Mein (un)wertes Leben: Eine Biografie
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Alfred Hoffmann
Der Brockeler Alfred Hoffmann, Jahrgang 1939, ist im Landkreis Rotenburg und darüber hinaus für sein musikalisches Engagement bekannt. Eher unbekannt ist seine Kindheit und Jugend: die Geschichte einer Flucht in vielen Stationen, die der Mitbegründer und Ehrenvorsitzende der Kontaktstelle Musik in seiner Kindheit und Jugend erlebte.
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Book preview
Mein (un)wertes Leben - Alfred Hoffmann
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Arme Maus und reicher Bauernsohn
Meine erste Rettung
Rettung Nummer Zwei
Die neue Heimat
Flucht mit der neuen Familie
Bombenangriff
Der dritte Schutzengel
„Help"
Der Waggon am Bahnhof
Die Wiestebrücke bei Sottrum
Nicht nur Hamstern
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
Zurückgelassen
Wieder entwurzelt
Sündenbock
Familienzusammenführung
Die falsche Schlange
Frostig
Die Sache mit dem rosa Aschenbecher
In letzter Sekunde
Der letzte Hahn
Kartoffelkäfer und Rosinenbomber
Bekanntschaft mit der großen Liebe: Musik
Kriegsheimkehrer
Flucht in den Westen
Vater
Auf Leben und Tod
Lehrjahre sind keine Herrenjahre
Das Angebot
Fahrprüfung mit Hindernissen
In der Penne
Am Timmendorfer Strand
Liebe und Hiebe
Lehrjahre sind keine Herrenjahre
Auf eigenen Beinen
Kindheitsfreuden und Jugendsünden
Voll auf die Glocke
Auf zur See
Ehe und Brüche
Alleinerziehender Vater
Happy End
Endlich sesshaft
Unter Strom
Auf der Schippe
Ein lebenswertes Leben?
Nachwort
Vorwort
„Sagen, was ist" – das war schon immer Alfred Hoffmanns Art. Nicht lang drum rum reden, sondern Klartext. Damit machte er sich im Leben nicht immer nur Freunde. Einige Wahrheiten auszusprechen, dafür brauchte es etwas länger.
Krank, ungewollt, ein „unwertes Leben", immer wieder entwurzelt durch die Kriegszeiten und - zig Neuanfänge: Das hinterließ Narben auf der Seele. Narben, die es besser zu verdrängen galt, einige über 50 Jahre. Irgendwann, als Erwachsener – Alfred Hoffmann hatte längst seinen Platz in der Gesellschaft gefunden, im Beruf, in der Kommunalpolitik und vielen ehrenamtlichen Ämtern in der Musik –, wurde er sehr krank. Nicht nur körperlich – auch die verletzte Seele meldete sich zu Wort, verlangte nach Gehör. In der Kur riet eine Psychologin ihm, sich die Erlebnisse der Kindheit von der Seele zu schreiben. Das brach alte Wunden auf; längst verschüttete, zum Teil bruchstückhafte Erinnerungen kamen zum Vorschein.
Sie finden sich in diesem Lebensbericht, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Chronologie; die Geschichten aus der frühsten Kindheit wurden ihm selbst erzählt: von den Eltern, Verwandten, Wegbegleitern, zum Teil Jahrzehnte später. So ergibt sich das Mosaik einer Fluchtgeschichte in Kriegszeiten. Brutal, erschütternd, und gerade deshalb wert, vor dem Vergessen bewahrt zu werden. Dies ist das Anliegen dieses Buches.
Dank
Wenn das Schicksal es nicht gut mit mir gemeint hätte, wäre ich heute nicht mehr am Leben. Ich habe im Laufe meines Lebens viele Schutzengel gehabt, einige in menschlicher Gestalt: Das Ehepaar Lydia und Albert Künzler, die mich wie ihren Sohn aufgenommen haben sowie ihre Kinder Alfred, Alfons, Alma und Herta, aber auch Alida Bösen, die mich 1945 beim Bombenangriff rettete, indem sie ihren eigenen Körper als Schutzschild einsetzte. Ihnen allen gilt mein tiefer Dank.
Vor allem aber möchte ich meiner Ehefrau Marianne danken, die mich bis heute begleitet und geleitet hat – ohne sie wäre ich heute nichts.
Arme Maus und reicher Bauernsohn
Ich bin das zweite Kind von Arnold und Lydia Hoffmann. Als meine Mutter Lydia Marks 1918 in Nikolajewka, Kreis Bender (Bessarabien), als fünftes Kind geboren wurde, verstarb ihre Mutter sechs Tage später im Kindbett. Ihr Vater war ein einfacher Landarbeiter und konnte sich nicht um seine kleine Tochter kümmern. Meine Mutter wuchs als Pflegekind bei Nachbarn, der Familie Wildermuth, auf. Die Nachbarin hatte meiner Großmutter auf dem Sterbebett versprochen, sich um die „Luzi" zu kümmern. Und das taten sie und ihr Mann auch.
Die Familie Wildermuth besaß eine Mühle. Sie regierten das Dorf. Er war Bürgermeister, bei Streitigkeiten wie in der Ehe schlichtete er. Er war das Gesetz. Der Mühlenbesitzer hatte selbst neun Kinder aus verschiedenen Ehen – seine erste Frau war früh gestorben. Wie das damals eben so war: Wenn die Leute krank wurden, starben sie. Meine Mutter wurde dort aufgenommen und mit den anderen Kindern großgezogen. Die leiblichen Söhne der Wildermuths konnten alle höhere Schulen besuchen und studieren – in Heidelberg, Wien. Aus allen ist später etwas geworden: Doktoren, Professoren, Tierärzte. Doch auch meine Mutter hatte es gut: sie durfte Schneiderin werden, und ihre Pflegegeschwister sorgten dafür,