Faust 1 als Geschichte
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Faust 1 als Geschichte - Susanne Reither
Faust 1
Als Geschichte
Von Susanne Reither
I M P R E S S U M
Faust I als Geschichte
von Susanne Reither
2. Auflage
© 2021 Susanne Reither. Alle Rechte vorbehalten.
Autor: Susanne Reither
office@sannehilf.com
ISBN: 978-3-96931-754-9
Verlag GD Publishing Ltd. & Co KG, Berlin
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
logo_xinxiiDieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.
Inhalt
Widmung
Vorspiel
Einleitung
Der Tragödie erster Teil
Vor dem Tor
Im Studierzimmer
In Auerbachskeller
Hexenküche
Auf der Straße
Abend
Spaziergang
Im Haus der Nachbarin
Auf der Straße
Im Garten
Ein Gartenhaus
Wald und Höhle
Gretchens Zimmer
In Marthes Garten
Beim Brunnen
Beim Bildstock
Vor Gretchens Türe
Im Dom
Walpurgisnacht
An einem trüben Tag
Kerker
Widmung
Goethe widmete Faust die immer wieder auftauchenden und sich ständig verän-dernden Gedanken, die schon zuvor immer wieder seinen Blick getrübt hatten. Sollte er versuchen, sie diesmal festzuhalten? War sein Herz noch immer nicht in der Lage, sich diesem Wahnsinn zu entziehen? Wenn sie so beharrlich waren, dann sollten sie eben zu ihm kommen. Der Moment, in dem diese Gedanken aus dem Dunst des Nebels zu ihm herauf krochen, war auch der Moment, in dem der magische Hauch, der ihr Wesen umgab, seine unwissende Seele ergriff. Sie brachten Erinnerungen, Bilder aus glücklichen Tagen und liebevolle Schatten stiegen auf. Jedoch flammten auch Schmerz und Verzweiflung über den Lauf des Lebens auf, der sich unberechenbar wie in einem Labyrinth bewegte. Sie erzählten auch von den guten Zeiten, die ihm Glück vorgaukelten, die aber schon längst verschwunden waren. Die ersten Seelen, denen seine Lieder gewidmet waren, hatten sie nicht vernommen. Verebbt waren das freundliche Gedränge und die Reaktionen darauf verstummt. Seine Worte wurden von fremden Menschen gehört, aber ihr Beifall stimmte ihn traurig. Was sich sonst noch über seine Töne freuen könnte, irrte, wenn es noch am Leben und auf der ganzen Welt umher verstreut war. Ein schon lange begrabenes Verlangen, nach genau diesem stillen Reich der Geister, beschlich ihn. Sein nur mehr gehauchtes Lied, entschwebte in wahllosen Tönen, wie die einer Windharfe. Zuerst von einem Schauder ergriffen, folgte eine Träne nach der anderen und das steinerne Herz wurde sanft und weich. Das, was er besaß, schien in weite Ferne gerückt zu sein und das, was er verloren hatte, wurde zu seiner unmittelbaren Nähe.
Vorspiel
In einem Theater standen der Direktor, der Theaterdichter und eine lustige Person beisammen. Der Direktor wollte ein neues Stück auf die Bühne bringen, eines das die Kasse des Theaters zum Klingen bringen würde. Da die drei schon harte Zeiten gemeinsam überstanden hatten, ging er davon aus, dass sie in der Beziehung an einem Strang ziehen würden.
Der Direktor wünschte sich, dass die neue Produktion dem Publikum gefallen würde. Nicht nur würde, sondern sie musste dem Publikum gefallen, denn schließlich waren es die Zuschauer, die über Erfolg und Misserfolg entschieden. Diese rieben sich schon voller Vorfreude die Hände und die Bühne für das Spektakel, das alle erwarteten, stand bereit. Der Direktor konnte die Zuschauer schon mit erwartungs-voll hochgezogenen Augenbrauen da sitzen sehen, bereit sich verzaubern zu lassen. Er wusste zwar ganz genau, was die Zuschauer erwarteten, hatte es nur bisher nicht geschafft, diese Erwartungen Wirklich-keit werden zu lassen. Die Menschen waren weder an das Beste gewöhnt, noch Feinschmecker, was das Theater betraf, aber sie hatten viel gelesen. Darum war die Frage aller Fragen, wie man etwas auf die Beine stellen konnte, etwas, das frisch, eben neu war, sie aber um Gottes willen, trotzdem begeistern würde. Der Direktor wollte sehen, wie sich ein Strom aus Menschen in das Theater drängte und sich durch den engen Einlass zwängen musste. Wie sie sich bereits am hellen Tag, vor vier Uhr, mit Ellenbogen zur Kasse kämpfen würden, um sich dort, wie während einer Hungersnot für ein Stück Brot an den Türen der Bäcker, für eine Eintrittskarte fast den Hals brechen würden. Ein solches Wunderding würde die Men-schen beeindrucken. Vom Dichter, seinem lieben Freund, forderte er, dass er dieses Wunder noch an diesem Tag vollbringen würde.
Der Dichter sah die Sache natürlich anders. Er wollte nichts hören von bunten Mengen, bei deren Anblick allen schwindlig werden würde. Er ging sogar so weit, dass der Direktor, das wogende und ineinander verflochtene Gedränge verdecken sollte, dass sie alle gegen ihren Willen in einen Strudel ziehen würde. Er zog es vor, in die Stille und Enge des Himmels entführt zu werden, denn nur dort konnte in dem Dichter die Freude wachsen und nur dort konnte er mit Hingabe, Liebe und Freundschaft das Glück, das die Herzen berührte, durch die Hand Gottes erschaffen und vermehren. Nur was dort im tiefen Herzen entstand und daraus hervorbrach, das was Lippen geflüstert hatten, egal ob es nun misslungen oder gelungen war, konnte die Macht des glühenden Augenblicks verschlingen. Nicht selten brauchte es Jahre, bis etwas in seiner vollendeten Gestalt erschien. Alles, was glänzte und schimmerte, war für den Augenblick geboren, nur das Echte würde für die Nachwelt erhalten bleiben.
Die lustige Person, die bisher schweigend daneben gestanden hatte, meinte, dass sie wahrscheinlich nichts von der Nachwelt hören würde. Aber wenn sie schon von der Nachwelt sprechen würden, was war mit der Mitwelt? Wer brachte ihr genau den Spaß, den sie haben wollte und den sie auch verdienen würde? Es wäre doch ein Anfang, die Sache mit der Anwesenheit eines braven Kindes zu vergleichen. Schließlich würde sich die Stimme der Zuhörer nie gegen jemanden erheben, der sich für ihre Ohren gefällig ausdrückte. Der Direktor wollte ein breites Publikum begeistern. Es sprach nichts dagegen, dass ihm der Dichter den Wunsch erfüllen würde. Er konnte doch der Fantasie, mit Chören, Vernunft, Verstand, Empfindungen und Leidenschaften, aber nicht ohne Verrücktheiten und Humor, eine Stimme geben.
Wichtig war, dass im Stück genug passieren würde, brachte sich der Direktor wieder ein. Die Leute kamen schließlich, um etwas zu sehen. Wenn sich auf der Bühne vor den Augen der Zuschauer viel ereignete und die Menge mit aufgerissenen Mündern staunend dasaß, konnte man die breite Masse leicht gewinnen und man würde von allen Seiten geliebt werden. Die Masse war eben nur durch Masse zu gewinnen, da sich jeder selbst etwas herauspicken konnte. Wer viel bot, hatte für jeden etwas Passendes im Petto und alle würden das Theater zufrieden verlassen. Mit anderen Worten, man gab nicht ein einzelnes Stück, sondern gleich mehrere auf einmal. Und genau das war die Mischung, die dem Dichter gelingen musste. Kost, die so leicht war, dass sie fantasievoll schwebte. Außerdem war es sowieso sinnlos nur ein Ganzes zu bringen, das das Publikum sowieso auseinandernehmen würde.
Dieses verachtenswerte Verhalten war dem Dichter zuwider, da es einem echten Künstler nicht gerecht wurde. Wie konnte nur so ein Pfusch für den Direktor das Wichtigste sein? Dieser Vorwurf ließ den Direktor kalt. Ein Mann, der viel erreichen wollte, musste eben zum passenden Werkzeug greifen. Der Dichter sollte sich nicht so aufspielen. Er hatte doch nur weiches Holz zu hacken. Den einen trieb die Langeweile ins Theater, der andere kam satt von einem üppigen Essen. Und die schlimmste Sorte von allen war die, die gerade erst ein Buch zur Seite gelegt hatte. Alle kamen zerstreut und waren mit ihren Gedanken ganz wo anders. Fast so als würden sie voller Neugierde auf einen Maskenball gehen. Die Frauen kamen aufgedonnert und sehen und gesehen werden, stand über allem. Sie gaben ihr eigenes Schauspiel zum Besten und das sogar ohne Gage. Abgesehen davon, wovon träumte der Dichter da oben in luftiger Höhe? Von einem vollen Haus. Seine Sponsoren waren sowieso nur kalt und primitiv. Der eine hoffte auf ein Kartenspiel nach dem Theater und der andere auf eine wilde Nacht mit einer Frau. Wozu sich und die Musen plagen? Der Direktor war davon überzeugt, dass sich der Dichter, wenn er mehr und immer immer mehr schreiben würde, sich auf seinem Weg bis ins Ziel nicht verirren konnte. Es war nicht einfach, die Leute zufrieden zu stellen. Es lag am Dichter selbst, ob er Begeisterung oder Schmerzen wollte.
„Weißt du was, spie der Dichter dem Direktor entgegen, „such dir einen anderen Lakai. Ich soll wegen dir das höchste Gebot, ein Menschenrecht, das ich von Natur aus habe, schmählich verraten? Wie bewegt der Dichter die Herzen der Menschen? Womit kann er alle Elemente besiegen? Mit der Harmonie, die aus seiner Seele kommt und mit der sein Herz die Welt wieder aufnimmt. Wenn das Leben den unendlich langen Faden, ungerührt auf eine Spindel zwingt und dreht, wenn alles, was nicht zusammen gehört unharmonisch durcheinander klingt, wer bringt sie wieder in eine fließende Reihe, so dass sie rhythmisch zusammen klingen? Wer erhebt das Einzelne zur höchsten Allgemeinheit, wo es dann in herrlichen Akkorden schwingt und wer lässt den Sturm der Leidenschaft toben, das Abendrot im tiefen Sinn erglühen? Wer streut der Geliebten schöne Frühlingsblumen auf den Weg? Wer flicht grüne Blätter, die unbedeutend zu sein scheinen, zu einem Ehrenkranz für welchen Verdienst auch immer? Wer sichert den Olymp und vereint die Götter? Die Kraft der Menschen wird nun einmal nur durch den Dichter offensichtlich.
Die lustige Person versuchte zu vermitteln. Denn wenn der Dichter all diese schönen Kräfte brauchte, dann könnte er doch an das Geschäft des Dichtens, wie an ein Liebesabenteuer herangehen. Man traf sich zufällig, Gefühle begannen sich zu regen, man blieb und nach und nach verwoben sich die Gemüter. Zuerst wuchs das Glück, dann wurde es hinterfragt. Zuerst war man entzückt, dann gesellte