Mimi und die kalte Hand
Von Viveca Lärn
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Mimi und die kalte Hand - Viveca Lärn
Keksfabrik
Vorwort
Heute ist der 5. Januar, und ich bin acht Jahre alt und achtundsiebzig Tage.
Rate mal, was ich in der Hand habe?
In der Hand habe ich ein ganz neues, glänzendweißes Tagebuch. Ein Tagebuch so weiß wie Schnee.
Da fällt mir ein, ich möchte mal wissen, wann denn der richtige Schnee endlich vom Himmel fällt. Die Wolken sind den ganzen Tag so schwer gewesen. Sie sehen aus wie Papas graue Jogginghose, wenn er sie auf die Wäscheleine auf unseren Balkon gehängt hat.
Das ist das erste Tagebuch, das ich mir für mein eigenes Geld gekauft habe. Es hat sechsunddreißig Kronen gekostet. Jetzt hab ich nur noch vierzehn Ein-Kronen-Stücke in meiner Kassenschublade und einen russischen Knopf.
Wenn man etwas für sein eigenes Geld gekauft hat, darf man damit machen, was man will.
Deswegen hab ich das Wort Tagebuch mit einem roten Farbstift ausgestrichen.
Statt dessen hab ich Kapitelbuch darübergeschrieben. Das ist viel frecher.
Außerdem hab ich Bücher mit vielen Kapiteln sehr gern.
Morgen fang ich an, in mein Kapitelbuch zu schreiben.
Mimi
Erstes Kapitel
Ich wurde wach, weil es schneite.
Viele Leute glauben, das ist unmöglich. Es ist nicht unmöglich, daß es schneit, aber daß man davon wach wird. Die Leute, die das glauben, sind noch nie in der Stadt gewesen. Auf dem Land schneit es vielleicht ganz still, und alles andere wird auch ganz still, denn der Schnee legt sich wie Watte auf alle Felder und Äcker. Auf dem Land gibt es ja Hähne, die krähen um sieben Uhr, aber die hört man auch fast gar nicht, wenn es schneit.
Aber in der Stadt ist was los, wenn es schneit!
Nicht die Schneeflocken haben mich geweckt, sondern ein Haufen Männer, die schippten und fluchten und versuchten, ihre Autos zu starten. Ich sprang aus dem Bett und guckte aus dem Fenster. Es sah sehr lustig aus da unten. Die Autos rutschten auf der Straße, und Leute versuchten, Autos anzuschieben, die steckengeblieben waren. Die Frau aus dem Blumengeschäft stand auf einer Leiter mitten in einer Schneewehe und versuchte, den Schnee von der grünen Markise überm Schaufenster wegzufegen. Bestimmt wünschten sich viele, die vorbeigingen, daß sie von der Leiter fallen sollte, und das war gar kein wirklich böser Wunsch, man fällt schließlich ziemlich weich im Schnee.
Vor dem Tabakladen stand mein Papa und schob sich eine Prise Schnupftabak in die Nasenlöcher. Ich glaub, er hat sich Silvester vorgenommen, damit aufzuhören.
Ich machte das Fenster auf und rief ihn.
Er winkte fröhlich und schrie: »Fängt heute nicht wieder die Schule an, Mimi?«
»Ja, um zehn Uhr!« rief ich zurück.
»Willst du, daß ich mit dir komme?« schrie er, daß der Schnupftabak nur so spritzte.
Ich machte das Fenster mit einem Knall zu und sank auf mein Bett. Jetzt war man mal wieder in der ganzen Straße blamiert, und es war nicht das erste Mal. Wenn die Schule in der zweiten Klasse nach den Weihnachtsferien wieder anfängt, dann ist es sozusagen schon das dritte Mal, daß man wieder in die Schule geht. Mindestens. Da brauchen doch Papa oder Mama nicht mehr mitzugehen. Die meisten Eltern haben das kapiert.
Auf meinem Schreibtischstuhl lagen ein Haufen Kleider und ein Blatt Papier.
Hallo, Mimi, Hier sind deine sachen für den schulanfang heute. Das frühstück machst du dir doch selbst? Weck mich, wenn es nötig ist. Küsschen! Mama.
Mama bildet sich wahrscheinlich ein, daß sie sehr ordentlich gewesen ist, weil sie heute nacht in meinem Zimmer rumgestöbert hat, als sie von der Arbeit nach Hause kam. Mein blauer Jeansrock und die rosa Bluse mit den Rüschen lagen ordentlich auf dem Stuhl. Ich ging ins Schlafzimmer und kitzelte sie am Ohr.
»Hallo, Mimi«, murmelte sie. »Mir ist gerade noch rechtzeitig eingefallen, daß heute die Schule wieder anfängt.« Sie drehte sich um und schlief wieder ein und sah dabei sehr zufrieden aus.
»Ja, aber jetzt ist Winter und nicht Sommer!« schrie ich in ihr Ohr. Meine Mama ist so. Aber sie kann sehr gut Kleider für meine Anziehpuppen zeichnen.
Wenn man nun schon zum drittenmal nach den Ferien wieder in die Schule geht, findet man es etwas albern, daß es mit dem Aufruf anfängt. Mein Nachname fängt mit Lan, weil ich Ljung mit Nachnamen heiße, und da muß man ziemlich lange warten, bis man an die Reihe kommt, und das ist langweilig. Das dachte ich jedenfalls, als ich morgens dasaß und mein Frühstück mit den armen paar Zähnen, die ich noch habe, knabberte. In den Weihnachtsferien hab ich nämlich zwei Zähne verloren.
Aber es kam alles ganz anders, als ich dachte.
Auf dem Schulhof war es noch wie immer. Die Jungen standen in einem unordentlichen Haufen zusammen und spielten verrückt. Das taten die Mädchen natürlich nicht. Die standen wie immer zwei und zwei nebeneinander. Linda und Janna flüsterten und amüsierten sich sehr, besonders als sie mich entdeckten. Ich hatte meine neue blaue Mütze auf, die Tante Anna gestrickt hat. Echt Stenmark. Ich dachte also, das wäre okay. Aber weil Linda und Janna so sehr kicherten, stopfte ich sie in die Tasche. Ich hab ja keine Angst davor, Schnee ins Haar zu bekommen. Angelica und Jessica gingen Arm in Arm über den Schulhof und machten lustige Fußspuren in den Schnee. Beim Fahnenmast standen Maria und Maria Magnusson und tauschten ihre Fäustlinge.
Ich wollte den Schnee nicht von meinem Kopf wegwischen, aber er wurde doch ein bißchen schwer und naß, und langsam lief es kalt in meinen Jackenausschnitt am Hals.
Ich beugte mich zurück, so daß der Schnee statt auf meinen Kopf in meinen Mund fiel. Das hat die Zahnärztin jedenfalls noch nie verboten. Übrigens hab ich zwei Fluortabletten auf meinem Wurstbrot für die Frühstückspause.
Da klingelte es. Das war ein sehr schönes Geräusch, das ich schon lange nicht mehr gehört hab. Zuletzt im letzten Jahr, genauer gesagt. Alle stürzten zum Eingang. Ich wollte auch losstürzen, aber in dem Augenblick kam Roberta Karlsson angeschlendert, ganz allein.
»Hallo, Mimi!« rief sie.
Mehrere aus meiner Klasse guckten mich bewundernd an. Roberta Karlsson ist nämlich schon ziemlich groß.
»Hallo«, sagte ich lässig.
»Hast du Post von Lasse aus Norrland?« rief sie.
Ich mußte lachen. »Nee, du«, sagte ich. »Lasse kann ja kaum schreiben. Und wenn er was schreibt, dann bestimmt keine Briefe. Höchstens Autonummern. Jungs schreiben keine Briefe.«
»Ach«, sagte Roberta und zog an ihren Ohrringen, so daß ihre Ohrläppchen ganz lang wurden. »Komisch, daß ich sogar zwei Briefe gekriegt hab! Mit ganz vielen Autonummern aus Norrland.«
Roberta Karlsson ist wirklich ein hoffnungsloser Fall.
»Ich muß rein«, sagte ich. »Gleich werden wir aufgerufen.« »Ja, ja, lauf nur, du Zwerg«, sagte Roberta Karlsson.
Unsere goldige Lehrerin, die Frau Svensson heißt, glitzerte wie eine Wunderkerze, als sie uns guten Tag sagte. An einer Hand trug sie einen dicken Ring aus echtem Gold, aber das hab bestimmt nur ich gesehen.
Wir gingen an ihr vorbei und setzten uns auf unsere alten Plätze. Sobald Frau Svensson sich hinter das Pult gesetzt hatte, schlug sie das Klassenbuch auf und rief unsere Namen auf.
»Arne Andersson!« rief sie.
Ich fiel fast rückwärts vom Stuhl. Ein Glück, daß ich es nicht getan hab, es ist nämlich verboten, in der zweiten Klasse mit dem Stuhl zu wippen.
In der dritten Klasse wird es noch schlimmer. Dann darf man nicht rauchen, und in der vierten dürfen die Mädchen keine Shorts tragen, wenn es auch noch so warm ist. Ja, echt wahr! Und tatsächlich war es Arne Andersson. Oder Arne Schmidt, wie er früher hieß. Oder Arne von Schmidt. So heißt er wirklich, hat er früher behauptet. Arne und ich sind zusammen in die Vorschule gegangen, als wir sechs Jahre alt waren. Und Arne hat mir mal geholfen, ein Monster zu befreien, das im Büro von unserer Lehrerin eingesperrt war. Das war früher in der Vorschule. Dann ist er verschwunden. Und jetzt, in der zweiten Klasse, war er also plötzlich wieder da. Mit den selben dunklen Locken und mindestens genauso vielen Sommersprossen. Aber lang wie eine Lauchstange war er geworden, Arne Andersson von Schmidt.
Zweites Kapitel
Arne wohnt sehr weit weg, nicht mehr in dem gelben Haus am Marktplatz, wo er früher gewohnt hat, als wir noch in die Vorschule gingen. Er ist der einzige aus unserer Klasse, der mit dem Schulbus zur Schule kommt.
»Wohnst du immer noch in Stockholm?« fragte Janna, und Linda kicherte so, daß sie nur noch auf einem Bein stehen konnte.
»Leider nicht«, sagte Arne. »Bis Stockholm sind es ja fünfhundert Kilometer.«
»Aber das wißt ihr wahrscheinlich gar nicht«, sagte Jorma.
»Ihr seid ja noch nie in Stockholm gewesen.«
Jorma hält zu Arne, egal, was Arne tut.
»Ich bin doch schon mal in Stockholm gewesen. Im Tierpark mit meiner Oma«, sagte Janna und plusterte sich auf.
»Das kann ich mir vorstellen, da paßt du genau hin. Zu den affen«, sagte Arne lachend. Er hat auf fast alles eine Antwort.
Gestern hat unsere Lehrerin gesagt, wir sollen besonders nett zu Arne sein, weil er doch neu in der Klasse ist, aber heute sah sie aus, als ob ihr das wieder leid täte.
Arne kennt fast alle, und als es heute