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Joseph und Asenath: Geschichten aus dem Alterum, Band IV
Joseph und Asenath: Geschichten aus dem Alterum, Band IV
Joseph und Asenath: Geschichten aus dem Alterum, Band IV
Ebook293 pages4 hours

Joseph und Asenath: Geschichten aus dem Alterum, Band IV

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In diesem vierten Band der Geschichten aus dem Altertum ist Joseph der Gottessohn, der elfte Sohn von Jakob und Rahel, die Hauptperson. Diese Geschichten beschreiben das Leben des grossen Jakob (Israel) und seiner Familie. Wie üblich in Benjamins Büchern, ist aber noch weit mehr darüber zu erfahren. Man lernt Asenath, die herrliche Frau des Joseph kennen und erfährt viel über die Umstände, warum alles so passierte, wie es eben geschehen ist. Der Autor beschreibt auf verständliche Art die Aufgabe von Benjamin, dem dreizehnten Kind von Jakob. Aus dieser biblischen Geschichte ist ein spannender Roman geworden und der Leser lernt wohl vieles, das er nicht gewusst hat. Wichtig ist dem Autor immer, dass der Leser Freude empfindet!
LanguageDeutsch
Release dateApr 28, 2021
ISBN9783752680324
Joseph und Asenath: Geschichten aus dem Alterum, Band IV

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    Book preview

    Joseph und Asenath - Benjamin

    INHALT

    Prolog

    Die Begegnung am Brunnen

    Jakobs Söhne und die Tochter

    Das Blutbad zu Sichem

    Jakobs Heimkehr nach Bethel

    Benjamin

    Juda und Thamar

    Im Lande On

    Joseph und Benjamin

    Asenath’s Jugendjahre

    Josephs Beseitigung

    Joseph in der Versuchung

    Josephs erneute Erhöhung

    Joseph trifft auf Asenath

    Asenath’s grosses Leiden, ihre Reue

    Der Gott Josephs schickt Sankt Michael

    Die Verlobung und die Hochzeit

    Die Hungersnot und die Not im Hause Jakobs

    Die zweite Reise der Brüder nach Ägypten

    Jakob übersiedelt nach Ägyptenland

    Asenath begegnet Jakob

    Asenath in Gefahr

    Epilog

    Glossar

    Bilderliste

    Bildtafel 1, Ortsplan des Geschehens

    Bildtafel 2, Jakob am Brunnen

    Bildtafel 3, Der Jakobskampf

    Bildtafel 4, Joseph wird von Potiphars Weib bedrängt

    Bildtafel 5, Joseph deutet im Gefängnis Träume

    Bildtafel 6, Joseph deutet des Pharaos Träume

    Bildtafel 7, Joseph gibt sich seinen Brüdern zu erkennen

    Bildtafel 8, Joseph empfängt den Vater und die Brüder

    Bildtafel 9, Joseph stellt dem Pharao seine Familie vor

    Bildtafel 1

    Schauplatz des Geschehens in dieser Erzählung!

    Hier lebten Joseph und Asenath.

    Joseph und Asenath

    PROLOG

    Die Geschichte, die ich nun erzählen will, ist daher vielleicht etwas eigenartig, weil sie von mir zusammengesetzt worden ist, eben weil ihr das Wesentliche fehlte und man daher den eigentlichen Sinn gar nicht erkennen konnte. Ja, sie ist wohl den meisten schon bekannt aus der Bibel und so wird dieser oder jener sagen: Ja, was will er denn, so kann ich es ja in der Bibel lesen! Aber leider wird diese Geschichte auch von den meisten verkannt oder nicht richtig verstanden, was nicht heissen will, dass ich darauf beharre, dass nur meine Version die richtige ist! Einen grossen Teil der Joseph Geschichte hat aber wohl die Theologie des Mittelalters einfach aus der Bibel entfernt und in die Apokryphen verlegt, und genau von diesem Ort habe ich sie wieder hergeholt und in meine Geschichte eingeflochten. Der gesamte Bibeltext und der Text aus den Apokryphen sind in meinem nun folgenden Text wieder vereint und enthalten, denn ich habe versucht, das Ganze wieder in eine einzige Geschichte zu verflechten. Dies habe ich deshalb gemacht, weil mich das Wesen der schönen Asenath so fasziniert hatte, die so rein und unbefleckt aus ihrem priesterlichen Haus daherkommt. Natürlich habe ich meine wohl starke Fantasie dazu getan – und das ist gewohnheitsgemäss nicht wenig. So kennt man heute leider von der schönen Asenath nur grad ihren Namen und sonst nicht viel. Vielleicht weiss man noch, dass sie Joseph zwei Knaben geboren hat, Manasse und Ephraim, aber dann wird die Erinnerung beim Leser wohl aufhören, Bilder zu senden, dann wird wohl Schluss sein. Aber eine andere Figur, der wir in diesem Buch, in dieser Geschichte begegnen werden, liegt mir halt auch noch sehr am Herzen, die mir persönlich immer sehr wichtig war, weil ich sie jahrzehntelang nicht richtig einordnen konnte, nämlich Josephs Bruder Benjamin, der ja auch von Jakobs grosser Geliebten, der Rahel, stammte. Er war also Josephs echter Bruder. Er gehörte nicht zu den Halbbrüdern, wie die anderen ihm waren. Ihm kommt nämlich eine gesonderte Rolle zu, die wohl niemand kennen wird! Ich habe sie aber in den Apokryphen gefunden, nach meinem Dafürhalten ergänzt und diese will ich gerne aufrollen vor des Lesers Auge, dass sie besehen, – und allenfalls studiert werden könnte! Benjamin wurde von diversen Autoren in den Schmutz gezogen und in den Abgrund gezerrt und wohl gar dem Teufel zugeordnet, was überhaupt nicht stimmt, sondern grundfalsch ist! Denn Beweise für ihre abstruse Theorie haben sie nicht geliefert! Meine Ansicht aber, die will ich mit folgender Geschichte nun beweisen.

    Genau auf diese Weise eben, wenn Theologenhände einfach Texte ausschneiden und verschieben, die sie womöglich gar nicht richtig verstanden haben, passiert es, dass wichtige Figuren einfach in der Bibel stehen bleiben und niemand mehr weiss, warum überhaupt! So erging es Benjamin, Josephs echtem Bruder. Die Herkunft all der Brüder und ihre Rollen, die sie spielen, sind so interessant, wenn man sich nur die Mühe nimmt und ihre Abstammung mit berücksichtigt, denn es handelt sich da ja wie um drei Ebenen, welche die zwölf Söhne zu einem Ganzen hergegeben haben. So sind eben die Söhne in sechs, vier und zwei eingeteilt. Das gibt doch als unterste Ebene, ganz klar, die vier einfachen Mägde-Söhne, die eben die unterste, oder dritte Ebene bilden. Dann gibt es die sechs normalen Bauernsöhne, die Erdenmenschen, als zweite Ebene und dann eben, zwei Söhne des Geistes als oberste, erste Ebene! Aber, aufgepasst! Ein wirklicher Sohn des Geistes, das ist nur grad Joseph, denn er ist ja der langersehnte Gottessohn! Und Benjamin? Ich will es genau erzählen und nicht vorgreifen! Und, was gerne vergessen wird, eine Tochter, um die heftig gestritten wird. Wenn man nun Dina, die Tochter Jakobs dazuzählen will, so hatte Jakob dreizehn Kinder gehabt! Die Dreizehn ist aber die Karte des Todes im berühmten Tarotspiel! So also lasst uns sehen, wem nach dem Leben getrachtet wird, wem die dreizehnte Karte zukommt! Sicher keinem der Lea-Söhne, schon gar nicht einem der Mägde-Söhne, wenn einem, dann muss es einer der Geistes-Söhne sein!

    Auch will ich mir gerne überlegen, wer Rahel die Herrliche in Wirklichkeit war, und was es vermutlich mit ihr auf sich hatte. Ich will zu klären versuchen, warum sie Jakob nur so kurze Zeit gegeben war, und was es auf sich hat, wenn ein Sonnengeweihter, wie Jakob einer war, einen Fluch ausspricht! Warum Jakob so lange Zeit für sie dienen musste und warum sie an der Geburt von Benjamin verstarb. So will ich Josephs grosse Taten genau aufzeigen und will klären, wer er in Wirklichkeit war. Aber auch Benjamins Taten und seine Wichtigkeit will ich in dieser Geschichte hervorholen und erzählen, wie ich es vorhin versprochen habe, die allzeit immer unbemerkt geblieben ist! Darum will ich sie genau verfolgen und alles in ein Ganzes, in eine fliessende und zusammenhängende grosse Geschichte einmünden lassen. Ich muss zugeben, ich freue mich jetzt schon in all dies hineinknien zu dürfen und nun endlich loszulegen, genau zu erzählen, wie ich ja auch in meinen drei vorangehenden Bänden aus dem Altertum aus Herzenslust erzählen durfte.

    Man möge sich also mit diesem Büchlein in der Hand bequem hinlegen um Geschichten aus längst vergessenen Jahren im Altertum zu hören, denn es macht mir Freude, wenn ich Freude bereiten darf!

    *

    Benjamin

    DIE BEGEGNUNG AM BRUNNEN

    So münde ich dort in die Geschichte ein, wo Jakob durchs Land gereist ist, um zu seinem Onkel Laban zu gelangen, draussen am Ziehbrunnen aber zuerst auf die schöne Rahel traf:

    Ein Glaube hält uns fest umschlungen,

    Der endet auch auf Erden nie,

    begeistert nennen Dichterzungen

    ihn Religion der Fantasie.

    Wie einst der Patriarch am Bronnen

    Zum ersten Male Rahel fand,

    als mit den schwarzen Augensonnen

    die schöne Jungfrau vor ihm stand.

    Ludwig August, Ritter von Frankl-Hochwart

    Bildtafel 2

    Kupferstich von Luca Giordano (ca. 1750) – Jakob und Rahel am Brunnen

    Isa’ak, der beinahe geopferte Sohn des mächtigen Abraham°, wurde eines Tages von Rebekka, seiner treusorgenden Frau, in seinem Raum aufgesucht, wo er alt und blind geworden, seinen hohen Gedanken nachhing und daselbst, von ihnen weit getragen, sich wohl da und dort und wieder an anderem Ort befand. Rebekka war zu ihm gekommen, um ihn zuerst aus seiner Gedankenreise zurückzuholen, dass sie zu ihm sage, wie dass ihr Wille sei für die Zukunft ihres, ach so geliebten Sohnes Jakob; und schüttete ihm dort, an seinem Ort, ihr Herz gründlich aus. Denn in ihrem Leib sind ja die so unterschiedlichen Zwillinge geboren, der erste ein echter Erdenmensch, der zweite ein Geistmensch, so wie es der Weise Melchisedek° einst an Abraham prophezeit hatte, dass das Tierhafte vom Geistmenschen abgetrennt würde°. Nun fürchtete die gute Rebekka aber um das Leben ihres Sohnes Jakob, weil er sich für ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht und den Segen des Vaters erkauft hatte. Sie hat sich also schuldig gemacht durch ihre Mithilfe, die sie ihm geleistet hatte, so glaubte sie. Also würde sie auch mitschuldig, wenn Esau sich an Jakob rächen würde. So sprach Rebekka dem alten Isa’ak zu, dass er Jakob zu sich kommen liesse und ihm seinen väterlichen Willen, oder besser, ihren mütterlichen Willen wissen lasse. Als darauf, auf seinen Ruf, Jakob gehorsam in die Räume seines Vaters getreten war, sprach er zu ihm: «Siehe mein Sohn, ich spreche nun zu dir, wie schon viele unserer Vorväter zu ihren Söhnen gesprochen haben. Ziehe du also dahin und suche dir ein Weib, das dir gefällt und an dem du deine Freude haben kannst. Sie soll aber treu und arbeitsam sein und sie soll sich mit Freuden unter deinem Willen einordnen. Nimm dir aber ja kein Weib von den Töchtern Kanaans, denn der Fluch des grossen Noach liegt nach wie vor noch auf der Erde in diesem Land¹. Darum gehe hin und mache dich auf ins Land der Syrer, nach Mesopotamien, und suche dort das Haus Bethuels auf, das Haus des Vaters deiner Mutter und nimm dir doch ein Weib von den Töchtern des Bruders deiner Mutter, von Labans Töchtern!

    Er wird sicher eine schöne Tochter haben, die dir wohlgefällt und also dein Auge erfreut. Der allmächtige Gott unserer Väter Adam, Noach und Abraham segne dich auf deinem Wege, er mache dich fruchtbar und mehre dich, dass du zu einem grossen Volke werdest. Er schenke dir den Segen Abrahams, mitsamt deinem Geschlechte, dass dir das Land, indem du in der Fremde weilst, fruchtbar werde und dir Segen bringe, dir und all den Deinen.»

    So entliess der alte Isa’ak seinen Sohn Jakob mit segnender Hand und er sprach noch zu ihm: «Mache dich nun auf und ziehe ins Land Mesopotamien zu deinem Onkel Laban, dem Sohn des Syrers Bethuel, und siehe dir seine Töchter an, so er welche hat.»

    Dieser Segen des Sonnenkanals, der von Abraham ausgegangen war, wird Jakob also nun begleiten, sozusagen in seinem Gepäck, denn der Segen eines Sonnengeweihten wirkt durch alles! Jakob, der treue Enkel des grossen Abraham, machte sich einige Tage nach dem Gespräch auf und zog aus Beerseba, aus dem Haus seines Vaters aus. So gelangte er schnell auf den Weg nach Haran, der ihn dem Geburtshaus seiner Mutter zuführte. Auf diesem Weg nun kam er gegen Abend zu einer Stätte, von der man sich sagte, dass sie gar heilig wäre. Es war da aber nichts Besonderes, das man sich ansehen, das man hätte anbeten können, sondern es war einfach ein verlassenes Bethaus da, das frühere Menschen hier einmal gebaut haben mögen und das nun seinem gänzlichen Zerfall entgegensah. Sonst aber sah man nicht viel, etwas, das einem ins Auge gesprungen wäre, denn es war einfach eine grüne, sehr schöne Gegend mit hohen Bäumen bestanden und durch dichtes Buschwerk unterbrochen. Da es schon ziemlich spät am Abend war, entschied sich Jakob, hier seine Nacht zuzubringen, denn wo wäre man sicherer als auf einer heiligen Stätte? Also richtete er ein Nachtlager für sich her, wo es ihm gerade gefiel, und am Ende gefiel es ihm im Bethaus am besten. Jakob nahm einen Stein von den Mauern des verlassenen Bethauses und legte ihn zu Häupten auf sein bereitetes Lager. Er benutzte ihn, um sein Haupt darauf zu legen und so die Nacht zuzubringen. Nachdem er seine Tiere versorgt hatte, legte sich Jakob schliesslich auf sein bereitetes Lager und schon bald fielen ihm die Augen zu und er versank in einen tiefen Schlaf. Da kam aber ein Engel Gottes vom Himmel heruntergestiegen und öffnete ihm ein drittes Auge, mit dem er andere Dinge sehen konnte, als er sie mit seinen irdischen Augen gewohnt war zu sehen. Er konnte nun daselbst nämlich eine lange Leiter sehen, die vom Himmel her herabgelassen schien und jetzt fest auf der Erde stand, geradewegs da, wo er schlief! Auf dieser Leiter aber, da gingen viele Engel Gottes auf und nieder in wohl vielfältiger Mission und jeder hatte bestimmt eine eigene. Verwundert sah Jakob dem nächtlichen Treiben eine Weile zu, da gewahrte er auf einmal, dass der Herr selbst vor ihm an seinem Lager stand. Rasch sprang er auf seine Füsse, liess sich aber gerade wieder auf seine Knie fallen und senkte ehrerbietig sein Haupt. Da sprach der Herr zu ihm: «Ich bin der Herr, der Gott deiner Väter Adam, Noach, Abraham und Isa’ak. Dieses Land, auf dem du ruhst, will ich dir und deinen Nachkommen geben, so wie ich schon das ganze Land Kanaan deinem Vorvater Abraham gegeben habe. Denn deine Nachkommen sollen so zahlreich werden wie der Staub der Erde. Gegen Abend hin und gegen Morgen, gegen Mitternacht und gegen Mittag sollst du dich ausbreiten. Ich will dich segnen und deinen Namen verbreiten auf Erden und ihn berühmt machen, dass er endlich zum Segenswort wird. Segnen will ich, die dich segnen, aber verfluchen, die dir fluchen. Mit deinem Namen werden sich Segen wünschen alle Geschlechter der Erde. Denn siehe, ich werde mit dir sein alle Tage. Ich will dich behüten allenthalben, wo du gehst und immer hinziehst. Immer werde ich dich wieder in dieses Heilige Land zurückbringen. Niemals werde ich dich verlassen, bis ich getan, was ich dir verheissen habe.»

    Diese Aussage des Gottes muss man sich merken können, denn man wird immer wieder daran erinnert werden! Als aber Jakob wieder aus seinem hohen Traum erwachte, oder besser aus seinem Gesicht, war es Morgen geworden und er sah dieses liebliche Land erwachen. Die Morgennebel hoben sich und liessen bereits die ersten Strahlen der Sonne auf dieses gesegnete Land fallen. Alles war grün und die Erde fruchtbar, viele Vögel sangen schon in den hohen Zweigen und manches Wild sprang über die Weiten dieses grünen Landes. In den Steinen des Bethauses wohnten Eidechsen, auch Ameisenvölker wohnten hier in ihrem aufgehäuften Staate und vieles Kleingetier mehr. Wilde Bienen flogen schon erwachende Blumen an. Alles summte und jubilierte dem Herrn! Da erhob sich Jakob von seinem Lager und kniete auf den Stein, den er vom alten Bethaus genommen hatte, und sprach für sich: Wahrhaftig, der Herr ist in diese Stätte gekommen und ich wusste es nicht! Und die Ehrfurcht stieg in ihm auf und er rief für sich selbst: «Wahrlich, hier ist nichts anderes als das Haus Gottes! Aber hier ist gar die Pforte des Himmels!» So betete er weiter den ganzen Tag immer wieder und am anderen Morgen in der Frühe nahm er den Stein, den er als Stütze seines Hauptes gebraucht hatte, richtete ihn als Malstein auf und goss vom feinen Öl auf seine Spitze. Von nun an aber nannte er jene Stätte Bethel, das heisst Haus Gottes. Denn wohl wusste er, dass diese Stätte früher Lus (1 s. Gl.) genannt wurde. Und er sprach aber bei sich: Wenn der Gott meines Vaters mich wirklich auf all meinen Wegen begleitet und mir hilft, dass ich immer Brot zu essen habe und Kleider, um mich zu kleiden und ich wohlbehalten wieder in mein Vaterhaus einziehen darf, so soll dieser Herr mein Gott sein alle Tage meines Lebens, für immer und ewiglich. Dieser Malstein aber, den ich hier aufgerichtet habe, soll der Eckstein eines Gotteshauses werden, wenn Er mich hierher zurückführen wird. Von allem aber, von dem Er mir geben wird, will ich ihm den Zehnten dafür entrichten.

    Nun weiss man, dass dieser frühere Name «Lus» eben Licht bedeutet. An dieser Stätte ist Jakob also der Herr erschienen! Das Licht stieg vom Himmel zu ihm in die Finsternis und hat Jakob lustriert, also kultisch gereinigt, erleuchtet! So liess Jakob immer wieder sein aufmerksames Auge über dieses Land streifen und er dachte bei sich selber: Wer bekommt schon von seinem Gott ein so schönes und grosses Land geschenkt? Muss denn der Beschenkte nicht ein Liebling Gottes sein? Was kann mir Höheres passieren, als gar der Liebling Gottes zu sein? Ich werde mein Leben lang aufpassen müssen, dass ich mich als würdig erweise! Keine Sünde darf je auf meine Lippen kommen, geschweige denn an meine Hände!

    Danach dachte Jakob daran, dass er weiterzöge und er holte seine zwei Tiere herbei. Er drehte sich aber noch einmal um, besah sich den merkwürdigen Ort noch einmal genau, den aufgerichteten Malstein und alles, was er nun verliess. Dann erhob er zum Ende noch einmal seinen Blick und sah zum Himmel hinauf, dorthin, wo er nun das Tor zum Himmel wusste. Danach aber zog er hinweg und nahm nur die Erinnerung mit sich, die er sich vorsorglich fest eingeprägt hatte, wandte sich gegen Osten hin und wanderte also viele Tage dem entfernten Ostland entgegen. Als er endlich dieses Ostland, sein Ziel in Mesopotamien, erreicht hatte, sah er zuerst auf einem grossen, üppig grünsaftigen Weideland einen mächtigen, steinernen Brunnen. Um diesen Brunnen herum lagerten die Schafherden, denn aus ihm pflegte man wohl die Schafe zu tränken! Das sah man den Geräten an, die lose um den Brunnen herum standen, denn sie lagen bereit, um sie jederzeit zu benutzen. Über dem Brunnenschacht war eine schwere Steinplatte aufgelegt, die das kostbare Wasser zu schützen hatte. Wenn dann die Herden versammelt waren, so entfernte der Hirte den schweren Stein und schöpfte Wasser für sie. Darauf war der Schacht wieder sorgsam zu verschliessen, dass nicht zu nächtlicher Stunde jemand in den Brunnenschacht träte, oder eines der Tiere darin zu Tode käme, auch natürlich, dass nichts hinein käme, das nicht hinein gehört. Wie Jakob lange dagestanden hatte und sich alles besehen und sich seine Gedanken darüber gemacht hatte, da sah er, wie von weit her zwei grosse Schafherden mit ihren Hirten daherkamen. So erwartete er sie geduldig in der Hoffnung auf ein kurzes Gespräch. Und wie sie endlich beim Brunnen angekommen waren, da trat Jakob zu den Hirten hin, die mit ihren Schafherden nun zugegen waren und sprach zu ihnen: «Brüder, wo seid ihr her?» Sie antworteten ihm: «Wir sind von Haran.» Da sprach er weiter zu ihnen: «Kennt ihr vielleicht Laban, den Sohn Bethuels?» «Ja, wir kennen ihn», sprachen sie. Und er fragte weiter: «Steht es denn gut mit ihm?» Da antworteten sie: «Es geht ihm gut, er ist wohlauf, doch siehe, da kommt gerade seine Tochter Rahel daher mit ihrer Schafherde.» Sie zeigten in die Richtung, wo man eine dritte Herde langsam daherkommen sah. Da antwortete Jakob wieder: «Es ist ja noch gar nicht spät am Tag und noch nicht Zeit, das Vieh einzutreiben. Tränkt doch eure Schafe und lasst sie dann wieder weiden.» Sie antworteten ihm: «Das können wir nicht tun, denn zuerst müssen alle Herden hier sein, dann wälzt man den Stein vom Brunnen und wir tränken alle gemeinsam unsere Schafe. Der Brunnen hat genug Wasser, das ist kein Problem, wenn auch viele Schafe getränkt werden müssen, das Wasser läuft sofort nach.»

    Während er noch mit ihnen redete, war indessen Rahel mit den Schafen ihres Vaters herangekommen, denn es war ihre Aufgabe, sie zu hüten. Rahel war also eine Hirtin (2. s. Gl.). Wie aber Jakob Rahel mit ihren Schafen herankommen sah, hob er selbst den Stein vom Brunnen und tränkte seines Oheims Schafe. Als er aber dabei Rahel betrachtete, war er erstaunt über ihre grosse Schönheit, über ihren klaren Blick, und er begann gar zu weinen und küsste sie, denn sie begeisterte sofort seine Seele. Dazu erklärte er ihr, er sei ihrer Tante Rebekkas Sohn, Jakob. Wie sie dies aber hörte, lief sie hin und brachte die Kunde vor ihren Vater Laban hin. Als nun aber Laban vernahm, dass der Sohn seiner Schwester Rebekka gekommen sei, ging er ihm eilig entgegen, gab ihm den Bruderkuss, umarmte ihn herzlich und führte ihn schliesslich in sein Haus ein. Dort setzten sie sich hin und Jakob erzählte seinem Onkel seine ganze Geschichte, so ausführlich wie möglich. Er berichtete über das Ergehen in seinem Vaterhaus und wie alles gekommen sei, dass er jetzt vor ihm sässe. Da sprach Laban zu ihm: «Ich sehe, dass du von meinem Fleische bist, und darum freue ich mich, dich nun hier zu haben.» Und so blieb Jakob erst einmal einen ganzen Monat im Hause Labans. Jakob aber, er fasste mit an auf dem Gehöft seines Oheims und übernahm diese und jene Arbeiten, die ihm als wichtig erschienen. Laban hatte aber ein sehr gutes Auge, denn er sah sehr schnell, dass alles gedieh, was Jakob in seine Hände nahm. Er war auch immer zuerst und an vorderster Front, wenn es ums Zupacken ging, wobei seine eigenen Söhne meist daneben standen und erst einmal zuwarteten, ob es überhaupt nötig sei, dass sie sich bückten. Es blieb ihm auch nicht verborgen, dass er Änderungen vornahm, die dazu führten, dass sich der ganze Ertrag seines Gehöftes enorm vermehrte. So spürte er bald, dass er etwas unternehmen müsste, um den jungen Mann irgendwie an sich zu binden, vor allem aber, einfach mal hier zu behalten. So liess er ihn also vor sein Angesicht treten und sprach eindringlich zu ihm: «Siehe, du bist doch mein Verwandter und bist mir in so kurzer Zeit sehr lieb geworden. Du sollst deshalb nicht ohne Lohn für mich arbeiten, denn das wäre nicht recht! Sage mir also an, was soll ich dir geben, was soll dein Lohn sein für deine Arbeit? Ich will dir wohl geben, was du verlangst, denn jeder der arbeitet, soll doch seinen Lohn haben, das ist so und wird auch so bleiben! Wenn Rebekka, meine Schwester hören muss, ihr Sohn habe für nichts beim Bruder gearbeitet, so würfe das ein schlechtes Bild auf mich, denn ich gebe doch gerne, was einer verdient!»

    Nun war es aber so, dass Laban nicht nur die eine Tochter hatte, sondern deren zwei. Die ältere Tochter hiess Lea und die jüngere war eben die schöne Hirtin Rahel, deren Aufgabe es war, die ansehnlichen Schafherden des Gehöftes zu hüten, sie war aber für alle Tiere die Hirtin. Lea, die ältere Schwester hatte matte, ausdruckslose Augen, Rahel dagegen war ausserordentlich schön von Gestalt und ihre Augen waren wach und stark! Ja, sie war überaus schöngesichtig! Jakob hatte Rahel sofort liebgewonnen und wusste jetzt schon insgeheim, dass er dieses Gehöft nicht mehr verlassen könne, es sei denn, er würde Rahel an der Hand mitführen. Jakob wusste wohl, was der Onkel wollte, und so sprach er denn zu seinem Oheim: «Siehe, ich will dir sieben Jahre um Rahel, deine jüngere Tochter dienen. Dies soll mein Lohn sein, denn ich kann nicht in mein Vaterhaus zurückkehren ohne sie!» Jakob sagte also genau das, was Laban eigentlich wollte und im Sinn hatte, denn er sah ja wohl, dass Jakob ein Segen war für seine Belange! Er hatte schnell gespürt, dass auf Jakob ein starker Segen liegen musste. Er hatte aber auch die Blicke gesehen, die Jakob auf Rahel warf, sooft er nur konnte! Auch bemerkte er, dass Jakob immer dort zu finden war, wo sich gerade Rahel aufhielt. Als er sich das alles gemerkt hatte, begann er Jakob genau zu beobachten. An diesem Punkt aber, da schaltete sich auch der Teufel mit ein! So sprach also Laban zu ihm: «Ja, es ist besser, wenn ich sie dir gebe als einem fremden Manne. Bleibe du also hier bei mir, es soll dein Schaden nicht sein! Du kannst hier wie in deinem Elternhaus wohnen und mitbestimmen, was und wie alles gemacht werden soll.

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