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Nachmittag eines Reporters: Short Stories Album
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Nachmittag eines Reporters: Short Stories Album

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In Der Spiegel 28/1998 hieß es dazu: "Doblers Geschichten strahlen eine betörende Melancholie aus, sie klingen wie der wehmütige Blues aus einem Amerika, das es schon lange nicht mehr gibt, und sie sind ungeheuer komisch ... im Nachmittag eines Reporters erweist sich Franz Dobler als Meister der genau dosierten Ironie und eines fröhlichen Sarkasmus: In den Geschichten spiegeln sich Deutschland und seine Bewohner in so schönen erdigen Farben, als betrachte der Erzähler sie durch ein gut gefülltes Whiskeyglas."
Und in der Süddeutschen Zeitung vom 27.10.1998: "Man hat den Eindruck, Dobler entgeht keine Lüge, kein Vorurteil, keine Falschmeldung. Er flaniert durch die Politik, die Medien, den Kulturbetrieb, das eigene Gemäuer und präsentiert vergnügt seine Funde. Gelegentlich sucht er im Heuhaufen nach einigen Gerechten, wobei er durchaus romantisch werden kann. Sein Maß ist die Sprache, die, wie es einmal heißt, Geliebte. Wo sie Fakten verdreht, vertuscht oder leugnet, teilt er aus, nicht etwa puristisch, sondern freisinnig. ... Es ist eine Freude, Franz Dobler zu lesen."
LanguageDeutsch
PublisherFuego
Release dateMar 20, 2015
ISBN9783862871452
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    Nachmittag eines Reporters - Franz Dobler

    Coverbild

    Franz Dobler

    Nachmittag eines Reporters

    Short Stories Album

    FUEGO

    – Über dieses Buch –

    NACHMITTAG EINES REPORTERS erschien 1998 in Michael Farins Münchner Verlag edition belleville und hatte zwei Auflagen.

    In Der Spiegel 28/1998 hieß es dazu: »Seine Geschichten strahlen eine betörende Melancholie aus, sie klingen wie der wehmütige Blues aus einem Amerika, das es schon lange nicht mehr gibt, und sie sind ungeheuer komisch ... im Nachmittag eines Reporters erweist sich Franz Dobler als Meister der genau dosierten Ironie und eines fröhlichen Sarkasmus: In den Geschichten spiegeln sich Deutschland und seine Bewohner in so schönen erdigen Farben, als betrachte der Erzähler sie durch ein gut gefülltes Whiskeyglas.«

    Und in der Süddeutschen Zeitung vom 27.10.1998: »Man hat den Eindruck, Dobler entgeht keine Lüge, kein Vorurteil, keine Falschmeldung. Er flaniert durch die Politik, die Medien, den Kulturbetrieb, das eigene Gemäuer und präsentiert vergnügt seine Funde. Gelegentlich sucht er im Heuhaufen nach einigen Gerechten, wobei er durchaus romantisch werden kann. Sein Maß ist die Sprache, die, wie es einmal heißt, Geliebte. Wo sie Fakten verdreht, vertuscht oder leugnet, teilt er aus, nicht etwa puristisch, sondern freisinnig. Die Mittel seiner Wahl sind in der Hauptsache: ein artistischer Balanceakt zwischen ironischem Imitieren von B-Productions- und eigener Alltags-U-Sprache, knallige Wortwechsel, fixe Assoziationen, das sich selbst oder in Gegenüberstellung enttarnende Zitat, abgefälschte Wiederholungen, echte running gags, lebende Bilder (›das Gespräch war ein guter Bekannter von uns‹ oder ›der Artikel kam angeschlichen‹), Bonmots à la ›Spencergirl‹, Kalauer (›un paparazzo pappa la pappa, in Padua wird der Satz nicht zu hören sein‹), Musik in den Sätzen. Manchmal strengt sich Dobler arg an, alles unter einen Hut zu bringen, dann prahlt er, wie gut er die Instrumente beherrscht. Es ist eine Freude, Franz Dobler zu lesen.«

    Coverbild

    little italy hemd

    Ich brauche keinen Kummer nicht

    davon hatt ich schon genug

    Nils Koppruch (Fink)

    In einer unscheinbaren Straße im New Yorker Stadtteil Little Italy betreibt ein Mann sein Geschäft in einem Haus, das nicht so aussieht, als wäre jemals ein Hunderter drin gewesen. Der Zustand des Verkaufsraums bringt einen eher auf den Gedanken, dass die Leute vom Abteilungsleiter des Großen Vaters grade eine Visite gemacht haben – und sie müssen sehr, sehr ärgerlich gewesen sein.

    Das sind die faulen Tricks von Joe Savani, der in angeblich mühsamer Handarbeit etwas fertigt, das fast so exklusiv ist, wie der Gattin des Präsidenten auf der Damentoilette ein Taschentuch reichen zu dürfen. Savani macht keine Werbung, er legt keinen Wert auf Berühmtheit, und viele seiner Kunden werden wie Abschaum behandelt, heißt es, besonders wenn sie aus einem gewissen Land in Europa kommen. Ich kann das bestätigen.

    Es hatte mich eine Menge Zeit und Mühe gekostet, bis ich endlich an den Mann rangekommen war, der sich auskannte. Endlich waren wir soweit – der Zettel mit der Adresse von Savani fiel in meine Hand.

    »Aber kauf dir dein blödes Scheißhemd mal lieber bei Karstadt«, hatte er herablassend gesagt.

    »Da kannst du Gift drauf nehmen«, sagte ich.

    »Wärst nicht der Erste, der was in die Rübe bekommt, bevor du wieder draußen bist aus Little Italy. Sein Vater und ein Onkel, die sind beide von den Nazis gekillt worden.«

    »Was soll’n das mit mir zu tun haben.«

    »Das frag ihn.«

    Er benahm sich, als würde ihn der Italiener anrufen, wenn es was zu regeln gab, aber ich wusste, dass er selber das Geschäft noch nie betreten und noch nie Kontakt mit Savani gehabt hatte. Er war ein kleines Licht. Dass er diese Adresse hatte, war das Kriegsabenteuer seines Lebens.

    Ich bedankte mich kühl für die Information, bestellte noch mal dasselbe für ihn mit einer Geste, die ihn beleidigt hätte, wenn er sie mitbekommen hätte, legte ausreichend Scheine auf die Theke und kassierte für Alles von der Bardame, die ihren Bauchnabel mit einer Perle geschmückt hatte.

    Die Bardame war fast so gelungen wie die beiden Geschöpfe, von denen man bei Savani nach seinen Wünschen gefragt wird. Die eine packte mein Hemd ein, und die andere steckte meine Kreditkarte in den Schlitz. Für sie war ich so was wie ein zappelnder Fisch, der einem Probleme bereitet auf den glitschigen Planken und den man mit den Stiefeln zu dem totgeschlagenen Haufen rüber schiebt.

    Eine Schiebetür ging auf, und da stand er, Mr. Joe Savani. Er sah aus, als würde er aus jedem Stoff Gold machen können. Er sah mich zwar nicht an wie den Mann, der Vater und Onkel ermordet hatte, aber als würde er mich verdächtigen, ich hätte dabei zugesehen.

    »Ich würde es zu schätzen wissen«, sagte er, »wenn Sie diese Adresse vergessen haben, sobald Sie wieder durch diese Tür gegangen sind.«

    »Oh, kein Problem, Mister Savani, es ist mir übrigens, wenn ich so sagen darf, eine große Ehre ...«

    »Ehre!? Kein Problem!? Jede gottverdammte Arschgeige aus ihrem verfluchten Drecksland bitte ich, diese Adresse zu vergessen! Und einen Monat später steht wieder einer hier! Ich will in meinem Laden keine Germans haben!«

    »Ich versteh Sie, aber ...«

    Schon war die Schiebetür mit einem leisen Klick wieder geschlossen. Ich stand da wie bespuckt und schaute die beiden Damen hilfesuchend an. Ich fragte mich, warum man mir das Hemd verkauft hatte. Ich suchte nach ein paar richtigen Worten, aber es war sinnlos. Voller Ekel warfen sie meine Sachen auf den Tisch.

    »Verschwinde endlich. Die Menschen in Little Italy werden nervös, wenn es dunkel wird.«

    »Ja, du Arsch, verpiss dich endlich, geh nach Hause und fick deine Mutter weiter!«

    »Ich würd’s tun, wenn sie so aussehn würde wie du«, sagte ich, während ich rückwärts zur Tür ging.

    Diese Art mit Leuten umzuspringen war mir nicht neu, und ich hatte sogar was übrig dafür und deshalb nur kurz einen bitteren Nachgeschmack deswegen. Schon im Flugzeug war die Freude über das Hemd stärker – diesen Makel, dass ich deswegen gedemütigt worden war, hatte es dennoch.

    Mit der Zeit wurde mir dann klar, dass diese Kombination aus Freude und Ärger untrennbar mit dem Stoff verknüpft war. Das ist wie eine schöne Frau zu haben – es stehen immer zu viele Typen herum, die dir am liebsten ein Loch reinmachen würden, um in ihres zu kommen. Und so was Ähnliches passierte dann ein halbes Jahr später, nachts an der bayerischen Grenze kurz vor Würzburg.

    Das Radio sagte: »Die Deutsche Wehrmacht hat nicht mehr Dreck am Stecken als die Videogruppe eines Mädcheninternats.«

    Im nächsten Moment tauchten über dem Stern meines Mercedes Benz die Lichter der Grenzstation auf. Ich hatte die Meldungen zwar mitbekommen, aber es hatte sich irgendwie nicht richtig in meinem Kopf festgesetzt, dass sie die Grenze jetzt wieder kontrollierten. Als ich auf die Bremse trat, war es fast zu spät, und als die beiden Jungs angerannt kamen, waren sie sauer. Ich hatte ihnen einen Schreck eingejagt.

    Ich ließ das Fenster ganz runter und entschuldigte mich, noch bevor sie aus der Buchstabensuppe in ihrem Gehirn was Passendes rausfischen konnten. Sie sagten nichts, sie waren gekränkt, und ihr rasendes Herz setzte ihnen zu.

    Mit einer einfachen Handbewegung wurde nach meinen Papieren verlangt. Der andere fing an, den Wagen zu mustern, und wie immer in solchen Situationen, hatte ich sofort das Gefühl, was in der Nase zu haben oder eine Zigarette zu benötigen – es schien mir besser, jetzt nicht ins Jackett zu greifen. Dann ging der mit meinen Papieren ins Haus, und sein Kamerad befahl mir, die Innenbeleuchtung zu aktivieren.

    »Da haben wir

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