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Aachener Abrechnung: Der sechste Fall für Britta Sander
Aachener Abrechnung: Der sechste Fall für Britta Sander
Aachener Abrechnung: Der sechste Fall für Britta Sander
Ebook410 pages5 hours

Aachener Abrechnung: Der sechste Fall für Britta Sander

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About this ebook

Die Leiche liegt im Luxushotel
Der sechste Fall für Britta Sander

Bei ihrem letzten Auftrag ist Britta Sander zwar nur knapp dem Tod entronnen, und doch hat sie schon wieder alle Hände voll zu tun: Bei einem vermeintlich harmlosen Lockvogel-Auftrag stolpert sie in einem Aachener Luxushotel über die Leiche eines brutal ermordeten Geschäftsmanns mit schlechtem Ruf und zahlreichen Feinden. Gemeinsam mit dem IT-Experten Tahar Karim, ihrem Kollegen Eric Lautenschläger sowie Kriminaloberkommissar Körber stürzt sie sich mit Feuereifer in die Arbeit.
Als der zweite Manager nicht minder brutal ins Jenseits befördert wird, werden die Befürchtungen der Ermittler traurige Gewissheit – der Mörder ist noch lange nicht am Ende.

Unterdessen weht in der Detektei Schniedewitz & Schniedewitz unter der neuen Geschäftsführung ein eiskalter Wind. Statt Teamgeist und Ermittlungsarbeit bestimmen Kasernenhofton und Return-on-Investment den Alltag. Britta und Eric müssen sich entscheiden – zwischen ihren Jobs und der Jagd auf einen rücksichtslosen Killer.
LanguageDeutsch
Release dateMar 22, 2021
ISBN9783954415557
Aachener Abrechnung: Der sechste Fall für Britta Sander

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    Book preview

    Aachener Abrechnung - Ingrid Davis

    FREITAG, 2. MÄRZ

    14:15 Uhr

    Kommissar Körber als Auftragskiller?« Mein Kollege Eric Lautenschläger machte große Augen.

    »Na, wenn ich’s euch doch sage«, grinste ich. »Und das Beste war der Auftritt vor Gericht.«

    »Sie haben ihn angeklagt?«, fragte Steffi entsetzt. »Aber er war doch underco…«

    Als sich die Tür zu Silkes und meinem Büro in der Detektei Schniedewitz & Schniedewitz öffnete, verstummten alle schlagartig, aber es war nur Tahar Karim, der französische IT-Berater der Detektei und mein bester Freund. »Einö conspirativö Versammlung?«, grinste er und schloss leise die Tür hinter sich.

    »Was bleibt uns anderes übrig«, sagte Kollege Marc Achten und zuckte mit den Schultern. »Alles andere wird ja inzwischen feinmaschig überwacht.«

    Seit mein zweitältester Bruder Martin, seines Zeichens dubioser Investor und Finanzjongleur, vor einigen Monaten die Detektei gekauft hatte, wehte hier statt eines kollegialen Lüftchens ein scharfer Wind durch alle Ecken, und unsere neue Geschäftsführerin, die blaue Elise, versuchte grimmig entschlossen, Standard-BWL-Konzepte über unsere Arbeit zu stülpen – ein Unterfangen, bei dem wir so viel Gegenwehr wie möglich an den Tag legten, um unseren Job auch weiterhin so machen zu können, wie er gemacht werden musste.

    Seit ich Anfang der Woche nach fast drei Monaten Krankenhaus, Reha und Genesungsphase wieder zur Arbeit angetreten war, durfte ich live und in Farbe das Elend miterleben, von dem die Kollegen mir schon seit Wochen berichtet hatten. Wir brauchten definitiv einen Plan.

    »Lass mich ratön.« Tahar, der seit der feindlichen Übernahme wieder öfter bei uns ein- und ausging, um die barocke IT-Ausstattung der Detektei auf Vordermann zu bringen, setzte sich auf den letzten freien Stuhl in unserer kleinen Kemenate. Sammy trippelte sofort zu ihm rüber und hüpfte auf Tahars Schoß. »Du erzählst geradö die Geschichtö von Luigi Körbör, Auftragskillör im Dienstö seinör Majestät.« Grinsend lehnte er sich zurück und kraulte den entzückten Sammy hinter den Ohren.

    »LUIGI?«, mädchenquietschte Silke.

    »Mit Sonnenbrille, Brust-Flokati und Goldkettchen«, bestätigte ich.

    Mein Partner, Kriminaloberkommissar Körber, war kurz zuvor zu einem Lockvogeleinsatz abgeordnet worden, bei dem er, getarnt als sizilianischer Auftragsmörder, mitten in der Nacht zu einem finsteren Autobahnrastplatz im Aachener Umfeld fuhr, um dort von einer drallen Mittfünfzigerin einen fünfstelligen Eurobetrag entgegenzunehmen. Im Gegenzug sollte er deren lästig gewordenen Ehemann alsbald um die Ecke bringen.

    »Und was war dann bei Gericht?«, fragte Eric gespannt.

    »Naja, Körber musste natürlich als Zeuge aussagen. Und zur Aussage ist er dann nicht im Auftragskillerdress erschienen, sondern in normalen Klamotten …«

    »… dafür aber mit gewohnt finsterem Blick«, gluckste Marc.

    »Genau so«, bestätigte ich belustigt. »Als der Staatsanwalt an der Reihe war, sagte er zur Angeklagten: ›Haben Sie allen Ernstes diesen aufrechten Staatsdiener, diesen unbescholtenen Polizeibeamten für einen Auftragsmörder gehalten?‹ Dann hat er sich Körber genauer angeguckt, der mit seinen schwarzen Augen wie immer finster vor sich hinstarrte, und schloss mit den Worten: ›Bei näherem Hinsehen … ich ziehe die Frage zurück.‹«

    Unser schallendes Gelächter wurde von einem abrupten Öffnen der Bürotür unterbrochen, und diesmal war es unsere neue Geschäftsführerin, die blaue Elise höchstpersönlich, die blonden Haare wie immer zu einem schmerzhaft festen Dutt nach hinten gezogen und im unausweichlichen blauen Kostüm. Sie ließ ihren hochnäsigen Blick über die fröhliche Runde gleiten und sagte eisig: »Das hätte ich mir denken können. Kaum ist die Rädelsführerin wieder da, werden Maulaffen feilgehalten, und die Arbeit bleibt liegen. Frau Zurek«, blaffte sie Steffi, ihre Assistentin, an, »Sie begeben sich auf der Stelle wieder an Ihren Arbeitsplatz. Dass ich Post an der Tür entgegennehmen muss, wird sich nicht wiederholen. Haben wir uns verstanden?!«

    Damit pfefferte sie mit erstaunlicher Treffsicherheit einen cremefarbenen Umschlag von der Tür aus auf meinen Schreibtisch und sagte im Umdrehen: »Und den Rest von Ihnen will ich in zwei Sekunden wieder an Ihren Plätzen sehen.« Dann stakste sie davon, wartete aber ganz offensichtlich, bis zumindest Steffi, Piet und Marc sich wieder an ihre Schreibtische getrollt hatten, und knallte dann ihre Bürotür geräuschvoll hinter sich zu.

    »Willkommen beim Arbeitgeber des Jahres«, seufzte Eric, wandte aber die Augen nicht von dem edlen Umschlag aus handgeschöpftem Büttenpapier ab, der mit dem Rücken nach oben auf meinem Schreibtisch lag. Schon bevor ich ihn umdrehte, wussten wir, dass auf der Vorderseite in blutroter Tinte mein Name stehen und statt eines Absenders eine Zeichnung einer venezianischen Augenmaske die linke obere Ecke des Umschlags zieren würde.

    »Ich hatte mich schon gefragt, ob die sich in diesem Leben noch mal melden«, murmelte ich versonnen, als ich den Umschlag öffnete und den ebenfalls cremefarbenen Briefbogen herauszog.

    Tahar setzte Sammy sanft auf den Boden, stand leise auf und schloss unsere Bürotür. Kaum hatte er sich wieder niedergelassen, da war Sammy schon wieder zur Stelle und hüpfte zurück auf Tahars Schoß. »Alors?«, fragte er ungeduldig, während ich den Text überflog.

    »Meine Herren, ich glaube, wir kommen endlich einen Schritt weiter im großen Rätsel um die geheimnisvolle Gilde der Unsichtbaren.«

    Besagte Gilde hatte mir im Laufe der letzten Monate nacheinander erst eine schwarze Augenmaske, einen edlen, grauen Umhang und eine blutrote Spange zukommen lassen, ohne dass ich gewusst hätte, was es mit den Gegenständen, geschweige denn der Gilde, auf sich hatte. Schließlich hatten sie mir im vergangenen Oktober die Namen zweier vermisster Straßenjugendlicher zugespielt, zusammen mit einem üppigen Honorar und dem Auftrag herauszufinden, was mit den beiden jungen Frauen geschehen war.

    Unsere Ermittlungen hatten uns sehr schnell auf die Spur des gefährlichsten Killers gebracht, den Aachen je gesehen hatte. Der hatte im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre achtzehn junge Frauen entführt, gefoltert und getötet. Karin Franke, sein neunzehntes Opfer, und ich selbst waren dem Monster nur dank des beherzten Eingreifens von Ex-Gangsterboss Tom Hartwig entkommen. Tom Hartwig, der seit vier Monaten in Untersuchungshaft saß und auf seinen Prozess wartete, weil er den Killer getötet hatte, um mich zu beschützen.

    Ich reichte Eric und Tahar das Schreiben, und gemeinsam beugten sie die Köpfe darüber.

    Einladung

    Die Gilde der Unsichtbaren gibt sich die Ehre,

    Frau Britta Franziska Sander

    zu einer außerordentlichen Versammlung der Gilde

    am ersten Tag

    des vierten Monats

    zur dreiundzwanzigsten Stunde

    einzuladen.

    Die Geladene erscheint unbewaffnet und ohne

    mobile Mittel der Kommunikation.

    Die zugestellten Gilde-Insignien sind mitzuführen.

    Die Geladene findet sich zur angegebenen Zeit

    an diesem Ort ein:

    Hochachtungsvoll

    Die Präfektin

    Eric kratzte sich am Kopf. »Also wenn die Gilde uns nicht auf die Spur des Postkartenkillers geführt hätte, würde man doch jetzt endgültig denken, die sind vollkommen durchgeknallt, oder? Bitte finden Sie sich Samstagnacht ohne Handy, aber mit Maske und Umhang beim geheimnisvollen Dreieck ein, noch dazu am ersten April. Schöne Grüße von der maskierten Präfektin, die nicht nur unsichtbar ist, sondern es auch für unnötig hält, ihren Namen zu nennen, ganz zu schweigen von der nicht ganz unerheblichen Information, wo denn dieses geheimnisvolle Rendezvous bitte schön stattfinden soll? Jetzt doch mal im Ernst. Ist das ein besonders schlechter Aprilscherz oder hat da jemand zu viele Mantel-und-Degen-Romane gelesen?«

    »Sag mal nichts gegön Mantöl-und-Degön-Romanö. Die drei Musketierö war als Kind eins meinör Lieblingsbüchör. Ich wartö immör noch auf die Gelegenheit, mal den D’Artagnan zu gebön«, grinste Tahar. »Wenn ich mir rechtzeitig Hut, Umhang und Degön besorgö, könntö ich als Leibgardö mitgehön.« Er deutete im Sitzen eine elegante Verneigung an. »Zumal es mich ohnö Endö fuchst, dass ich bisher nichts, abör auch gar nichts übör die Gildö in Erfahrung bringön konntö. So was ist mir noch nie passiert!«

    »Aus Van Helsing hast du auch nichts rausgekriegt?«, fragte ich. Immerhin wussten wir, dass Tahars Studienfreund und IT-Berater-Kollege in irgendeiner Form als Administrator für die Gilde tätig war.

    Tahar schüttelte den schwarzen Lockenkopf. »Selbst die Androhung einör hochnotpeinlichön Befragung hat nichts ergebön. Er sagt die ganzö Zeit nur: ›Gut Ding will Weilö habön.‹ Ich glaubö, wenn ich das noch einmal hörön muss, bring ich ihn um«, seufzte er.

    Eric musterte mich kritisch. »Du hast nicht etwa vor, diese seltsame Einladung anzunehmen?«

    »Naja, wie soll ich denn sonst herauskriegen, wer dahintersteckt, und vor allem, was sie diesmal von mir wollen?«

    »Vielleicht wollön sie dir noch eine Nachzahlung überreichön«, spekulierte Tahar, »einö Gefahrenzulagö wärö ja für den letztön Fall mehr als angemessön.«

    »Oder irgendein Irrer hat die Nase an die Geschichte mit der Gilde bekommen, und will sie in eine Falle locken«, unkte Eric.

    »Ach, Herr Lautenschläger, wo bleibt denn Ihr Sinn für Abenteuer?«, zwinkerte ich. »Außerdem – solange wir nicht wissen, was dieses komische Dreieck bedeuten soll, kann dahinter stecken wer will. Ohne dieses Rätsel zu lösen, gehe ich ganz sicher nirgendwo hin. Also schärft mal eure Denkorgane und lasst die Ideen sprudeln. Ist zwar noch ein bisschen hin, aber der frühe Vogel fängt bekanntlich den Wurm.«

    Tahar und Eric warfen sich einen Verschwörerblick zu, der mir hätte zu denken geben sollen.

    »Also, mir fällt bei diesön Buchstabön als Erstös ein Kleidungsstück ein«, sagte Tahar.

    »Tatsächlich?«, Eric blickte ratlos auf den Briefbogen. »Welches denn?«

    »BH, Körbchengrößö D«, gab Tahar trocken zurück.

    Ich seufzte. »Ich wusste, es war ein Fehler, euch zu fragen.«

    »Vielleicht ist das ja ein magisches Dreieck«, strahlte Eric. »Wenn du es ausschneidest und dir auf die Stirn klebst, weist es dir mit seinem Licht den Weg zum Treff…«

    »Spinner, alle beide. Vielleicht macht ihr euch mal ernsthaft Gedanken darüber, was gemeint sein könnte?« Ich stand auf und rupfte Tahar die Einladung aus der Hand.

    »Das Bermuda-Dreieck vielleicht?«, schlug Eric vor, der immer noch grinste wie ein Honigkuchenpferd.

    »Wie wärö es denn mit einöm Musikgeschäft? Das sieht doch aus wie einö Triangöl«, spekulierte Tahar.

    »Was ist denn mit einem Unternehmenslogo?«, grübelte ich. »Welche Firmen kennen wir denn, die ein Dreieck im Logo haben?«

    »Apollinaris«, sagte Eric.

    »Mitsubishi«, sagte Tahar.

    »Das kann man jedenfalls als Dreieck auslegen«, stimmte ich zu. »Aber wahrscheinlich würden wir doch eher von einem Aachener Unternehmen ausgehen, oder?« Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und tippte ein paar Suchbegriffe in den Browser ein. »Hm, Steuerberater, Werkzeugbau, der TÜV und noch ein paar andere. Wieso überfällt mich nur bei keinem davon das Gefühl, dass die was mit der Gilde der Unsichtbaren zu tun haben.«

    »Die Bundesagentur für Arbeit hat auch ein Logo, das wie ein Dreieck aussieht«, sagte Eric. »Nicht direkt ein Aachener Unternehmen, aber immerhin haben wir ja an der Roermonder Straße eine Niederlassung.«

    »Sag mal …«, Tahar schien Erics letzte Anmerkung nicht gehört zu haben und streckte die Hand nach dem Blatt aus. Ich reichte es ihm wieder. »Diesö Maskö hier unten unter der Unterschrift. Sind nicht Maskön häufig ein Symbol fürs Theatör?«

    Ich überlegte kurz. »Gar nicht mal so doof, Herr Karim. Und was sitzt beim Stadttheater oben auf den acht Säulen über dem Eingang?«

    »Ein Dreieck«, freute sich Eric. »Allerdings kein gleichschenkliges wie in der Einladung.«

    »Fragt sich nur, ob es um das Symbol Dreieck geht oder ob auch die tatsächliche Ausprägung eine Rolle spielt. Könnte aber schon einen Sinn ergeben mit dem Theater. Die Schauspieler sind ja alles andere als unsichtbar, aber hinter den Kulissen gibt es ja jede Menge Leute, die man als Besucher nie zu Gesicht bekommt«, grübelte ich.

    »Und die probön jetzt den Zwergenaufstand odör wie?«, gackerte Tahar. »Mit Britta als Anführerin in Schillörs Die Räuberinnön

    »Das wäre zumindest mal ’ne Überlegung wert«, grinste ich. »Sind ja nicht umsonst die Bretter, die die Welt bedeuten.«

    »Ich glaube, Sie haben da was missverstanden, Frau Sander. Wenn wir von den Unsichtbaren im Theater reden, sollten Sie eher in Richtung Kloschüsseln reinigen und die Garderobe aufhängen denken. Ihr Traumberuf – wo Ihnen doch Putzen und Ordnung halten so liegen«, grinste Eric frech.

    »Tuppes. Wenn das Stadttheater gemeint ist, ist nur die Frage, wofür die drei Buchstaben stehen. Die müssen doch auch was zu bedeuten haben. Und die Maske steht zwar auf dem Brief, aber nicht in direktem Zusammenhang mit dem Dreieck«, überlegte ich.

    »Und die zweitö Fragö ist, ob die drei Buchstabön jeweils einzöln für etwas stehön odör ob die nur zusammön gelesön einö Bedeutung habön.«

    »Und wenn sie zusammen eine Abkürzung für etwas ergeben, fragt sich, in welcher Richtung sie zu lesen sind – im oder gegen den Uhrzeigersinn«, ergänzte ich.

    »Und welcher der drei Buchstaben der Anfangspunkt für die Abkürzung ist«, sagte Eric.

    * * *

    Nachdem Tahar eilig aufgebrochen war, um zu einem Kundentermin zu fahren, den er beinahe verschwitzt hätte, warfen Eric und ich noch ein paar Ideen hin und her und beschlossen dann, getrennt weiter zu puzzeln, in der Hoffnung, dass wir so schneller zu einem Ergebnis kommen würden. Was Interessanteres hatten wir momentan sowieso nicht zu tun.

    Den Treffpunkt nicht einfach auf die Einladung zu schreiben, sondern in einem Symbol auszudrücken, war gar nicht mal so dumm. Man beschäftigte sich nicht mehr so sehr damit, ob man überhaupt hingehen, sondern mit der Frage, wo zum Henker man sich denn überhaupt einfinden sollte.

    Das Puzzeln mit den diversen Buchstabenkombinationen, die sich aus einer Lesart im oder gegen den Uhrzeigersinn und mit jeweils anderem ersten Buchstaben ergaben, trug definitiv zu meiner Allgemeinbildung bei. Dass »BHD« neben dem Birt-Hogg-Dubé-Syndrom auch für eine Selbsthilfeeinrichtung für Landwirte stand, wusste ich vorher ebenso wenig wie dass sich hinter »HDB« der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie verbarg oder die Hamburger Football-Mannschaft Blue Devils hinter »HBD«. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) half mir ebenso wenig weiter, und dass ich mich Samstagnacht wahlweise beim Deutschen Handballbund oder beim Deutschen Hockey-Bund einfinden sollte, hielt ich dann doch für eher unwahrscheinlich. Zu den verschiedenen Buchstabenkombinationen gab es jeweils auch einige Firmen, die diese entweder in ihren Namen aufgenommen hatten oder als Abkürzung verwendeten. Auch hier lachte mich nichts an, was meinen Puls beschleunigt hätte.

    Gegen vier winkte ich Silke abwesend zu, als sie aufbrach, um sich für ihren abendlichen Einsatz schick zu machen. Die blaue Elise hatte kurz nach ihrem Amtsantritt nicht nur die Webseite der Detektei von Grund auf neu gestalten lassen – was zugegebenermaßen eine gute Idee war –, sondern sie hatte auch einen für uns ganz neuen Bereich ins Firmenportfolio aufgenommen, bei dem sich die Begeisterung der Belegschaft sehr in Grenzen hielt: Lockvogeldienste.

    Was in anderen Detekteien bereits seit Jahren zum Alltagsgeschäft gehörte, war uns bisher erspart geblieben, aber unter der blauen Elise gab es keine Gnade mehr. Wollte ein Klient oder eine Klientin die Treue ihres Partners, seiner Verlobten oder Ehegattin aktiv auf die Probe gestellt wissen, war die Detektei Schniedewitz & Schniedewitz jetzt ganz vorne mit dabei. Silke machte diese Art von Job nicht gerne, hatte sich allerdings, nach allem, was ich gehört hatte, inzwischen als echtes Naturtalent erwiesen, und lebhafte Mund-zu-Mund-Propaganda unserer Klienten hatte sie innerhalb weniger Wochen zu einer äußerst gefragten Spezialistin gemacht. Ich war nur froh, dass man mich mit dieser Art von Job bisher verschont hatte.

    Silke war noch keine fünf Minuten weg, als die Buchstabenkombination »DBH« außer Dopamin Beta-Hydroxylase auch ein Ergebnis produzierte, das mich aufmerken ließ: Der Fachverband für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik e. V. Ich klickte durch die Website, um mir ein Bild davon zu machen, mit welchen Themen der Fachverband sich so beschäftigte, aber mein anfänglicher Enthusiasmus verflog recht schnell wieder. Zwar verfolgte der Verband mit seinem Engagement sehr löbliche Ziele wie Kriminalprävention, Straffälligenhilfe und Täter-Opfer-Ausgleich und war damit der erste Suchtreffer mit einer Verbindung zu meinem Beruf, aber mir wollte so recht nichts einfallen, was zu der geheimnisvollen Einladung und der Gilde der Unsichtbaren gepasst hätte. Der Verband war alles andere als unsichtbar. Räumlich gesehen kam er wiederum vielleicht in Frage, denn so weit war es nun nicht von Aachen nach Köln, aber überzeugt war ich noch nicht. Da passte Erics Idee mit dem Aachener Stadttheater viel eher.

    Also suchte ich weiter, und als ich diejenigen durchsah, die für die einzelnen Buchstabenkombinationen plus »Aachen« ausgeworfen wurden, sah ich endlich ein Lichtlein am Ende des Tunnels. Kurze Zeit später tauchte Eric im Türrahmen auf.

    »Zwei Doofe, ein Gedanke?«, fragte ich, während ich die letzte gefundene Adresse in meine Notizen kopierte.

    »Vermutlich«, sagte Eric und ließ sich auf Silkes verwaistem Schreibtischstuhl nieder. »Den Burtscheider Malerbetrieb lassen wir erst mal außer Acht, oder?«

    Ich nickte. »Sehe ich auch so. Aber das Don-Bosco-Haus in der Robert-Koch-Straße klingt interessant.« Das Don-Bosco-Haus gehörte der Caritas und war ein Übergangswohnheim für Menschen in schwierigen sozialen Situationen. »Die Frage ist nur, ob sich eher die Betreuer oder die Bewohner als ›unsichtbar‹ definieren würden.«

    »Vielleicht sogar beide«, sagte Eric nachdenklich. »Suchtkranke oder Menschen mit anderen schwerwiegenden Problemen werden in unserer Leistungsgesellschaft ja gerne an den Rand geschoben. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und die Leute, die sich mit Herzblut um diese Menschen kümmern, sind infolgedessen auch nicht gerade im zentralen Blickfeld.«

    »Da ist was dran. Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus am Kronenberg passt von der Buchstabenkombination her auch, allerdings frag ich mich, wer sich in einer evangelischen Kirchengemeinde als unsichtbar einstufen würde. Da fällt mir ehrlich gesagt nichts ein.«

    »Das Einzige, was mir aufgefallen ist, ist dass beide Häuser kirchlich sind – das eine katholisch, das andere evangelisch.«

    »Vielleicht ist die Gilde der Unsichtbaren ja ökumenisch, und das Motto lautet: »Lasst uns alle zusammen unsichtbar sein. Aber wer ist in einer Kirche unsichtbar?«

    »Der Heilige Geist«, grinste Eric.

    »Ja schon, aber kannst du mir mal verraten, mit wem der eine Gilde aufmachen soll?«

    »Stimmt, selbst mit den anderen beiden Kollegen aus der Dreifaltigkeit reicht’s noch nicht für einen eingetragenen Verein.«

    Ich klickte auf ein weiteres Ergebnis und seufzte. »Naja, ist auch egal, das Bonhoeffer-Haus wird nämlich abgerissen, da werden stattdessen Studentenwohnungen gebaut.«

    »Ansonsten hätte ich noch den Bundesverband Rehabilitation, Kreisverband Aachen zu bieten«, ging Eric unverzagt seine Liste weiter durch. »Allerdings wird für die nur eine Bonner Adresse angegeben. Das kann’s also eigentlich auch nicht sein …«

    »… und den Bundesverband Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen in Laurensberg. Das ist aber das falsche Sinnesorgan, oder? Würden die nicht eher eine Gilde der Unhörbaren gründen?«

    »Es sei denn, man wendet die gleiche Logik an wie bei den Suchtkranken. Menschen mit Beeinträchtigungen, egal ob sozial oder gesundheitlich …« Wirklich überzeugt klang Eric allerdings auch nicht.

    »Alles denkbar«, grübelte ich. »Aber nirgendwo taucht ein Dreieck auf. Vielleicht gibt es unter diesen verschiedenen Kandidaten Dreiecksbeziehungen? Vielleicht arbeiten die zu dritt zusammen?«

    »Möglich, aber wo wäre dann der Ort, an dem du dich einfinden sollst?«

    In dem Moment klingelte es an der Tür. Da Steffi bereits das Weite gesucht hatte und von der blauen Elise kein Türdienst zu erwarten war, rappelte ich mich seufzend hoch, tappte in den Flur und drückte den Türöffner. Wenige Minuten später kam Körber die Treppe hoch.

    »Nanu, was machst du denn hier, Schatziputzi«, sagte ich erfreut und küsste ihn, bevor ich die Tür hinter ihm zumachte und ihn eilig in mein Büro winkte.

    »Ich dachte, ich leite unser romantisches Wochenende ein, indem ich dich aus den Klauen des blauen Ameisenbärs mit Dutt befreie, und zum Dank bist du mir dann bis Montag zu Willen«, sagte er mit einem seltenen Grinsen auf dem Gesicht.

    »Wer ist hier wem zu Willen?«, fragte Eric, und Körber bekam prompt rote Ohren.

    »Ach, der Kollege Lautenschläger ist auch noch da«, brummte er, als sein Blick auf den Briefbogen mit der Einladung fiel. Mit zwei Schritten war er an meinem Schreibtisch und schnappte sich die Einladung, die er mit finsterer Miene durchlas. Eric schloss leise die Bürotür.

    Körber sah auf und knurrte: »Wann ist die denn gekommen?«

    »Heute Mittag, wie immer mit unsichtbarem Boten.« Ich reichte ihm den Briefumschlag.

    »Immerhin«, brummte er, »inzwischen kommen sie auch mal tagsüber aus der Deckung. Beim nächsten Mal erwischen wir sie vielleicht endlich mal.«

    »Wieso beim nächsten Mal?«

    »Wenn sie die nächste Einladung vorbeibringen, weil du dieser hier nicht folgst.« Er stutzte und fixierte mich mit zusammengekniffenen Augen. »Du willst doch da nicht etwa hingehen?«, knurrte er.

    »Doch, klar, wenn ich nur wüsste, wo dieser vermaledeite Treffpunkt sein soll«, seufzte ich.

    Körber sah Eric und mich entgeistert an und stöhnte. »Nee, ne?«

    »Wie? Nee, ne?«, fragte Eric. »Dass sie hingehen will oder dass wir nicht wissen, wo hin?«

    Körber schnaubte amüsiert durch die Nase. »Beides.«

    Eric und ich tauschten einen irritierten Blick.

    »Also der Herr Lautenschläger hat ja wenigstens noch die Ausrede, kein gebürtiger Öcher zu sein«, sagte Körber mit sichtlicher Erheiterung ob der großen Fragezeichen über unseren Köpfen. »Ihr seid mir vielleicht zwei Superdetektive. In Erdkunde wohl nicht aufgepasst, wie?«

    Dummerweise hatte er da nicht ganz unrecht. In Erdkunde hatte ich in der Schule meist unter dem Pult Burg Schreckenstein oder Perry Rhodan gelesen. Offensichtlich rächte sich das jetzt.

    »Erdkunde?«

    Körber ließ sich auf meinen Schreibtischstuhl plumpsen. »Ja Herrschaftszeiten, was hat denn hier in der Region drei Ecken?«

    Als es mir endlich wie Schuppen aus dem Kragen fiel, klatschte ich mir mit der flachen Hand vor die Stirn. »Das Dreiländereck – Belgien, Holland, Deutschland.«

    »Also das ist nicht fair«, protestierte Eric. »Da hätte ein N stehen müssen, für Niederlande, kein H für Holland.«

    »Immer diese Zugereisten«, brummte Körber und fügte erklärend hinzu: »Der Öcher sagt doch viel eher Holland als Niederlande, Eric. Außerdem hätte sonst womöglich die Gefahr bestanden, dass ihr dem BND auf die Pelle rückt. Die Gilde wollte wohl kein Risiko eingehen, dass ihr die Geheimdienste lahmlegt.«

    »Unverschämtheit«, grinste ich. »Aber was soll ich sagen – durch die unbürokratische Lösung brauche ich nicht weiter zu rätseln, und du hast beste Chancen, dass dir ausnahmsweise mal jemand zu Willen …«

    Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte.

    »Das wär jetzt auch zu schön gewesen«, seufzte Körber, als ich den Hörer abhob.

    »Detektei Schniedewitz & Schniedewitz, Britta Sander am Apparat.«

    »Britta?«, schluchzte es aus dem Hörer.

    »Silke? Ist was passiert?«, fragte ich erschrocken.

    »Wie man’s nimmt«, schnüffelte sie, »ich bin in der Notaufnahme …«

    »WAS?! Wo? Ich mach mich gleich auf den Weg!«

    »Nein, halt, stopp! Ist ja nur ein Knöchelbruch.«

    »Ach du Scheiße, wie hast du das denn gemacht?«

    »Ich bin mit dem Stöckelabsatz in den Teppichfransen hängen geblieben, umgeklinkt und total blöd aufgekommen.«

    »Ich sag’s ja immer, Stöckelschuhe gehören verboten. Allerdings hätte ich gewettet, dass garantiert ich mir zuerst auf den blöden Dingern die Haxen breche.«

    Ich hörte, wie sie unter Tränen lachte. »Ich auch.«

    »Bist du alleine? Soll ich kommen?«

    »Nein, alles okay, Otmar ist hier, der hat mich auch hergebracht. Aber der Termin heute Abend«, schniefte sie, »da kann ich doch jetzt nicht hin.«

    O nein. Der verdammte Lockvogel-Termin!

    »Ach, das ist doch gar kein Problem«, log ich tapfer, während ich in Erics und Körbers Richtung die Augen verdrehte, »den kann ich doch übernehmen.«

    »Wirklich? Ach Britta, du bist ein Schatz.«

    »Ich weiß«, grinste ich, »und ich sage dir, das wird ein Abend, an den man sich im Hotel Am Waldstadion noch lange erinnern wird.«

    Dummerweise sollte ich damit mehr recht behalten, als mir lieb war.

    * * *

    Statt eines romantischen Candlelight-Dinners mit Körber und der unvermeidlichen Diskussion, ob ich nun die Einladung der Gilde annehmen sollte oder nicht, waren wahrhaft heroische Anstrengungen nötig, noch rechtzeitig zu der Firmenfeier zu kommen, auf der das Opfer meiner Lockvogel-Persona noch nicht ahnte, was ihm blühte.

    Während ich die Schiebetüren des großen Wandschranks hinter meinem Schreibtisch öffnete und nach etwas Passendem an Kleid, Schuhen und Frisur suchte, spulte Silke am Telefon alle Informationen ab, die ich brauchte, um sicherzugehen, dass ich die richtige Person verlockte.

    Eric und Körber schauten sich das Spektakel eine Weile an und verständigten sich dann durch einen kurzen Blick. Körber schob mich sanft auf meinen Bürostuhl und reichte mir mein Handy, auf dem gerade mehrere Fotos der Zielperson eintrafen, und ich begann hastig, mir Notizen zu machen. Eric zauberte derweil mit wenigen Handgriffen ein Ensemble aus dem Verkleidungsschrank und angelte zu meinem Entsetzen auch nach dem pinken Schminkköfferchen, das Silke vor einigen Monaten dort deponiert hatte. Manchmal musste es schnell gehen, und sie hatte vor ihren Einsätzen nicht immer Zeit, noch nach Hause zu fahren und sich zu schminken.

    Während Eric mir dezent den Rücken zudrehte, kletterte ich schnell aus Jeans, T-Shirt und Kapuzenjacke und schlüpfte stattdessen in ein enganliegendes, schwarzes Cocktailkleid mit tiefem Ausschnitt sowie ein dunkelgrünes Bolerojäckchen, eine blickdichte Seidenstrumpfhose, die die hässlichen Narben auf meinem linken Bein verbarg, und flache schwarze Pumps – die niedrigen Absätze waren meine einzige Bedingung gewesen. Ich wollte nicht wenige Stunden später das zweite Bett in Silkes Krankenzimmer belegen.

    »Komisch, sie meckert gar nicht«, kommentierte Körber, dessen Blick wohlwollend auf meinem neuen Aufzug ruhte.

    »Keine Zeit«, knurrte ich, während ich mit der Strumpfhose kämpfte. »Aber eins muss ich dir lassen, Eric. An dir ist echt ein Berater für Damenoberbekleidung verloren gegangen.«

    »Und meine Talente als Visagist erst«, strahlte er, als er sich umdrehte.

    »Wirklich?«, stöhnte ich.

    »Muss sein«, sagte er unerbittlich und zeigte auf meinen Bürostuhl, auf dem ich seufzend Platz nahm. »Spätestens seit dem Postkartenkiller bist du nun wirklich bekannt wie ein bunter Hund.« Er betrachtete mich eine Weile versonnen, schnappte dann das Schminkköfferchen auf, das eigentlich mehr ein Koffer war, und begann, darin herumzukramen. Nachdem er sein Handwerkszeug zurechtgelegt hatte, nahm er mein Kinn in die Hand, drehte meinen Kopf hin und her und murmelte schließlich: »Ja, so geht’s.«

    Dann fing er an, mit diversen Pinseln, Quasten, Stiften und Lippenkrams an mir herumzumalen, und Körbers Augenbrauen wanderten immer mehr in Richtung Haaransatz.

    »Sag mal, Kollege, wo hast du das denn gelernt?«, brummte er beeindruckt.

    Eric pinselte unbeirrt weiter und sagte: »Ich hab einen Kurs gemacht. Schließlich brauchen wir so was schon mal öfter, und was passiert, wenn Britta sich selbst schminkt, habe ich ein paar Mal gesehen.« Er sah Körber an. »Schön war das nicht.«

    »Also sag mal…!«, protestierte ich.

    »Still halten!«, sagte er mahnend und fing an, mit Mascara, Eyeliner und Lidschatten meine Augen zu bearbeiten. »Ich war der einzige Mann im Seminar …«

    »Das kann ich mir vorstellen«, gluckste Körber, der gebannt zuschaute, bis Eric fertig gemalt hatte und sich dann meinen Haaren widmete.

    »Die Haare auch?«, maulte ich.

    »Ja, die Haare auch«, sagte Eric, der großzügig irgendein Stylingzeugs zwischen den Handflächen verrieb und dann anfing, wild in meinen Haaren herumzuwuscheln. »Ich will schließlich nicht umsonst vier Samstage beim Frisör meines Vertrauens über die Schulter geguckt haben.«

    »Ah«, gluckste Körber, »ich seh schon – Irokesenstil à la Lisbeth Salander? Ich weiß ja nicht, ob das die richtige Dynamik für eine Firmenfeier ist.«

    »Also ich finde Lisbeth Salander sehr sympathisch«, sagte ich. »Wenigstens lässt die sich nix gefallen.«

    »So kann man das auch nennen«, brummte Körber amüsiert.

    »So, fertig!«, verkündete Eric, drehte mich samt Stuhl zum großen Spiegel in der Schranktür um. »Wenigstens brauchst du so keine Brille und keine Perücke.«

    Mir fiel die Kinnlade herunter.

    »Ich hätte dich wahrscheinlich nicht erkannt, wenn du mir auf der Straße begegnet wärst«, sagte Körber und klopfte Eric anerkennend auf die Schulter.

    Aus dem Spiegel blickte mir ein Gesicht entgegen, das ich nur bei sehr genauem Hinsehen noch als mein eigenes erkannte. Anders als ich vermutet hatte, war Eric die Verwandlung nicht durch Masse, sondern Klasse gelungen. Er hatte mit seinen diversen Töpfchen an Farben und Substanzen bestimmte Partien meines Gesichts stärker betont, andere hingegen zurückgenommen, und meine Augen so geschickt geschminkt, dass trotz gleicher Gesichtszüge und Knochenstruktur ein völlig neues Bild entstand. Zusammen mit der stylischen Frisur, die er aus meinen verstrubbelten, schwarzen Haaren geformt hatte, konnte ich mich bedenkenlos unters Volk mischen, ohne eine Enttarnung fürchten zu müssen.

    »Zapperlot, Eric! In dir schlummern ja ungeahnte Talente. Vielleicht kannst du aus Körber ja auch noch was machen«, grinste ich, während ich mein neues Aussehen von allen Seiten begutachtete.«

    Ich warf einen letzten zufriedenen Blick in den Spiegel, stand auf, nahm das schwarze Damenhandtäschchen, das Eric mir reichte, und stopfte eilig alles Notwendige hinein. Mein Handy schob ich in die nachträglich eingenähte Innentasche des Bolerojäckchens, wo es zu meiner großen Überraschung nicht auftrug.

    Körber reichte mir eine Dose Pfefferspray. »Falls der Kerl zudringlich wird.«

    »Eigentlich ist das doch der Plan, oder?«, grinste ich und nahm das Spray. »Aber man weiß ja nie – schließlich hat man nicht immer gleich einen Feuerlöscher zur Hand.«

    Sammy lag in seinem Körbchen und verfolgte jede meiner Bewegungen mit aufmerksamen Augen. Als ich einen dunklen Mantel aus dem Schrank nahm und ihn anzog, sprang er auf und kläffte begeistert.

    Ich ging in die Hocke und kraulte ihm das Köpfchen. »Tut mir leid, Sammy, du musst mich heute Abend beim romantischen Abend mit Körber vertreten. Zieh dir was Hübsches an, ja?«

    Sammy wuffte und wedelte mit dem Schwanz.

    Ich küsste Körber zum Abschied, winkte den beiden Herren noch mal zu und klapperte eilig die Treppe runter. Gott sei Dank war es nicht weit bis zum Hotel Am Waldstadion.

    * * *

    18:55 Uhr

    Nur gut, dass wir für unsere Missionen in Verkleidung auch die elegante

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