Das Unaussprechliche .... sprechen: Erläuterungen zum Kurs 12/I des Faches Katholische Religionslehre
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Das Unaussprechliche .... sprechen - Axel Burghausen
Das Titelbild: Max Beckmann: Selbstbildnis mit Seifenblasen (1900)
www.pinterest.co.uk/pin/201395414561263518
Inhaltsverzeichnis
Vorab: Wir können nicht schweigen
Du sollst dir kein Bildnis machen
1.1 Wofür es sich zu leben lohnt …
1.2 Jeder formt sich den Gott, den er verdient
1.3 Kein Bildnis machen … - Geht das?
Gott er-denken?
2.1 Kann man die Existenz Gottes beweisen?
2.2 Gott im Widerspruch zur heutigen Welterfahrung
2.3 Gott als Projektion des Menschen
2.4 Gott ist weder nichts noch etwas
2.5 … das Wasser sucht die Durstigen ebenfalls
Überwältigt von der Erfahrung Gottes
3.1 Auch Freiheit will gelernt sein
3.2 Kleine Entwicklungsgeschichte des biblischen Monotheismus
3.3 Wenn Gott mit uns ist, wer ist dann gegen uns
3.4 Selig, die vor Gott arm sind
3.5 Drei ist eins und eins ist drei
Wie kann Gott das zulassen?
4.1 Beugt der Allmächtige das Recht?
4.2 Wer Leiden erklärt, leidet nicht
4.3 Kann Gott allmächtig und gütig sein?
Vorab: Wir können nicht schweigen
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen." Dieser berühmte Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein verdeutlicht, dass das, was unser Denken und Sprechen ermöglicht, nicht zugleich deren Gegenstand sein könne. Diese Erkenntnis umreißt das Dilemma des Religionsunterrichtes (und aller Theologie). Entweder existiert Gott nicht, dann wäre jede Rede von ihm mindestens Zeitverschwendung, vielleicht Ablenkung oder Manipulation, jedenfalls keine hilfreiche Betätigung in der Schule. Niemand, auch nicht der gläubigste Mensch, kann völlig ausschließen, dass genau das zutrifft.
Oder Gott existiert. Dann sind unsere Gedanken und Worte auch nicht ansatzweise in der Lage, seine Wirklichkeit angemessen zu erfassen. Auch in diesem Falle stellt sich die Frage, warum wir es immer wieder versuchen, obwohl wir wissen, dass alles, was wir sagen, mehr falsch als richtig sein kann (vgl. 2.4).
Auf der anderen Seite haben wir Menschen, die Erfahrungen mit Gott gemacht, die ihr Leben mit Gott bewältigt oder in Auseinandersetzung mit ihm abgearbeitet haben (vgl. auch Jakob in Jgst. 11). Genauer gesagt interpretieren diese Menschen ihre Erfahrungen auf Gott hin, aber dies bleibt kein theoretischer Akt, sondern wird ein lebendiger Vollzug. „Wir können nicht schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben" (Apg 4,20), antworten Petrus und Johannes, als der Hohe Rat ihnen befehlen will, die Botschaft Jesu Christi nicht mehr zu verkünden. Der Prophet Jeremia spricht von einem inneren Zwang, der ihn treibt, prophetisch zu reden, auch wenn es ihm lauter Nachteile bringt (Jer 20,9).
Weil sich Gott also Menschen geoffenbart hat, deshalb ist es auch für uns gerechtfertigt, über Gottes Handeln zu reden und Rückschlüsse auf sein Wesen zu ziehen. Das Reden über Gott ist immer auch – oder eher zuerst – ein Reden über Menschen, und deren Erfahrungen können wir nachvollziehen. Letztlich bedeutet, an Gott zu glauben, diesen Menschen und ihren Erfahrungen zu vertrauen.
In einer Karikatur von Frank Speth sitzt Gott (Mann mit weißem Bart) über Wolken an einem Tisch (evtl. einem Schultisch), stützt nachdenklich seinen Kopf auf seine rechte Hand und denkt: Manchmal frage ich mich, ob es mich gibt. Das Bild wirft uns in eine paradoxe Situation, denn einerseits beweist dieser Gedanke die Existenz Gottes (nach Descartes: Ich denke, also bin ich), andererseits spiegelt er die Zweifel der Menschen wider und macht deutlich, dass ein Gott, an den nicht geglaubt wird, seine Funktion verlieren kann (im Sinne Nietzsches: Gott ist tot). Vielleicht steckt in der Karikatur aber auch eine Kritik an Gott, der, indem er sich den Menschen bemerkbar gemacht hat, mehr Ungewissheit und Streit geschaffen hat als eine beruhigende Klarheit.
Ähnlich anthropomorph (menschenartig) wie die Karikatur ist eine Vorstellung, die ich seit Jahren mit mir trage. Gott sitzt im Himmel und hört, was ich im Unterricht über ihn sage (oder liest, was ich hier über ihn schreibe). Er stutzt, denkt nach - - - und bricht in ein schallendes Gelächter aus. Gott hat Humor, das ist meine feste Überzeugung, und erträgt, was Theologen über ihn formulieren. Er ermuntert uns sogar dazu, denn sonst hätte er uns nicht Verstand und artikulierte Sprache geschenkt. Wenn manche muslimische Schüler Schwierigkeiten haben, sich auf atheistische Fragestellungen oder die Theodizee-Frage einzulassen („In unserer Religion ist uns das nicht erlaubt"), weise ich auf diesen Tatbestand hin. Gott wollte, dass wir über ihn reflektieren, und er lässt es zu, dass wir ihn in Frage stellen.
So problematisch es also sein mag, über eine Wirklichkeit zu reden, über die nicht angemessen geredet werden kann, so ist es dennoch notwendig. Auch ich kann nicht schweigen, also werde ich