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Die ersten Tage
Die ersten Tage
Die ersten Tage
Ebook465 pages5 hours

Die ersten Tage

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About this ebook

Ein Raumschiff kehrt nach einer langen Expedition zur Erde zurück und findet den Planeten völlig verändert vor.
Ein Traum der Menschheit geht in Erfüllung. Zeitreisen sind möglich. Während der Mission geschiet das Unfassbare: eine globale Katastrophe. Aus dem Weltraum sehen die vier Zeitreisenden, wie die Erde in eine Aschewolke gehüllt ist. Sie beschließen einen weiteren Zeitsprung und stürzen auf eine Erde, auf der nichts mehr so ist, wie es war. Flora und Fauna haben einen evolutionären Sprung gemacht.
Auf der Suche nach Menschen müssen sie sich Tieren stellen, die aus einem Albtraum entsprungen zu sein scheinen. Eine Kolonie Krabben, jede einzelne größer als vier Meter, schnappen mit den Scheren nach ihnen. Riesige Mulle mit scharfen Säbelzähnen beginnen eine Hetzjagd, mit den Astronauten als Beute.
Als sie endlich auf Menschen treffen, müssen die beiden Frauen und Männer erkennen, dass auch diese die Katastrophe nicht ohne Veränderungen überstanden haben.
Wird es ihnen gelingen eine neue Zivilisation zu errichten?
Ein dystopischer Science-Fiction-Roman voller Spannung und Dramatik.
LanguageDeutsch
Publishervss-verlag
Release dateApr 14, 2019
ISBN9783961271788
Die ersten Tage

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    Die ersten Tage - Kerstin Zegay

    Kerstin Zegay

    Die ersten Tage

    Impressum

    Die ersten Tage

    Kerstin Zegay

    © 2019 vss-verlag, 60389 Frankfurt

    Covergestaltung: Hermann Schladt (Bild www.pixabay.de)

    Lektorat: Peter Altvater

    www.vss-verlag.de

    Prolog - Drei Jahre in der Zukunft

    Josh starrte aus dem Fenster und wagte nicht, den Blick abzuwenden, aus Angst den einen Augenblick zu verpassen. Dieser Moment war der einzige Grund, weshalb er sich zu dieser Reise entschlossen hatte.

    Die letzten Stunden waren anstrengend gewesen und Josh sah Bent die Erschöpfung an. Doch sie hatten keine Wahl gehabt. Sie mussten den Meteroitenhagel passieren, um den Zeitplan einhalten zu können. Es war ausschließlich Bents Können zu verdanken, dass sie unbeschadet aus der Situation herausgekommen waren. Insgeheim musste er sich eingestehen, dass seine Vorstellung von Kaptain Kirk und Commander Spock geprägt war und romantisch eingefärbt.

    Die Realität sah anders aus. Das unbequeme Schlafen in diesen Hängevorrichtungen und der ekelig anmutende Toilettengang waren  nicht so sein Ding. Schnell war aus Abenteuer Routine geworden und er nur noch Handlanger für Ellis Pflanzenexperimente.

    In der Spiegelung der Scheibe erkannte Josh, dass sie eingeschlafen war, festgezurrt in ihrem Sitz. Das schwere Buch drohte bald aus ihrer Hand zu fallen.

    Lichtblitze schnellten an ihnen vorbei und die Unendlichkeit des Weltraums breitete sich vor ihnen aus.

    Josh kontrollierte die Zahlen auf der Anzeige. Mehr als einmal hatte er sich gefragte, wie Bent die Orientierung behalten konnte. Oben, unten, rechts, links. Schon lange konnte er keinen Unterschied mehr feststellen.

    „Geschwindigkeit um eins verringern", befahl Bent.

    Sofort zog Josh an einem Hebel. Mit der anderen Hand krallte er sich in die Lehne seines Sitzes. Die Anschnallgurte schnitten ihn ins Fleisch und die EKG-Elektroden ziepten unangenehm an seinen wenigen Brusthaaren. Unruhig rutschte er in seinem Sitz hin und her und versuchte seine Fingernägel noch tiefer in das Plastik zu graben, als würde es helfen zu bremsen. Immer wieder kämpfte er mit der Übelkeit, gegen die er heimlich Tabletten nahm, nur um vor dem Team nicht wieder als Looser dazustehen. Erfahrung prägt.

    Bent drückte nacheinander mehrere Knöpfe und Kippschalter, kontrollierte eine Anzeige und drehte eine Kurve, um den Kurs zu halten.

    Josh drehte sich der Magen um. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.

    Eva trug Vitalwerte in ihre Tabellen ein, fuhr mit dem Finger den Herzableitungen des Teams nach und runzelte die Stirn, als sie Joshs beurteilte. „Alles in Ordnung?"

    Schnell nickte Josh. „Joah, klar." Er sah demonstrativ aus dem Fenster. Atmete tief und versuchte verzweifelt, seinen Herzrhythmus zu beruhigen, indem er die Sterne zählte. Er starrte regelrechte Löcher in den Weltraum.

    Eva sah ihn prüfend an.

    Bent drosselte abermals das Tempo. Ein Ruck ging durch das Schiff und es schien zu schweben. Nur das Surren der Instrumente war zu hören.

    Und dann kam der Moment, auf den Josh so lange gewartet hatte. Aus einem kleinen, hellen Punkt wurde schnell und schneller ein großer, weißer Ball.  Auf dem Hinflug hatte er kaum eine Minute Zeit gehabt die Aussicht zu genießen und hatte sich mit dem Rückflug getröstet. Jetzt kostete er jede Minute aus, hielt Ausschau nach dem Krater Belopol'skiy oder dem Ioffekrater und hoffte, eine der Sonden zu entdecken. So sehr wünschte er sich, die amerikanische Flagge zu sehen. Josh drückte sich fast die Nase platt, obwohl er wusste, dass es noch ein paar Minuten dauern würde, denn noch befanden sie sich hinter dem Mond. Wie schön er war. Die Meteoriten-Krater, die Hochländer und die mit Lava erstarrten Senken kannte er genauso gut wie die Zigarettenbrandlöcher im Wohnzimmerteppich vom Vormieter, den überquellenden Mülleimer in der Küche oder die Pfütze die sich auf dem Linoleumboden unter dem Schlafzimmerfenster bildete, wenn es stark regnete. Er war so stolz, einer der wenigen Menschen zu sein, die der Erde entkommen waren, die dem Mond nahe sein durften.

    Trotz der Aussicht, die als Ablenkung groß genug war, dass er die Übelkeit nicht beachtete, rebellierte sein Magen.

    Schon bald würde sich die Erde in ihr Blickfeld schieben und das Fenster mehr und mehr ausfüllen, je näher sie kamen.

    In der Kabine hatte sich eine aufgeregte Stille breit gemacht, die fast greifbar war.

    Die Consus flog immer weiter der Heimat entgegen.

    So sehr sich Josh in den Weltraum gewünscht hatte, es Kaptain Kirk gleichzutun, fremde Welten zu erforschen, Asteroiden aus der Nähe  zu sehen und die Anziehungskraft eines schwarzen Loches zu erleben, so sehr sehnte er sich nach Hause. Die Erde mit ihrer Schwerkraft, den Naturgesetzen, wo die Füße auf dem Boden standen und nicht wie eigenständige Wesen durch den Raum schwebten.

    War ihm die Consus eben noch viel zu schnell gewesen, schien sie nun quälend langsam um den Mond zu schweben.

    Keiner sagte ein Wort. Alle warteten gespannt auf den Augenblick, wenn der blaue Planet erschien und sie endlich wieder Funkkontakt zur Erde haben würden und die erfolgreiche Beendigung der Mission verkünden konnten.

    Und dann war es endlich soweit. Doch es war ganz anders, als Josh erwartet hatte.

    Die Erde war eingehüllt in eine Aschewolke. Die bekannten Formen der Kontinente waren nicht mehr zu sehen, die riesigen Flächen der blauen Ozeane nicht zu erkennen. Kein Lichtschein der Großstädte drang in die Tiefen des Alls.

    Ruß, Qualm und Asche schwelten auf, um sich kurz darauf noch höher aufzutürmen, ähnlich der Raucherschlote in der Tiefsee.

    In diesem Moment gab es an einem undefinierbaren Ort auf der Erde eine Explosion. Sie hörten sie nicht, aber die Asche türmte sich noch höher auf und quoll über. Es gab nur wenige Lücken zwischen den Wolken und wenn, erhaschten sie einen kurzen Blick in die Hölle. Die Welt schien zu brennen. Alle blickten gebannt auf die Flammen.

    Kapitel 1 - 250 Jahre in der Zukunft

    Bent zitterte. Nicht nur ein bisschen, die Zuckungen erinnerten an Schüttelfrost. Sein Gewicht folgte der Schwerkraft und die Gurte, die ihn immer noch eisern krallten, schnitten tief in beide Schultern. Leises, aber stetiges Gluckern durchdrang die Stille, hypnotisierend.

    Kleine, blitzende Sternchen begannen einer irren Choreographie zu folgen und nur Sekunden später verlor Bent erneut das Bewusstsein. Die Dunkelheit hieß ihn willkommen, ein warmes, wohliges Gefühl durchströmte ihn, gaukelte ihm Nestwärme vor und doch fühlte er, dass in der hintersten Ecke eine Ahnung hockte, die Intuition von beginnenden Schwierigkeiten, bereit ihn anzuspringen.

    Eine dicke Kröte spannte die Muskulatur der Oberschenkel erneut und streckte sich vorwärts, schwamm vorbei an Knüppeln und Schalttafeln, dessen Lichter für immer erloschen waren. Schwerfällig kletterte sie die Konsole herauf und hockte sich zwischen Sidestick und Schubhebel. Ihr Rücken war übersät von fetten Warzen. Das wenige Mondlicht, welches die verschmorten Scheiben der Consus durchdrang, ließ ihre Haut bläulichrot schimmern. Mit Glubschaugen inspizierte sie den Innenraum.

    Leise schwappte das Wasser an die Wände des Raumschiffes im Rhythmus der Brandung, nur unterbrochen von einem kurzen Keuchen eines der Insassen, die immer noch angeschnallt in ihren Sitzen bewegungslos ausharrten.

    Gelangweilt ruhte die Kröte in sich und schloss halb die Augenlider.

    In der Nähe kreischte ein Vogel, der sich mit schweren Flügelschlägen den Neuankömmlingen näherte und einen Erkundungsflug über dem gestrandetem Schiff zog.

    Die Nase der Consus hatte sich tief in den Grund des Meeres gegraben. Die Rückseite ragte wie ein Mahnmal aus den Wellen empor.

    Ohne Beute zog der Vogel ab, nicht ohne seine Enttäuschung laut kund zu tun.

    Wassertropfen spritzten Bent ins Gesicht. Urplötzlich schlug er die Augen auf. Seine Nasenspitze war nur wenige Zentimeter von der Wasseroberfläche entfernt. Der Meeresspiegel war gestiegen. Eindeutig stand der jetzt höher als vor seiner Ohnmacht.

    Wieder begannen Blitze zu zucken. Tief atmete Bent ein, pustete kleine Ringe ins Wasser, atmete ein. Er fixierte die Kröte und wunderte sich irgendwo tief in seinem Verstand, wirkte der Frosch doch völlig fehl an seinem Platz. Kräftig sog er die stickige Luft in seine Lungen. Die Sternchen drängten sich an den Rand seines Gesichtsfeldes und lösten sich auf.

    Langsam legte er den Kopf in den Nacken, entfernte sich Millimeter von der Wasseroberfläche.

    Die Kröte hob erst das eine Bein, dann das Andere und erinnerte an einen in Zeitlupe eröffneten Schuhplattler.

    Mit tausenden von winzigen Nadelstichen kehrte das Leben in Bents Extremitäten zurück und damit glühend heißer Schmerz. Unwillkürlich schrie er auf. Seine linke Schulter quälte ihn. Ein Blick zur Seite verriet ihm, wie schwer die Consus beschädigt war. Verbogenes Metall, herausquellendes Dämmmaterial aus der Verkleidung und wirr ineinander verschlungene Kabel lösten Unbehagen in ihm aus. Mit der rechten Hand tastete er nach dem Hebel, um den Gurt zu lösen. Das erwartete eiskalte Eintauchen ins Wasser blieb aus. Die Metallstrebe, die einst die Wand verstärkte, um die kurzen Flügel zu stützen, hielt ihn im Sitz gefangen. Panisch versuchte er sich aus der Umklammerung zu befreien. Mit seinem ganzen Gewicht zog er an seiner Schulter, bemüht, sich von dem Eisen zu befreien. Nur Sekunden später gab er auf, gepeinigt von der Qual. Bent schluckte Wasser, hustete, spuckte, schlug mit dem unverletzten Arm um sich, in dem Wissen das die Flut jeden Tropfen weiter gnadenlos voran peitschte. Barbarisch zerrte Bents Gewicht an der ausgekugelten Schulter. Vorsichtig betastete er die Luxation. Er bemerkte die leere Gelenkpfanne, der Oberarmkopf drückte gegen die Muskulatur und stach ungewöhnlich stark hervor. Die Weichteile um das Gelenk waren bereits geschwollen und er spürte die Finger der linken Hand nicht mehr. Entweder klemmte der Knochen die Blutzufuhr ab oder irgendein Nerv war eingeklemmt. Kleine Kondenswölkchen bildeten sich an seinen Lippen. Mit aller Kraft zwang er sich zur Ruhe, erinnerte sich an seine Tauchübungen, atmete, nötigte seine Lungenflügel sich aufzublähen. Die Panik verebbte mit jedem Atemzug ein wenig mehr. Ruhe. Einatmen, einundzwanzig, zweiundzwanzig, ausatmen... Durch den gelösten Gurt ein wenig Bewegungsfreiheit wiedererlangt, drehte er sich, soweit es der eingeklemmte Arm zu ließ.

    Die Frauen saßen in ihren Sitzen. Angeschnallt, wurden die Körper daran gehindert ins Wasser zu gleiten.

    „Eva! schrie Bent. „Elli!

    Das Kinn auf die Brust gestützt, die langen Haare das Gesicht verdeckend, konnte Bent keine Regung erkennen.

    „Eva! brüllte Bent sie erneut an. „Elli!

    Keine Regung.

    Wieder zwang Bent sich zu Atemübungen. Einatmen. Ausatmen. Gurgelnd sprudelte die verbrauchte Luft aus seinen Lungen ins Wasser. Kaum noch konnte er die Nase von der Oberfläche fern halten.

    Mit einem lauten Klatschen landete die fette Kröte im Wasser. Mit kräftigen Beinschlägen schwamm sie zu Bent, glotze ihn an und paddelte weiter. In Gedanken hörte Bent sie höhnisch lachen.

    Die Schmerzwellen der Schulter verebbten allmählich und Bent wagte einen letzten, aussichtslosen Versuch sich aus der Eisenschiene zu befreien.

    Der Zug auf die ausgeleierten Bänder war enorm. Bent ging an seine Grenzen und ein bewunderungswürdiges Stück darüber hinaus. Er probierte den Arm zu drehen, um aus einer anderen Position aus der Schraubzwinge zu gleiten. Vergeblich. Er rackerte sich ab, die Metallschiene zu verbiegen. Vergeblich. Ebenso wie das Unterfangen die Stahlstrebe auszuhebeln. Seine Kraft reichte nicht.

    Ihm blieben nur noch wenige Minuten Zeit, bis das Wasser zu hoch stand  und Bent Wasser atmen musste.

    „Eva! Elli!"

    Mutlos sah er sich um, in der Hoffnung einen Gegenstand zu entdecken, der ihm nützen könnte. Ein Messer oder eine Stange, die sich als Hebel einsetzen ließe. Nichts als ein paar verirrte Algen trieben im Innenraum der Consus.

    Keine Reaktion von den Rücksitzen.

    „Hier endet es also." dachte er. Eine kleine Träne suchte sich ihren Weg ins Meer.

    Bent atmete ein letztes Mal tief ein, so wie er es bei den Apnoetauchgängen gelernt hatte. Vor seinem geistigen Auge durchlebte er Tauchgänge und Erlebnisse mit Meeresbewohnern, die er in all den Jahren unternommen hatte. Der weiße Hai, der nur wenige Meter neben ihm aus einem Schiffswrack glitt und ihn mit Missachtung strafte, der riesige Blaupunktrochen der knapp unter ihm schwebte, mit seiner ganz eigenen Arroganz. Viele Stunden hatte Bent im Meer verbracht und nun holte es ihn heim. Kurz fürchtete er den Moment, in dem das Wasser den Weg in seine Lunge finden würde und den verzweifelten Kampf um Sauerstoff, den er nicht gewinnen konnte.

    Die Sekunden rasten und das Wasser schwappte über ihm zusammen. Das Salz brannte in seinen Augen. Algen verfingen sich glitschig an seinem Hals.

    Resignierend zerrte er an seinem Arm.

    In der absoluten Stille erfasste er dröhnend die letzten gleichmäßigen Kontraktionen seines eigenen Herzens. Der Sauerstoff wurde allmählich knapp und jede einzelne Zelle verlangte Nachschub. Am Rande des Gesichtsfeldes lauerte die Schwärze, begehrte nach mehr Platz und begann sich ins Zentrum zu schieben.

    Plötzlich ging es ganz schnell. Sein Gewicht vom Wasser getragen, konnte er die Schulter leicht drehen und aus dieser Position befreite er sich mühelos von dem Stahlträger.

    Sofort schoss er zur Wasseroberfläche, atmete ein, salzige Flüssigkeit durchflutete seine Lungen. Er hustete, er keuchte. Immer noch verlangte der Körper nach Luft. Bents Körper schüttelte es vor Krämpfen, sein Kopf war rot angelaufen.

    Kleine Tropfen Kondenswasser lösten sich von der Decke und sickerten in die Konsole.

    Mit dem gesunden Arm klammerte er sich an den Sitz, krächzte, japste, rotzte und endlich gelangte der Sauerstoff dorthin, wo er am dringendsten gebraucht wurde. Kräftig hob und senkte sich sein Brustkorb. Die Anspannung wollte nicht weichen.

    Bent ballte die Faust, grinste dem Tod entgegen und murmelte „Nicht heute!".

    Der ausgekugelte Arm schwamm nutzlos im Wasser, dennoch gelangte das Gefühl in die Finger zurück. Die Blutversorgung war wieder hergestellt und ein kurzer Blick auf die Hand verriet ihm, dass das Gewebe nicht abstarb.

    Bent gab sich ein paar Minuten Zeit zu Kräften zu kommen. Er schloss  die Augen und genoss die ungehinderte Atmung.

    Immer noch verharrten die Frauen regungslos in ihren Sitzen.

    Bent kletterte auf die Rückenlehne und stieß Eva an. Keine Reaktion. Ihr Puls ging kräftig.

    Er zerrte Ellis Kopf an den Haaren zurück, starrte sie. Bent ließ los und ihr Kinn prallte auf die Brust. Dann legte er seine Finger an die Halsschlagader. Extrasystolen trommelten zwischen den verlangsamten Herzschlägen.

    Unvorbereitet wurde Bent aus dem sicheren Stand quer durch den Innenraum des Schiffes gewirbelt. Mit dem Kopf schlug er gegen die Funkanlage. Die Haut platze am Haaransatz auf. Blut quoll aus der Wunde. Bent hatte keine Zeit sich zu orientieren, schon prallte er gegen den Eisenträger, der ihn noch vor wenigen Minuten gefangen hielt. Hart kollidierte Beckenknochen mit Stahl. Die Schmerzen versprachen ein enormes Hämatom. Er schluckte Wasser.

    Die Wände bebten, ein dröhnendes Glucksen erfüllte die Consus und die Wasseroberfläche glich einem Whirlpool aus der Hölle.

    Jäh sackte das Raumschiff ein ganzes Stück tiefer in den Meeresgrund. Sprudelnd eroberte das Wasser neues Territorium.

    Bent kämpfte sich zurück an die Oberfläche.

    Kurz und entschlossen inspizierte er den Innenraum. Die Frauen befanden sich in der gleichen misslichen Lage wie er vor ein paar Minuten. Die Nasenspitze nur Zentimeter vom Wasser entfernt. Er schätzte, dass die Consus einen guten Meter abgesackt war und die Blase an Luft ein paar Stunden ausreichen würde um sie mit Sauerstoff zu versorgen.

    Bent fror, seine Locken klebten nass am Kopf und immer wieder fanden Wassertropfen den Weg in den Raumanzug und rutschten die Wirbelsäule entlang. Der Ausgang befand sich im hinteren Teil des Raumschiffes, etwa sechs Meter über seinem Kopf, unerreichbar, selbst mit zwei gesunden Armen.

    Er schüttelte den Kopf, wischte die unbezwingbaren Gedanken zur Seite.

    Einen Schritt nach dem anderem, ermahnte er sich selbst und wandte sich den Frauen zu.

    Salzwasser rann seine Kehle herab als er sich durch das Kabelgewirr hangelte.

    „Eva", schrie er sie an und suchte einen sicheren Halt auf der Lehne seines Copilotensitzes unter Wasser. Der lag zu tief und seine Füße trampelten ins Leere. Wasser strampelnd spritzte er ihr ein paar Tropfen ins Gesicht um ihr kurz danach unsanft die Wange zu tätscheln. In der Öffentlichkeit hätte er für diese Behandlung entsetzte Blicke geerntet, denn die Watsche war härter als beabsichtigt und der Verzweiflung geschuldet. Feuerrot zeichneten sich seine Finger auf Evas blasser Haut ab. Vorsichtig, fast um Entschuldigung bittend, strich er ihr eine nasse Strähne aus der Stirn.

    Der Zweck heiligt die Mittel und der Erfolg gab ihm Recht, leicht zuckten die Augenlider.

    „Eva", flüsterte Bent kaum hörbar aus Panik ihre aufkeimenden Lebensgeister durch zu laute Geräusche zu vertreiben. Krampfhaft hing er an ihrem Sitz und wisperte immer wieder ihren Namen. Ihre Haut war so weiß. Nur das leichte Beben der Lider verriet ihm, dass Evas Herz noch pumpte. Kleine Wassertröpfchen hatten sich im Wimpernkranz verfangen. Sie hustete, noch einmal zuckten die Augenlider, dann öffnete sie sie ganz, orientierungslos, benommen.

    „Eva!", seine Stimme klang schrill und mit einem Mal war sie hellwach. Ihre Augen spiegelten den Schrecken der letzten Stunden wieder.

    Bent rechnete mit einer Panikattacke, spannte die Muskulatur in der Annahme ihr seine Hand wieder ins Gesicht schlagen zu müssen.

    Eva starrte paralysiert auf die Wasseroberfläche und rührte sich nicht. Bent ließ ihr ein paar Minuten Zeit und beobachtete besorgt Elli.

    „Eva."

    Sie drehte leicht den Kopf, lächelte und öffnete ihren Gurt.

    Eva plumpste ins Wasser und fast erwartete Bent ein erneutes Absacken der Consus. Nichts passierte.

    Eva schwamm zu Bent, plötzlich hellwach. „Was ist passiert?"

    „Ich habe euch prophezeit, dass es schwer wird mit der Landung. Wir sind abgestürzt. Irgendwann bin ich auch ohnmächtig geworden und im Wasser aufgewacht."

    „Dein Arm?" Eva betastete seinen Oberarm.

    Sofort erschauderte Bent unter einem scharfen Schmerz. „Ausgekugelt."

    „Ich werde sie dir reponieren." Eva sah Bent in die Augen auf der Suche nach einem stummen Einverständnis. Vergeblich.

    „Jetzt?" fragte er.

    „Genau jetzt. Wenn wir hier rauskommen wollen, brauche ich dich, antwortete sie und schob leise „funktionstüchtig hinzu.

    Bent nickte. „Ok."

    „Versuche dich zu entspannen."

    „Soll das ein Witz sein."

    „Entspanne deine Muskeln, sonst tut es weh. Leg deine Hand auf den Bauch." Eva griff nach dem Ellbogen und ruckte den Arm ein bisschen nach links, ein bisschen nach rechts. Sofort rutschte der Oberarmkopf in die Gelenkpfanne.

    Bent schrie, schluckte Wasser, hustete und tastete nach dem Arm. Es fühlte sich richtig an und der Schmerz verebbte, langsam. Vorsichtig bewegte er die verletzte Schulter.

    „Besser. Danke."

    „Was ist mit Elli?"

    „Sie lebt. Noch."

    Eva schwamm zu ihr und begann mit einer notdürftigen Untersuchung. „Atmung funktioniert. Puls flatterhaft, informierte sie ihn. „Sie muss raus aus dem Wasser.

    „Das müssen wir alle."

    „Wo ist Josh?"

    Bent schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht."

    „Was machen wir jetzt?"

    „Ich weiß es nicht. Bent brüllte und schlug mit der Hand auf das Wasser. „Ich weiß es nicht. Die Consus ist instabil. Sie rutscht tiefer in den Meeresboden, der Ausgang..., er zeigte auf irgendeinen Punkt in der Dunkelheit „... ist unerreichbar. Vom Sauerstoff will ich gar nicht sprechen."

    Eva schwamm durch die Kabine und prüfte die Wand.

    „Zu glatt." unterbrach Bent ihre Inspektion.

    „Und wenn wir die Schränke als Leiter...?"

    Bent schüttelte den Kopf. „Ich schaffe es mit meinem Arm nicht. Du hast zu kurze Beine, geschweige denn, dass wir Elli da hoch bekämen."

    In der Dunkelheit klappte eine Schranktür im Einklang der Wellen auf und zu.

    „Du willst also abwarten?" Sie prüfte die Kabel in der irrigen Annahme diese würden ihr Gewicht tragen.

    Bent rappelte sich auf. „Wenn es oben nicht geht, müssen wir es unten versuchen."

    Fragend sah Eva ihn an.

    „Die Frontscheibe. Sie war vorhin schon gesplittert. Vielleicht kann ich sie ausschlagen..."

    „Du willst... Mit deinem Arm?"

    Bent rappelte sich auf, holte tief Luft und tauchte ab. Das Salz brannte in seinen Augen. Trotzdem gab er seinen Reflexen nicht nach. Tiefe Schwärze umgab ihn. Nicht einmal die eigene Hand konnte er erkennen. Trotzdem hoffte er aus den wenigen Lichtimpulsen Umrisse zu erkennen.

    Langsam tastete er sich vorwärts, erkannte den Stahlträger, der ihn so lange gequält hatte. Er schwamm einen kräftigen Zug nach vorne und erschrak heftig als er mit seinen Locken im Kabelsalat hängen blieb. Fahrig wischte er sie zur Seite.

    Vorsichtig tastete er weiter und erkannte den groben Stoff seines Sitzes. Erleichtert, einen Orientierungspunkt gefunden zu haben, schob er sich vorwärts und atmete eine Blase Kohlendioxid ab. Noch hatte er Zeit und kein Verlangen einzuatmen. Weiter tastete er sich nach vorne, in der Erwartung bald die Schaltkonsole unter den Fingern zu spüren und knapp dahinter die Scheibe.

    Wie die Tentakel einer Qualle glitten seine Finger durch das Wasser.

    Entsetzt schrie Bent auf. Kleine Bläschen waberten über seine Lippen und suchten sprudelnd den Weg an die Oberfläche. Er schluckte Wasser und zwang sich den Blasen nicht zu folgen. Sein Herz hämmerte, einem wahnsinnigen Rhythmus folgend.

    Da, wo der Steuerknüppel hätte sein sollen, fühlte er Sand, Kies, Steine. Hektisch taste er den Meeresboden ab. In Bents Hals steckte ein Kloß und die Zunge klebte am Gaumen, als hätte sich die Körperflüssigkeit schon jetzt mit dem Meer vereinigt. Seine Beine kribbelten. Die Nase der Consus und damit der Notausgang, ihre einzige Hoffnung, befand sich irgendwo unter dem Sand.

    Resignierend ließ er vom Boden ab, traute sich aber nicht, sich vom Boden abzustoßen, um an die Oberfläche zu gelangen. Vorsichtig tastete er sich den Weg zurück und war erleichtert, als der Sauerstoff seine Lunge durchströmte.

    Es bedurfte nicht vieler Worte und Eva erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass die Frontscheibe keine Option war. Schwer hing die Stille in der Luft, nur unterbrochen vom Klatschen der Wellen und Bents keuchendem Atem.

    Wie aus dem Nichts erzitterten die Wände, zerbarst Eisen wie Porzellan.

    Eva schrie, laut, durchdringend.

    Metall rieb sich an Metall. Das quietschende  Geräusch schmerzte in ihren Ohren. Wasser gurgelte, Schaumkronen bildeten sich, flossen ineinander, wirbelten in irren Pirouetten durch den Innenraum und wurden wieder auseinandergerissen.

    Mit aller Kraft des gesunden Armes klammerte er sich an den Sitz.

    Bent, der im Wasser strampelte, wurde völlig überrascht und wirbelte durch den Innenraum. Verzweifelt packte er einen Kabelbaum und versuchte Stabilität zu gewinnen. Mit seinem Gewicht überfordert, riss der Kabelsalat aus der Verankerung und viele einzelne Drähte ragten tief ins Wasser.

    Das Meer zerrte an dem Raumschiff.

    Japsend kämpfte sich Bent zurück an die Oberfläche.

    Es knallte, es ruckte, die Consus zitterte wie ein Kind nach einem Alptraum.  Nur Sekunden später wirbelte er durch die Luft und prallte gegen Eva, die laut aufjaulend, um ihre Besinnung kämpfte.

    Jäh sauste ein Erlenmeyerkolben knapp an Bents Schläfe vorbei ins Wasser. Pinzetten, Spatel, Labormesser, Pipetten folgten.

    Schützend legte Bent seinen Arm um den Kopf und verlor sofort den Halt.

    Dann sackte die Consus ab. Das Wasser schien zu kochen.

    Bent und Eva verloren den Halt und wurden nach oben gespült.

    So schnell es begonnen hatte, so schnell war es auch wieder vorbei.

    „Elli!", schrie Eva hysterisch und auch Bent erkannte in welchem Schlamassel Elli steckte. Sofort tauchte er ab.

    Knapp zwei Meter unter ihm schwebte Elli in ihren Gurten, festgehalten in ihrem Sitz. Ihre Haare umwoben ihren Schädel wie Schlangen die Medusa.

    Ein kräftiger Zug und Bent hatte Elli erreicht und drückte den Knopf des Gurtes. Er klemmte seinen Arm unter ihre Schultern und zerrte sie nach oben. Sofort entglitt sie ihm, gefangen von den Sicherheitsgurten. Überrascht tauchte er zurück und drückte an dem Knopf, zerrte an den Gurten.

    Wie lange? Wie lange war sie unter Wasser?

    Eva erschien und presste ihre Lippen auf Ellis, blies ihr Luft in die Wangen.

    Glockenhell hörte Bent Ellis Lachen und erinnerte sich an das kleine Grübchen auf der linken Wange, das nur dann zum Vorschein kam. Dann blitzte auch der Narr in ihren blauen Augen.

    Verzweifelt zerrte Bent an den Gurten, die sich scheinbar noch fester zu zerrten, außer sich vor Wut. Mit dem Ellenbogen streifte er eine Stahlstrebe, riss sich die Haut auf und der Glaskolben der dort steckengeblieben war, segelte in ruhigen Umdrehungen dem Meeresboden entgegen.

    Bent hielt inne. Ein winziger Hoffnungsschimmer blitzte auf.

    Bent tauchte an die Oberfläche, holte nochmal tief Luft, in der festen Absicht, das nächste Mal mit Elli nach oben zu stoßen.

    Hektisch tastete er sich durch das biologische Arbeitsmaterial im Sand. Den Glaskolben, die Petrischale und Plastikbrettchen warf er zur Seite. Der aufgewirbelte Sand und das Salz in seinen Augen beeinträchtigte die Sicht und es ging ihm nicht schnell genug. Gereizt schleuderte er einen Gummischlauch über die Schulter. Unter Wasser funktionierten seine Bewegungen nur in Zeitlupe. Endlich packte er Metall. Bent hob es hoch und erkannte den kleinen Biolöffel, der aussah wie ein Eisportionierer in Miniaturausgabe. Direkt schmiss er ihn beiseite und nicht weit davon fand er, was er suchte, einen Spatel und eine langgezogene Pinzette.

    Augenblicklich stieß er sich vom Grund ab, ungeachtet der Gefahr von hervorstehenden Streben und Stahlschienen.

    Eva war wieder auf dem Weg an die Oberfläche, eine neue Ladung Sauerstoff einsaugen. Bent war ihr dankbar. Dankbar, dass sie nicht aufgab, die Situation nicht als unlösbar einschätzte.

    Unmittelbar versuchte er mit der Pinzette den Schlitz der Schraube zu fassen. Die Pinzette war zu dick und passte nicht annähernd. Sofort versuchte er es mit dem Spatel, während die Pinzette wieder auf dem Grund landete. Der Spatel passte und vorsichtig versuchte er die erste Schraube zu lösen. Sie saß fest. Eher würde sich der Spatel verbiegen, als dass sich die Schraube lockerte. Er verkürzte die Hebelwirkung und stabilisierte die Spatelfläche mit dem Daumen. Erlöst stellte Bent fest, dass es funktionierte. Schrittweise begann sich die Schraube zu drehen und vorsichtig bewegte Bent den Spatel weiter. Bald war die Schraube so locker, dass seine Finger den Kopf zu fassen bekamen und er die letzten Windungen schnell löste.

    Bent prüfte den Gurt. Die gelöste Schraube gab ihm mehr Spiel, aber nicht genug, um Elli aus der Umklammerung zu befreien.

    Noch eine, dann wäre sie frei. Eva lächelte ihm aufmunternd zu.

    Bents Hände zitterten und er wusste nicht, ob es an der Panik lag zu versagen oder dem Sauerstoffmangel. Aber er gestattete sich nicht zu atmen, denn es könnten die entscheidenden Sekunden sein, die für Elli Leben oder Tod bedeuten konnten. Noch konnte er seinen Lungen versagen zu atmen.

    Bent stieß den Spatel in die Schraube, rutschte ab und versuchte es erneut. Die Schraube saß fester, hatte sich irgendwie mit dem Gewinde verschmolzen und bewegte sich nicht einen Millimeter.

    Mit all seiner Verzweiflung und seinem Gewicht zog er an dem Spatel. Seine eingerenkte Schulter schmerzte. Niedergeschlagen zog er an dem Spatel, bis das Metall nachgab und sich zu einem L verbog. Angestrengt versuchte Bent das Instrument in die Ausgangsposition zurück zu biegen und brach den Spatel in zwei Teile.

    Schlagartig berührte Bent etwas an der Schulter. Die Augen weit aufgerissen, krampfte sich sein Herz zusammen, viel zu vertieft in die vor ihm liegende Aufgabe.

    Eva reichte ihm ein Instrument, eine Alternative. Direkt griff die Klinge des Skalpells in die Schraube. Behutsam drehte er das Werkzeug, gepeinigt von dem Gedanken, welche Folgen es haben könnte, wenn er wieder versagte.

    Ellis Lippen hatten sich blau verfärbt und zeugten vom akuten Sauerstoffmangel.

    Bents Finger fühlten sich schwerfällig an, taub. Er war kaum in der Lage, das Skalpell richtig zu greifen.

    Da drängte sich Eva zwischen sie, nahm ihm das Instrument aus der Hand und begann mit der Klinge die Gurte zu bearbeiten.

    Bent schlug sich mit der Hand vor die Stirn und beschimpfte seine eigene Blödheit. Seine Lunge schrie nach Luft. Er schoss an die Oberfläche, gestattete sich zwei tiefe Atemzüge und tauchte wieder ab. Evas Kampf war verbissen und Bent löste sie ab.

    Hartnäckig jagte er die Klinge durch die Nylonfäden.

    Abrupt war Elli frei und Bent bugsierte den Körper an die Oberfläche. Schwer lag sie in seinen Armen. Irgendwie schafften sie es, Elli auf das Seitenbrett eines Schrankes zu schieben, dass ihnen als Liege dienen musste. Während Eva sofort begann, ihre Körperfunktionen zu begutachten, traute sich Bent, Kraft zu schöpfen. Er konzentrierte sich auf die Atmung und massierte seine malträtierte Schulter.

    „Soweit ich das hier beurteilen kann, scheint sie in Ordnung."

    Bent lächelte. „Es kommt noch besser."

    Schief sah Eva ihn an.

    Er deute ins Dunkel. „Manchmal lösen sich Probleme von alleine."

    „Rede doch nicht in Rätseln."

    „Nicht wir müssen zur Tür, durch das Absacken kam der Ausgang zu uns."

    Eva drehte sich um ihre eigene Achse, bemüht, Elli nicht von dem Brett rutschen zu lassen. Da war die Tür, einen knappen Meter über der Wasseroberfläche, in erreichbarer Nähe.

    Mit einem kräftigen Zug schwamm Bent auf die gegenüberliegende Seite. Die Elektronik würde nicht funktionieren und die Taste war irgendwo unter dem Sand, aber die Ingenieure hatten eine Notfallfunktion vorgesehen. Mit seinem ganzem Gewicht hängte sich Bent an den Hebel und stieß sich mit aller Kraft von der Wand ab, die schmerzende Schulter ignorierend.

    Quietschend, aber mit Leichtigkeit sprang die Tür nach außen auf. Frische Luft strömte ins Innere. Bent lachte erleichtert auf.

    Dicke Wolken hatten sich vor den Mond geschoben und alles Licht geschluckt.

    Bent krallte sich an den kurzen Flügel. Wellen klatschten an das Metall des Schiffes und zerrten an seinem Körper. In der Nähe hörte er Eva unter der Belastung schwer schnaufen. Sie versuchte Elli auf den Träger zu schieben und den Kopf über Wasser zu halten.

    Bent sah sich um und hatte keine Ahnung, in welcher Richtung die Küste lag.

    Kapitel 2

    Josh spürte den dringlichen Wunsch nach Wasser, das kühl die Kehle hinabrann. Sand knirschte zwischen seinen Zähnen. Die Brandung klatschte rhythmisch gegen seine Waden und der nasse Raumanzug klebte schwer auf seinem Körper. Gänsehaut überzog seinen Körper und er fröstelte. Mehr schlafend als wach schlug Josh endlich die Lider auf, gequält von dem Wunsch sich in sein behagliches Bett zu kuscheln und die bleierne Müdigkeit von der Belastung der letzten Tage auszukurieren, getrieben von der Kälte des dämmernden Morgens. Er glaubte jeden einzelnen Knochen zu spüren, selbst der kleine Amboss im Mittelohr machte seinem Namen alle Ehre. Ein fiktiver Schmid hämmerte sein Eisen und verpasste ihm gewaltige Kopfschmerzen.

    Josh zuckte zusammen, als er den Kopf drehte und fasste sich an die Stirn.

    'Diese Stille!', wunderte er sich.

    Er tastete seinen Körper ab. Viele blaue Flecke, Prellungen, Schürfwunden, aber keine gebrochenen Knochen.

    „So fühlt man sich also, wenn man von einer Dampfwalze überrollt wird", sprach er mit sich selbst. Erleichtert über seine selbst gestellte Diagnose atmete er auf.

    Langsam verabschiedete sich das Dunkel der Nacht und mit ihr der Mond, der wie ein weit entfernter Freund verblassend über ihnen thronte. Nebelschwaden waberten am Ufer entlang und schoben sich über das Wasser.

    Die Bucht, in der er saß, war nicht besonders groß. Hohe Felsen säumten sie und die Wassermarke der Flut zeigte ihm, dass er nicht allzu lang hier verweilen durfte. Unweit des Strandes, auf der Felsklippe, begann ein dicht gewachsener Wald.

    Immer weiter verdrängten die Sonnenstrahlen die Schatten und die Konturen der Umgebung wurden schärfer. In weiter Entfernung hörte er das Zwitschern von Vögeln.

    Allmählich gewann er seine Sinne zurück, die Schmerzen blieben jedoch, und geballt kehrte schließlich auch die Erinnerung zurück.

    'Wo sind die Anderen?' Erschrocken sah Josh sich um. Er war allein. Keine Elli, kein Bent, keine Eva, keine rauchenden Überreste ihres Raumschiffes.

    Vage erinnerte er sich wie er mit dem Kopf gegen die Scheibe geknallt war, als Bent ein Manöver flog, um ihr Tempo zu drosseln. An der Stelle,

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