Abrechnungen
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Abrechnungen - Heinrich Mann
Heinrich Mann
Abrechnungen
Saga
Abrechnungen
Coverbild/Illustration: pexels-cottonbro-4974420
Copyright © 1924, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726885323
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Der Gläubiger
Emmy Blasius konnte ihren einzig Geliebten nicht heiraten, denn Assessor Liban hatte nicht genug. Die jungen Leute blieben einig gegen die Eltern, aber wo waren die Stärkeren? Die ganze, stark befestigte Ordnung der Dinge in jenen friedlichen Zeiten sprach für die Eltern. Die Jungen konnten nur machtlos protestieren. Sie konnten das Geschick nur zu erweichen suchen, der Assessor durch besondere Strebsamkeit und dadurch, daß er der Mutter den Hof machte, Emmy noch am besten, wenn sie sich leidend stellte. Übrigens kam man herunter mit den Nerven, heimlich verloht seit Jahren und immer umhergeworfen zwischen Hoffnungen und ihrer Vernichtung. Vor der großen Abendgesellschaft bei Geheimrat Blasius, gegen Ende der Saison, traf Liban den jungen Bruder Emmys auf der Straße, hielt ihn an und drang in ihn: »Wen werde ich zu Tisch führen?« Der Gymnasiast lächelte wichtig. Er wisse es. »Sag es mir! Du bekommst etwas geschenkt.« – »Was denn?« Ausführlicher Handel. Endlich: »Wen führe ich also?« – »Die Musiklehrerin.« Worauf Liban schroff wegging. Emmy aber saß am Abend neben Doktor Schatz, einem alternden Afrikaner, der Geld hatte. Jammervolle Blicke über die lange Festtafel, zwischen den weit getrennten Liebenden. Dabei fächelte Emmy sich, um ihrem Tischherrn ihre nette runde Hand zu zeigen, und Assessor Liban dort unten brachte die Klavierlehrerin zum Lachen. Umsonst die lange Geduld, die vielen Kunstgriffe, alle ihre Träume, die ganze Pein. Wozu hatten schon Backfisch und Schüler einander gern gehabt. Wozu beim Eislauf jene mit gestohlenem Taschengeld bezahlten Pfannkuchen, der Schwur ewiger Trene, bevor er auf die Universität ging. Bis zu seiner Rückkehr fiel beiderseitig manches vor, aber das erwähnten sie nicht. Kleine Treubrüche des Gefühls, oder selbst andere, zählten nicht für ein Liebespaar, das die Aufgabe hatte, Widerständen zu trotzen und das Ideal zu verkörpern.
Die Tafel ward aufgehoben, und in der ersten Verwirrung der Gesellschaft, die andere Räume aufsuchte, konnten die Unglücklichen sich hinter einer Tür zusammenfinden. Emmy kam mit einem Gesicht, das alles eingestand, die volle Katastrophe und ihre eigene Ohnmacht. Ob die Eltern schon mit ihr gesprochen hätten, wollte er wissen. »Sie haben mir gesagt, ich sei nun zweiundzwanzig, Zeit sei nicht mehr zu verlieren.« – »Und Doktor Schatz?« fragte er. Sie gestand: »Papa hatte ausdrücklich verboten, daß ich ihn glatt abfallen lasse.« – »Ja dann«, sagte der junge Mann. Endlich gestand sie alles: die Verlobung werde gleich heute abend sein. »Er kann nicht lange warten«, sagte sie verzweifelt. »Er hält sich nicht.« Herren, die Zigarren rauchten, hätten das Paar beinahe aufgestört. Die Gefahr ging vorbei, sie konnten Abschied nehmen. Als anständige Bürgerkinder nahmen sie Abschied von ihrer Liebe, dem Gefühl ihrer ganzen Jugend – hinter der Tür. Heirat Emmys mit Doktor Schatz und ein vornehmes Haus mehr, Gesellschaften, die Klang hatten. Dazwischen ein Kind, Sohn Wölfchen, vom Vater dem Konsulatsdienst bestimmt. Sein bester Freund, Landgerichtsrat Liban, war sogar der Meinung, Wölfchen sollte Reichskanzler werden. »Bis dahin ist unsere Entwicklung ins Industrielle soweit. Der nächste Kaiser beruft Bürgerliche.« Liban hatte die herrschende Vorschrift, Geld zu haben, befolgt und reich geheiratet. Seine Frau war schon vorher mit Emmy befreundet, sie wurden es um so enger. Die beiden kleinen Töchter Libans und Wölfchen verbanden die Häuser überdies, jedes wichtigere Erlebnis des einen rief das gesamte Mitgefühl des anderen in Person herbei.
Schatz erkrankte,