Die biometrische Vermessung der Menschheit
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Unsere biometrischen Daten werden digital erfasst: Fingerabdrücke, Gesicht, Iris, Mimik, Gestik, Vitalwerte von der Herzfrequenz bis zur Venenstruktur, unsere individuelle Art und Weise der Bewegung - alles wird digitalisiert, gespeichert, analysiert und je nach Umständen für oder gegen uns verwendet. Ob wir unser Smartphone entsperren oder einen Personalausweis beantragen - ohne biometrische Vermessung geht kaum noch etwas heutzutage. Dadurch entsteht im Computer eine digitale Identität, die uns zum Verwechseln ähnlich ist. Die damit verbundenen Gefahren sind enorm.
Unsere biometrische Erfassung schafft eine völlig neue Dimension der Abhängigkeit. Unsere unveränderlichen Körpermerkmale werden genutzt, um in den Datensilos eine Schattenidentität für jeden von uns anzulegen. Was kaum bedacht wird: Diese digitalen Identitäten lassen sich ebenso wie PINs oder Passworte stehlen, manipulieren und missbrauchen. Aber wir können unsere Fingerabdrücke, unser Gesicht, unsere Mimik, unsere Gestik, die Art und Weise, in der wir uns bewegen, nicht verändern. Es sind unsere ureigenen körperlichen Charakteristika.
Doch es geht nicht nur um die biometrische Vermessung unseres Körpers. Es geht darüber hinaus um zwei weitere Dimensionen: die Erfassung unseres Gehirns, also unseres Denkens, und die allmähliche Verschmelzung von Mensch und Maschine. Im vorliegenden Buch werden alle diese Dimensionen dargestellt und in ihren Auswirkungen analysiert.
Andreas Dripke
Andreas Dripke is Chairman of the UN think tank Diplomatic Council and author of numerous non-fiction books.
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Book preview
Die biometrische Vermessung der Menschheit - Andreas Dripke
Inhalt
Vorwort
Digitale Fingerabdrücke
Vom Verbrecher zum Normalbürger
Firmen erfassen unsere Fingerabdrücke
Sieg der Bequemlichkeit
Fehlfunktionen und Missbrauch
Automatische Gesichtserkennung
Unsere Gefühle werden erkannt
Von der Erkennung zur Interpretation der Mimik
Geräte wissen, was wir denken
Digitaler Zugang zu unserer Gefühlswelt
Gesichtserkennung in den Netzen
Datenschutz und Dummdreistigkeit
Facebook erstellt eine Identitätsmarke
Unklarer Umgang mit Fehlerkennungen
Bequemlichkeit siegt
Unser Gesicht öffentlich und privat
Kameras und Mikrofone in den eigenen vier Wänden
Alexa, Alexa, Alexa
Spion zu Hause
Vorboten des Smart Home
Nutzen und Risiken kennen
Gesichtserkennung auf dem Vormarsch
Versuchsprojekt Bahnhof Berlin-Südkreuz
Anwälte bemängeln fehlende Rechtsgrundlage
Tausende von Kameras in Hunderten von Bahnhöfen
Ausweis mit Onlinefunktion
Der Fall Billie Hoffmann
Peng! und Federica Mogherini
Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht
Grundlegende gesellschaftliche Debatte
Für den Bürger unüberschaubare Entwicklungen
Von den Lippen ablesen
Computer lesen besser als Menschen
Stumme Sprache für mehr Sicherheit
Gestensteuerung
Sprach- und Gestensteuerung kombiniert
Was wir meinen, denken und fühlen
Venen im Visier
Vein-ID ist schon patentiert
Erster anerkannter Cyborg der Welt
Überwachung im Schlaf
Wearables überwachen unsere Vitalwerte
Medizinische Massenstudien mit wenig Aufwand
Trügerische Freiwilligkeit
Digitales Gesundheitswesen
Die nächste medizinische Revolution ist digital
Freiwillige Daten für den „Digital-Doktor"
Designerprodukte gegen Bürokratie
Völlig neue Geschäftsmodelle
Unterwäsche mit digitalen Textilien
Apple & Co mit eigenen Krankenhäusern
Der biometrische Ausweis
Biometrisches Passbild ist Pflicht
Strenge Vorgaben für die Biometrietauglichkeit
Selbst der Hintergrund ist wichtig
Hochwertige Fotoqualität erforderlich
Kinder und Babys werden biometrisch erfasst
Personalausweis funkt die Daten
Behördlicher Computerabgleich
Missbrauch ausgeschlossen, oder?
Ausweislesegeräte bei Amazon ab 15 Euro
Alufolie gegen ungewolltes Auslesen
Zerstörung des Chips ist strafbar
Funkchips in unserem Körper
Geldscheine mit Funkchips
Unsere Kleidung funkt
Jeder dritte Deutsche will einen Hautchip
Gefahr des Irrtums
Gefahr des Irrtums ist groß und real
Paradies auf Erden für die Polizei
Allianz von Digitalwirtschaft und Staatsmacht
Smarte Wohnkomplexe in China als Vorbild
Datenbank mit drei Milliarden Personenfotos
Deutschland und der Weihnachtsmann
Grimmiger Gesichtsausdruck enttarnt Terroristen
Terror-Biometrie
Frontex deckt Missbrauch im Schengenraum auf
Größte biometrische Datenbank ist unsicher
Der „Islamische Staat" formt Fingerabdrücke
Trugschluss der 100-prozentigen Sicherheit
In den falschen Händen für immer verloren
Wo wir sind und wen wir treffen
Gewaltigstes Überwachungssystem der Welt
Apple und Google gegen die Bundesregierung
Wer entscheidet: Konzerne oder Staaten?
Totale Überwachung voraus
Umkehrung der Beweislast
Perfektion wird vorgegaukelt
Social Scoring als Lösung?
Mehr Sicherheit statt Überwachungsstaat
Der Bio-Mensch
Hautchips sind keine große Sache
Drei Wege zum Chip unter der Haut
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Hautchips
Kontaktlinsen mit Augmented Reality
Das Paradies vor Augen
Das Judas Mandala
Cinema of the Future
Langzeitstudien am Menschen gibt es nicht
Man muss es erleben, um es zu verstehen
Von der Nische zum Massenphänomen
Ein neues Gefühl
Die vierte digitale Revolutionswelle
Von der Brille zur Linse im Auge
Das Auge wird zum Bildschirm umfunktioniert
Von der Horrorvision zur Normalität
Biometrische Identitäten
Identifizierung über alle Grenzen hinweg
Projekt ID2020
Impfnachweis als Vorbote der digitalen Identität
Quantenpunkt-Tattoo
„The Known Traveller Digital Identity"
Zerrbild des mündigen Weltbürgers
Digitale biometrische Identität auf Lebenszeit
Daten und Denken im Visier
Ausspähen ist strafbar
Datenschutz – was ist das?
Werden die Daten geschützt oder die Menschen?
Grundrecht auf eigene Persönlichkeit
Datenschutz als Rechtslücke im Grundgesetz
Gefahr des Panoptismus
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
Hilflose Gesetzgeber
Daten sind der Rohstoff der Digitalwirtschaft
Plattformkapitalismus und Persönlichkeitsprofile
Spionage als Geschäftsmodell
Von Google zur NSA zum BND
Charta der digitalen Grundrechte
Social Media: Wir werden manipuliert
Mainstream-Medien besser als ihr Ruf
Alternative Wahrheiten
Sternstunde der Storyteller
Dunning-Kruger und Social Bots
„Mit eigenen Augen gesehen"
Geister-Menschen
Überwachung unvermeidbar und unumkehrbar
Intelligente Humanoide im Anmarsch
Roboter mit Künstlicher Intelligenz
Evolution des postbiologischen Lebens
Software und Künstliche Intelligenz
Maschinen denken besser als der klügste Mensch
Software frisst die Welt
Dem Menschen ebenbürtige Intelligenz
Ein Menschheitstraum
Antworten auf die Fragen der nächsten Dekaden
Robotergesetze
Ausblick
Wir gewöhnen uns an alles
Beschleunigungsfaktor Corona
Digitale Disruption voraus
Über die Autoren
Bücher im DC Verlag
Über das Diplomatic Council
Quellenangaben und Anmerkungen
Vorwort
Wer früher seine Fingerabdrücke abgeben musste, wurde eines Verbrechens verdächtigt. Heute geben Millionen von Menschen tagtäglich ihre digitalen Fingerabdrücke ab, um ihr Smartphone zu entsperren. Die meisten von ihnen sind keine Verbrecher, die wenigsten werden eines Verbrechens verdächtigt. Doch es ist längst nicht bei den Fingerabdrücken geblieben.
Wer heute einen Personalausweis oder Reisepass beantragt, muss sich gefallen lassen, dass sein Gesicht in ein sogenanntes biometrisches Foto gepresst wird. Das hat gravierende Auswirkungen: Das biometrische Porträt kann ebenso wie der digitale Fingerabdruck von Computern automatisch gelesen werden. Die automatische Gesichtserkennung auf Ausweisen, beim Entsperren von Smartphones, in sozialen Netzwerken und nicht zuletzt im öffentlichen Raum macht uns alle gläsern.
Die biometrische Erfassung der Menschheit ist in vollem Gange. Unsere Fingerabdrücke, unser Gesicht, unsere Iris, unsere Vitalwerte von der Herzfrequenz bis zur Venenstruktur, unsere Mimik, unsere Gestik, unsere individuelle Art und Weise zu laufen… alles, alles wird erfasst, digitalisiert, gespeichert, analysiert und je nach Umständen für oder gegen uns verwendet.
Wenn wir eine PIN vergessen, ein Passwort verlieren oder uns beides gestohlen wird, lassen wir sie einfach sperren und besorgen uns neue. Aber woher bekommen wir neue Fingerkuppen oder ein neues Gesicht?
Unsere biometrische Erfassung schafft eine völlig neue Dimension der Abhängigkeit, die den meisten von uns gar nicht bewusst ist. Unsere unveränderlichen Körpermerkmale werden genutzt, um in den Datensilos eine Schattenidentität für jeden von uns anzulegen. Was kaum bedacht wird: Diese digitalen Identitäten lassen sich ebenso wie PINs oder Passworte stehlen, manipulieren und missbrauchen. Doch wir können unsere Fingerabdrücke, unser Gesicht, unsere Mimik, unsere Gestik, die Art und Weise, in der wir uns bewegen, nicht verändern. Es sind unsere ureigenen körperlichen Charakteristika.
Doch es geht längst nicht mehr nur um die biometrische Vermessung unseres Körpers, es geht darüber hinausgehend um zwei weitere Dimensionen: die Erfassung unseres Gehirns, also unseres Denkens, und die allmähliche Verschmelzung von Mensch und Maschine. Im vorliegenden Buch werden alle drei Dimensionen dargestellt und in ihren Auswirkungen analysiert.
Andreas Dripke et al.
Digitale Fingerabdrücke
Im Jahre 1858 wurde die Daktyloskopie geboren, die Lehre von den Fingerabdrücken. Es handelt sich dabei um das älteste biometrische Verfahren zur eindeutigen Identifizierung von Menschen.¹ Der britische Kolonialbeamte Sir William James Herschel registrierte in Bengalen (Indien) Zahlungsempfänger anhand ihrer Fingerabdrücke, um Betrug durch Mehrfachauszahlungen zu verhindern. Ihm gebührt also der Verdienst, die erste Fingerabdrucksammlung der Welt angelegt zu haben. Der Mediziner Henry Faulds brachte nach eingehenden Untersuchungen der menschlichen Hautleisten 1880 den Vorschlag, Fingerabdrücke an Tatorten zur Überführung von Verbrechern zu nutzen und dafür alle zehn Finger für die Daktyloskopie zu erfassen.² Es war der Engländer Francis Galton, der das im Wesentlichen heute noch verwendete Klassifizierungssystem der Daktyloskopie entwickelte, das immer noch bei der Polizei weltweit im Einsatz ist.³
Vom Verbrecher zum Normalbürger
Seitdem war klar: Wessen Fingerabdrücke genommen wurden, der gehörte zumindest zum Kreis der Verdächtigen im Zusammenhang mit einem Verbrechen. Doch darüber sind wir längst hinaus. Heute erfolgt die biometrische Vermessung des Menschen weit über Fingerabdrücke hinaus und losgelöst davon, ob wir Schwerverbrecher oder unbescholtene Bürger sind.
Seit 2010 müssen Einreisende in die Vereinigten Staaten die Erfassung der Abdrücke aller zehn Finger über sich ergehen lassen. ⁴ Das sei „keine große Sache", sagte damals Robert A. Mocny, der Leiter des Programms US-Visit im Heimatschutzministerium. Die große Welle der Erfassung biometrischer Daten begann und wird seitdem größer und größer.
Unter biometrische Daten fallen alle äußerlichen Merkmale eines Menschen, die sich nicht oder nur sehr schwer ändern lassen. Dazu gehören nicht nur Fingerabdrücke, sondern beispielsweise auch die Schlüsselmerkmale des Gesichtes wie der Augenabstand und die Iris, also das Innere des Auges.
Firmen erfassen unsere Fingerabdrücke
Waren es früher nur Staaten, allen voran die USA, die Fingerabdrücke im großen Stil sammelten, erfuhr diese Situation im Jahre 2013 schlagartig eine fundamentale Änderung. Apple stellte das iPhone 5s vor, in das ein Fingerabdrucksensor fest verbaut war.⁵ Wer nicht ständig den PIN-Code zum Entsperren des Gerätes eintippen wollte, erfasste einen oder mehrere seiner Fingerabdrücke und konnte fortab einfach durch Auflegen eines Fingers das Gerät nutzen. Als der US-Konzern Apple mit dem Sammeln von Fingerabdrücken begann, gab es einen kurzen Aufschrei von Datenschutzaktivisten, der jedoch rasch verpuffte. ⁶ Seitdem werden die Fingerabdrücke von Millionen von Menschen nicht nur von Staaten, sondern auch von Unternehmen erfasst. Auf Apple folgten rasch Samsung, Huawei und sämtliche anderen namhaften Smartphone-Hersteller. Seitdem gilt es als völlig normal, dass unbescholtene Bürger tagtäglich ihre Fingerabdrücke abgeben.
Sieg der Bequemlichkeit
Es siegte die Bequemlichkeit: Schließlich ist es viel einfacher, seinen Finger kurz auf das Gerät zu legen, statt bei jeder Nutzung den PIN-Code eintippen zu müssen. Die Bequemlichkeit stellt beinahe immer einen Erfolgsgaranten dar, wenn es darum geht, an die Daten der Bürger zu kommen – gleichgültig, ob es sich dabei um Regierungen oder um Unternehmen handelt.
Apple behauptet, dass nicht der Fingerabdruck gespeichert würde, sondern lediglich ein Code (eine Prüfsumme), der aus dem Abdruck generiert wird. Dieser Code soll nicht an Apple übermittelt, sondern nur im jeweiligen Gerät in einem SoC-Baustein (System on a Chip) gespeichert werden. Ob das stimmt oder nicht, ist selbst von Fachleuten nur schwer zu überprüfen. Selbst wenn diese Aussage korrekt sein sollte und Apple tatsächlich besonders hohen Wert darauflegt, die Daten seiner Kunden zu schützen, ist das Schutzniveau bei konkurrierenden Herstellern möglicherweise und vermutlich geringer. Unabhängig davon hat die Erfahrung gezeigt, dass einmal erfasste Daten in der Regel weitergereicht und weiterverwendet werden.
Fehlfunktionen und Missbrauch
Die Fingerabdruckspeicherung verdeutlicht zudem die Problematik von Fehlfunktionen und Missbrauch bei biometrischen Daten. Am 21. September 2013 meldete der Chaos Computer Club (CCC), die Touch-ID-Sicherheitssperre auch ohne einen echten Finger überwunden zu haben.⁷ Dabei wurde ein auf der Displayoberfläche befindlicher Fingerabdruck gescannt. Anschließend wurde der digital nachbearbeitete Scan auf einem Laserdrucker auf eine Transparenzfolie gedruckt, welche als Maske für die