Odyssee 45: Ein 999er kehrt heim
()
About this ebook
Wolf Schillinger
Wolf Schillinger, geboren gerade noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, Kindheits-Abenteuer in Ruinen, mit Schrott und Ziegelsteinen das erste Taschengeld verdient, nach acht Jahren Volksschule eine Industrie-Facharbeiter-Lehre, nach dem Abschluss berufsunfähig, Schlosser dann und nach dem Militärdienst Gärtner am Morgen, Schule am Abend, Abitur im 68er Frankfurt, Studium in Hamburg, Vaterschaft, Broterwerb als Zahnarzt, die Vor- und Nachteile des Ehestands mehrfach erfahren, zu oft der Sicherung des Lebensunterhalts die Lust zum Schreiben geopfert.
Related to Odyssee 45
Related ebooks
Luftgefahr 15 ....: Protokoll zum Luftschutz in Hennef aus dem Jahre 1943 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMein Leben in drei Welten: Ein Oberlausitzer Zeitzeuge erzählt, vergleicht und versucht zu werten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Brot der Rache: Ein Roman über jüdische Rächer Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAlfred Andersch desertiert: Fahnenflucht und Literatur (1944-1952) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAus dem Dunkel: Wie Juden aus Frankfurt/Oder den Nazis entkamen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLange Strümpfe & Blaues Halstuch: Ich war ein Kind des Sozialismus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLandser an der Ostfront - Zwischen Tod und Stacheldraht: Nach den Erinnerungen des Soldaten Hans Gruber Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZwischen Tod und Stacheldraht: Ein Soldat erzählt von der Front und der russischen Kriegsgefangenschaft Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer sechste Mann: Erzählungen und Essays Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGesperrte Ablage: Unterdrückte Literaturgeschichte in Ostdeutschland 1945-1989 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSpurensuche im Perigord: Geschichte einer Kriegsgefangenschaft Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsStiefelschritt und süßes Leben: Ein Intermezzo Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsArzt in den Höllen: Erinnerungen an vier Konzentrationslager Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Flugblätter der Weißen Rose – Als Fließtext und original Faksimile Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Wahrheit hat immer Feinde: Das doppelte Gesicht des Simon Wiesenthal Eine historische Rehabilitierung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMuslime in der Waffen-SS: Erinnerungen an die bosnische Division Handžar (1943-1945) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGetragen über den Abgrund: Tagebücher 1939-1949 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZwei Stunden: Länger als ein Jahr Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Zug ohne Wiederkehr: Die Deportationen jüdischer Mitbürger von Elmshorn Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Moorsoldaten: 13 Monate Konzentrationslager Rating: 5 out of 5 stars5/5... und die Füchse spielten in Bern.: Ein historischer Kriminal- und Spionageroman Rating: 0 out of 5 stars0 ratings"Soweit er Jude war...": Moritat von der Bewältigung des Widerstandes Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFreiheit und Verantwortung: Henning von Tresckow im Widerstand Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTodesacker Normandie - Feuertaufe der SS-Division "Hitlerjugend": Information - Fotos - Roman - Zeitgeschichte Zweiter Weltkrieg Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHeinrich von Kleist – Ein Gewitterleben Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Flugblätter der Weißen Rose: Als Fließtext und original Faksimile Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsParole Heimat: Kriegserinnerungen - Stationen einer Flucht nach Leipzig Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNach dem Osten mit unbekanntem Ziel: Großvater Hugo, eine Spurensuche Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Biographical/AutoFiction For You
Zu dritt im Ehebett: Geschichten einer Berghebamme Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchwarzgeld: Eine fast wahre Geschichte von Steuerbetrug und Wirtschaftsspionage in der Schweiz Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTestament eines Freimaurers: Das große Geheimnis aus der Innensicht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIch schwimme nicht mehr da, wo die Krokodile sind Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchöne Welt, böse Leut: Kindheit in Südtirol Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBahnwärter Thiel Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Tod des Vergil Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMontaigne Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSo schön war meine DDR Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsViktor Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Große Gopnik: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Wunder von Bern: In Einfacher Sprache Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Grüne Heinrich (Autobiographischer Roman): Einer der bedeutendsten Bildungsromane der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDraußen vor der Tür Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMarie Antionette Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie verlorene Schwester – Elfriede und Erich Maria Remarque: Eine Doppelbiografie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Neurochirurg, der sein Herz vergessen hatte: Eine wahre Geschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers Rating: 4 out of 5 stars4/5Der Mann ohne Eigenschaften Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLimonow Rating: 4 out of 5 stars4/5Meine verfickte Reise: Wie ich einmal die Welt umrundete, um bei mir selbst anzukommen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHudson Taylor: Ein Mann, der Gott vertraute Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHinter Frack und Fliege: Intime Geschichten um die Wiener Symphoniker 1977 bis 1988 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Ingenieurin von Brooklyn Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBlond Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsErnst Toller: Eine Jugend in Deutschland: Autobiographie Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Reviews for Odyssee 45
0 ratings0 reviews
Book preview
Odyssee 45 - Wolf Schillinger
Wolf Schillinger
wurde gerade noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Remscheid geboren.
Lebensetappen: Kindheit in den Trümmern des Tausendjährigen Reichs, Volksschule, Lehre mit vierzehn, Industriearbeit, Fluchtversuche, Abitur in Frankfurt, Studium in Hamburg, Vaterschaft, Broterwerb als Zahnarzt, mehrfach die Vor- und Nachteile des Ehestands erfahren, viel zu oft der Sicherung des Lebensunterhalts die Lust zu schreiben geopfert.
Orientierungshilfe
Um Textstellen besser auffinden zu können, habe ich die Orte, die Heinis Irrfahrt im Verlauf kennzeichnen, aufgelistet. Im Text sind sie nicht hervor gehoben.
→ Ilok, Kroatien
→ Frankenstadt, Ungarn
→ Pressburg, Novaky
→ Kunowitz Mähren
→ Brünn, Austerlitz, Oslawitz
→ Tabor, Temeschwar, Klattau
→ Neuern
→ Neukirchen
→ Dönning
→ Arnschwang
→ Lixenried
→ Furth im Wald
→ Amberg
→ Hersbruck, Lauf
→ Nürnberg, Fürth, Erlangen
→ Bamberg
→ Schweinfurt
→ Aschaffenburg, Hanau
→ Frankfurt
→ Ossenheim
→ Friedberg
→ Giessen
→ Wetzlar, Siegen
→ Hennef, Köln-Porz
→ Köln-Mühlheim
→ Opladen
→ Burg an der Wupper
→ Remscheid
Anhang
→ Verzeichnis der Abbildungen
→ Literatur-Hinweise
→ Über den deutschen Faschismus und den NS-Staat
→ Das nationalsozialistische Dritte Reich
→ Andersdenkende im Nazi-Staat
→ Wehrunwürdigkeit
→ Das Bewährungsbataillon 999
→ Weitere Sondereinheiten der Wehrmacht
Vorbemerkung
Heini war ein fröhlicher junger Mann, der als Industriearbeiter nur ein kleines Glück in einem ruhigen Leben anstrebte.
Schicksalsschläge, für die die Initiatoren und Vertreter der menschenverachtenden Ideologie jener Zeit die Verantwortung hätten tragen müssen, machten seinen Lebensplan zu Nichte. Heini hat sich gewehrt gegen die systemimmanente Unterdrückungsmethoden dieses verbrecherischen Regimes so gut es ging.
Wir,
die wir
das Glück hatten,
nicht teilnehmen zu müssen
an den Unrechtstaten
der Faschisten,
wir,
die wir
nicht erleben mussten
die Schrecken
des Krieges,
wir
müssen lernen,
was und warum
es geschah,
damit nicht
wir
und nicht
die nach uns
derartiges erleben
müssen
Saukalt war es im Februar 1945 in Serbien. Zusammen mit Erwin und Anton hockte Heini in einem feuchten Erdloch. Mit mäßigem Erfolg versuchten die Drei eng aneinander gekauert in ihrer Mitte ein kleines Feuer zu unterhalten. Rauch durfte es nicht entwickeln. Darum trockneten sie das Feuerholz vorab so gut es ging und fächerten der kleinen Flamme so viel Sauerstoff wie möglich zu. Die Glut reichte gerade aus, um Wasser in einem Kochgeschirr zu erwärmen. Das ging dann von Mund zu Mund und wenn es leer war, wurde es mit Schnee aufgefüllt. Daraus lies sich dann erneut etwa ein viertel Liter warmes Wasser gewinnen. Richtig gegessen hatten sie schon seit einigen Tagen nicht mehr. Heute hatte jeder nach dem Appell ein Stück Brot bekommen, mit warmem Wasser war das ihre gemeinsame Mahlzeit. Ein Tischgebet gesprochen hatte niemand. Zum einen hatten sie keinen Tisch und zum anderen waren sie ja, Gott sei Dank, Atheisten. Doch das war nicht der Grund, warum sie hier im Dreck lagen. In dieser Situation befanden sie sich, wegen „des Führers Gnadenerlass, der ihnen, den bislang Wehrunwürdigen, in hochherziger Weise die einmalige Gelegenheit gegeben hatte, durch tapferen und mutigen Einsatz vor dem Feind wieder vollwertige Soldaten und Staatsbürgern zu werden. Und deshalb konnten oder besser, mussten sie ihre gestreiften Sträflingsanzüge mit dem aufgenähten roten Winkel gegen Wehrmachtsuniformen tauschen, gegen gebrauchte. Zwei Einschusslöcher waren in Erwins Jacke zu sehen gewesen und Blutflecken hatte sie auch. „In der Kleiderkammer lagen die Klamotten in mehreren Haufen auf dem Boden. Der VU griff wahllos hinein und warf mir die Jacke zu. Ich sah gleich, dass sie voller Blutspuren war. Mir wurde übel. Ich hab sie dann gewaschen, nicht ohne vorher zu kotzen
, hatte Erwin erzählt. Erwin und Anton kannten sich aus Dachau. Heini hatte die beiden erst in Griechenland kennen gelernt, als er dort in ihre Einheit kam. Heini war zuletzt kurzzeitig in Buchenwald im Lager gewesen und dann wie sie auch auf dem Heuberg, aber Monate später.
Erst nach wochenlangem vorsichtigem Abtasten war er von den beiden akzeptiert worden. Denn obwohl alle im sogenannten Bewährungsbataillon in der gleichen beschissenen Lage waren, war hier an Solidarität nicht zu denken. Misstrauen war mehr als angebracht.
Es hieß sehr vorsichtig zu sein, wem man sich anvertraute. Hier wie im KZ gab es nicht nur Insassen, die auf Grund politischer Delikte verurteilt worden waren, sondern auch eine große Zahl Krimineller. Die mussten im Lager als „Berufsverbrecher" einen grünen Winkel tragen und waren damit sichtbar gekennzeichnet. Hier gab es die Winkel zur Kennzeichnung nicht und darum war die Gesinnung der Soldaten des Strafbataillons auch nicht mehr so leicht einzuschätzen. Vom SS-Stammpersonal der Strafeinheit wurden die Kriminellen gerne benutzt, um die Politischen auszuspionieren. Der Neigung zu konspirativer Tätigkeit wurden die zwangsrekrutierten Genossen ja auch nicht zu Unrecht verdächtigt. Sie waren sie hier, weil sie Gegner der NSDAP und der Hitler-Diktatur waren, und keiner hatte seine Einstellung zum Naziregime oder zum Hitlerschen Eroberungskrieg geändert.
In Griechenland war es mehrfach gelungen, die Partisanen mit wichtigen Informationen zu versorgen. Einige Kameraden hatten es auch geschafft, zu ihnen überzulaufen. Nicht wenige allerdings waren schon beim Versuch gescheitert. Wer entdeckt und aufgegriffen wurde, wurde nach einer kurzen Militärgerichtsveranstaltung verurteilt und vor der angetretenen Kompanie zur Abschreckung erschossen. Schon für geringere Vergehen wurde die Todesstrafe verhängt. 1944 im Sommer wurden sechs Kameraden zum Tode verurteilt, die ein Flugblatt gefunden und gelesen, den Fund aber nicht gemeldet hatten. Deutsche Soldaten, die zu den griechischen Partisanen desertiert waren, hatten das Flugblatt abgefasst und forderten darin zum Überlaufen auf. Hermann hatte es gefunden und zuerst seinem Kameraden Franz Schneider gezeigt. Im Kreis von Gleichgesinnten hatten sie den Inhalt besprochen.
Hermann Bode, Franz Schneider, Willi Dehmel, Hans Juchelka, Rudolf Kalb und Heinrich Warnken wurden wegen Kriegsverrat angeklagt. Aus nur zwei Wehrmachtsoffizieren bestand das Gericht. Die Verhandlung dauerte keine halbe Stunde. Tod durch Erschießen lautete das Urteil. Erschossen wurden die Kameraden am neunten Juni 1944.
Bei etwa einem Drittel der Soldaten der Strafdivision handelte es sich um ehemalige KZInsassen, die den roten Winkel getragen hatten. Um Männer also, die wegen regimekritischer Einstellung, entsprechender Äußerungen oder Handlungen verurteilt oder in „Schutzhaft genommen worden waren, um „Politische
also. Innerhalb dieser Gruppierung waren die Kommunisten in der Überzahl. Auf das Leben der Soldaten des Bewährungsbataillons 999 brauchte laut Befehl des OKH (Oberstes Kommando Heer) keine Rücksicht genommen zu werden. Es gab sogar einen Geheimbefehl, der anordnete, die Soldaten der Division 999 zu liquidieren, wenn es an nötigen Transportmöglichkeiten fehlen sollte. Dieser Befehl wurde im Zusammenhang mit dem Rückzug der Wehrmacht aus Nord-Afrika nach dem Fehlschlag des deutsch-italienischen Afrika-Feldzuges erteilt.
In Griechenland waren die Strafsoldaten meist Pionier-Einheiten als Hilfs- und Bautrupp zugeteilt. Sie hatten unbewaffnet besonders gefährliche und schwere Arbeiten zu verrichten, wie Schanzarbeiten in vorderster Linie oder das Räumen und Legen von Minen in solchen Bereichen.
Oft haben Griechische Partisanen versucht, die unbewaffneten Soldaten des Strafbataillons zu schonen. Die Politischen fühlten sich ja auch eher als Widerstandskämpfer, denn wirklich als Soldaten der Wehrmacht und handelten entsprechend. Viele der 999er haben es geschafft, zu den Partisanen überzulaufen.
Später, auf dem Rückzug der Einheit durch Jugoslawien, waren sie bewaffnet worden. Bei Über-fällen der Partisanen konnte aus diesem Grund niemand mit Schonung rechnen. Unter den kriminellen 999ern gab es zudem viele, die ernsthaften Bewährungswillen zeigten und versuchten, sich im Aufspüren und Liquidieren von Partisanen besonders hervorzutun. Einige von denen schafften es tatsächlich, ihre „Wehrwürdigkeit" zurück zu erlangen. Für sie war eine Sondereinheit der SS eingerichtet worden.
Die SS-Sondereinheit Dirlewanger tat sich denn auch durch besonders grausame Strafmaßnahmen in den besetzten Gebieten hervor.
„Fliegeralarm! Feuer aus! Deckung!" wurde plötzlich gebrüllt. Kurz darauf hörte man das Brummen der Flieger. Drei der einmotorigen Jagdflugzeuge der Amerikaner kamen aus den Wolken und steuerten im Sturzflug recht zielgenau ihren Lagerplatz an. Wahrscheinlich hatten die Amis ihre Informationen von den Partisanen. In der letzten Zeit schien die Kommunikation zwischen Partisanen und den Amerikanern zunehmend besser zu funktionieren. Salven aus Maschinengewehren pflügten den Boden, Bomben explodierten und kurz drauf waren die Stukas auch schon wieder in den Wolken verschwunden. Mit mehreren MGs hatten die Stammsoldaten ohne Erfolg versucht, die Angreifer zu erwischen oder abzuwehren.
Die drei hatten sich in ihrem Erdloch geduckt und waren unverletzt geblieben. Wieder einmal mit viel Glück, denn wenige Zentimeter neben ihrer Deckung hatte eine Salve aus einer der Bordwaffen den Boden aufgerissen.
Heini und Anton waren gleich nach dem Angriff aufgesprungen, um Verwundeten zu helfen. In ihrer Nähe gab es drei Verletzte. Einem hatte ein Bombensplitter das Bein zerfetzt. Heini mochte den kleinen Sachsen, obwohl der nicht zum Kreis der Vertrauenspersonen gehörte. Er jammerte laut, als Heini sich bemühte, das Bein abzubinden. Er hatte Schmerzen, vor allem aber hatte er Angst. Tatsächlich war es fraglich, ob er mit dieser Verwundung heil aus dem Schlamassel heraus kommen würde. Das Leben eines Soldaten des Bewährungsbataillons zählte nicht viel und ein schwer Verwundeter war nur eine Belastung. Erwin hatte eine Bahre auftreiben können, so ließ der Sachse sich leichter transportieren. Sie hatten ihn gerade zum Sanitätsplatz geschafft, als sie Gewehrschüsse hörten und dann die Stimme Untersturmführers Schäfer: „Achtung, Partisanen!" Vom Berg aus wurde geschossen. Flugzeugangriff und Überfall passten zu gut zusammen. Die Aktion war abgesprochen. Jugoslawen und Amerikanern hatten offensichtlich einen guten Draht. Das Feuer wurde von deutscher Seite mit Maschinengewehren beantwortet. Daraufhin kehrte Ruhe ein.
Im Lager waren alle sofort in Deckung gegangen. Sie machten sich auf einen größeren Angriff gefasst, aber es blieb ruhig. Die Heckenschützen hatten sich zurück gezogen.
Heini und Anton wurden zu einem Spähtrupp eingeteilt, der den Hügel und den ganzen Waldabschnitt nach Partisanen absuchen sollte. Statt ein paar Stunden Ruhe gab es nun zusätzlich Strapazen und erneut erhöhte Gefährdung. Zum Trupp gehörten vierzehn Mann. Neben Unterscharführer Kolowski waren noch drei weitere Stammsoldaten eingeteilt. Die trugen Maschinenpistolen. Anton und Heini bekamen, wie alle Strafsoldaten, nur Karabiner und Handgranaten. Tagelang hatte es nicht geschneit. In der Ebene lag nur noch eine dünne Decke von nicht mehr als zehn Zentimetern. Hier im Wald jedoch waren Schneeverwehungen an manchen Stellen liegen geblieben. Die waren tief und vereist an der Oberfläche. Heini brach gleich zu Beginn bis zur Brust ein. Die vereisten Schneekanten waren hart und messerscharf.
Anton musste ihm helfen, heraus zu kommen. Als Andenken blieb in der Hose ein Loch. Der alte, abgewetzte Stoff hielt einfach nichts mehr aus. Nach etwa einer Stunde Aufstieg fanden sie Spuren. Danach waren es nur acht Partisanen gewesen. Die aber hatten sich so gut verteilt, dass die Angegriffenen im Tal eine weit größere Zahl vermuten mussten.
Kolowski ließ die Gruppe in Schützenreihe bis zum Bergkamm die Spuren der Partisanen verfolgen und dann umkehren. Heinis defekte Stiefel waren voll Wasser. Er war total durchnässt, bis zum Bauchnabel vom Schnee, darüber vom Schweiß. Nun kündigte sich zudem ein Malaria-Anfall an. Die Krankheit hatte er sich in den Sümpfen am Pagasäischen Golf in der Stellung bei Volos eingefangen. Es war schon stockdunkel, als sie das Lager ohne Zwischenfälle wieder erreichten.
Heini konnte noch einen Becher warmes Wasser trinken, dann fiel er völlig erschöpft in ihrem Unterstand auf sein provisorisches Bett aus Fichtenreisern. Nach knapp vier Stunden war es wieder vorbei mit der Ruhe. „Marschbereitschaft herstellen!" lautete der Befehl.
Also wieder rein in die nassen Stiefel. Zum Glück waren Heinis Ersatz-Fußlappen fast trocken. Die hatte er schon am Morgen zum Trocknen aufgehängt. Mit Anton kam er zum Haupttross. Erwin wurde zur Vorhut eingeteilt. Munitionskisten hatten sie zu tragen. Zusätzlich zu ihren Rucksäcken und den Gewehren war das eine ziemliche Belastung. Es ging über den bewaldeten Hügel, den sie am Vortag durchkämmt hatten und dann weiter auf der anderen Seite des Höhenzuges immer in Richtung Nordwesten. Anton meinte, dass sie parallel zur Donau laufen würden. Das machte Sinn. Wahrscheinlich sollten sie so den Rückzug der regulären Truppenkontingente sichern, die aus Griechenland und Rumänien abgezogen wurden. Obwohl ihnen jegliche Information vorenthalten wurde, hatten sie doch erfahren, dass die Wehrmacht die besetzten Gebiete aufgeben musste. Die Soldaten wurden nun zum Schutz des Reiches an die Reichsgrenzen beordert. Italien und vielleicht sogar West-Jugoslawien mussten von den Amerikanern schon erobert worden sein. Die Angriffe der amerikanischen Jagdflieger waren der Beweis für diese Vermutung.
Der Aufstieg durch den verschneiten Wald war schon während ihres Spähtrupps nicht einfach gewesen. Jetzt jedoch mit Gepäck und Munitionskiste war es doppelt schwer. Mehrfach waren sie ausgeglitten. Mal einer, dann konnte ihn der andere mit der Kiste halten. Wenn sie beide stürzten, war es wesentlich mühsamer wieder hoch zu kommen. Zudem waren solche Stürze nicht ungefährlich. Die schwere Munitionskiste war Anton aufs Bein gefallen. Er trug er eine schmerzhafte Prellung davon, die ihm das Gehen nun zusätzlich erschwerte.
Am Waldrand war der Weg einfacher. Doch für sie war es keine Erleichterung, denn nun trieb Koslowski den ganzen Haufen zu äußerster Eile an. Die Stammsoldaten gaben das Tempo vor. Ohne zusätzliche Lasten und oben drein mit wesentlich besserer Ausrüstung fiel denen der Marsch viel leichter.
Den Befehl, unwillige Strafsoldaten anzutreiben, führten die meisten nicht ungern aus.
Das war eine Aufgabe, die einigen der SS-Leute selbst unter diesen Bedingungen noch sichtlich Freude zu bereiten schien. Scharführer Meier und Rottenführer Schandske taten sich in dieser Weise besonders hervor. Anton versuchte, sich seine Verletzung nicht anmerken zu lassen. Schandske war sein Hinken wahrscheinlich trotzdem nicht entgangen. Das war wohl auch der Grund, dass er in seiner Nähe blieb. Mehrfach musste Anton spüren, was Schandske Aufmunterung nannte. Sobald er etwas langsamer wurde, stieß Schandske ihm den Gewehrkolben in den Rücken. Nach vier Tagesmärschen bezogen sie in kroatischem Gebiet an der Donau Stellung. Auch hier war es Aufgabe ihrer Einheit, den Rückzug der regulären Streitkräfte gegen Partisanenangriffe zu schützen. Am Südhang eines Hügels hatten sie Schützengräben und Stellungen für zwei MGNester ausheben müssen. Auf dem Hügel befand sich eine alte Festung, in der sich eine Einheit der Waffen-SS nieder gelassen hatte. Erwin hatte, als er mit einem Spähtrupp in die Nähe des Flussufers gekommen war, einen alten Wegweiser entdeckt. Auf dem halb verrotteten Schild ließ sich in kyrillischen und lateinischen Buchstaben der Ortsname IIok entziffern.
Ilok ist die