Der phantastische Rebell - Alexander Moritz Frey: ...oder: Mit Hitler an der Front
()
About this ebook
Alexander Moritz Frey lag von 1915 bis 1918 als Sanitäter zusammen mit dem Meldegänger Adolf Hitler an der Westfront des Ersten Weltkriegs im Schützengraben. In seinen persönlichen Aufzeichnungen und fiktionalen Ausflügen zeichnet Frey fast nebenbei ein präzises Bild des Gefreiten Hitler, dessen Fronterlebnisse bisher kaum durch Material aus erster Hand belegt waren.
1933 konnte Frey den Schlägertruppen seines ehemaligen Kameraden Hitler um Haaresbreite entkommen. Seine Bücher hatte man verbrannt und wie auch seine berühmten Freunden Thomas Mann, Heinrich Mann, Franz Marc, Max Reinhardt, Hans Arp, Stefan Zweig oder Hermann Hesse war er fortan auf der Flucht vor den Nazis.
"Der phantastische Rebell" erzählt die exemplarische Geschichte eines mutigen Mann, dessen Werk bis heute auf eine längst fällige Neuentdeckung wartet und der mit seiner Biografie exemplarisch für die Massen von längst vergessenen Intellektuellen, Künstlern und Autoren steht, die vor den Nazis fliehen mussten.
Related to Der phantastische Rebell - Alexander Moritz Frey
Related ebooks
Man darf nicht leben wie man will: Tagebücher Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Mitternachtstagebuch: Texte des Exils 1933-1939 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRückkehr in die fremde Heimat: Die vertriebenen Dichter und Denker und die ernüchternde Nachkriegs-Wirklichkeit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsThomas Mann: Glanz und Qual Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Verunglückten: Bachmann, Johnson, Meinhof, Améry Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsOskar Maria Graf: Rebellischer Weltbürger, kein bayerischer Nationaldichter Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAls die Nacht sich senkte: Europas Dichter und Denker zwischen den Kriegen und am Vorabend von Faschismus und NS-Barberei Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHitlers Wien: Lehrjahre eines Diktators Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMarcel Reich-Ranicki: und die Frankfurter Allgemeine Zeitung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHat Erich Maria Remarque wirklich gelebt? / Der Holzweg zurück: Gesammelte Schriften Band 11 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsOtto von Bismarck: Der Reichsgründer Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Vollstrecker: Johann Reichhart. Bayerns letzter Henker Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMein Kampf: "Zwei Bande in Einem Band Ungekurzte Ausgabe" Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGeorg Elser: Allein gegen Hitler Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGustav Freytag: Biographie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFreud – Adler – Frankl: Die Wiener Welt der Seelenforschung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIch tötete einen Nazi: Erzählt und bearbeitet von Schalom Ben-Chorin Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHilde Spiel und der literarische Salon Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHeinrich Mann (1871-1950): Zwischen „Macht der Güte“ und „Diktatur der Vernunft“ Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIm Vertrauen auf Gott und den „Führer“: Die Tagebücher meines Vaters 1935 - 1945 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSkandal!: Die provokantesten Bücher der Literaturgeschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHitlers Welt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAufbruch in den Abgrund: Deutsche Science Fiction zwischen Demokratie und Diktatur Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie drei Leben des Gustav F: Eine FRENSSEN-Chronik Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAus dem Staat Friedrichs des Großen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIch war begeistert: Wiener Literaturen Band 1 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAntiromantisches Manifest: Eine poetische Lösung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZenzl Mühsam: Eine Auswahl aus ihren Briefen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVon der Herrschaft zur Gefolgschaft: Die von Westernhagens im »Dritten Reich« Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsViel zu schnell erwachsen: Mit siebzehn an der Front Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Literary Biographies For You
Johann Wolfgang von Goethe – Basiswissen #01: Leben (1749–1832), Werke, Bedeutung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFriedrich Nietzsche - Der Wille zur Macht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLou Andreas-Salomé: Eine Bildbiographie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGeorg Trakl: Eine Biographie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMartin Walser - Chronist der deutschen Seele: Ein SPIEGEL E-Book Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsÜber Ludwig Börne Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDirektor Beerta: Das Büro 1 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBerliner Kindheit um Neunzehnhundert: Die 41 Miniaturen zeichnen sich als Schlüsseltexte der Moderne aus Rating: 4 out of 5 stars4/5Der Soldat und das Mädchen Monique: Fahnenflucht in den Ardennen 1944 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKafkas letzter Prozess Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsThomas Bernhard: Eine Biografie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNachtflug Rating: 4 out of 5 stars4/5Die Leben des Paul Zech: Eine Biographie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLion Feuchtwanger: Münchner - Emigrant - Weltbürger Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHemingway: Ein Mann mit Stil Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsCity Boy: Mein Leben in New York Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGoethes Briefwechsel mit einem Kinde Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Manns: Der >Zauberer< und seine Familie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGoethe: Italienische Reise Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMarcel Reich-Ranicki: und die Frankfurter Allgemeine Zeitung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMark Twain: Leben auf dem Mississippi Rating: 4 out of 5 stars4/5Astrid Lindgren: Eine, die Individualität großschrieb Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBerühmte Frauen der Weltgeschichte: Zehn beeindruckende Biografien. nexx classics – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIngeborg Bachmann. Ein Portrait Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGlanz und Untergang der Familie Napoleons Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWelterzähler - Literaturnobelpreisträger im Porträt: Ein SPIEGEL E-Book Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMartin Walser - Der weise Mann vom Bodensee Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMarie Antionette Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related categories
Reviews for Der phantastische Rebell - Alexander Moritz Frey
0 ratings0 reviews
Book preview
Der phantastische Rebell - Alexander Moritz Frey - Stefan Ernsting
Stefan Ernsting
Der phantastische Rebell
Alexander Moritz Frey
oder
Mit Hitler an der Font
FUEGO
– Über dieses Buch –
Alexander Moritz Frey ist einer der großen Unbekannten der deutschen Literatur. Sein Antikriegs-Roman »Die Pflasterkästen« (1929) wurde in einem Atemzug mit »Im Westen nichts Neues« genannt und sein Roman »Solneman der Unsichtbare« (1914) gilt als einer der großen Klassiker der phantastischen Literatur. Seinen Namen sucht man in den einschlägigen Nachschlagwerken trotzdem meist vergeblich. Dabei findet sich eine Episode in seinem Leben, die ihn für Historiker und Literaturwissenschaftlerinnen eigentlich ganz besonders interessant macht.
Alexander Moritz Frey lag von 1915 bis 1918 als Sanitäter zusammen mit dem Meldegänger Adolf Hitler an der Westfront des Ersten Weltkriegs im Schützengraben. In seinen persönlichen Aufzeichnungen und fiktionalen Ausflügen zeichnet Frey fast nebenbei ein präzises Bild des Gefreiten Hitler, dessen Fronterlebnisse bisher kaum durch Material aus erster Hand belegt waren.
1933 konnte Frey den Schlägertruppen seines ehemaligen Kameraden Hitler um Haaresbreite entkommen. Seine Bücher hatte man verbrannt und wie auch seine berühmten Freunden Thomas Mann, Heinrich Mann, Franz Marc, Max Reinhardt, Hans Arp, Stefan Zweig oder Hermann Hesse war er fortan auf der Flucht vor den Nazis.
»Der phantastische Rebell« erzählt die exemplarische Geschichte eines mutigen Mann, dessen Werk bis heute auf eine längst fällige Neuentdeckung wartet und der mit seiner Biografie exemplarisch für die Massen von längst vergessenen Intellektuellen, Künstlern und Autoren steht, die vor den Nazis fliehen mussten.
– PRESSESTIMMEN –
»Eine aufschlussreiche Biographie, die nicht nur einen bedeutenden Schriftsteller ehrt, sondern auch über den Einfluss der Phantastik auf die Gesellschaft zur Zeit der Weimarer Republik Aufschluss gibt. Nicht zuletzt ist dies auch eine erhellende Lektüre über Hitlers Weg zur Macht.«
(ZDF-Aspekte, Mainz, 2006)
»Wie schön, dass an dieses Leben noch einmal erinnert wird, an dieses Leben und Schreiben, an diesen erstaunlichen Mann.«
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Frankfurt, 2007)
»Stefan Ernstings biographische und zeitgeschichtliche Annäherung an den Phantastischen Rebellen ist gespickt mit aufschlussreichen Dokumenten, sie ist materialreich und weckt Neugierde auf Freys schwer zugängliches Werk.«
(Literaturen Nr. 2/2007)
»Stefan Ernsting glänzt als akribischer Sammler und Archiv-Stöberer.«
(Tages-Anzeiger, 2007)
Für meine Mutter
Illustration von Otto NueckelAlexander Moritz Frey – der phantastische Rebell
»Die Vision hat ihren Ursprung im Protest, sie weiß besser als die Zeitung ›wie es wirklich war‹ – besser im Sinne einer stärkeren Logik, eines bunteren Geschehens, einer drohenden Wahrhaftigkeit.«
(Alexander Moritz Frey, 1929)
Einführung - Der phantastische Rebell
Alexander Moritz Frey ist einer der großen Unbekannten der deutschen Literatur. Sein Antikriegs-Roman »Die Pflasterkästen« (1929) wurde von der Presse der Weimarer Republik in einem Atemzug mit »Im Westen nichts Neues« genannt und sein Roman »Solneman der Unsichtbare« (1914) gilt als einer der großen Klassiker der frühen Phantastik. Frey verfasste eine große Zahl von Romanen, Novellen, Erzählungen, Gedichten und unzählige Rezensionen für diverse Tageszeitungen. Seine visionären Satiren und seine schonungslose Abrechnung mit dem »Maschinenkrieg« machten ihn nicht nur in München zu einem viel beachteten Mann. Alexander Moritz Frey war ein guter Freund von Thomas Mann, Heinrich Mann, Franz Marc, Max Reinhardt und Hans Arp. Er hatte engen Kontakt zu Stefan Zweig, Hermann Hesse und anderen Prominenten im Exil, aber seinen Namen sucht man in den einschlägigen Nachschlagwerken trotzdem meist vergeblich oder findet ihn höchstens aufgelistet als einen von vielen Exil-Autoren, die man bis heute noch nicht wieder in die Literaturgeschichte »re-integrieren« konnte. Es gibt kaum Fotos von Frey, seine Bücher sind fast unmöglich zu bekommen und heute ist ein Einblick in sein Schaffen nur noch in Literaturarchiven möglich. Dabei findet sich eine Episode in seinem Leben, die ihn für Historiker und Literaturwissenschaftlerinnen ganz besonders interessant macht.
Alexander Moritz Frey lag von 1915 bis 1918 als Sanitäter zusammen mit dem Meldegänger Adolf Hitler an der Westfront des Ersten Weltkriegs im Schützengraben. In seinen persönlichen Aufzeichnungen und fiktionalen Ausflügen liefert Frey eine nüchterne Beschreibung Hitlers, der damals bereits durch psychotisches Verhalten und opportunistische Hetzereien aufgefallen war. In verschiedenen Dokumenten zeichnet Frey ein präzises Bild des Gefreiten Hitler, dessen Fronterlebnisse bisher kaum durch Material aus erster Hand belegt waren. Frey hatte den späteren Führer mehrfach zu verarzten oder wegen Magenbeschwerden zu behandeln. Er kannte Hitler aus nächster Nähe und begegnete ihm auch nach 1919 immer wieder in München. Alexander Moritz Frey wäre ein Zeitzeuge von unschätzbarem Wert gewesen, geriet nach 1945 aber völlig in Vergessenheit.
Und noch ein anderer Mann, der Hitler ebenso lange kannte wie Frey, wurde von der Forschung bisher wenig beachtet: Feldwebel Max Amann, gemeinsamer Vorgesetzter des Sanitäters Frey und des Meldegängers Hitler. Die Bekanntschaft mit Hitler und Amann erwies sich nach dem Krieg als verhängnisvoll. Amann wurde später Geschäftsführer des »Völkischen Beobachters«, Verleger von »Mein Kampf« und Präsident der Reichspressekammer. Amann hatte Frey bereits 1920 damit gedroht, den ehemaligen Kameraden als Gegner zu verfolgen, wenn er sich gegen Hitler stellen würde.
Frey, der mit Thomas Mann zu den Gründern der Münchener Gruppe des »Schutzverbandes deutscher Schriftsteller« gehörte, kannte den »Führer« besser und länger als irgendein anderer Autor in Deutschland. Er konnte sein Wissen allerdings nie gegen Hitler verwenden. Zehn Tage nach Hitlers Sieg bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 schickten die Nazis ihm einen Schlägertrupp der SA nach Hause. Frey wurde rechtzeitig gewarnt und ihm gelang im letzten Moment die Flucht nach Salzburg.
Alexander Moritz Frey war ein Meister der sozial-politischen Satire, die er vorzugsweise in phantastischem Gewand verpackte. In seinem Meisterwerk »Hölle und Himmel« setzte er sich 1945 auch auf fiktionalem Wege mit Hitler auseinander und analysierte die Motive der Nazis mit den Mitteln der Phantastik.
Die deutsche Phantastik, ein Vorläufer der Science Fiction, hatte großen Einfluss auf das gesellschaftliche Klima der Irrationalität, das sich später im Glauben an einen unfehlbaren und allgegenwärtigen Führer manifestierte. Der rasante Fortschritt der Technik hatte Anfang des 20. Jahrhunderts für immer neue Wellen revanchistischer Literatur mit utopischem Fundament gesorgt, die den irrationalen Machtphantasien der Nazis munter Vorschub leisteten.
Frey schrieb aber keinen jener hetzerischen Zukunftsromane, die in der Weimarer Republik den kulturellen Umschwung zum Irrationalen repräsentierten. Er benutzte die Phantastik lediglich als Vehikel für Satiren und Grotesken, die die deutsche Geschichte mit Spott und Hohn überschütteten. Vom Kaiserreich über die Kriegstreiberei von 1914, die Münchener Räterepublik, den Hitler-Putsch und die Inflation bis zum Aufstieg seines ehemaligen Kriegskameraden: Alexander Moritz Frey hat die Entwicklung begleitet und in seinen Werken kommentiert.
Während der Weimarer Republik viel beachtet, wurde er nach der Flucht aus Deutschland zum Schriftsteller »unter Ausschluss der Öffentlichkeit«. Er wurde nicht mehr gedruckt und lernte, »auf die meisten Mahlzeiten zu verzichten«. Nach dem Krieg hatte man ihn längst vergessen. Längst galt er »den Deutschen mit ihrem Reinwaschungsgefasel« als ein Nestbeschmutzer, den man besser ignorierte.
Frey hat sich nie versteckt oder geschwiegen. Auch im hohen Alter wetterte Alexander Moritz Frey öffentlich gegen jene 88 Schriftsteller, die Adolf Hitler bereits 1933 die Treue geschworen hatten und nach dem Krieg trotzdem problemlos wieder in den Literaturbetrieb integriert werden konnten. 1957 starb er völlig verarmt im Schweizer Exil. Sein Gesamtwerk wartet noch immer auf eine Wiederentdeckung, die schon viel zu lange verpasst wurde.
Stefan Ernsting,
Berlin-Kreuzberg, Juli 2014
Foto von Alexander Moritz FreyAlexander Moritz Frey, ca. 1944 (Foto: Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus Wien)
I. Der Geist der Utopien
»Es werden sich nicht mehr allzu viele daran erinnern, denn es ist dreißig Jahre her: dass in den Münchener Schriftstellerkreisen, auch im damaligen Schutzverband, ein kleiner, zierlicher Herr sein stilles Wesen trieb. Er saß meistens am Rande und sprach nicht viel, ließ aber das auffallend klare, große Auge in dem kühlen, klugen Widdergesicht um so aufmerksamer schweifen. Die peinlich korrekt gekleidete Gestalt, das zurückgebügelte, damals sandblonde Haar deuteten auf einen Chirurgen, einen Juristen, gewiss nicht auf den Verfasser phantastisch-skurriler Erzählungen voll von Mystifikationen.« (Süddeutsche Zeitung, 28. Januar 1957)
August Alexander Moritz Frey wurde am 29. März 1881 in München geboren. Er besuchte eine evangelische Grundschule und durchlebte eine einsame Jugend. Die Eltern hatten sich erst spät zur Ehe entschlossen und waren bei seiner Geburt bereits verhältnismäßig alt. Frey wuchs als Einzelkind auf und begann schon früh zu rebellieren. Der Vater, Wilhelm Frey (1826-1911), war ein Schweizer Maler, der im Verlauf seines Lebens als Opernsänger reüssierte und in Mannheim lange Jahre den Tannhäuser sang. Von 1845 bis 1852 hatte er das Konservatorium in München besucht. Zwischen 1855 und 1870 wurde er quer durch Deutschland regelmäßig als Tenor gebucht bevor er sich wieder der Malerei widmete. In der Erzählung »Letzter Gang« beschrieb Frey später einen Maler, der alle Wesenszüge seines Vaters aufwies: »Er wunderte sich nicht über Einsamkeit, obwohl er eine Frau und einen Sohn besaß. Einen Sohn, der mit Anstand verbummelt war und kümmerlich lebte in irgendeiner großen Stadt - so weit weg, daß der Vater nur selten an ihn dachte - wie an etwas ganz Fernes, einst wohl Wichtiges, nun aber durch widrige Launen des Lebens belanglos Gewordenes.« (in »Mörder ohne die Tat«, S. 55 f.)
Wilhelm Frey war in erster Ehe mit einer Schauspielerin verheiratet, der Schwester des Malers Hoguet, die 1878 verstorben war. Ein Jahr nach ihrem Tod heiratete er Sophie Block, die Wilhelm Block bereits seit zwanzig Jahren kannte. »Man ließ sich damals viel Zeit«, kommentierte Alexander Moritz Frey in seinen Erinnerungen. Sophie Block (1842-1918), Tochter eines Gutsherren aus Schwerin, stammte im Gegensatz zur evangelisch-künstlerisch geprägten Familie des Vaters aus einem straff geführten Militärhaushalt. In ihrer Dissertation über Alexander Moritz Frey von 1984 schrieb Katrin Hoffmann-Walbeck: »Den Vater beschreibt Frey als Optimisten, gutmütig, leichtlebig und etwas oberflächlich, mit einer starken Neigung zur Pedanterie, überaus geräuschempfindlich und zuweilen jähzornig. Das Porträt der Mutter fällt dagegen weit ungünstiger aus: ständig kränkelnd, ständig um irgend etwas besorgt, religiös bis zur Bigotterie, dabei herrschsüchtig, unzufrieden und in gesellschaftlichen Fragen betont konservativ, zeichnet er sie als engherzige und kleinliche Person, deren ›preußisch-pflichtbewußte Anschauungen ... ganz im Äußerlichen steckenblieben‹. Er muss sie später – weit über ihren Tod hinaus – regelrecht gehasst haben; das einzige, was er ihr zugute hält, ist, dass er ob ihrer Ungerechtigkeiten, ihrer Frömmelei und ihrem blassen Dünkel früh lernte, ›über Gott und die Welt‹ nachzudenken und an der Richtigkeit der konventionellen Anschauungen zu zweifeln.« (KHW, S. 77)
Frey wuchs bis zu seinem 14. Lebensjahr in München auf, wo er eine protestantische Grundschule und später das Luitpold-Gymnasium besuchte. 1895 zogen die Eltern nach Mannheim, wo der Vater Direktor der Großherzoglichen Gemäldegalerie wurde und wieder mit der Malerei begann. Die Familie wohnte in einer Dienstwohnung im Mannheimer Schloss. »Wir lebten in himmelhohen, trohnsesselweiten Zimmern«, schrieb Frey später an Thomas Mann (KHW, S. 78). Alexander Moritz Frey fühlte sich weiterhin allein mit den alternden Eltern, deren Ehe nicht besonders glücklich verlief. Er ging nur widerwillig zur Schule und flüchtete sich in die Welt der Bücher. In der Erzählung »Erster Schiffbruch«, die Frey 1930 seinem Verleger Gustav Kiepenheuer widmete, erinnerte er sich an seine Kindheit als Zehnjähriger und wie viel Trost ihm in seiner Einsamkeit schon damals die Fähigkeit, Lesen und Schreiben zu können, gespendet hatte. Durch seinen Vater entwickelte Frey eine stille Liebe zur Malerei, zeigte aber nie Ambitionen, sich einer anderen Kunst als der Schriftstellerei zu widmen.
Alexander Moritz Fey machte 1903 Abitur und wollte eigentlich Medizin studieren. Er wurde aber von den Eltern und einem Onkel zum Jura-Studium gedrängt. Dreieinhalb Jahre saß er seine Zeit an den Universitäten von Heidelberg, Freiburg und München ab, studierte nebenbei Philosophie, beschloss aber von Anfang an, keinen Abschluss zu machen. Am Ende rasselte er spektakulär durchs Staatsexamen, indem er einen Stapel unbeschriebener Blätter abgab.
In seinem, ca. 1939 entstandenen, »Curriculum Vitae« fasst der Autor sein Leben bis zur Flucht nach Basel knapp zusammen: »In München am 29. März 1881 geboren, stehe ich da als eine Mischung von süddeutschem und norddeutschem Wesen, von Rundschädel und Langschädel. Die Vorfahren meines Vaters, aus der Schweiz über den Rhein gewandert, waren im Badischen Steuerbeamte, Offiziere, evangelische Pfarrer; die meiner Mutter lebten droben im Mecklenburgischen, nahe der Küste: als Offiziere, Geistliche, Apotheker und Gutsbesitzer. Mein Vater schlug aus der Art: er wurde Maler, dann ging er zur Bühne als Opernsänger, dann malte er wieder. Schließlich starb er 84jährig als Galeriedirektor in Mannheim; dort hatte er fünfzig Jahre vorher den Raoul in den Hugenotten und denn Tannhäuser gesungen. – Bei einem Gastspiel an der kleinen Hofoper in Schwerin hatte er meine Mutter – 18jährige Tochter eines Gutsherren – kennen und lieben gelernt. Zwanzig Jahre später heirateten sie – man ließ sich damals viel Zeit – und riefen mich ins Leben. Ich blieb der Einzige dieser Ehe, ein Spätgeborener; meine Eltern waren zusammen 100 Jahre alt, als ich auf die Welt kam.
Die doppelte Belastung mit evangelischen Geistlichen und preußischen Offizieren ist vielleicht daran schuld, dass ich beiden von Jugend auf aus dem Weg ging, so gut ich nur konnte. Die einen hatten mir zuviel Salbung und die anderen zuviel Schneid. Noch widerborstiger als in die Schule ging ich in die Kirche, und die einzige Karzer- und Kerkerstrafe, die mir jene Jahre eingebracht haben, musste ich absitzen, weil ich eines Sonntagabends die Andacht geschwänzt und die blöde Lüge erfunden hatte, die Kirche sei ›geschlossen‹ gewesen. Wer sich so unbegabt herauszureden versucht, wird zu recht eingesperrt.
Die Schule war schlimm – wie sie eben schlimm war in jenen Jahren in Deutschland. Mit Lernkram überbürdet, waren wir Gymnasiasten die reinsten Packesel, angetrieben von den Stockschlägen der Lehrer, die darauf sahen, dass das ›Klassenziel‹ und schließlich das Endziel, die Matura, erreicht wurde, koste es, was es wolle. Mancher blieb am Wege – Wedekind hat es geschildert -, und die durch das Tor der Freiheit kamen, was taten sie? Sie warfen vor allem mal den Kram ab, der sie neun Jahre hindurch gedrückt hatte, er war zum kleinsten Teil inneres Gut, warfen ihn ab, und so war eigentlich die ganze Not umsonst gewesen.
Bei mir ging der Druck weiter; unter dem Druck der Familie, besonders unter dem Einfluß eines juristisch hoch geklommenen Onkels, begann ich Jura zu studieren, obgleich mich die Sache ankotzte vom ersten Tag an. Ich wäre gern Mediziner geworden, man ließ mich nicht: das Studium sei überfüllt. So half ich denn die juristischen Hörsäle der Universitäten Heidelberg und Freiburg zu füllen, die nicht weniger überfüllt waren als die medizinischen Lehrräume, und beschäftigte mich, auf die Bänke gebeugt, damit, knappe lyrische Gedichte, mithilfe eines kleinen, gut schneidenden Taschenmessers, in Holz zu verewigen. Nach dreieinhalb Jahren fiel ich durchs Staatsexamen, ich war mit dem Entschluß hineingegangen, durchzufallen, der Entschluß fiel mir nicht schwer, ich konnte so gut wie nichts, ich gab mit großem Genuß weiße Blätter ab.
Nachdem ich so meiner Familie die von ihr herausgeforderte Antwort erteilt hatte, ging ich ›heim‹ nach München. Man wollte mich noch zur Ablegung irgend eines Doktorexamens bewegen, aber ich widerstand. Ich begann inbrünstiger zu schreiben – zaghaft hatte ich es schon als Primaner getan – und veröffentlichte meine ersten Arbeiten in deutschen Zeitungen und Zeitschriften.« (CV, S. 14-16)
Foto von Alexander Moritz FreyAlexander Moritz Frey in jungen Jahren
Leuchtendes München
Alexander Moritz Frey verweigerte eine bürgerliche Karriere. Er hatte längst beschlossen, Schriftsteller zu werden. Der musisch orientierte Vater schien allerdings kein Verständnis für den Berufswunsch seines Sohnes zu haben. Immer wieder geriet er mit seinem Vater aneinander, der nach dem vermasselten Staatsexamen endgültig mit ihm brach. »Störungen seines geistig-seelischen Gleichgewichts konnte er rücksichtslos abstellen«, schrieb Alexander Moritz Frey später in sein Notizbuch (KHW, S. 101). Er bereiste für einige Wochen Italien und Österreich bevor er nach München zurückkehrte um Schriftsteller zu werden. Zuletzt hatte er sich im Mai 1904 an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg eingeschrieben, wo er am 15. Februar 1905 exmatrikuliert wurde. Bis 1908 bewohnte er, meist als Untermieter, sieben verschiedene Zimmer in München bis er eine Wohnung in der Maximilianstraße 15 gegenüber den Kammerspielen bezog, die er bis 1933 bewohnte.
Frey konzentrierte sich fortan voll und ganz aufs Schreiben. Seinen Arbeitstag begann er in der Dämmerung der frühesten Frühe und Unterbrechungen waren ihm ebenso verhasst wie Straßenlärm und »ewig schnüffelnde« Hunde. Er nahm seine Arbeit sehr ernst und unterbrach sie nur für einen täglichen Spaziergang um seine Gedanken zu sammeln. Frey trug Maßanzüge und ließ sich jedes Jahr neue Visitenkarten und Briefpapier mit selbst entworfenem Namenszug drucken, lebte aber ansonsten ausgesprochen bescheiden und ohne nennenswerte Laster. Er rauchte nicht, trank kaum Kaffee oder Alkohol und machte sich nicht viel aus Fleisch.
Als Alexander Moritz Frey zaghaft seinen Platz in der Moderne suchte, war die Kunstwelt mitten im Umbruch und München spielte dabei eine wichtige Rolle. Wassily Kandinsky, Paul Klee, Alfred Kubin, Michael Georg Conrad oder Franz Marc wohnten an der Isar. Karl Valentin, Hugo Ball und der dichtende Freiheitskämpfer Oskar Panizza trieben ihr munteres Unwesen. Frey fühlte sich in den literarischen Zirkeln von München nicht unbedingt heimisch und nahm auch keinen großen Anteil am Treiben der »Bürgerbohème« (Kurt Tucholsky), die sich in Schwabinger Wirtshäusern die Köpfe heiß redete. Schon früh fand er trotzdem seinen Platz im Kreise der Künstler und Schriftsteller, die in München von sich reden machten.
Frey