Die Euro-Misere: Essays zur Staatsschuldenkrise
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Die Euro-Misere - Michael von Prollius
HAYEK
Vorwort
Es gibt kaum ein Gut, dass so verbreitet ist wie Geld und dessen Herstellung zugleich so wenig verstanden geschweige denn hinterfragt wird. Es gibt nur wenige Güter, deren Produktion so selbstverständlich als Staatsaufgabe angesehen wird, wie unser tägliches Zahlungsmittel. Das staatliche Geldsystem gehört zu den Tabus, bei denen Zweifler zu Frevlern werden. Konkurrenz für das staatliche Geld ist verboten. Wer Geldzeichen ausgibt oder verwendet, die geeignet sind, im Zahlungsverkehr an Stelle der gesetzlich zugelassenen Geldes zu treten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Seit dem 1. Januar 2002 ist der Euro alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel. Jeder muss die Zahlung von Geldschulden in Euro akzeptieren. Zugleich war der Euro nie ein ökonomisches, sondern von Beginn an ein politisches Projekt, vor dessen gravierenden Konstruktionsmängeln bereits 1992 namhafte Ökonomen öffentlich gewarnt haben.
Die mit dem Euro verbundenen Ziele haben sich als Illusion herausgestellt. Inzwischen macht sich eine wachsende Zahl von Menschen bewusst, dass der Euro selbst eine Illusion ist: Kaufkraftverlust statt Geldwertstabilität, Wirtschaftskrisen statt geglätteter Konjunktur, von der Banken- über die Staatsschulden- zur Vertrauens- und Systemkrise.
Heute stehen die staatlichen Geldsysteme, ob Euro, US-Dollar, Britisches Pfund oder japanischer Yen, inmitten einer ökonomischen Krise, deren politische und soziale Folgen gefürchtet werden. Von der Staatsschuldenkrise sind nahezu alle westlichen Länder betroffen, es ist lediglich eine Frage des Ausmaßes und des Zeitpunkts, an dem sich die Versprechen, Schulden zurück zu zahlen und soziale Leistungen zu verteilen weithin sichtbar als unhaltbar entlarvt werden. Wohin die innere Logik eines staatlichen Geldsystems führt, hat die Geschichte wiederholt gezeigt, zuletzt besonders anschaulich im Fall der DDR.
Diese Misere war absehbar: Bereits in den 90er Jahren hat eine Vielzahl führender Ökonomen vor derartigen unglücklichen Entwicklungen gewarnt. Das Wort Misere steht für Not, Elend und eine ausweglose Lage. Wer würde angesichts der aktuellen und noch ausstehenden Folgen einer ungebremsten Schuldenmacherei von Regierungen in ganz Europa und darüber hinaus diese Bezeichnung glaubhaft in Abrede stellen? Allerdings gibt es einen Ausweg, wie zu zeigen sein wird. Bis dahin bleibt es allerdings bei miserablem Geld, das heißt erbärmlichem, schlechtem Scheingeld aus einem staatlichen Monopol.
Noch stellt bis auf eine kleine Schar konsequenter Freunde der Freiheit niemand das staatliche Angebotsmonopol für Geld in Frage. Zwar wächst die Kritik an den Zentralbanken, aber Staatsgeld wird weitgehend als alternativlos angesehen. Das Unbehagen über die monetären Zustände ist allerdings weit verbreitet und wächst mit Rettungsschirmen und -paketen kontinuierlich weiter.
Das Interesse an Informationen über unser Geldsystem ist groß; das spiegelt sich auch in den Reaktionen auf Vorträge und Artikel wider. Die nachfolgenden überwiegend leicht verständlichen Ausführungen beschäftigen sich mit den grundsätzlichen Fragen, den großen Linien, und bieten eine alternative Sicht auf die Funktionsweise unseres Geldsystems, auf die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie auf einen Ausweg zum Missbrauch des Geldes durch die Regierungen. Das herrschende staatliche Geldsystem lässt sich weder ökonomisch, noch rechtlich, geschweige denn sozial oder moralisch glaubwürdig rechtfertigen.
Umso wichtiger ist es, neben der offiziellen, die Medien immer noch dominierenden Deutung der Krisenursachen und des Krisenverlaufs eine alternative Erzählung wach zu halten. Die Historisierung der Krise ist aus liberaler Perspektive bereis deshalb so wichtig, weil sie die Grundlage für die Interpretation der nächsten, absehbaren Krise bildet und die Mittel rechtfertigt, die zu ihrer Bewältigung gewählt werden. Derzeit lautet das Motto immer noch: „More of the same" oder die Krisenursachen vermehren, um die Krise zu überwinden: mehr Staatsschulden, mehr Geld, mehr und bessere behördliche Kontrolle, staatliche Regulierung sowie weniger Markt und Wettbewerb. Die Adepten des Staatsgeldsystems haben sich in den selbst gestellten Zwängen einer monetären staatsmonopolistischen Zwickmühle verfangen.
Die Masse der nachfolgenden Beiträge ist bereits im Internet erschienen. Das gilt insbesondere für das von mir gegründete „Forum Ordnungspolitik", welches für eine freie Gesellschaft und eine freie Marktwirtschaft wirbt, ferner für Veröffentlichungen im Blog der Internetzeitung „Die Freie Welt". Längst bieten Blogs und Plattformen eine qualitativ hochwertige Alternative zu den etablierten Medien. Viele Beiträge sind von den Herausgebern freiheitlicher Institutionen akzeptiert und publiziert worden, darunter: das „Liberale Institut" (Schweiz), der ordnungspolitischen Blog „Wirtschaftliche Freiheit", das Magazin „eigentümlich frei", das „Berlin Manhattan Institut" und sein Vorläufer „Institut für Unternehmerische Freiheit", ferner „mises.de – Die Österreichische Schule der Volkswirtschaftslehre" sowie in der Printausgabe des „Smartinvestors". Zusammen mit weiteren Institutionen bilden sie eine beeindruckende Phalanx liberaler, libertärer, „Österreichisch" inspirierter Medien.
Einige Redundanzen bleiben in einer überarbeiteten und systematisierten Artikelsammlung unvermeidlich. Vielleicht sind sie sogar notwendig, um die grundlegenden Zusammenhänge deutlich zu machen und zu verankern. Zugleich kann es für den Leser interessant sein, die Entstehung und Argumentationsweise anhand der angegebenen ursprünglichen Publikationsdaten nachzuvollziehen.
Was Sie über unser Geldsystem wissen sollten, lässt sich mit dem großen Publizisten Henry Hazlitt (1894-1993) auf die folgende Formel bringen: „Der einzige Grund, warum … sich [der Staat] in das Kreditgeschäft einschaltet, liegt darin, den Personen Darlehen zu verschaffen, die von privaten Geldgebern keinen Kredit bekommen würden. Das heißt nichts anderes, als daß die staatlichen Geldgeber mit dem Geld anderer Leute (dem der Steuerzahler nämlich) Risiken eingehen die den privaten Geldgebern für eigenes Kapital zu hoch sind." Das ist zugleich der entscheidende Grund, warum die Regierungen weltweit die Geldproduktion monopolisiert und verstaatlicht haben: (scheinbar) grenzenloser Kredit für unbegrenzte Regierungsausgaben.
Michael von Prollius
Berlin, August 2011
Statt einer Einleitung: „Eine Geldreform ist notwendig"¹
Die internationale Staatsschuldenkrise, die ihren Ausgangspunkt ab Mitte 2007 in Zahlungsausfällen bei qualitativ geringwertigen amerikanischen Hypothekarkrediten nahm, und die danach auf das weltweite Wirtschafts- und Geldsystem übergriff, wird in der Öffentlichkeit als Folge unregulierter Kapitalmärkte interpretiert. Gier und mangelndes Risikobewusstsein der Geschäftsbanken hätten, so ist zu hören, die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds geführt.
Der Kapitalismus müsse gebändigt werden, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann, so lautet die allgemein akzeptierte Lehre aus dem Debakel. Durch mehr und bessere Regulierung solle künftige Krisen entgegengewirkt werden. Regierungsbehörden und staatliche Zentralbanken sollten mehr Macht erhalten, um die Pläne in die Tat umzusetzen. Das Handelsgebaren der Finanzmarktakteure solle so eingeschränkt werden, dass es nicht mehr in systemerschütternden Krisen kommen kann.
Leider folgt diese Therapie einer falschen Ursachendiagnose. Denn nicht das freie Marktsystem hat versagt, sondern die internationale Finanzmarktkrise ist unmittelbare Folge der staatlichen Geldproduktion. Das Staatsgeldsystem ist ein Fremd- und Störfaktor im Gefüge freier Märkte und verursacht zwangsläufig die in der Öffentlichkeit beklagten Finanz- und Wirtschaftskrisen. Es führt – wenn es nicht beendet wird – zur Überschuldung und zur Zerstörung der Kaufkraft des Geldes durch eine (Hyper-)Inflationspolitik. Zur Erklärung lassen sich fünf Aspekte hervorheben.
Erstens ist das heute weltweit etablierte Kredit- und Geldsystem im Kern ein staatliches Geldangebotsmonopol. Ob US-Dollar, japanischer Yen, Euro, Britisches Pfund oder Schweizer Franken, sie alle stellen Geld dar, das von Zentralbanken, die letztlich den Regierungen unterstellt sind, produziert und in Umlauf gebracht wird. Das Kredit- und Geldsystem ähnelt weitgehend einer planwirtschaftlichen Apparatur.
Zweitens wird im staatlich beherrschten Geldsystem das Geld per Kredit geschaffen – und zwar ohne dass dafür echte Ersparnisse erforderlichen sind. Es handelt sich um Geldproduktion „aus dem Nichts. Allerdings kann eine Behörde wie bei allen Gütern so auch beim Geld unmöglich die „richtige
Geldmenge feststellen.
Drittens verursacht das Ausweiten der Geldmenge durch Kreditvergabe zwangsläufig Konjunktur- und Finanzkrisen. Denn das chronische Ausweiten der Geldmenge durch Kreditvergabe sorgt für ein künstliches Absenken des Marktzinses. So werden Investitionen angeregt, die ohne ein Absenken des Zinses nicht angegangen worden wären, und deren wirtschaftlicher Erfolg davon abhängt, dass der Zins niedrig bleibt oder gar noch weiter abgesenkt wird.
Droht eine Rezession, werden die eigentlich unrentablen Investitionen nicht liquidiert und die mit ihnen entstandenen Arbeitsplätze abgebaut. Vielmehr senkt die Zentralbank die Zinsen noch weiter ab im Bestreben, durch billigere Kredite und mehr Geld die Rezession – die eigentlich eine Bereinigung, aber politisch unerwünscht ist – zu „bekämpfen" und in einen Aufschwung umzuwandeln. Diese Politik führt geradewegs in die Überschuldung.
Denn, viertens, müssen die Kreditnehmer ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen, sondern sie können fällige Kredite mit immer niedrigeren Zinsen refinanzieren. Zudem provoziert der künstlich abgesenkte Zins weitere, per Kredit finanzierte Investitionen. Das führt dazu, dass die gesamte Verschuldung schneller wächst als die Einkommen, die mit ihnen erwirtschaftet werden. Die Folge: Die Volkswirtschaften nehmen den Weg in die Überschuldung.
Fünftens: Gerade die Regierungen haben ein besonderes Interesse am staatlich kontrollierten Kreditgeld. Mit ihm lassen sich „öffentliche" Wohltaten leicht und nahezu unmerklich finanzieren, nach denen die Wählerschaft verlangt und die Rückzahlung wird auf künftige Steuerzahler abgewälzt. Das Staatsgeldsystem lädt geradezu zum Missbrauch ein.
Doch mittlerweile ist nahezu weltweit eine Überschuldungssituation entstanden. Kreditgeber sind nicht mehr automatisch willens oder in der Lage, die Dauerschuldnerei der Kreditnehmer, insbesondere der Staaten, weiter zu finanzieren. Zugleich sind Kreditnehmer nicht mehr in der Lage oder willens, höhere Zinsen zu zahlen. Die Zentralbanken haben deshalb die Zinsen de facto auf Null Prozent gesenkt.
Die Hoffnung, dass diese Politikmaßnahmen nur vorübergehender Natur sein werden, könnte sich als trügerisch erweisen, denn dass Vertrauen in das staatliche Papiergeld ist bereits gestört. Noch tiefere Zinsen und noch mehr Geld bedeutet die Ursache der Krise dadurch zu bekämpfen, dass man ihre Ursache vermehrt. Stattdessen ist die Errichtung einer neuen Geldordnung die zentrale Herausforderung unserer Zeit. Angesichts der wachsenden Überschuldung der meisten westlichen Staaten wird das Thema „Währungsreform" ohnehin eher früher als später auf der Tagesordnung stehen, entweder in verdeckter oder offener Form.
Ein Geld- und Kreditsystem, dass vereinbar ist mit einem System freier Märkte und damit mit friedlicher Kooperation und Wohlstand ist ein vollständig privatisiertes Geldsystem. Für das Privatisieren des Geldes haben eine Reihe namhafter Ökonomen Vorschläge gemacht, insbesondere Ludwig von Mises (1881-1973), der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek (1899-1922) und Murray N. Rothbard (1926-1995). Das Privatisieren des Geldes führt zu einem System, in dem die Marktakteure die freie Wahl haben zu entscheiden, was sie als Geld akzeptieren wollen. Solch ein Geldsystem ist ökonomisch und moralisch dem Staatsgeldsystem in jeder Hinsicht überlegen. Hayek begründete das Vorhaben wie folgt: „Der Vorschlag, der Regierung das Geldmonopol und die Macht zu entziehen, Geld zum ‘gesetzlichen Zahlungsmittel’ zu machen, mit dem alle vorhandenen Schulden zu tilgen sind, erfolgte hier in erster Linie, weil Regierungen diese Macht im Laufe der Geschichte ständig und unvermeidlich grob mißbraucht und dadurch den automatisch arbeitenden marktwirtschaftlichen Steuerungsmechanismus, nämlich das Preissystem, schwerwiegend gestört haben."
Der Übergang zum freien Marktgeld kann beispielsweise in einem zweistufigen Verfahren ablaufen. Zunächst werden die Verbindlichkeiten der Banken in einem festen Umtauschverhältnis an Gold angebunden, das noch in den Kellern der Zentralbanken lagert. Allen Geldhaltern wird dann das Recht eingeräumt, ihre Bankguthaben jederzeit in Gold umzutauschen. Anschließend wird das Geldsystem privatisiert, sodass jedermann sein Zahlungsmittel frei wählen kann.
Wie bei allen anderen Gütern auch wird sich Qualität durchsetzen, vielleicht in Form Gold gedeckter Währungen, die sich in der Geschichte stets durch besondere Werthaltigkeit und praktische Benutzung ausgezeichnet haben. Denn die Geldnachfrager werden nur das Gut als Geld nachfragen, von dem sie erwarten, dass es gutes Geld ist.
Recht schnell würde es im Marktgeschehen eine ungeplante Übereinkunft geben, die de facto festlegt, was Geld ist: Ein Marktakteur wird seine Güter nur gegen das Geld eintauschen, von dem er erwartet, dass auch andere es als Geld ansehen werden. Geld in Form von zum Beispiel bedruckten und beliebig vermehrbaren, ungedeckten Papierscheinen würde sich daher wohl nicht als das allgemein akzeptierte Tauschmittel etablieren können.
Das freie Marktgeld entsteht aus dem freien Angebot von und der freien Nachfrage nach Geld, ohne Dazutun und Manipulation des Staates oder von Interessengruppen. Freies Marktgeld fügt sich nahtlos die Ordnung freier Märkte ein, die für materiellen und zivilisatorischen Fortschritt sorgt wie keine andere Wirtschaftsordnung. Freies Marktgeld ist nicht nur gutes Geld, sondern es sorgt auch dafür, dass Konjunkturverläufe weniger schwankungsanfällig werden, weil dieses Geld Fehlinvestitionen und damit Wirtschaftskrisen entgegenwirkt. Der Spielraum für wachstumsschädliche Marktinterventionen, die regelmäßig aus Wirtschafts- und Finanzkrisen erwachsen, würde zurückgedrängt. Damit würde auch die Bedrohung der Freiheit, die latente Gefahr monetärer Planwirtschaft, entschärft.
Beim Übergang zum freien Marktgeld würde das Staatsgeld – ob nun US-Dollar, Euro, japanischer Yen, britisches Pfund oder Schweizer Franken – absehbar stark verfallen oder letztlich vollständig untergehen. Im Grunde würde ein solcher Regimewechsel – ob nun herbeigeführt durch eine bewusste politische Entscheidung oder die freien Marktkräfte – nur die bereits aufgelaufene Entwertung für alle sichtbar ans Tageslicht befördern, während sie bislang für die Öffentlichkeit verborgen geblieben ist. Die Kosten des Regimewechsels sprechen jedoch keineswegs gegen die Einführung des freien Marktgeldes.
Die Staatsgeldsysteme schüren Fehlinvestitionen, private und staatliche Überschuldung und damit politische Anreize, das Geld durch (Hyper-)Inflation zu entwerten, um den drohenden Bankrott abzuwenden. Der wohl bedeutendste Ökonom und einer der größten Geld- und Konjunkturtheoretiker des 20. Jahrhunderts, Ludwig von Mises, urteilte, dass das Staatsgeld folglich entweder freiwillig beendet werde oder aber im Zuge einer größeren wirtschaftlichen und politischen Katastrophe.
Es wäre tragisch, wenn die Öffentlichkeit nicht versteht, dass Staatsgeld zum Scheitern verurteilt ist. Denn dann würde es den Regierungen in der Stunde der Not gelingen, auf den Trümmern des gescheiterten Staatsgeldes ein neues Staatsgeldsystem zu errichten. Damit das nicht passiert, ist Aufklärung nötig. Das Buch „Geldreform" versucht hierzu einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Nur gutes Geld, also freies Marktgeld, erlaubt nachhaltiges Wirtschaften und trägt dauerhaft eine freiheitliche Gesellschaftsordnung. Alle, die Freiheit und Wohlstand für unsere Gesellschaft anstreben, sollten sich für das freie Marktgeld und gegen Sonderprivilegien von Zentralbanken und Finanzinstituten einsetzen.
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¹ Erstmals veröffentlicht im August 2010.
Teil I: Grundlagen
Die große Sparverwirrung²
Sparen heißt, nicht ausgeben, was man hat!
„Berlin verabschiedet Sparprogramm", titelt die NZZ. Focus tönt: „Regierung will 2011 mehr sparen als nötig" – und gibt damit die Aussage des Regierungssprechers Ulrich Wilhelm wieder. Auch von einem radikalen Sparkurs ist regelmäßig in den Gazetten die Rede. Zugleich rühmt sich die Bundesregierung, der Hauptakzent werde auf der Ausgabenseite liegen.
Sparen! Sparen! Sparen! Tönt es wie aus Vuvuzelas. Das ständige Getröte hat eine große Sprachverwirrung erzeugt. Ausgabenkürzungen muss es korrekt heißen. Der deutsche Staat hat seit Jahrzehnten nicht mehr gespart und wird das auch in den kommenden Jahrzehnten absehbar nicht tun. Dieser Unterschied zwischen Sparen und Ausgaben kürzen ist nicht trivial, sondern himmelweit.
Sparen bedeutet, etwas nicht auszugeben, was man hat. Sparen ist Konsumverzicht heute. Sparen heißt in die Zukunft investieren – mit Kapital von heute. Wer spart kann in der Zukunft mehr konsumieren.
Sparen bedeutet nicht, etwas nicht auszugeben, was man nicht hat. Die aktuellen Ausgabenkürzungen der Bundesregierung führen immer noch zu einer geplanten Verschuldung von über 60 Mrd. Euro. Sparen bedeutet erst recht nicht, etwas auszugeben, was man nicht hat. Genau das tut der Staat aber mit seinem „radikalen Sparkurs". Die Nettokreditaufnahme wird planmäßig 2014 immer noch 24,1 Mrd. Euro betragen. Das bedeutet, dass immer noch mehr als 16 Prozent der Bundesausgaben nicht aus Steuern finanziert werden