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German Cop: Thailand-Krimi mit Rezepten
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Ebook236 pages3 hours

German Cop: Thailand-Krimi mit Rezepten

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About this ebook

Der ehemalige Lokal-Reporter Wagner lässt kaum ein Fettnäpfchen aus. Dabei geht er durchaus forsch vor. Er hat sich entschlossen, als angeblicher BKA-Beamter in ein Gefängnis in Bangkok zu spazieren, um die Thailänderin Nok aus der Auslieferungshaft zu befreien. Kann das gutgehen?
Doch wenn es um die gewiefte Nok geht, setzt bei Wagner meist der Verstand aus. Und so gerät er immer wieder in Turbulenzen. Bei allen Abenteuern verliert er Nok immer wieder aus den Augen, die sich ihm nach Belieben entzieht. Und wenn Johann, der "Thailand-Kenner", ihm nicht gelegentlich zur Seite stünde, wäre Wagner längst verloren.
"German Cop" ist der eigenständige Nachfolgeroman des 2008 erschienen Krimis "Rubine im Zwielicht" (Wuppertal-Krimi mit Rezepten) und der 21. Band der Krimi-Reihe Mord und Nachschlag. Die Kochrezepte stammen entsprechend der Handlung überwiegend aus Thailand.
LanguageDeutsch
Release dateSep 25, 2015
ISBN9783944369532
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    Book preview

    German Cop - Dieter Jandt

    www.readbox.net

    1.

    Wagner war schweißgebadet und er fragte sich, warum? Gründe dafür gab es sicherlich genug. Es war heiß und stickig im Seitenflügel des Gefängnisses, in diesem engen, niedrigen Raum. Die Sonne schien gnadenlos in Streifen durch die Gitter der Fenster. Die Ventilatoren an der Decke waren ausgeschaltet. Vermutlich absichtlich, um Häftlinge zu quälen, dachte Wagner. Oder schwitzte er, weil er nach Jahren endlich Nok gegenübersaß, die mit ihren kurz geschnittenen Haaren fast noch hübscher aussah als damals und selbst in ihrer schäbig-grauen Häftlingskleidung seinen Blutdruck in die Höhe trieb? Oder war es die Tatsache, dass er hier als falscher, deutscher Polizist angeblich diese Thailänderin verhörte, um sie gleich irgendwie nach draußen zu lotsen?

    Die ehemals weiß gestrichenen Wände des Raumes waren angestoßen, schmutzig und verschmiert. Offenbar war das hier der Besucherraum, in dem gelangweilte Kinder von Häftlingen mit ihren Fingern Schokoladenreste an der Wand abstreiften, Delinquenten vor Wut gegen selbige traten und Stühle dagegen gerückt wurden, wenn jemand aufstand und sich verabschiedete. Wagner und Nok waren allein. Nur ein Wachmann in schwarzer Uniform stand an der geschlossenen Tür. Er redete überlaut in sein Handy, das Gespräch war privater Natur, vermutete Wagner. Der Mann lachte und lärmte.

    »Pass auf, Nok. Der Typ hier ist sowieso nicht bei der Sache. Wir stehen jetzt einfach auf und verlassen den Raum, als ob wir gerade in einem Restaurant gut gegessen und bereits gezahlt hätten.«

    »Wie soll das gehen? Ich habe noch nie ein Restaurant in Handschellen verlassen, Jens.«

    »Hat der eigentlich die Schlüssel davon?«

    »Vom Restaurant?«

    »Na erst mal von den Handschellen, und dann sehen wir weiter.«

    Wagner drehte sich im Stuhl um. »Hey you, Mister! – Key?« Wagner deutete auf Noks Handgelenke.

    »Luuk kundjä heißt das«, assistierte Nok und schüttelte unwillig den Kopf. »Glaubst du im Ernst –?«

    »Lukudschä, Lukudschä«, schrie Wagner den Wachmann an, um dessen Stimme, mit der der seinen Gesprächspartner penetrierte, zu übertönen.

    »Moment please.« Der Mann lärmte weiter in sein Handy hinein, während er mit der linken Hand in seiner Hosentasche kramte.

    »Was redet der da?«, fragte Wagner.

    »Er ist gerade Vater geworden. Ein Junge. Drei Kilo.« Nok schaute ungläubig zu, wie der Wachmann Wagner den Schlüssel hinhielt, ihn anlächelte und sich dann mit dem Gesicht zur Wand drehte, um weiter ungestört telefonieren zu können.

    Wagner starrte einen Moment auf das klobige Ding in seiner Hand, das aussah wie ein überdimensionaler Kellerschlüssel. Wie war das zu deuten? War das Ausdruck überzogenen Respekts gegenüber Westlern, Menschen der »Ersten Welt«, von denen Asiaten annahmen, dass alles, was sie taten und sagten, seine Richtigkeit hatte? Und dazu noch ein deutscher Polizist, der sicherlich im Auftrag höchster Stellen agierte. Sonst wäre er ja nicht hier, im Sicherheitstrakt für auszuliefernde Häftlinge.

    Nok schaute nervös zu, wie Wagner die linke Handschelle aufschloss, sie abzog und sich um sein rechtes Handgelenk legte. Dann ließ er sie wieder zuschnappen. Den Schlüssel versenkte er in der Brusttasche seines Jacketts. Allein, dass man hier in Schlips und Kragen auflaufen musste, bei dieser Hitze! Als BKA-Mann konnte man ja schlecht Shorts und Plastiklatschen tragen. Wagner schulterte seinen Rucksack, zog Nok vom Stuhl hoch und ging mit ihr zur Tür.

    »Frag ihn, wie das Kind heißt!« Nok wechselte auf Thailändisch ein paar Worte mit dem Wachmann, der die schwere Eisentür öffnete und mit ausgestrecktem Arm den Gang hinunterwies, während er weiter ins Handy palaverte. Wie lang kann ein solcher Gang sein! Und wie laut können Schritte hallen, dachte Wagner, als er mit Nok, die er an den Handschellen hinter sich herzog, endlich an der Sicherherheitsschleuse ankam. Draußen lockte die Freiheit durch die getönten Scheiben.

    »Allright then«, versicherte Wagner den Beamten, die zu dritt unter zwei Monitoren am Pult saßen, und nickte zum Ausgang hin, während er mit der freien Hand nach seinem Dienstausweis in der Brusttasche fingerte, um ihn hervorzuziehen.

    »Ah, no problem. German Cop, German Cop!« Die drei lachten Wagner an.

    »Tu einfach so, als wäre das hier eine Rezeption.«

    Nok nickte. Die beiden Türflügel sprangen summend auf und Wagner ruckte an der Handschelle.

    »Moment please, we take picture.« Einer der Männer hatte einen Fotoapparat aus einer Schublade gezogen und richtete ihn auf die beiden.

    »Oh no, no«, rief Wagner, während Nok abwehrend mit der freien Hand herumwedelte.

    »Cheese, please.« Zwei Schnappschüsse, Erinnerungsfotos innerhalb von wenigen Sekunden, in denen Nok sich immerhin ein gequältes Lächeln abringen konnte, während Wagner sich wieder gefangen hatte und breit grinste. Er war sicher, wenn das hier aufflog, und das konnte nicht lange dauern, würden die den Teufel tun, und irgendwem von den Fotos erzählen, die sie geschossen hatten, anstatt eine Mörderin in Auslieferungshaft daran zu hindern, hier einfach hinauszuspazieren.

    Wagner zog Nok dem Ausgang entgegen, es waren nur noch drei Schritte, als einer der Beamten hinter ihm herrief: »Oh wait, wait!« Wagner lief es eiskalt den Rücken herunter. Er drehte sich um. »Her Passport and documents, please.« Der Mann schob einen braunen Din-A-4-Umschlag mit großen, Ehrfurcht gebietenden Stempeln über den breiten Tisch. Wagner langte zu, nickte freundlich und zog Nok nach draußen in die Nachmittagshitze. Er steuerte auf das vorderste der grün-gelb lackierten Taxis zu, die in einer langen Reihe vor der Haftanstalt standen.

    Auf der Rückbank öffnete Wagner kichernd die Handschellen, zog eine himmelblaue Bluse und eine weiße Hose aus dem Rucksack und reichte sie Nok, während der Fahrer den Wagen startete, Gas gab und neugierig in den Rückspiegel starrte, anstatt auf den Verkehr zu achten. Nok zog sich um, die Kleidung, die Wagner im nächstbesten Department Store gekauft hatte, war zwar farbenfroher, aber noch sackartiger als die Anstaltskleidung.

    »Watthana Mansion, you know? Hotel«, rief Wagner nach vorn und machte es sich auf dem Sitz gemütlich. »Und? Wie heißt das Kind?«

    »Habe ich vergessen.« Nok wirkte irgendwie abwesend.

    2.

    Wagner lag mit nacktem Oberkörper quer auf dem breiten Bett, auf dem er eigentlich mit Nok hatte liegen wollen. Allein die Vorstellung, mit einer Mörderin zu schlafen, fand er faszinierend. Genau genommen hatte er ja schon vor Jahren mit ihr geschlafen, aber damals hatte er nicht gewusst, dass sie ihren Lover Lochner, seines Zeichens zwielichtiger Edelsteinhändler, erschossen hatte. Wagner sah sich also, da er mittlerweile wusste, was sie seinerzeit angestellt hatte, um diese Erfahrung betrogen. Er schaute am eingeschalteten Fernseher vorbei auf die in der Ferne blinkende Skyline von Bangkok bei Nacht. Dagegen waren die siebeneinhalb Hochhäuser von »Mainhattan« eine Miniaturausgabe, Legoland. Unablässig funkelte und blinkte es in allen möglichen Farben herüber, verblasste, schien wieder grell auf. Da lockte das Leben.

    Wagner nuckelte missmutig an einer Bierflasche und betrachtete seinen Bauch. Das Zeug würde vermutlich noch mehr ansetzen als Weizenbier. Es hatte 6,0% Alkohol und konnte locker eine Mahlzeit ersetzen.

    Warum war er nicht mitgegangen, als Nok vor einem der unzähligen Department Stores Bangkoks vorgab, dringend, aber ganz dringend zur Toilette zu müssen, sofort. Nein, stattdessen hatte er den Taxifahrer anhalten lassen, sich zurückgelehnt und die Krawatte gelockert. Der Wind der Air-Condition-Anlage umwehte ihn angenehm. »Bis gleich«, versicherte Nok und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Allein das!

    Wo war seine journalistische Spürnase? Zwanzig Minuten später irrte Wagner durch die labyrinthisch verzweigten Gänge des Konsumtempels und wusste bald, dass Nok ihn geleimt hatte. Auf Nimmerwiedersehen. Vermutlich. Wie sollte er Nok jemals hier in dieser riesigen Stadt wiederfinden, in diesem Land, das ihm fremd war wie nur was? Sie im Gefängnis aufzuspüren war dagegen beinahe eine Kleinigkeit gewesen. Vor nicht einmal zwei Wochen hatte er aus der Zeitung erfahren, dass sie Lochner erschossen hatte und nicht ihr eifersüchtiger Ehemann. Dass man sie in Thailand verhaftet hatte.

    Wagner schaute verständnislos auf die schrille TV-Show, die ihm noch alberner und gehaltloser vorkam als eine in Deutschland, obwohl er das gar nicht beurteilen konnte, da er nie eine anschaute. Er zog seine Shorts, die eher an eine formfreie Turnhose erinnerte, ein wenig hoch, um nicht seinen Bauch betrachten zu müssen.

    Nok hatte Lochner getötet. Irre! Wagner bewunderte sie dafür, wie alles an ihr. Und als er sich vorgestellt hatte, wie sie da völlig schutzlos in Auslieferungshaft saß und darauf wartete, anschließend jahrelang in einem deutschen Gefängnis zu verbringen, war in ihm die Überzeugung gereift, dass man ihr helfen müsse, bevor sie wirklich ausgeliefert würde – und dass das vielleicht gar nicht so schwer war. Er erinnerte sich an diesen Polizisten vom BKA, der ihm eine Menge schuldig war, weil Wagner ihm einmal mit einem Zeitungsartikel aus der Patsche geholfen hatte, als es um Amtsmissbrauch und Bestechung ging. So gesehen konnte der Wagners Ansinnen, ihm seinen Dienstausweis zu leihen – »Nur für ein paar Wochen, garantiert nicht länger« –, kaum zurückweisen. Wagner wusste von Nok, dass wie für Westler die Gesichter von Thailändern umgekehrt ebenso für Thailänder die Gesichter von Westlern anfangs kaum auseinanderzuhalten waren. Irgendwie sahen sie zunächst alle ziemlich gleich aus, und der Polizist auf dem Foto des Dienstausweises war ja auch blond wie Wagner und hatte blaue Augen. Das musste reichen. Und das traf ja auch zu. Mit dem Ausweis war er glatt durchgekommen, niemand hatte ihn prüfend gemustert, weder bei den Auslieferungsbehörden in Bangkok und schon gar nicht, als er die Haftanstalt betrat. Dort war er ja angekündigt worden. Und so schaute niemand genau hin. Schon zuvor schien es ihm, dass er unter Umständen leichtes Spiel haben würde. Und gleich nachdem er im Hotel eingecheckt hatte, ließ er sich mit dem Taxi nach Phaya Thai, einem Stadtteil Bangkoks, kutschieren und legte einem akkurat gescheitelten Mann in einer blauen Anzugjacke mit gestärktem Kragen als Beweis seiner Zuständigkeit das Auslieferungsersuchen vor. Kommissar Bärhalter, der seinerzeit als Leiter der Mordkommission mit dem Fall beschäftigt war, hatte ihm das Dokument auf seine Bitte hin gezeigt, weil Wagner vorgab, eine letzte abschließende Reportage zu diesem Fall schreiben zu wollen. Wagner hatte sogleich, da Bärhalter dringend zu einem neuen Tatort musste, in einem nahe gelegenen Kopierladen ein täuschend echtes Duplikat angefertigen lassen, das er sodann auf Bärhalters Schreibtisch legte. Das echte Dokument nahm er mit und kontaktierte sogleich die thailändischen Behörden, um den echten Beamten vom BKA zuvorzukommen. Im Übrigen würde er von Bärhalter nicht viel zu befürchten haben. Immerhin hatte Wagner damals als Schreiberling der »Rundschau« in weiten Teilen den Fall um die drei Morde und die krummen Edelsteingeschäfte aufgeklärt und nicht Bärhalter, außer dass er mit dem Mord Noks schief lag, und das vermutlich auch so gewollt hatte, ganz einfach, weil er sie liebte. Aber das nutzte ihm jetzt auch nichts.

    Was tun? Mit dem nächsten Flieger zurück? Däumchen drehen, wo er doch momentan als freier Journalist keine Aufträge hatte und Lokalredaktionen »unter dem Schirm« großer Verlage zusammengelegt wurden? Lieber Nok suchen, bei der Shiny Gem, diesem windigen Edelsteingroßhandel irgendwo in diesem Moloch Bangkok?

    3.

    Heftiger Regen klatschte gegen die Fensterscheiben des Sky-train. Vom Victory Monument war außer der Spitze, die aus den Nebeln ragte, kaum etwas zu sehen in diesen Strömen von Wasser, die sich aus dem dunkelgrauen Himmel ergossen. Die Straßen waren im Nu überflutet, Autos und Motorräder pflügten im Schritttempo durch das Wasser. Man sah Fußgänger, die bis zu den Knöcheln darin versanken, eine Kreuzung überquerten und Aktentaschen, Plastiktüten oder dünne Jacken über den Kopf hielten. Der Monsun war zurückgekehrt. Im Inneren des Skytrain standen die Menschen dicht gedrängt, möglichst ohne sich gegenseitig zu berühren, ja, fast hatte es den Eindruck, dass sie sich gegenseitig überhaupt nicht wahrnahmen. Neben dem Ausstieg war eine Frau mit ihrem I-Phone beschäftigt, während sie sich mit langem Arm an einer Sicherheitsschlaufe über ihr festhielt. »Sanam Pao«, rief eine sanfte Frauenstimme über Lautsprecher die nächste Station aus. Die Türen klackten auf. Ein finsterer Typ mit schwarzem Stirnband schob sich eilig an den Fahrgästen vorbei, um auszusteigen. Er hatte ein kantiges Gesicht und eine kräftige Statur. Die Frau mit dem I-Phone rückte beiseite, während sie weiter auf den Tasten herumdrückte und der frei gewordene Platz hinter ihr von einem dicken Kind in blau-weißer Schuluniform besetzt wurde. Es hatte offensichtlich ausgiebig die Segnungen US-amerikanischer Fastfoodketten genossen, wie viele andere thailändische Kinder auch. Unter dem Skytrain verschwand das große, eingemauerte Polizeihauptquartier hinter einem grauen Schleier aus Regen und Nebel. Man blieb besser im Zug und wartete die Schauer ab, so wie der Mann im geblümten Hemd, der neben dem fetten Schüler offensichtlich eingenickt war. Schlapp hing der kahle Kopf zur Seite gegen das Plexiglas gelehnt, das die Sitzreihe vom Ausstiegsbereich trennte. Auf dem Schoß des Mannes schaukelte mit den leichten Bewegungen des Skytrain ein kleines, geöffnetes Notebook. Ineinander verlaufende Farbwolken belebten den Bildschirm, ansehnlicher als das Grau über der Stadt.

    »Chatuchak«, verkündete die sanfte Stimme. Unter dem massigen Betonkörper der Bahnstation breitete sich der riesige Wochenendmarkt aus, auf dem es zwischen gerösteten Larven, ausgestopften Hunden und T-Shirts mit aufgedruckten, anzüglichen Sprüchen kaum etwas gab, was man nicht kaufen konnte. Touristen aus aller Welt drängten sich aneinander vorbei. Hin und wieder sah man Farang, wie Westler hier genannt wurden, mit soeben erworbenen T-Shirts in den Sky-train einsteigen, auf denen in dicken roten Lettern der Schriftzug prangte: »My dick is bigger than yours«, mit eindeutigen Zeichnungen dazu. Nasse Füße würde es da unten jetzt geben.

    Der Zug fuhr wieder an und der Kopf des Mannes mit dem geblümten Hemd rutschte ein wenig an der Plexiglasfläche entlang, bis über den Rand hinaus und schien ganz langsam, wie in Zeitlupe, den Körper nachzuziehen, nach vorn und gleichzeitig abwärts, während das Notebook auf den Waggonboden polterte. Der dicke Junge zog seinen Hintern ein wenig beiseite, der Mann sackte gegen die Waden der I-Phone-Frau, die im Gedränge zur Seite trat, so weit sie konnte, während sie nicht aufhörte, die Tastatur zu bedienen. Die Menschen verhielten sich unaufgeregt. Sie rückten zusammen, bis die nächste Station in Sicht kam: Mo Chit. In der Ferne sah man den großen Busbahnhof für die Reiseverbindungen in den Norden und den Nordosten des Landes. Wieder klackten die Türen auf. Die Computerstimme säuselte etwas von Endstation, nur der Mann im geblümten Hemd störte sich nicht daran. Während die Fahrgäste über ihn hinwegstiegen, weil sie vermuteten, dass er betrunken sei oder erschöpft, überarbeitet, irgend so etwas, machte er keine Anstalten, den Skytrain zu verlassen. Er lag mit angewinkelten Beinen in kleinen Pfützen. Das Wasser war von der Kleidung und den Regenschirmen der Fahrgäste auf den Waggonboden getropft. Die Farbwolken des Bildschirmschoners auf dem Monitor waren unter dem Mann in beruhigendes Dunkelblau übergegangen.

    4.

    Wagner saß im Restaurant des Hotels und hatte das Gefühl, von allen anderen Gästen an den Tischen ringsum angestarrt zu werden. Er hielt die englischsprachige Bangkok Post ein wenig höher vor das Gesicht und studierte zum x-ten Mal die Fotos, die die Seite vier beherrschten, auf der in der Regel immer die Artikel mit kriminellem Hintergrund zu finden waren.

    Wagner zog wiederholt die Luft zwischen den Zähnen ein, nicht weil die Fotos ihn beunruhigten, was sie sicherlich taten, nein, sondern weil das Tom Yam, diese Suppe mit Hühnerbrustfiletstücken dermaßen scharf war, dass er aus einer natürlichen Reaktion heraus Luft einsog, um Linderung zu erfahren. Gekochter Reis pur half dagegen, aber den hatte er bereits aufgegessen.

    Was er vor allem nicht so einfach schlucken konnte, war sein höchstpersönliches Konterfei, groß und breit über die halbe Seite in schwarz-weiß, er grinsend und neben ihm Nok mit ihrem gequälten Lächeln, als sie beide gerade aus dem Gefängnis hinausspazieren wollten. Daneben das Foto eines arrogant wirkenden, kahlköpfigen Menschen, ebenso hochnäsig wirkend, wie Wagner ihn vorgestern bei der Shiny Gem, dem Edelsteinhandel, erlebt hatte. Nur war nun

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