Cícero Deodato: Zeichnungen und Tagebuch eines afrobrasilianischen Straßenjungen
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Gerhard Brandstetter
Gerhard Brandstetter wurde 1935 geboren und 1961 zum Priester geweiht. Nachdem er in verschiedenen Pfarrgemeinden in Deutschland tätig war, ging er nach Brasilien, um dort in der Mission zu wirken. 1990 gründete Gerhard Brandstetter im brasilianischen Bundesstaat Paraíba das Kinderdorf "Die Kleinen mit Christus" (AMECC). Seither setzt er sich dort für die Kinder ein, die aus den ärmsten Familien stammen.
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Book preview
Cícero Deodato - Gerhard Brandstetter
Die Entwurzelung ist bei weitem die
gefährlichste Krankheit der menschlichen
Gesellschaften, weil sie sich selbst
vervielfältigt.
Verbrecherisch ist alles, was ein
menschliches Wesen entwurzelt oder es
verhindert, Wurzel zu fassen.
Da, wo Verschlossenheit, Trauer,
Hässlichkeit herrschen, liegen
Beraubungen vor, die nach Heilung
verlangen.
Das Kriterium, das uns erlaubt zu
erkennen, ob die Bedürfnisse der
menschlichen Wesen irgendwie befriedigt
sind, ist eine Entfaltung der
Geschwisterlichkeit, der Freude, der
Schönheit, des Glücks.
Simone Weil¹ (1909-1943) franz. Philosophin
Kinder- und Jugenddorf
„Die Kleinen mit Christus"
Guarabira, Paraíba, Brasilien
Gerhard Brandstetter Email:007.gerd@gmail.com
Tel. +49 8671-507124 Mobil: +49 174-2883845
Kinderdorf Guarabira www.kinderdorf-guarabira.de
Kontaktdaten in Brasilien:
Tel. +55 83 3271-3110 Mobil: +55 83 99986-0514
Inhalt
Zum Geleit
Vorwort
Lebensgeschichte von Cícero Deodato
Zeichnungen und Bilder mit Texten aus dem Tagebuch von Cícero Deodato
Tagebuch von Cícero Deodato: Meu Desabafo, Mein lautloser Schrei
Dankbrief 30 Jahre später
Anmerkungen
Kurzer Lebensweg von Gerhard K. Brandstetter
Pastorale Tätigkeiten
Zum Geleit
„Meu desabafo „Mein lautloser Schrei
, mit Zeichnungen und Tagebuch, ist das Zeugnis eines afro-brasilianischen Jugendlichen, der in den 1980er Jahren als siebenjähriges Kind die Straße als sein neues Zuhause gesucht hat. Sein Tagebuch berichtet von dieser leidvollen Entscheidung. Sein Name ist Cícero Deodato.
Sein Leben ist am 25. Mai 1997 gewaltsam zu Ende gegangen. Er ist auf einem öffentlichen Platz in der Landeshauptstadt João Pessoa, Paraíba, Brasilien durch einen Revolverschuss „von Unbekannt ermordet worden. Polizeiliche Ermittlungen wurden sehr rasch eingestellt. Es kam zu keiner Gerichtsverhandlung nach Informationen seiner Mutter. Sein Leichnam ist mir, nachdem niemand Anspruch auf den toten Körper erhoben hatte, nach einigen Tagen aus dem Gefrierfach des gerichtsmedizinischen Institutes für Leichenschau in João Pessoa im Beisein seiner Mutter und einiger Freunde übergeben worden. Wir haben ihn ins Kinderdorf nach Guarabira überführen lassen. Unser Fest und Spielplatz wurde plötzlich für einige Stunden zu einer „Aussegnungshalle
. Cícero liegt nun im Friedhof von Guarabira.
Sein Grab ist auch das Grab seines Bruders Maurício. Er ist drei Jahre nach Cícero durch einen Messerstich in Guarabira ermordet worden. Der Mörder hatte sich in der Person geirrt wie er dem Richter bekannte.
Cícero ist zum Samenkorn für ein Werk geworden, das Dank Eurer Mithilfe und Treue im Lauf dreier Jahrzehnte wie zu einem Baum geworden ist. Manche bemerkten in diesen Jahren bescheiden: „Ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, was ich zu geben vermag, aber „steter Tropfen höhlt den Stein
– und so ist es und wird es immer sein. Tausende von Kindern und Jugendlichen haben seitdem eine frohe Kindheit und gesunde Jugendzeit im Kinderdorf erfahren dürfen. Es ist zu einem Ort der Hoffnung und für Viele sogar ein Zuhause geworden. Sie kehren immer wieder gerne zurück, auch wenn sie bereits Erwachsene und Familienväter sind. Ich danke Euch von Herzen für Eure Solidarität, für das Teilen Eurer Gaben mit Kindern und Jugendlichen im weiten Nordosten dieses großen Landes Brasilien.
Gerhard Konrad Brandstetter
Vorwort
Es war seit den 1980er Jahren bekannt, dass an die 30 Millionen Kinder und Jugendliche verlassen und ausgegrenzt auf den Straßen Brasiliens herumliefen, bettelten und viele der Drogensucht verfielen. Nachdem die Fehler und Ungerechtigkeiten den Kindern und Jugendlichen gegenüber immer deutlicher zutage traten, wurde am 13. Juli 1990 als Reaktion auf die Missstände das neue Kinder- und Jugendstatut in Brasilien geschaffen.
Darin wurde den bis dahin als ‚korrekturbedürftige Wesen‘ bezeichneten Kindern und Jugendlichen das Recht auf ein altersentsprechendes Leben im Schutz der Familie und der Gesellschaft zugesichert. Die Umsetzung des Gesetzes brauchte jedoch Zeit, noch lange befanden sich Kinder und Jugendliche auf den Straßen, in Erziehungsanstalten oder im Gefängnis.
Vier Monate nach Unterzeichnung des Jugendstatuts wurde am 13. November 1990 die Solidaritätsaktion zur Aufnahme von Jugendlichen in der Stadt Guarabira im Bundesstaat Paraíba ins Leben gerufen. Was der Staat längst hätte tun müssen, wurde um der Kinder Willen angepackt, aber auch öffentlich wurden die Anliegen der Kinder und Jugendlichen auf Bundesebene vertreten.
Den Grundstein für diese einzigartige Solidaritätsaktion legte die Begegnung zwischen einem deutschen Priester und einem afro-brasilianischen Jugendlichen, der in einem Gefängnis seiner Freiheit beraubt war.
Ich hatte das Privileg diesen jungen Menschen persönlich zu kennen. Ich konnte sein Lächeln sehen und seine Freude erleben. Ich spürte seine Hoffnung auf eine bessere Welt. Ich musste auch von seinem schmerzhaften Ringen um sein Leben erfahren und seinem vergeblichen Kampf gegen die Drogensucht.
Wenn ein Kind mit sieben Jahren genötigt ist, arbeiten zu müssen, und auf ihm ein schier unerträgliches Gewicht lastet, ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass so ein Leben nicht gut sein kann, und wahrscheinlich auch nicht gut werden wird.
Ich sehe dieses Kind, das auf seinem Kopf einen Korb mit Lebensmitteln trägt und mit dieser Last eine Dame vom Markt zu deren Wohnung begleitet. Ein Kind, das dafür einige Münzen erhält, diese zuhause seiner Mutter übergibt mit der Bitte, sie solle dafür Lebensmittel für die Familie kaufen.
Dieses Kind wächst zu einem Jungen heran und schreibt in einem Moment völliger Hilflosigkeit an einen Priester einen Brief. Der nun bereits 17jährige bittet darin um Hilfe und wird damit einer der Hauptakteure für die Schaffung einer Nichtregierungsorganisation, die sich um Jungen und Mädchen aus einer Stadt in Paraiba kümmert.
Die reiche Geschichte von Cícero Deodato, dem brasilianischen Straßenjungen, ist illustriert mit einer Auswahl seiner zahlreichen Zeichnungen. Seine künstlerischen Darstellungen