich eben selber verrechnet hat. Sein Bankgeschäft ist nur klein. Vielleicht war er falsch unterrichtet."

    Um Höffners Mund lag ein scharfer Zug. „Nein — er ist ein Betrüger! behauptete er, „er hat sich nur selber an dieser Geschichte bereichern wollen.

    „Mit solchen Behauptungen soll man vorsichtig sein! warnte Höffners Besucher, „und schließlich würde das an der Sachlage doch nichts mehr ändern. — Sie nahmen eigens zum Zweck dieser Spekulationen die Hypothek auf?

    „Ja, vierzigtausend. Nun sind sie hin. Dazu noch das Guthaben, das ich bei Ihnen erhob, Herr Bankier!"

    „Also weitere zwanzig. Hm. Und die Gläubiger drängen, sagten Sie schon?"

    „Ja. Höffner eilte zum Schreibtisch, nahm einen Bogen, reichte ihn dem Bankier: „hier, das Schlimmste: die Rechnung vom Sanatorium: zweitausend Schilling. Bisher habe ich das immer ohne ein Wimperzucken erledigen können. Jetzt weiß ich nicht, wo ich es hernehmen soll. Bitte helfen Sie mir, Herr Bankier! Geben Sie mir eine zweite Hypothek, oder — — —

    „Was oder?"

    „Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Die Krankheit meiner Frau bringt mich noch an den Bettelstab. Um ihretwillen habe ich doch nur alles getan! Und die Mündelgelder — —"

    Er brach plötzlich ab. Der Bankier horchte auf.

    „Wie? Die Mündelgelder? Ach so — die Sie für Ihre Nichte Doris bei mir angelegt haben? Aber um Gotteswillen — — wollen Sie etwa —?"

    Der Rechtsanwalt machte eine müde, verzweifelte Armbewegung. „Nein, nein, — — natürlich nicht. Ich muß eben zusehen, wie ich die Summen durch Arbeit wieder hereinbekomme. Im Augenblick allerdings — —"

    Bankier Lammers erhob sich. „Also gut, Doktor! sagte er, „die zweitausend Schilling leihe ich Ihnen, das heißt: rein persönlich, als guter Freund sozusagen, aber — ich knüpfe eine Bedingung daran.

    „Sprechen Sie, sprechen Sie!" Doktor Höffner atmete sichtlich auf, hastig strich er sich mit den spitzen Fingern über die Schläfe, der starre Ausdruck um seinen Mund löste sich.

    Bankier Lammers hielt bereits die Brieftasche in der Hand. „Sie verpflichten sich, sagte er, „in der nächsten Zeit, was Ihre finanziellen Dinge betrifft, nichts zu tun, ohne mich zu befragen. Ich meine es gut mit Ihnen, Herr Doktor, das wissen Sie. Sonst hätten Sie mich wohl auch jetzt nicht um Rat gebeten. Also geben Sie Ihr Versprechen.

    Höffner schlug in die dargebotene Hand ein.


    Geheimrat Holts Sanatorium lag auf dem Semmering, abseits der großen Kunststraße, die über die Paßhöhe nach Mürzzuschlag hinunterführt. Es war rings von Wald umgeben, nur an der Stirnseite war eine Lichtung geschlagen, die einen herrlichen Durchblick auf das Gebirge bot. Über die Lichtung zog sich eine gepflegte Gartenanlage hin, die sich an einem Ende zu einer Liegewiese, — am anderen zu einem kleinen Sportplatz erweiterte.

    Für das Wohlbehagen der Gäste des Sanatoriums war trefflich gesorgt, soweit ihre Leiden ein Wohlbehagen überhaupt aufkommen ließen. Wer die Verhältnisse dieser Heilanstalt kannte, wußte genau, daß es hier nicht allzuviele Schwerleidende, — dafür aber umso mehr gut zahlende Gäste gab. Für viele von ihnen war offensichtlich das Kranksein bloß eine Modesache, der man sich hingeben mußte, um in gewissen Kreisen überhaupt erst ‚ernst genommen‘ zu werden. Hätten Sie sich diesen Luxus nicht ‚leisten’ können, dann wären sie niemals krank geworden.

    Geheimrat Holt wußte das alles; er hatte durchaus nichts dagegen. Wozu sollte man diesen Leuten die Freude verderben? Im Grunde genommen war es für solche Menschen ja doch nur ein harmloses Spielchen, sie spielten sich selber Theater vor. Geheimrat Holt war kein Spielverderber.

    Trotzdem würde man ihm nicht gerecht werden, wenn man behaupten wollte, er nähme es mit seiner ärztlichen Kunst nicht ernst. Diejenigen seiner Patienten, die wirklich mit einem Leiden behaftet waren, behandelte er stets gewissenhaft, ja, er brachte es sogar fertig, in kritischen Fällen die Nachtwache selber zu übernehmen.

    Frau Doktor Höffner gehörte zu seinen ‚Teils-teils’-Patienten. So pflegte er die zu nennen, die tatsächlich irgend ein kleines Leiden besaßen, um eine große Sache daraus zu machen. Sie sahen es gerne, wenn er bedenklich die Stirne in Falten zog und die Achseln zuckte, und wenn er dabei mit vielen gelehrten, lateinischen Ausdrücken um sich warf. Einmal hatte er, als er von einer Dame gefragt wurde: „woran leide ich? ‚Ignorantia pyramidalis’ gesagt, und da meinte sie kummervoll: „Sehen Sie, Herr Geheimrat — ich wußte doch, daß es etwas ganz Schlimmes ist!

    Berta Höffner saß auf dem Sonnendeck — wie man die Südterrasse hier nannte—und las einen Liebesroman, als ihr ein Telegramm gebracht wurde. Sie öffnete es. Ihre Züge verzerrten sich. Was? Von Herbert? Was wollte ihr Mann denn? Sie solle zurückkommen, und zwar sofort? Ihre Anwesenheit wäre dringend erforderlich? Aber das war doch — —! Was fiel denn dem guten Herbert auf einmal ein? Vergaß er ganz, daß sie schwer leidend war? Wollte er, daß sie zugrunde ging, wenn sie sich in dem Zustande den Strapazen der Reise aussetzte? Und überhaupt — warum schickte er dann den Wagen nicht? Warum kam er nicht selber und holte sie? Warum rief er nicht wenigstens an?

    Lächerlich! Einfach lächerlich!

    Als sie sich umblickte, sah sie den kleinen Assessor neben sich stehen, der immer so aussah, als ob er jeden Augenblick niesen müßte. Daß er die Gelbsucht hatte, sah man ihm schon von weitem an. Daß er Frau Berta ‚hündisch verehrte’, hatte er ihr schon in einer Weinlaune einmal gesagt. Aber er merkte nicht, oder wollte es nicht merken, daß sie ihn stets nur als Boy benutzte. „Ah! Herr Assessor! rief sie, „da kommen Sie gerade recht. Wollen Sie bitte für mich ein Gespräch anmelden? Nach Graz. Meinen Mann will ich sprechen. Nummero dreiunddreißig vierhundert elleff! Wenn er am Apparat ist, rufen Sie mich!

    Und schon griff sie wieder nach ihrem Buch.


    Doris war mit den Kindern nach Hause gekommen, man saß beim Essen. Der Onkel machte ein ernstes Gesicht. Die Reserl bediente; sie hatte verweinte Augen.

    Das muntere Plaudern der Kleinen beachtete Höffner kaum, die tausend kleinen und großen Fragen mußte Doris beantworten. Sonst ging auch der Doktor stets darauf ein. Heute hatte er keinen Sinn dafür.

    Doris machte sich an ihn heran, als sie mit ihm alleine war. „Onkel Herbert, fragte sie, „hast du Sorgen gehabt?

    „Sorgen? Sorgen? Höffner spitzte den Mund wie zum Pfeifen, „das ist gar kein Ausdruck, aber — ach laß mich, das geht ja nur mich etwas an.

    „Willst du mich nicht daran teilnehmen lassen? beharrte Doris, „man trägt alles leichter, wenn man sich einmal aussprechen kann.

    Der Doktor blickte sie forschend an, während er sich eine Zigarette anzündete. Deutlich erkannte sie, daß seine Hand dabei zitterte.

    „Wer hat mich bisher schon nach meinen Sorgen gefragt!" brummte er und steckte das Feuerzeug wieder ein.

    Doris empfand diesen Ausspruch als einen Vorwurf, — weniger gegen sich selbst, als gegen den Menschen, der eigentlich dazu berufen war, ihres Onkels Sorgen mit ihm zu teilen. Vor ihrem geistigen Auge tauchte die Tante auf, die ihrem Gatten, wenn man es einmal genau nahm, nur Sorgen bereitete. Nichts konnte Berta vornehm, nichts konnte ihr elegant genug sein, ein großes Haus mußte geführt werden, von einem Sanatorium in das andere wollte sie schwirren, — wo aber das Geld dazu alles herkam, danach fragte sie nicht. Ein ganz oberflächlicher, ja, fast leichtsinniger Mensch, sah sie sich selbst als die Achse an, um die sich die anderen alle zu drehen hatten.

    Der gute Onkel konnte ja zusehen, wie er das schaffte. Mit seiner Praxis allein schaffte er es jedenfalls nicht. Oh — Doris sah schon recht klar in den Dingen, sie hatte es sich bisher nur noch nicht anmerken lassen.

    Übrigens mußte es jetzt schon recht toll mit den Sorgen des Onkels sein; sonst hätte er ihr wohl nichts zugegeben. Er tat ihr leid.

    „Geht es der Tante mal wieder nicht gut?" fragte sie, um ihn weiter aus sich herauszulocken.

    Der Rechtsanwalt zuckte zusammen, seine sonst immer so lieben, freundlichen Züge nahmen einen müden, verzweifelten Ausdruck an. So hatte Doris den Onkel noch niemals gesehen.

    „Komm, setzen wir uns, sagte er, „ich muß mit dir reden. Nein, Tante geht es nicht schlechter als sonst, jedenfalls wüßte ich nicht, und im übrigen soll sie zurückkommen. Ich habe ihr bereits telegrafiert.

    „Oh — so plötzlich? Was ist denn nur vorgefallen?" fragte das Mädchen erstaunt.

    Aus Höffner, in dessen Innerem sich schon seit Tagen alles mögliche aufgestaut hatte, sprudelte es hervor, als ob ein Meer, lange zurückgehalten, im Sturm und mit aller Wucht einen Deich durchbrach. Ja, er schüttete Doris gegenüber sein Herz aus, er scheute sich plötzlich nicht mehr, er fühlte, er ahnte so lange schon, daß sie ihn ganz verstand. Wenn sie bisher auch in seinen Augen noch immer ein halbes Kind war, so glaubte er doch ihr bereits sein Vertrauen schenken zu dürfen. Sie hörte ihm traurig zu. Unwillkürlich hatte sie seine Hand ergriffen; sie blickte ihm in die Augen. Ein bitteres Weh lag darin, aber auch noch etwas — —

    Rasch wandte sie sich wieder ab. Er erhob sich. „Das Telefon hat geklingelt! sagte er, „bitte schau du einmal nach. Und wenn es — — wenn es die Tante sein sollte, ich bin nicht zu Hause, hörst du!

    Doris eilte errötend zum Telefon.


    Der kleine Assessor kehrte erregt zu Frau Höffner zurück. „Die Verbindung ist da, meine Gnädigste, darf ich bitten!?"

    Berta erhob sich, sie klappte das Buch zu, strich noch die Decke zurecht, bevor sie sich, ohne besondere Eile, zum Telefon begab. Der Assessor öffnete dienstbeflissen die Korridortür.

    Endlich hielt sie den Hörer in der Hand. Zwei Minuten waren bereits verstrichen. „Ja, bitte! rief sie, „wer ist denn dort? Bist du es, Herbert?

    „Nein, hier ist Doris, Tante. Du wolltest natürlich den Onkel sprechen, doch leider ist er nicht da."

    „So, wo ist er denn hingegangen?"

    „Das weiß ich nicht. Er hat irgendwelche Verhandlungen."

    „Dann sage ihm bitte, daß er mich hier einmal anrufen soll. Ich muß mit ihm sprechen. Sage ihm, daß ich sonst nichts unternehmen werde."

    „Du willst nicht zurückkommen, Tante?"

    „Wie? Woher weißt du denn? Bertas Stimme nahm einen schnarrenden Klang an, „Ihr schmiedet wohl dort ein Komplott zusammen? Was ist denn überhaupt los? Fehlt den Kindern was?

    „Nein, die sind wohl und munter."

    „Na also — was soll ich dann dort? Soll ich mich etwa nicht auskurieren?"

    „O doch — — natürlich. Ich weiß ja auch nicht — —"

    „Wer hustet denn da?"

    „Wie — — husten? Ich habe mich eben geräuspert; ich bin ganz allein."

    „Ruf mal den Franzerl ans Telefon!"

    „Tante — die Kinder spielen im Garten. Ich müßte sie erst einmal rufen gehen. Das Gespräch würde zu lange dauern."

    „Darüber brauchst du dir doch keine Sorgen zu machen, du Naseweis! Also geh schon. Ich warte am Apparat."

    Doris tat, wie ihr geheißen wurde. Endlich erscholl Franzerls Stimme im Telefon. „Mutti!"

    „Tag Franzerl, Grüß Gott! Ja — — hier ist Mutti. Was machst du denn? Ist der Vati nicht da?"

    „Wie? der Vati? Der sitzt doch — — — Das Stimmchen brach plötzlich ab. Doris hatte dem Jungen den Mund zugehalten. Sie wußte kaum, was sie tat. Gleich darauf hängte sie ein. Höffner kam aus dem Nebenzimmer, hochrot im Gesicht. „Aber das ist doch — ah! Du hast eingehängt!

    „Ja, nickte Doris, „was sollte ich machen?

    „Es wird gleich wieder läuten, erwiderte er, „so wie ich sie kenne — — — dann sage ihr, daß die Verbindung wahrscheinlich gestört worden sei. — Komm, Franzerl, komm, — Elsbeth! Wir gehen wieder zum Garten hinaus. Mit diesen Worten zog er die Kinder davon.

    „Was soll ich denn aber noch sagen — — ich meine wegen des Jungen?" rief ihm die Nichte nach.

    „Sage ihr, daß auch er nichts mehr gehört habe, und dann sei er davongelaufen. Inzwischen hätte das Mädchen die beiden zum Einkaufen mitgenommen."

    „Ach — so ein Schwindel! Sprich du doch selbst mit ihr, Onkel, ich bitte dich!"

    „Also gut! Meinetwegen, — das heißt, wenn sie wirklich noch einmal anrufen sollte. Jetzt bringe ich erst mal die Kinder hinaus."

    Da! Schon wieder schrillte das Läuten des Telefons. Doris zitterte. „Hier bei Höffner!" meldete sie sich mit schwacher Stimme.

    „Hier Otto Siewers! kam eine männliche Antwort zurück, „sind sie es selbst, Fräulein Doris?

    Doris atmete auf. „Ja, ich bin es, Herr Siewers. Es ist nett, daß Sie anrufen."

    „Wirklich — — freuen Sie sich? Tja — — ich wollte mal fragen, ob man Sie heute Abend beim Gartenfest auf dem Schloßberg erwarten darf?"

    Richtig! Das Gartenfest hatte sie ganz vergessen. Sie wollte ja eigentlich hingehen. Warum sollte sie nicht? Onkel Herbert würde gewiß nichts dagegen haben, vielleicht kam er selbst sogar mit.

    „Ja, sagte sie, „selbstverständlich, ich werde kommen. Sie wissen ja, wo getanzt wird, bin ich stets gerne dabei

    Das ist nett, Fräulein Doris! Also um acht geht es los. Seien Sie bitte pünktlich. Und grüßen Sie Ihren Herrn Onkel!"

    „Nun? fragte Höffner, der eben zurückkam, „wer war es denn?

    Doris sagte es ihm. „Nicht — du erlaubst es doch, Onkelchen?"

    Höffner blickte sie von der Seite an. Nach einer Pause erwiderte er: „Ja, gewiß — — und ich hoffe, daß ich mich dir anschließen darf!"

    Doris drückte ihm freudig die Hand.


    ‚Nicht zu genießen!’ — dachte der kleine Assessor — ‚was mag ihr nur über die Leber gekrochen sein!?’

    Berta war auf die Terasse zurückgekehrt. Sie sah blaß aus. Auf seine teilnehmende Frage hin fuhr sie ihn an: „Gehen Sie! Lassen Sie mich in Ruhe!"

    So schroff hatte sie ihn noch niemals behandelt. Er zog sich verschnupft zurück. Tatsächlich: Jetzt mußte er richtig niesen! Gleich zwei-, drei Mal hintereinander.

    Berta griff nach dem Buch; doch sie schleuderte es gleich wieder beiseite. Ob der Graf wirklich die Försterstochter bekam, interessierte sie augenblicklich durchaus nicht mehr.

    Sie lehnte sich an die Brüstung und schaute über die Lichtung hinaus. Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Da war

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