Rummel im Dschungel: Eine Reportage aus Kinshasa - Muhammad Ali gegen George Foreman
By Bill Cardoso and Klaus Bittermann
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Cardoso schrieb dabei weniger über den Boxkampf selbst, sondern vielmehr über die Hitze und den Durst, die absurden Umstände und den Presserummel, über Budd Schulberg und Norman Mailer, über das Land und den Diktator Mobutu mit seiner Leopardenfellmütze und die authenticité, das Zauberwort für das neue Selbstbewusstsein der Schwarzen, über den großen Gesang "Ali Boma Ye" (Ali, töte ihn), der überall in Zaire zu hören war.
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Book preview
Rummel im Dschungel - Bill Cardoso
Bill Cardoso
Rummel im Dschungel
Mit einem Nachwort von Klaus Bittermann
Aus dem Amerikanischen und mit Fußnoten versehen von Franz Dobler
FUEGO
- Über dieses Buch -
Ein Reportage über den Jahrhundert-Boxkampf Muhammad Ali gegen George Foreman in Kinshasa vor genau 40 Jahren.
Bill Cardoso war der Mann, der das Markenzeichen »Gonzo« für Hunter S. Thompson erfand. »Das ist reiner Gonzo«, schrieb er an Thompson, als er dessen berühmten Artikel über das Kentucky-Derby gelesen hatte. Bill Cardoso wusste, wovon er redete, denn er schrieb selbst Gonzo. »Er war ein hell leuchtender Komet«, sagte Warren Hinckle. Im September/Oktober 1974 reiste Cardoso nach Kinshasa, um über den Boxkampf Muhammad Ali gegen George Foreman zu berichten.
Cardoso schrieb dabei weniger über den Boxkampf selbst, sondern vielmehr über die Hitze und den Durst, die absurden Umstände und den Presserummel, über Budd Schulberg und Norman Mailer, über das Land und den Diktator Mobutu mit seiner Leopardenfellmütze und die authenticité, das Zauberwort für das neue Selbstbewusstsein der Schwarzen, über den großen Gesang »Ali Boma Ye« (Ali, töte ihn), der überall in Zaire zu hören war.
To the people who helped
When my lips were chapped
Fünfzig Tage und fünfzig Nächte im Kongo. Ich habe alles gesehen: die Mitglieder einer High-Life-Band zeigten mir eine Kobra in einem offenen Abwasserkanal im Stadtteil Zone Lemba; ein Taxifahrer zeigte mir das Pygmäen-Haus; ein Mann brachte mir die sechs Meter lange Haut einer Python, die er neulich gekillt hatte, und war wirklich enttäuscht, als ich sie nicht kaufen wollte. Sie zeigten mir Sachen und gaben mir Sachen und nahmen mich zu bestimmten Orten mit. Die Menschen aus dem Volk machten das. Sie nahmen mich mit zu sich nach Hause. Auf der anderen Seite war es die Regierung, die mir Sachen wegnahm. Ein Regierungsbeamter hielt mich eines Tages ziemlich unfreundlich auf, als ich an seinem Tisch im Intercontinental vorbeiging, und sagte: »Sie sind hier, um über einen Boxkampf zu schreiben, und nicht über ein Volk!« Die Regierung nahm mir meinen Pass weg und gab ihn mir nie zurück. Und die Regierung nahm mir mein Rückflug-Ticket weg, das von der New Times im Voraus bezahlt worden war und achthundert Dollar gekostet hatte. Co-Promoter John Daly brachte mich am Tag nach dem Kampf auf seine eigenen Kosten raus. Den Vater von John Daly hielten sie am Flughafen auf. George Foreman hielten sie am Flughafen auf, vielleicht weil er den Kampf verloren hatte. Sie hielten auch die Muhammad-Ali-T-Shirts auf, die Bundini verkaufen wollte, weil in Zaire nur für einen Führer Platz ist: Mobutu, unterstützt vom CIA. Ich bin davon überzeugt, dass mir der örtliche CIA-Chef, in der Tarnung eines AID-Offiziellen¹, bei einem Abendessen einen mit Drogen versetzten Cocktail untergeschoben hat. Wahrlich, das glaube ich.
Ich kann mich erinnern, wie Budd Schulberg hektisch mit der Botschaft telefoniert, und wie dann der für politische Fragen zuständige Diplomat ankommt, um Budd und Harold Conrad vom Memling Hotel zum Flughafen zu eskortieren. Ich stehe in dem Moment im Hoteleingang, und Budd und Harold schreien zu mir rüber, ich solle mit ihnen abhauen. Wie aus dem Nichts taucht ein gut gekleideter Europäer neben mir auf, stößt mich am Ellbogen und lenkt mich ab. Ah ja! Das hatte ich ganz vergessen! Ein in Kinshasa geborener portugiesischer Geschäftsmann, der mich für diesen Abend zum Essen in sein Haus eingeladen hat. Ich gehe mit ihm. Die Botschafts-Karosse stößt raus und reiht sich in den Verkehr ein, und Schulberg und Conrad starren mich mit offenem Mund an.
Wir spielen Blackjack in der Präsidentenvilla, die man Angelo Dundee zur Verfügung gestellt hat. Ich stoße meinen Kelch um, der mit dem St. Émilion des Präsidenten gefüllt ist. Ein Butler wechselt das Leintuch. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht mehr als einen Drink umgestoßen. Aber in dieser Nacht habe ich dreimal diesen Rotwein verschüttet. Dreimal wechselte der Butler das Tischtuch. Meine Mitspieler meinten, ich wäre stoned vom Kongo-Gras. Nein, sagte ich zu ihnen, das ist Voodoo. In diesen Tagen verschütte ich ständig Drinks, und einmal die Woche setze ich, wenn’s passiert, ein Grinsen dazu auf und erkläre: »Voodoo.« Die Leute scheinen das zu verstehen. Die immerwährende Macht des Voodoo.
Dann, wie ein Wunder, der Abflug. Der eher wie eine Flucht abläuft. Am Tag danach Mittagessen in New York mit Jon Larsen, dem Chefredakteur der New Times. Wie hättest du’s denn gerne von mir geschrieben, Jon? Mach’s genau so, wie du willst, Bill. Okay. Schließlich entschied ich mich, dass die beste Art, diese Story zu erzählen, die wäre, sie müde zu erzählen. Ja, das wäre die perfekte Erzählerstimme: müde. Müde wie ein ausgebrannter Kampfpilot bei der Einsatzbesprechung am Air Force-Stützpunkt Clark, nachdem sie ihn in letzter Sekunde aus dem Hanoi Hilton rausgeholt haben.²
Ich nahm mir ein Zimmer im Chelsea Hotel, und als ich mich hinsetzte, um mit dem Schreiben anzufangen, passierte etwas Merkwürdiges: Ein Zahn fiel aus meinem Kopf. Als ich den Artikel ablieferte, machte ihn Larsen als blödes Geschwafel nieder. Ich stritt mich herum, aber ich kam damit nicht durch. Novak und seine afrikanische Frau holten mich ab. In ihrem Haus auf dem Land in Connecticut wollte ich versuchen, eine gängigere Fassung zu schreiben.³ In Greenwich legten wir einen Stopp ein, um in einem Steakhaus zu abend zu essen. Ich erzählte ihnen von dem Zahn. »Nein, Cardooze«, versuchte mich Victoria zu beruhigen. »Kein Voodoo. Kein Voodoo.« Sie schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. Hör nicht auf sie, sagte später Novak ganz im Vertrauen zu mir. Von ihrem Cousin haben sie acht Zähne genommen. Ich weiß es, weil sie es mir erzählt hat.
Danny Ray alias Big Black, ein Congaspieler aus South Carolina, der seit vielen Jahren in Hollywood lebt, tauchte eines Tages Ende September in der Sporthalle in N’Sele auf, und mit dem Segen von Muhammad Ali fing er an, für ihn zu spielen, in der Hoffnung, damit Alis Gefühl für Rhythmus und Timing zu verstärken. Mehr als einen Monat lang spielte Big Black jeden Tag für Ali. Big Black ist achtunddreißig, und wir haben in dieser Zeit viele Stunden freundschaftlich zusammen verbracht. Er erzählte gern von der Zeit, als er mit Dizzy Gillespie auf dem Newport Jazz Festival 1968 spielte und sie das Ding aufmischten. An einem Tag Ende Oktober versammelten sich eine Menge Sportjournalisten aus der ganzen Welt im Trainingscamp in N’Sele, denn der Kampf sollte, jetzt schon zum zweiten Mal, in Kürze stattfinden. Einer der Schreiber, ein Typ aus London, ging zu Big Black und sagte: »Pardon, Citoyen, Ihr Name, bitte; vous prenom?« Und Big Black drehte sich zu ihm um, ohne einen Beat zu verpassen, und antwortete: »Big Black, Mann, aus L.A.« Der Londoner war fassungslos, setzte aber nach einem angemessenen Schweigen nach und fragte: »Und wie nennt man die Trommeln, die Sie spielen?« Und Big Black antwortete: »Congas, Mann – und das mit ‘nem K.« Mit dem Gefühl,