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Josi und die anderen
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Josi und die anderen
Ebook168 pages2 hours

Josi und die anderen

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About this ebook

Nachdem Josi das Abitur abgeschlossen hat, will sie zu ihren Freunden, Helga, Leo und Ulrich in die Grossstadt ziehen und studieren. Als achtes Kind eines Gutinspektors ist sie auf dem Land aufgewachsen und auch wenn sie das Landleben sehr gerne mag, möchte sie nun das Leben in der Stadt erfahren. Nach Josis Umzug erleben die vier Freunde einige Abenteuer in der grossen Stadt und geniessen das Leben vollumfänglich. Doch zieht es die vier etwa doch wieder an ihren Heimatort zurück? - Eine humorvolle Geschichte, die in sanften Tönen über die Lieblichkeit des Lebens berichtet. -
LanguageDeutsch
PublisherSAGA Egmont
Release dateJan 8, 2016
ISBN9788711509630
Josi und die anderen

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    Josi und die anderen - Lise Gast

    www.egmont.com.

    Josi stand am Fenster des D-Zuges, der soeben zu bremsen begann. Sie trug ein Kostüm, ihr erstes, und mußte sich beständig in den Fensterscheiben spiegeln, während ihr dunkles Haar im Zugwind flatterte. Ob Ulrich an der Bahn sein würde? Kein Mensch auf der Welt konnte ermessen, wie wichtig das war. Wieder jeden Tag mit Ulrich und Leo und Helga zusammen zu sein ...

    Josi zog, ohne es zu wissen, wie stets ihre Himmelfahrtsnase ein wenig kraus, wenn sie ›Helga‹ dachte. Helga war die Tochter vom Gut, etwas älter als Josi, und hatte ungefähr alles, was man sich wünschen konnte, nur keine Geschwister. Dafür hatte sie, Josi, sieben, und war Nummer acht. Als Helga ein gutes Abitur machte — sie waren alle vier zusammen in die Kreisstadt zur Höheren Schule geradelt —, war es für Josi klar, daß sie das auch schaffen müßte. Sie schaffte es dann auch. Und jetzt hatte es die kleine Josi Fischer tatsächlich durchgesetzt, daß sie auch studieren durfte. Sport wollte sie studieren, und dazu — sie mußte noch mit Ulrich reden. Nun würden sie sich wieder jeden Tag sehen. So war es damals gewesen; da verging kein Tag, an dem sie nicht in der Revierförsterei auftauchte. Frau Gieseking, Ulrichs Mutter, pflegte zu sagen, wenn man sie fragte, wieviel Kinder sie habe: »Drei. Zwei Jungen und ein Mädchen.« Das Mädchen war Josi. Sie gehörte in die Försterei mehr als ins Inspektorhaus. Und deshalb waren die Jahre, in denen Ulrich und Leo fort waren, ein bißchen einsam gewesen. Jetzt aber fing das Leben wieder richtig an. Ob Ulrich —

    Aber es war ein anderes Gesicht, das auftauchte, als Josi aus dem Zug gesprungen war, und nicht Ulrichs, sondern eine andere Stimme rief: »Ja, Josi, da bist du ja. Wunderbar!«

    Sie war nicht enttäuscht. Sie kam gar nicht dazu, es zu sein — Leo sah großartig aus, fand sie, und er hakte sie sofort ein.

    »Bist du noch größer geworden?« Sie reichte ihm kaum bis zur Schulter. »Nein, ein Taxi, du bist ja verrückt!«

    »Nur heute, dir zu Ehren. Komm, ich traute mich gar nicht, dich hier heil über die Straße zu bringen zu Fuß!«

    Das Gewühl vor dem Hauptbahnhof war freilich verwirrend. München — Großstadt — Universitätsstadt — sie schnurrten dem Stachus zu.

    »Du mußt gleich alles kennenlernen. Ich hab’ zu Ulrich gesagt —«

    »Wo ist er denn?« fragte Josi und versuchte, zu kapieren, was er ihr zeigte. Da hielt der Wagen schon wieder.

    »Ulrich? Kommt gleich. Helga hat noch Kolleg«, berichtete Leo beim Aussteigen. »Sie sind sicherlich gleich da.«

    Er bugsierte Josi durch ein gemütliches kleines Lokal bis zu einem Fenstertisch. Draußen flutete der Verkehr vorbei, gegenüber lag das Rathaus. Und dann kamen Ulrich und Helga.

    Ulrich war größer als sein Bruder, wirkte aber zarter. Er hatte ein etwas unregelmäßiges Gesicht mit gescheiten, dunklen Augen und auch dunkles Haar. Leos Haar krauste sich, hellbraun, in kurzen, eigensinnigen Locken über der breiten Stirn.

    Josi war glücklich. Die andern fragten nach zu Hause, und sie erzählte. Sie hatte natürlich ein Päckchen für sie alle mit, von Frau Gieseking — »sicherlich Waffeln!«, und viele viele Grüße. Und die Lotte hatte gekalbt, ein Kuhkalb, braun mit winziger Blässe.

    Auch für Helga brachte sie Grüße mit. Die saß am Fenster in der blassen Herbstsonne, vornehm, still und schön. Ein bißchen blaß, fand Leo, als sein Blick von den strahlenden Farben Josis zu ihr hinüberging. Wahrscheinlich arbeitete sie zu viel.

    »Wo wohnen wir denn?« fragte Josi.

    »In der Leopoldstraße, ziemlich weit draußen, aber trotzdem enorm günstig. Die Uni zu Fuß zu erreichen, ringsumher Schwabing, für dich haben wir ein Zimmer erwischt.« Die Zugehfrau, die alle betreute, sei ganz groß, erzählte er. Früh machte sie Waldlauf im englischen Garten und abends braute sie Schnäpse, und dichten tat sie auch. Wie Ulrich.

    »Ach, laß doch den Unsinn!« sagte der ärgerlich.

    »Na natürlich, du dichtest ganz anders —«

    »Hast du was Neues fertig?« fragte Josi begierig.

    Ulrich winkte ab. Er konnte es nicht leiden, wenn man darüber sprach, obwohl sie alle nicht spotteten. Alle — ob auch Helga glaubte, daß etwas Großes aus ihm werden würde? Nie wurde man aus ihr klug, und sie sollte, gerade sie sollte doch —

    »Ich hab noch zu arbeiten«, sagte er plötzlich in Leos Pläne für den Abend hinein, »geht doch allein. Ich —«

    »Aber Ulrich! Du hattest doch gesagt — Helga, sag du mal —«

    »Ich möchte auch noch was tun,« sagte Helga. Leo wütete.

    »Dann geh ich mit Josi allein. Sie hat das Recht drauf, daß wir ihr die Stadt zeigen, an ihrem ersten Tag hier!«

    Die andern gaben nach. Man beschloß: Theater.

    »Kann ich denn so gehen?« fragte Josi schüchtern. Ihr herrliches Kostüm kam ihr gegen die Eleganz der Großstadt und Helgas Pelzjacke plötzlich sehr simpel vor. Sie dachte an ausgeschnittene Abendkleider und blitzende Diamanten im Foyer.

    »Klar, wir gehen doch Galerie«, sagte Leo beruhigend. Er brachte Josis Koffer heim, und die andern gingen voran ins Kleine Theater. Es war ein modernes Stück und schwer zu verstehen, und schon im zweiten Akt sank Josis Kopf nach vorn. Immerhin war sie nach einer vor Vorfreude fast schlaflosen Nacht seit dem Morgen unterwegs. Leo lachte. Mochte sie schlafen.

    Als sie heimkamen, war Josi wieder munter, so munter, daß es ihr unmöglich schien, schlafen zu können. Ihr Zimmer war kalt, die Koffer standen noch so, wie Leo sie hineingeboxt hatte. Helgas Zimmer lag nebenan, das der Jungen einen Stock tiefer.

    Auf dem Tisch türmten sich bald Bücher, Taschentücher, von Mutter liebevoll zusammengebunden, und sonst allerlei. Endlich fand Josi die Waffeln, auf die die Jungen lauerten.

    »So, nun brausen wir ab, wenn was ist, klopfst du auf den Fußboden, dann komme ich als rettender Engel heraufgeschwebt.«

    »Was soll denn schon sein? Aber es beruhigt mich kolossal«, lachte Josi. Die Jungen schoben ab, auch Helga, die sich erst geweigert hatte, ihren Anteil Waffeln anzunehmen. Josi ging umher, räumte ein, setzte sich schließlich auf die Bettkante und zündete sich eine Zigarette an. Sie rauchte sonst nie, fand nichts daran, aber wie oft hatte sie sich ausgemalt: Wenn ich erst Studentin bin und eine Bude hab, dann rauche ich vor dem Schlafengehen eine Zigarette. Es war also eine symbolische Handlung. So tat sie es mit Genuß.

    Draußen war Mondschein. Unten, im selben Haus, schlief Ulrich. Sie war glücklich. Als die Zigarette zu Ende war, konnte sie getrost ins Bett schlüpfen. Sie drehte das Nachttischlämpchen an: da lag ihr Waffelanteil, auf ein Stück Papier geschichtet. Es duftete herrlich nach Butter und Zimt. Sie kuschelte sich ins Bett und griff nach der obersten Waffel, ließ sie genießerisch auf der Zunge zergehen. Dabei dachte sie an die Küche im Forsthaus von Frau Gieseking — — —

    Zu gern war sie dort immer gewesen. An einen Nachmittag erinnerte sie sich besonders genau, im letzten oder vorletzten Jahr, das die Jungen noch zu Hause waren. Es war entsetzlich heiß, ein Gewitter im Anzug. Josi sah die Wolkenbank vom Westen her aufziehen, während sie um die Hutung bog. Frau Gieseking rettete die Putküken vor dem Regen, die keinen vertrugen. Josi half — kaum waren sie in der Küche, da fuhren die Blitze schon über den Himmel, zischgelb und tausendfach verästelt. Die Jungen waren im Wald.

    »Wo sie nur bleiben?« sagte Frau Gieseking und sah hinaus.

    Josi schnupperte. »Backen Sie Waffeln?«

    »Ich wollte grade anfangen.« Frau Gieseking trocknete sich die Arme mit der Schürze ab. Josi sah zu, wie sie den Teig zähflüssig ins schwarze Waffeleisen rinnen ließ. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. »Darf ich mitessen?« sagte sie blinzelnd.

    »Als ob wir jemals Waffeln ohne dich gegessen hätten«, sagte Frau Gieseking lachend, »aber trockne dich ab, Kind —« Sie warf ihr ein Handtuch zu, das am Herd gehangen hatte. Es roch nach Rauch und Sommerwind und kratzte auf der Haut, so grobkörnig war es. Josi hatte einen Fuß auf die Ofenbank gestellt und rieb das Bein ab.

    »Jetzt kommen sie«, sagte sie, ohne aufzublicken, »hören Sie?«

    »Ich hör nur den Regen —«

    Sie gingen zusammen zum Fenster und sahen hinaus. Der Hof war jetzt ein See, aus dem die Tropfen spritzend emporsprangen. Hinterm Wald wurde es schon wieder hell. »Du mußt Ohren haben wie ein Luchs«, sagte Frau Gieseking, »hören kann man doch nichts.«

    Die beiden Jungen kamen um die Hutung. Sie sprangen in weiten Sätzen, Leo vornweg, Ulrich etwas vorsichtiger hinterher. Ihre Hemden klatschten auf der Haut. Josi hielt ihnen die Tür auf.

    »Waffeln fertig?« war das erste, was Leo rief. Die Mutter legte eben ein paar Scheite auf.

    »Gleich gehts los. Könnt ihr nicht eher kommen? Naß wie die Wassermäuse seid ihr ...«

    Ulrich zog sein Hemd über den Kopf und warf es, klatsch, auf die Ofenbank. Der Schein des Feuers tanzte auf seinem nackten Oberkörper und malte ihn rot an. Leo hockte sich vor die Glut. Er sah wie ein Waldschrat aus mit dem hellbraunen Haar, das sich in der Nässe ringelte und drehte.

    »Na, ihr seid ja reichlich ungeniert, dabei habt ihr doch Damenbesuch«, schalt die Mutter.

    »Ach, Damen!« meinte Ulrich wegwerfend. Josi am Fenster lachte. Sie hatte ihr Haar glatt nach hinten gestrichen und fühlte es um den Kopf liegen wie einen kühlen Helm.

    »Wenn ich schon keine bin, aber draußen ist eine«, sagte sie.

    »Wo?«

    Sie deutete mit dem Daumen hinter sich. Leo kam neugierig herüber. Eine Dame im regennassen Wald?

    Es war Helga. Josi hätte sie malen können, so genau besann sie sich, wie sie jetzt dastand, ein wenig hilflos, das Pferd am Zügel. Es war der hochbeinige Dunkelbraune, den sie damals ritt. Der Regen sprühte von dem blanken Sattel.

    Ulrich rannte gleich hinaus, um ihr zu helfen. Helga fühlte sich wohl ein wenig fehl am Platz mit ihrer durchgeregneten Reitjacke zwischen den halbnackten Jungen und Josi, die hier wie zu Hause war. Josi fand auch jetzt noch, daß sie nicht so recht zu ihnen paßte, zu Ulrich, Leo und ihr. Damals — heute auch, ebenso. Obwohl die Jungen sehr nett zu ihr waren ...

    Josi hatte in Gedanken alle Waffeln aufgegessen. Jetzt tat ihr das leid. Eine hätte sie doch als Heimwehbrot aufheben sollen. Sie lachte: Heimweh? Wo die Jungen unten wohnten? Nein, Heimweh gab es nicht. Sie streckte sich aus und schob den Arm unter die Wange. Wo Ulrich war, war auch sie zu Hause. Schnell war sie eingeschlafen.


    Helga stand am Waschtisch und ließ das Wasser über die Hände laufen, minutenlang, wie vor einer Operation. Draußen nieselte es — unerfreuliches Wetter, fast schon November. Helga fror und hatte zu nichts Lust. Es war noch Zeit bis zur Reitstunde. Ob Josi —

    Da kam sie schon draußen durch den Regen gesaust, Helga sah es durchs Fenster. Josi trug zu einem kurzen Rock ihre Schijacke, ihr Gesicht war naß vom Regen und munter — beneidenswert munter. Mit einem Satz sprang sie vom Rad und trug es, noch im Schwung, drüben zur Seitentür hinein. Helga fragte sich, warum sie denn so zeitig käme. Die Stunde fing noch nicht an.

    Seit Josi da war, war alles anders, auch die Jungen — wacher, lebendiger. Sie unternahmen mehr, sie ließen sich mitreißen von ihrem Tempo, und Josi tat, als gehörten sie ihr. Das, fand Helga, war übertrieben.

    Bisher hatten sie sich um sie, Helga, förmlich gerissen. Und sie hatte sich zwischen den beiden Knappen recht wohl gefühlt. Sie ›standen‹ ihr gut. Ulrich war bestimmt begabt und wurde sicherlich einmal etwas Großes, und Leo, einfacheren Gemütes, wäre sicher für sie durchs Feuer gegangen, bisher. Und nun war es auf einmal Josi, die den Ton angab. Wie kam das nur?

    Sie dachte an ihre Mutter. Neben der war es auch schwer, sich zu behaupten, deswegen hatte sie, Helga, wohl Medizin angefangen zu studieren. Mutter hatte das als junger Mensch auch einmal gewollt, und so glaubte Helga, am ehesten vor ihren Augen bestehen zu können. Das Interesse für all die Wunder und Zusammenhänge des Lebens hatte sie in sich, und ein gutes Gedächtnis auch. So hatte sie das Physikum ohne Schwierigkeiten gut bestanden. Nun kam also das Klinische.

    Ob Mutter sich gefreut hatte, als sie telegrafierte, sie habe bestanden? Ob Mutter — Herrgott, immerzu Mutter und Mutter. Lieber sollte sie sich jetzt um ihren Lord kümmern, den sie so gern ritt. Sie stand auf, ungeduldig über sich selbst, und ging zum Stall hinüber. Grade kam Leo geschusselt.

    »Helga? Willst du auch Stallbursche werden? Dort drin steht Josi und mistet aus. Für dich ist auch noch eine Gabel da!«

    »Ist nicht wahr. Putzen tut sie«, sagte jetzt Ulrich, herankommend, »find ich übrigens ganz gut. Selbst putzen und satteln — wir sind doch keine Herrenreiter. Von jetzt an —«

    Der Reitlehrer verteilte die Pferde. Ulrich bekam den ›Kardinal‹ und saß auf, strahlend vor Stolz. Er ritt gut, fast so gut wie Leo. Helga sah noch, daß Josi den ›Lord‹ bekam, ein kleines, nicht sehr dekoratives Pferd, aber einfach zu reiten. Eigentlich gehörte sie noch in die Anfängerabteilung.

    »Wir wollen es mal hier

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